Langes 19. Jahrhundert

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Art des Ereignisses
Datum von 1790
Datum bis 1918
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| Inhalt:

  1. #Bevölkerung – Sozialstruktur – Lebensumstände
  2. #Stadterweiterung – Bautätigkeit – Stadtbild
  3. #Krieg und Frieden – Aufstände und Revolten – Politische Partizipation
  4. #Technik – Wissenschaft – Bildung
  5. Literatur

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Wien im langen 19. Jahrhundert

Bevölkerung – Sozialstruktur – Lebensumstände 1 Weiterführende Beiträge 3 Quellen (Auswahl) 4 Stadterweiterung – Bautätigkeit – Stadtbild 4 Weiterführende Beiträge 6 Quellen (Auswahl) 6 Krieg und Frieden – Aufstände und Revolten – Politische Partizipation 6 Weiterführende Beiträge 9 Quellen (Auswahl) 9 Technik und Wissenschaft (Expeditionen, medizinische Forschung, Weltausstellung…) 10 Naturerscheinungen und –katastrophen (Hochwasser, Sonnenfinsternis) 12 Kulturelles Leben – Literatur (zahlreiche Nachlässe in Wienbibliothek) 13 Literatur: 14 Noch einzubauen? 14 Literatur 14


Bevölkerung – Sozialstruktur – Lebensumstände

Wien war im 19. Jahrhundert von einem enormen Bevölkerungswachstum geprägt. Zählte die Stadt samt Vorstädte um 1800 rund 6.600 Häuser und circa 230.000 Einwohnerinnen und Einwohner, lebten um 1910 rund zwei Millionen Menschen in Wien. Dieser starke Zuwachs setzte um 1820 ein und ist vor allem auf eine kontinuierliche Zuwanderung, primär aus den böhmischen Ländern, zurückzuführen. Unter den Migrantinnen und Migranten waren zahlreiche Dienstbotinnen und Dienstboten, Handwerksgesellen und ungelernte Lohnarbeiterinnen und Lohnarbeiter, die sich in der Residenzstadt eine Anstellung erhofften. Die Aufhebung der Grundherrschaft 1848, die im Staatsgrundgesetz 1867 verankerte Bewegungsfreiheit und Infrastrukturmaßnahmen, wie die Eröffnung der ersten Eisenbahnstrecken, beförderten die Mobilität. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts trug ein leichter Geburtenüberschuss zum Bevölkerungswachstum bei. Die Säuglings- und Kleinkindsterblichkeit war bis in die 1860er Jahre hoch und zahlreiche Krankheiten, wie Typhus, Cholera, Pocken und vor allem die als "Wiener Krankheit" bezeichnete Tuberkulose, führten dazu, dass die durchschnittliche Lebenserwartung im Vergleich zur Frühen Neuzeit kaum anstieg. Allein die Cholera, die 1830 erstmals in Europa auftrat, führte in Wien zu mehreren schweren Epidemien, die rund 18.000 Menschen das Leben kosteten. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts führten Maßnahmen der "Städteassanierung" zu besseren hygienischen Verhältnissen und einem Rückgang der Mortalität.

Im 19. Jahrhundert wuchs das obrigkeitliche Interesse an der Bevölkerungsentwicklung und -zusammensetzung. Nach einem als unzureichend erachteten ersten Versuch 1857 wurden 1869 und ab 1880 alle zehn Jahre (bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs) Volkszählungen nach dem Volkszählungsgesetzt von 1869 durchgeführt, um die Einwohnerinnen und Einwohner systematisch zu erfassen. Die Möglichkeiten eine Ehe einzugehen, einen Hausstand zu gründen und legitim Kinder in die Welt zu setzen, waren reglementiert. Bis in das zweite Drittel des 19. Jahrhunderts war es nur privilegierten Bevölkerungsgruppen, wie beispielsweise Angehörigen des Adels, Beamten, Haus- und Gutsbesitzern gestattet, ohne Einholen eines Ehekonsenses zu heiraten. Alle anderen benötigten bis 1868 eine behördliche Genehmigung durch den Magistrat oder die zuständige Grund- und Ortsobrigkeit, die nicht immer ohne weiteres zu erwirken war. Um die Zuständigkeit in Eheangelegenheiten entwickelte sich ein regelrechtes Tauziehen. War die Ehe im Josephinischen Ehepatent von 1783 als ein "bürgerlicher Vertrag" bezeichnet und die Ehegerichtsbarkeit von den kirchlichen an die weltlichen Behörden übertragen worden, fielen die Eheagenden mit dem Konkordat von 1855 neuerlich in den Bereich der kirchlichen Jurisdiktion. Erst nachdem in Folge des Staatsgrundgesetzes 1867 das Konkordat durch die im Reichsrat 1868 beschlossenen "Maigesetze" sistiert worden war, fiel die katholische Ehegerichtsbarkeit wieder den weltlichen Gerichten zu. Erstmals konnten nun – unter bestimmten Voraussetzungen –Ehen auch vor der politischen Bezirksbehörde geschlossen werden. Am 12. September 1870 wurde in Wien die erste dieser sogenannten Notzivilehen durch Bürgermeister Cajetan Felder geschlossen. Trotz oder gerade wegen dieser restriktiven Heiratspolitik waren ledige Mütter und unehelich geborene Kinder keine Seltenheit. Um 1850 lag die Illegitimitätsrate in Wien bei rund 50 Prozent. Die Kindersterblichkeit bei unehelich geborenen Kindern war überdurchschnittlich hoch und ledige Mütter sozial stigmatisiert. Um 1850 nahm das Wiener Findelhaus rund 20 bis 30 Kinder täglich auf, was ungefähr einem Drittel aller Geburten in Wien entsprach. Circa 80 Prozent der ins Findelhaus abgegebenen Kinder überlebten nicht; die meisten von ihnen starben noch im ersten Lebensjahr. Die Familienformen im 19. Jahrhundert waren vielfältig. In adeligen und großbürgerlichen Haushalten lebten Familie und Dienerschaft üblicherweise in einem patriarchalisch und hierarchisch streng strukturierten Sozialgefüge zumeist unter einem Dach. Im Beamtenhaushalt und bei wohlhabenden Handwerkern bildete sich eine Trennung zwischen Arbeitsplatz und Privatsphäre, männlichen und weiblichen Aufgabenbereichen heraus, die die Tätigkeiten der Ehefrau zunehmend auf den Bereich des Hauses, die Haushaltsführung und Kindererziehung einschränkte. Auf das Gros der städtischen Bevölkerung trafen diese Lebensformen allerdings nicht zu. Zusätzlich zur nicht entlohnten, arbeitsintensiven Hausarbeit waren viele Frauen erwerbstätig. Sie waren oftmals im Niedriglohnsektor beschäftigt, arbeiteten im Verkauf, als Dienstbotinnen, Lohnarbeiterinnen, im Gast- und Reinigungsgewerbe oder in der Textil- und Bekleidungsindustrie. Besonders im Bereich der Bekleidungsindustrie war die Heimarbeit sehr verbreitet, bei der alle Familienmitglieder – auch Kinder – mitarbeiteten und damit zum Lebensunterhalt beitrugen. Um 1870 gingen rund 47 Prozent aller Wienerinnen im erwerbsfähigen Alter einem Beruf nach. Die Lebensverhältnisse waren beengt, die Aufnahme von Untermietern und Bettgehern oft die einzige Möglichkeit, finanziell das Auslangen zu finden. Kinderarbeit war weit verbreitet, diesbezügliche Einschränkungen in der Gewerbeordnung oder Kinderschutzgesetze änderten an der Lebensrealität nur wenig. Für die zahlreichen Waisen wurden ab den 1860er Jahren städtische Waisenhäuser errichtet. Aufbauend auf die Theresianische Schulordnung von 1774 wurde 1869 das Reichsvolksschulgesetz verabschiedet, das eine achtjährige allgemeine Schulbildung vorsah. Das Wien des 19. Jahrhunderts war eine Stadt der Gegensätze. Während der Adel und das aufsteigende Großbürgertum in Wohlstand lebten, kämpften die mittelständischen Gewerbetreibenden gegen den sozialen Abstieg und der Großteil der Bevölkerung ums tägliche Überleben. 1840 gehörten 0,7 Prozent der heimatberechtigten Männer der Geistlichkeit an und 3,5 Prozent dem Adel. 5,7 Prozent zählten zu den sogenannten "Honoratioren" (Bildungsbürger, Beamte). Elf Prozent waren Künstler oder Gewerbeinhaber. Mit 79 Prozent gehörte der überwiegende Teil zu den Unselbständigen, die oftmals unter schwierigsten Verhältnissen ihr Dasein fristeten. Massenelend gehörte zum Alltag. Bereits zu Beginn des Jahrhunderts hatte Franz I. eine "Wohltätigkeits-Hofkommission" installiert und den Hamburger Sozialreformer Caspar Vogth nach Wien geholt, um ein Programm zur Armutsbekämpfung auszuarbeiten, das aus Kostengründen jedoch nur in Ansätzen umgesetzt wurde. 1801/1802 eröffnete die erste von mehreren Suppenanstalten, in denen die sogenannte Rumfordsuppe ausgegeben wurde. Da Armut von obrigkeitlicher Seite häufig als selbstverschuldet, als ein Mangel an Disziplin und Arbeitswille wahrgenommen wurde, zählten auch "Zwangs- und Besserungsanstalten" zu den als adäquat erachteten Mitteln der Armutsbekämpfung. Im Oktober 1804 wurde – gemäß den "Reformplänen" von Vogth – im ehemaligen Karmeliterkloster auf der Laimgrube eine solche "Arbeitsanstalt" eröffnet. Die von ihm vorgeschlagenen Armenwohnungen blieben unrealisiert. Ab 1842 war in Wien der Magistrat für das Armenwesen und die damit verbundenen Kosten zuständig. Neben öffentlichen Einrichtungen gab es zahlreiche kirchliche Institutionen und private Wohltätigkeitsvereine zur Unterstützung von Armen.

Im Verlauf des 19. Jahrhunderts kam es zur sukzessiven Ausweitung der Religionsfreiheit und mit dem Staatsgrundgesetz 1867 zur rechtlichen Gleichstellung der gesetzlich anerkannten Kirchen und Religionsgemeinschaften. Der jüdischen Bevölkerung wurde dadurch der Erwerb von Grundbesitz und politische Partizipation ermöglicht. Davor waren viele Juden zum Katholizismus übergetreten, um dieselben Rechte wie ihre katholischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu erlangen. Die jüdische Bevölkerung Wiens war äußerst heterogen. Die Bandbreite erstreckte sich von jenen, die in bitterer Armut lebten, bis hin zu den wohlhabenden adeligen jüdischen Familien der Hochfinanz, von den Traditionalisten zu den Fortschrittlich-Liberalen. Das aufstrebende jüdische Großbürgertum prägte vor allem das Wien des ausgehenden 19. Jahrhunderts maßgeblich mit, sei es in der Salonkultur, dem Ringstraßenbau oder auf dem Gebiet der Wissenschaft.

Weiterführende Beiträge

Bevölkerungsentwicklung 1783-1939, Bevölkerung, Zuwanderung und Nationalität 1880-2001, Erste Hochquellenleitung, Zweite Hochquellenleitung, Kanalisation, Cholera, Cholerakanäle, Cholerakreuz, Miasmentheorie, Tuberkulose, Biedermeier, Vormärz, Neoabsolutismus Konfessionelle Gliederung der Bevölkerung 1869-2001

Quellen (Auswahl)

  • Wienbibliothek digital: Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien. Hg. vom Magistrat der Stadt Wien. Wien 1885–
  • Anton Wintersperger: Anleitung zur Volkszählung im Jahre 1881. Enthaltend die Vorschriften vom 29. März 1869. Wien: J. Bretzner 1880
  • ANNO: Die erste Zivilehe in Wien. In: Gemeinde-Zeitung, 07.09.1870, S. 4
  • Karl Weiss: Geschichte der öffentlichen Anstalten, Fonde und Stiftungen für die Armenversorgung in Wien. Wien: W. Braumüller 1867
  • Absolute und relative Bevölkerung in Österreich-Ungarn nach der Volkszählung vom Jahre 1857. Wien 1857 [WBR, Sign.: B-255563]
  • Kundmachung wegen den Beginn der Volkszählung im Amtsbezirke Sechshaus. Wien: Hof- u. Staatsdruckerei 1857 [WBR, Sign.: E-69753]
  • Andreas Haidinger: Das wohlthätige und gemeinnützige Wien. Eine ausführliche Beschreibung der in der k. k. Haupt- und Residenzstadt zum allgemeinen Besten bestehenden öffentlichen und Privat-Anstalten. Ein nützliches Auskunfts- und Nachschlagebuch. Wien: A. Pichler 1844
  • Theodor Jurié: Skizzierte Betrachtungen über das Armenwesen und seine Einrichtung. Wien: L. Grund 1839

Stadterweiterung – Bautätigkeit – Stadtbild

Im 19. Jahrhundert erfuhr Wien die Ausdehnung auf ihre heutigen Stadtgrenzen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts war das Stadtgebiet auf den Bereich innerhalb der Stadtbefestigung beschränkt. 1850 wurden die 34 Vorstädte im Bereich zwischen Glacis und Linienwall eingemeindet und in die Bezirke 2 bis 9 gegliedert. Noch bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es hier landwirtschaftlich genutzte Flächen, beispielsweise Gemüsegärten, die der Nahversorgung dienten. Aber auch zahlreiche Fabriken hatten sich bereits angesiedelt, Gewerbe und Manufakturen ließen sich in diesem Bereich nieder, freie Flächen wurden rasch parzelliert und verbaut. 1892 wurde die Eingemeindung der außerhalb des Linienwalls gelegenen Vororte vollzogen, die bis 1848 verschiedenen Orts- und Grundherrschaften unterstanden hatten und danach niederösterreichische Gemeinden bildeten. Diese Entwicklung ging mit dem rasanten Anstieg der Bevölkerungszahlen einher. Doch nicht nur der Wohnraum wurde im Verlauf des 19. Jahrhunderts knapp, auch die Kommunalfriedhöfe platzten aus allen Nähten. 1866 beschloss der Gemeinderat die Anlage des Zentralfriedhofs, der 1874 eröffnet wurde.

Die Altstadt, mit dem Regierungssitz und seinen Verwaltungseinrichtungen, war auch das Wirtschafts- und Einzelhandelszentrum. Das erste Warenhaus, das Haashaus, eröffnete 1865. Neben dem Adel, der in seinen Palais lebte, wohnten in der inneren Stadt vorwiegend wohlhabende bürgerliche Großhändler und hohe Beamte. Für sie wurden Großwohnungen in klassizistischen Zinshäusern errichtet, wie sie beispielsweise von Josef Kornhäusel entworfen wurden. Ab den 1860er Jahren prägten die Bauten der Ringstraße das Stadtbild. Im Dezember 1857 erließ Kaiser Franz Joseph I. den Befehl, die Stadtbefestigung zu schleifen und an ihrer Stelle die Ringstraße zu errichte. Bereits seit dem 18. Jahrhundert hatte das vorgelagerte Glacis als "Esplanade" primär der Naherholung gedient. Mit der Besetzung Wiens durch die Franzosen in den Jahren 1805 und 1809 war deutlich geworden, dass die Befestigung ihre eigentliche Funktion nicht länger erfüllte. Dem Bau der Ringstraße ging ein Wettbewerb voraus. Die Finanzierung der öffentlichen Bauten wurde von einem zu diesem Zweck eingerichteten Stadterweiterungsfonds getragen. Neben öffentlichen Gebäuden entstanden auch zahlreiche Prunkbauten Privater, die der bürgerlichen Selbstdarstellung dienten. Wer es sich leisten konnte, bezog nun eine der "Nobeladressen" am Ring. Die mittelständische Bevölkerung wurde vielfach in die ehemaligen Vorstädte verdrängt, in den Vororten bildeten sich Arbeitersiedlungen; in den Randbereichen blieben landwirtschaftliche Strukturen erhalten. Das Gros der Bevölkerung lebte in Proletarierwohnungen, über deren Ausstattung wenig bekannt ist. Die meisten Tagelöhner und Hilfsarbeiter wohnten in den Vororten, wo keine Linien-Verzehrungssteuer zu entrichten war. Dennoch konnten sich viele von ihnen keine eigene Mietwohnung leisten und musst als Bettgeher unterkommen. Nicht selten dienten tagsüber gewerblich genutzte Räume nachts als Schlafstätten für Lehrlinge, Gesellen und DienstbotInnen.

Auf mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bestimmungen, wie beispielsweise Feuerordnungen, fußend, wurden erstmals [Bauordnung]]en erlassen. Diese reglementierten zunehmend wie und mit welchen Materialien gebaut werden durfte. Sie enthielten beispielsweise Angaben bezüglich der Mindestbreite für Stiegen oder der maximal zugelassenen Gebäudehöhe. Die Bauordnung von 1829 schrieb vor, dass alle Gebäude an einen Kommunalkanal angeschlossen werden mussten. Die Zuständigkeit für Bauangelegenheiten fiel in das Unterkammeramt, das ab 1849 die Bezeichnung Städtisches Bauamt trug.

Doch nicht nur die rege Bautätigkeit veränderte das Aussehen der Stadt grundlegend. Seit 1862 existiert das von Michael Winkler entwickelte und noch heute gebräuchliche System der Nummerierung der Häuser mittels Orientierungsnummer. Parallel dazu wurde das Aussehen der Straßentafeln normiert. Bereits ab 1826 führte eine systematische Straßenpflasterung mit würfelförmigen Granitsteinen dazu, dass die Straßen besser gereinigt werden konnten. Diese Tätigkeit wurde zunächst von Tagelöhnern ausgeführt, gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde eine von der Stadtverwaltung organisierte Straßenreinigung und Hausmüllentsorgung etabliert.

Weiterführende Beiträge

Straßenbeleuchtung und Straßenbelag 1860, Private Gaswerke, Wasserversorgung, Wasserversorgung und Kanalisation 1739-1860, Eduard Suess, Kanalisation im 19. Jahrhundert Michael Winkler Betriebsstättenverteilung 1852-1944 Mit den Basteien in Verbindung stehende Gebäude (1858)

Quellen (Auswahl)


Krieg und Frieden – Aufstände und Revolten – Politische Partizipation

1804 erhob Franz II. (I.) Österreich zum Kaisertum, um weiterhin mit Napoleon ebenbürtig zu sein. 1806 musste er unter dem Druck Napoleons die römisch-deutsche Kaiserwürde niederlegen, wodurch Wien seine jahrhundertlange Stellung als Residenzstadt des Oberhaupts des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verlor. Im Zuge des dritten und vierten Koalitionskriegs wurde Wien 1805 und 1809 von den französischen Truppen besetzt. War die Stadt 1805 kampflos übergeben worden, um sie vor der Zerstörung zu bewahren, wurde 1809 die Bevölkerung als Landwehr mobilisiert. Zu deren prominenten Mitgliedern zählte beispielsweise Franz Grillparzer, der als Angehöriger des Studentenkorps die Stadt verteidigte. Während den Besetzungen residierte Napoleon in Schloss Schönbrunn; die Wiener Bevölkerung litt unter der Einquartierung und Verpflegung der französischen Soldaten. Immer wieder kam es zu Lebensmittelengpässen, was mitunter in [[Bäckerrummel|Volksaufständen] resultierte, und auch der Steuerdruck stieg. Während der zweiten Besetzung brachte die Schlacht bei Aspern die erhoffte Wende, als unter der Führung von Erzherzog Carl der französischen Armee erstmals eine Niederlage zugefügt werden konnte. Am 14. Oktober 1809 wurde der Friede von Schönbrunn geschlossen. Nur einen Tag zuvor hatte der 17jährige Friedrich Staps in Schönbrunn einen Attentatsversuch auf Napoleon verübt, für den er hingerichtet wurde. Als die Besatzer wenige Tage später die Stadt verließen, sprengten sie – wohl als Machtdemonstration und Geste der Demütigung – Teile der alten Stadtbefestigung. Die Kosten der verlorenen Kriege und der Besatzung führten zum Staatsbankrott von 1811. Zahlreiche zeitgenössische Autorinnen und Autoren, wie beispielsweise die Schriftstellerin Karoline Pichler in ihren "Denkwürdigkeiten aus meinem Leben", nahmen in ihren Werken Bezug auf die Franzosenzeit. Die napoleonischen Kriege machten eine Neuordnung Europas nötig, die auf dem Wiener Kongress (1814/1815) geschaffen werden sollte. Der Kongress war ein politisches und gesellschaftliches Großereignis, das in Summe rund 30.000 Gäste nach Wien brachte. Vertreter von rund 200 Staaten, Fürstentümern und Städten tagten in unterschiedlich besetzten Konferenzen und Kommissionen; nur einmal – zum feierlichen Abschluss – trat der Kongress im Plenum zusammen. Zahlreiche Veranstaltungen, wie musikalische Aufführungen, Feuerwerke, Volksfeste und Bälle, fanden am Rande des offiziellen Programms statt. Bezeichnend für den Event-Charakter des Kongresses ist die Fürst de Ligne zugeschriebene Aussage "Der Kongress kommt nicht vorwärts, er tanzt". Die als Vormärz bezeichnete politische Periode, war in erster Linie durch das Wirken von Staatskanzler Fürst Metternich, Josef Sedlnitzky von Choltic (Präsident der obersten Polizei- und Zensurhofstelle) und Kaiser Franz I. geprägt. Der Kaiser regierte im Verständnis eines absoluten Monarchen, in dessen Händen sämtliche Fäden der Staatsverwaltung zusammenlaufen sollten. Liberale Strömungen wurden unterdrückt, das bereits bestehende Zensur- und Spitzelwesen ausgebaut und ein absolutistischer Polizeistaat errichtet. Das Bürgertum, in seiner politischen Mitbestimmung zunehmend eingeschränkt, zog sich ins Private zurück, pflegte die Salonkultur, Hausmusik und literarische Zirkel. Kulturhistorisch wird diese Epoche als Biedermeier bezeichnet wird. Dennoch, trotz strenger Repressionen wurden bürgerlich-liberale Gedanken zirkuliert und verbotene Bücher, wie beispielsweise Karl Mörings "Sibyllinische Bücher aus Österreich", gelesen. Im Frühjahr 1848 wurde Wien, wie zuvor schon andere Städte Europas, von der Revolutionsbewegung erfasst. Am 13. März kam es zu einer Demonstration in der Innenstadt, bei der die versammelten Studenten und Bürgerinnen und Bürger unter anderem die Aufhebung der Zensur, eine Konstitution und politische Partizipation forderten. Parallel dazu versammelten sich in den Vorstädten HandwerkerInnen und ArbeiterInnen, die gegen Lebensmittelknappheit, Arbeitslosigkeit und hohe Löhne protestieren. Als die Kundgebung in der Innenstadt auf Befehl des Stadtkommandanten Erzherzog Albrechts mit Waffengewalt niedergeschlagen wurde, kam es zu den ersten Todesopfern der Revolution. Noch am selben Abend musste Metternich seinen Rücktritt erklären und eine Nationalgarde wurde eingerichtet. Als Folge dieser so genannten Märzrevolution wurde die Pressefreiheit eingeführt und eine Konstitution zugesagt, welche am 25. April 1848 erlassen wurde (Pillersdorf'sche Verfassung). Da vor allem die Wahlordnung – das Zensuswahlrecht schloss weite Bevölkerungsgruppen weiterhin aus – vielen nicht weit genug ging, kam es im Mai zu neuerlichen Aufständen; bis in den Herbst hinein flackerten die Unruhen immer wieder auf. Ende Mai / Anfang Juni fanden die Wahlen zum konstituierenden Reichstag, der ersten gewählten Volksvertretung des Kaisertum Österreichs statt. Der im Juli zusammengetretene Reichstag wurde mit der Ausarbeitung einer Verfassung betraut; im September 1848 hob er die bäuerliche Grunduntertänigkeit und die Patrimonialgerichtsbarkeit auf. Wenig später, Anfang Oktober, wurde die letzte Phase der Revolution eingeläutet. Anlass für den am 6. Oktober beginnenden Aufstand war die Solidarisierung der Wiener Revolutionäre mit Gleichgesinnten in Ungarn, weshalb sie den Abmarsch der kaiserlichen Truppen nach Ungarn zu verhindern suchten. Es kam zu Straßenkämpfen in Wien; der Kriegsminister Theodor von Latour wurde von der aufgebrachten Menge gelyncht. Daraufhin flüchtete der Hof nach Olmütz und der Reichstag wurde nach Kremsier verlegt. Für kurze Zeit befand sich die Stadt in der Hand der Revolutionäre, doch unter der Führung von Alfred I. zu Windisch-Graetz wurde Wien ab 26. Oktober beschossen und am 31. Oktober rückerobert. In den blutigen Kämpfen ließen hunderte Menschen, darunter viele Arbeiterinnen und Arbeiter, ihr Leben. Zahlreiche Revolutionäre wurden verhaftetet, einige, darunter Alfred Julius Becher wurden verurteilt und standrechtlich erschossen. Wiederum andere, wie beispielsweise Bechers Lebensgefährtin Karoline Perin-Gradenstein wurden verhaftet und misshandelt, kamen allerdings mit dem Leben davon. Auf die Niederschlagung der Revolution folgte eine Phase der Restauration. Das erblühte Vereinsleben kam zum Stillstand, da politische Ziele nicht länger verfolgt werden durften. Die Thronbesteigung Kaiser Franz Josephs am 2. Dezember 1848 markiert den Beginn der [[neoabsolutistischen Ära. Der Reichstag in Kremsier wurde auflöste, der von ihm erarbeitete Verfassungsentwurf trat nie in Kraft. Stattdessen erließ Kaiser Franz Joseph I. ohne Mitwirkung des Parlaments im März 1849 eine von Innenminister Graf Stadion ausgearbeitet oktroyierte Verfassung, die allerdings bereits durch das Silvesterpatent 1851 wieder aufgehoben wurde. Die Pressefreiheit wurde damit erneut abgeschafft und die Zensur wieder eingeführt. An die Stelle des Reichstags als Volksvertretung trat ein als Reichsrat bezeichnetes Beratungsgremium (erst ab 1861 ist unter Reichsrat die parlamentarische Vertretung für die Monarchie zu verstehen). Militärische und politische Niederlagen zwangen Kaiser Franz Joseph jedoch bald zu Zugeständnissen. Mit dem Oktoberdiplom 1860 und dem Februarpatent 1861 vollzog sich die Wende zum Verfassungsstaat. Mit der Dezemberverfassung von 1867, eine übergreifende Bezeichnung für die fünf Staatsgrundgesetze und das so genannte Delegationsgesetz über den österreichisch-ungarischen Ausgleich, erhielten die österreichischen Länder ein Verfassungsgesetz, das bis zum Ende der Monarchie in Kraft blieb.

Zu den wenigen nachhaltigen Errungenschaften der Revolution 1848 zählen die Aufhebung der bäuerlichen Grunduntertänigkeit und der Patrimonialgerichtsbarkeit sowie die Gründung eines gewählten Gemeinderats, dessen Bedeutung in der neoabsolutistischen Phase allerdings äußerst gering war. Das am 17. März von Innenminister Graf Stadion erlassene provisorische Gemeindegesetz und die darauf aufbauende Provisorische Gemeindeordnung von 1850 bilden die Grundlage der Wiener Stadtverfassung. Durch das Ende der Grundherrschaft und die Gemeindeordnung von 1850 wurden die Altstadt und die Vorstädte zu einem einheitlichen Verwaltungsgebiet vereint und dem Magistrat der Stadt Wien unterstellt. Als Folge der gescheiterten Revolution wurden das Arsenal, die Rossauer Kaserne sowie die Franz-Joseph-Kaserne als "Defensionskasernen" errichtet. Hingewiesen sei auf die aktive Teilnahme von Frauen während aller Phasen der Revolution. Sie forderten Gleichberechtigung, Bildung und ihr Recht auf politische Partizipation. Mit dem am 28. August 1848 von Karoline von Perin-Gradenstein gegründeten Wiener demokratischen Frauenverein entstand der vermutlich erste politische Frauenverein Österreichs. Frauen beteiligten sich am Barrikadenbau ebenso wie an den Aufständen und fanden sich unter den Verletzten und Todesopfern. So war beispielsweise eine Lohnkürzung der ohnehin schlecht bezahlten, mit Notstandsarbeiten beschäftigten Erdarbeiterinnen der Auslöser für die blutige Praterschlacht am 23. August 1848.

In dieser politisch turbulenten Ära, die von Krieg, Besatzung, der Revolution und dem Wechselspiel zwischen Absolutismus und Konstitutionalismus geprägt war, fanden zahlreiche weitere Veränderungen statt, die den Alltag der Wiener Bevölkerung maßgeblich beeinflussten. Die politischen Umwälzungen gingen häufig mit einer wirtschaftlichen Destabilisierung und Währungsschwankungen einher. Es kam zur Einführung neuer Währungen, wie beispielsweise der Wiener Währung, zur Ausgabe von Antizipationsscheinen sowie zur der Gründung der Oesterreichischen Nationalbank. Ende des Jahrhunderts erfolgte die Umstellung von Gulden auf die Kronenwährung.


Weiterführende Beiträge

Franzosen, Franzosengrabe, Franzosenweg, Tellgasse, Clemens Wenzel Lothar Metternich Friede von Pressburg Friedrich von Gentz Schusterrevolte


Quellen (Auswahl)

  • Wienbibliothek im Rathaus: Sammelschwerpunkt und Teilnachlass Friedrich von Gentz (Berater und Vertrauter Metternichs, Protokollführer am Wiener Kongress).
  • Wienbibliothek digital: Verzeichnis der Teilnehmer zum Wiener Kongress
  • Matthias Franz Perth: Tage-Buch XIX. Begebenheiten meines Lebens nebst andern Merkwürdigkeiten, vom 7. April bis 12. May 1809
  • Ferdinand von Bissingen und Nippenburg: Anordnung an die Bewohner Wiens, anläßlich des Geburtstages von Napoleon abends die Häuser zu beleuchten, 14.08.1809
  • Karl Möring: Sibyllinische Bücher aus Österreich. Hamburg: Hoffmann und Campe 1848
  • Carl Johann Friedrich Schulz: Friedrich Staps. Eine Biographie aus den hinterlassenen Papieren seines Vaters M.Fr. Gottl. Staps. Berlin: Adolf & Co. 1843
  • Caroline Pichler: Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. Wien: A. Pichler's Witwe 1844
  • Wiener Zeitschrift für Kunst, Literatur, Theater und Mode. Tagsblatt für die gebildete Lesewelt. Wien: Strauß's sel. Witwe / Wien: Gerold [1816–1849]
  • Wienbibliothek digital: Flugschriften zur Revolution 1848. Rund 5.000 Stück umfassende Revolutionaria-Sammlung, welche sich aus Amtsdruckschriften, kaiserlichen Patenten, Revolutionsliedern, Pamphleten, agitatorischen Schriften und Abbildungen zusammensetzt
  • [https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/content/pageview/1979348 Gleichstellung aller Rechte der Männer mit den Frauen; oder: Die Frauen als Wähler, Deputirte und Volksvertreter

Ferdinand, I., Österreich, Kaiser, 1793-1875 [AdressatIn] Wien, Gedruckt in der Josephstadt, Langegasse Nr. 58 [i.e. Johann Nepomuk Fridrich], 1848 1848]

Technik – Wissenschaft – Bildung

Neue technische Entwicklungen und medizinische Erkenntnisse führten im Verlauf des 19. Jahrhunderts zu grundlegenden Veränderungen, die den Charakter der Stadt und viele Bereiche des täglichen Lebens veränderten. Ab 1818 wurde die öffentliche Straßenbeleuchtung auf Gaslaternen umgestellt, in den späten 1870er Jahren wurden öffentliche Bereich der Stadt erstmals elektrisch beleuchtet. 1834 wurde die erste Gasrohrleitung verlegt. Grundlegend veränderte sich die Wasserversorgung der Stadt: An die Stelle der Hausbrunnen, deren Wasserqualität äußert mangelhaft war und ein Gesundheitsrisiko darstellten, trat ein verzweigtes Netz von Wasserleitungen. 1841 nahm die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung ihren Betrieb auf, 1873 wurde die Hochquellenwasserleitung eröffnet. Zu den Maßnahmen der "Städteassanierung, deren Ziel die Verbesserung der hygienischen Verhältnisse war, zählte neben der Versorgung der Bevölkerung mit sauberem Trinkwasser auch die Modernisierung der Kanalisation. Nicht zuletzt aufgrund des Ausbruchs der Cholera 1831 wurde das Wiener Kanalisationsnetzt in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts systematisch ausgebaut. Im Kontext der Herstellung gesunder Wohn- und Bodenverhältnisse sind auch die im 19. Jahrhundert geplanten und/oder umgesetzten Flussregulierungen zu sehen. Viele Bäche, wie der Ottakringer Bach, der Alser Bach oder der Währinger Bach wurden eingewölbt und abgeleitet. 1866 wurde im Gemeinderat die Regulierung der Donau beschlossen, um hinkünftig Überschwemmungen und Cholera Epidemien zu vermeiden. Auch für die Regulierung des Wienflusses gab es zahlreiche Vorschläge.

Die Anfänge der modernen Industriealisierung im Wien der 1830er Jahre waren auf das Engste mit dem Eisenbahnbau verknüpft. 1837 wurde das erste Teilstück der Kaiser-Ferdinand-Nordbahn eröffnet. Der Ausbau der Eisenbahn wurde rasch vorangetrieben und schon bald wurde sie für den Güter- und Personentransport genutzt. Wien entwickelte sich in Folge zu einem Zentrum des Lokomotivbaus. Neben Maschinen- und Werkzeugfabriken zählte die Textilerzeugung traditionell zu den wichtigsten Wirtschaftszweigen. Sie verlor im Laufe des Jahrhunderts allerdings an Bedeutung; stattdessen entwickelte sich eine schnell wachsende Bekleidungsbranche, in der überwiegend Frauen beschäftigt waren. An die Stelle von maßgeschneiderten Waren trat immer öfter die Konfektionsware. Die Wirtschafts- und Arbeitswelt des 19. Jahrhunderts war von Mechanisierung, Massenproduktion und Proletarisierung geprägt. Doch nicht nur technische Errungenschaften, wie etwa der Einsatz von Dampfmaschinen, änderten die Arbeitswelt, indem sie die Produktionsabläufe grundlegend änderten und Tausende Arbeitsplätze vernichteten. Auch die Gewerbeordnung von 1859 führte beispielsweise zu einem Strukturwandel des Gewerbes und beendete im Großen und Ganzen das seit dem Mittelalter bestehende und bis dahin geltende starre Zunftsystem. Von wenigen Ausnahmen abgesehen – nur noch 14 Branchen blieben konzessionspflichtig – wurde die freie Gewerbeausübung zum Grundprinzip und die zahlreichen Zünfte, Gremien und Innungen wurden aufgehoben. An ihre Stelle traten Genossenschaften (mit Pflichtmitgliedschaft für Gewerbetreibenden), die für Auskünfte, Arbeitsvermittlung, Ausbildung sowie die Kranken- und Altersversicherung zuständig waren. Neue Verkehrsmittel beziehungsweise Formen des öffentlichen Verkehrs prägten das Stadtbild. Zunächst wurden Stellwägen, Pferde-[[Omnibus]se, als "Cab" bezeichnete, von Pferden gezogene Personenfuhrwerke und die Pferdetramway für den Personentransport eingesetzt. Erst gegen Ende des Jahrhunderts nahm die elektrifizierte Straßenbahn ihren Betrieb auf. Ab den 1880er Jahren gewannen Fahrräder, die ab 1818 in Wien zu kaufen waren, zunehmend an Bedeutung. 1897 wurden sie formalrechtlich als Verkehrsmittel akzeptiert. Im Gegensatz zum exklusiven Automobil, das um 1900 auftauchte, veränderte das Fahrrad rasch das Mobilitätsverhalten der breiten Schichten. Die Vielzahl der verschiedenen Verkehrsmittel führte immer wieder zu Konflikten im Straßenverkehr und machte die Einführung von Straßenverkehrsregeln notwendig. Die erste Geschwindigkeitsbegrenzung wurde in Wien allerdings lange vor dem Auftauchen von Automobilen, bereits 1819, erlassen und gab vor, dass an stark frequentierten Plätzen nur in Schritttempo gefahren werden durfte. Die Anfänge der Fotografie sind ebenso im 19. Jahrhundert zu verorten, wie jene der Telephonie oder des Kinos – die erste öffentliche Filmvorstellung in Wien fand im März 1896 statt. Die technischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklungen veränderten auch die Geräuschkulisse der wachsenden Großstadt. Lärm und Maßnahmen der Lärmminderung wurden zunehmend öffentlich thematisiert.

Ebenso wie technische Errungenschaften prägten auch Entdeckungen und Expeditionen das 19. Jahrhundert. Exemplarisch genannt seien an dieser Stelle der Expeditionsmaler Thomas Ender, der 1817/1818 an der Österreichischen Expedition nach Brasilien teilnahm und im Zuge der Reise rund 700 Zeichnungen und Aquarelle anfertigte. Auch Johann Natterer unternahm mehrere Forschungsreisen nach Brasilien, von denen er unzählige Exponate nach Wien mitnahm. Die Forschungsreisende und Sammlerin von Naturalien und Ethnographica, Ida Pfeiffer, brach im Mai 1846 zu ihrer ersten Weltreise auf. Von 1857 bis 1859 wurde die von [[Ferdinand Hochstetter (Geologe)|Ferdinand Hochstetter geleitete Novara-Expedition, eine Erdumseglung, durchgeführt. Julius Payer und Karl Weyprecht entdeckten bei ihrer Nordpolexpedition (1872–1874) das "Franz-Josephs-Land". Oskar Lenz leitete die österreichische Kongo-Expedition von 1885 bis 1887, bei der Afrika von Ost nach West durchquert wurde. Die Wiener Bevölkerung wurde nicht nur durch die Berichterstattung in den verschiedensten Printmedien über diese Abenteuer informiert, sondern konnte im Rahmen von Vorträgen und bei Ausstellungen von mitgebrachten Exponaten daran teilhaben.

Zu den bedeutendsten Entwicklungen auf dem Gebiet der Medizin zählt die erstmalige Durchführung von Impfprogrammen gegen Pocken. In Wien gehörte Pasqual Joseph von Ferro zu jenen, die sich für die "Vaccination" stark machten und leistete damit in ganz Europa Pionierarbeit. 1802 wurde in Wien die erste öffentliche Impfung durchgeführt. In der Findelanstalt und im Kinderkrankenhaus wurden Impfstellen eingerichtet. Der Rückgang von Typhus, 1810 von Johann Valentin von Hildenbrand als eigenständiges Krankheitsbild definiert, ist im Erkennen von Zusammenhängen zwischen dem Erreger und verunreinigtem Wasser oder Lebensmittel begründet. Nach Inbetriebnahme der Hochquellenleitung gingen die Krankheitsfälle rapide zurück. Vielfach gingen medizinische Forschung, Städtebau und technische Entwicklung Hand in Hand. So auch beim Kampf gegen die Tuberkulose, die bis ins 20. Jahrhundert hinein eines der größten gesundheitlichen Probleme in Wien darstellte. 1867 ließ sich rund ein Viertel der Todesfälle auf Tuberkulose zurückführen. Das Thema Hygiene gewann an Bedeutung, 1875 wurde an der Universität Wien dafür eine Lehrkanzel geschaffen. Internationale Bekanntheit erlangte die Zweite Wiener Medizinische Schule, die sich ab der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte. Ihre Vertreter, darunter beispielsweise Carl Rokitansky, Joseph Hyrtl, Joseph Škoda und Ferdinand Hebra, traten für eine an den Naturwissenschaften orientierte medizinische Forschungspraxis ein, die auf systematischen Beobachtungen, Experimenten und Logik basieren sollte. Diese evidenzbasierte Forschung sollte sich gegenüber der vorherrschenden religiösen Deutungshoheit durchsetzen. Theodor Billroth setzte auf dem Gebiet der Chirurgie neue Maßstäbe und Ignaz Philipp Semmelweis erkannte in mangelnder Hygiene die Ursache für das grassierende Kindbettfieber. Seine Erkenntnisse wurden allerdings von großen Teilen der Kollegenschaft nicht anerkannt. Die Wiener Weltausstellung 1873 wurde zur Leistungsschau, bei der in 26 Abteilungen und 174 Sektionen Fortschritte im Bereich der Technik, der Landwirtschaft, der handwerklichen, gewerblichen und industriellen Produktion sowie der Kunst mit ungemeinem Aufwand einer breiten Öffentlichkeit präsentiert wurden. Der große Besuchererfolg blieb allerdings aus, wofür der kurz nach der Eröffnung stattfindende Börsenkrach und die letzte große Choleraepidemie in Wien nicht unwesentlich waren.

Frauenbildung wurde zunehmend zum Thema, Frauen setzten sich für den Zugang für höhere Bildung ein. Mädchen durften ab 1878 die Matura als Externistinnen an Knabenschulen ablegen. Der Universitätszugang blieb ihnen aber weiterhin verwehrt. Im Juli 1898 legten erstmals elf Abiturantinnen der vom Verein für erweiterte Frauenbildung in Wien gegründeten gymnasialen Mädchenschule die Matura am Akademischen Gymnasium für Knaben ab. Ab 1897 waren Frauen als ordentliche Hörerinnen an der philosophischen Fakultät zugelassen. Im selben Jahr konnte sich [[Gabriele Possaner von Ehrenthal] als erste Frau in Österreich ihr in der Schweiz abgeschlossenes Medizinstudium nostrifizieren lassen, wobei sie sämtliche Prüfungen noch einmal ablegen musste. 1900 wurde Frauen unter bestimmten Voraussetzungen der Zugang zum Medizinstudium gesetzlich ermöglicht. Sukzessive wurden alle Bereiche der höheren Bildung für Frauen geöffnet.


Weiterführende Beiträge

Quellen (Auswahl)

Pascal Joseph von Ferro: Über den Nutzen der Kuhpocken-Impfung. Wien: Hraschanzky 1802 Gustav Paul: Über Impfung, ihren Nutzen und ihre Durchführung insbesondere in Österreich. Vortrag, gehalten in der Österreichischen Gesellschaft für Gesundheitspflege am 4. November 1896. Wien: Österreichische Gesellschaft für Gesundheitspflege 1896

Literatur

  • Anton Tantner: Der 1899 eröffnete Radweg Floridsdorf–Bockfließ. In: Wiener Geschichtsblätter (2019), im Erscheinen
  • Daniela Angetter u. a. [Hg.]: Strukturen und Netzwerke. Medizin und Wissenschaft in Wien 1848–1955. Göttingen: V&R unipress 2018
  • Peter Payer: Der Klang der Großstadt. Eine Geschichte des Hörens. Wien 1850–1914. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2018
  • Norbert Bachleitner: Die literarische Zensur in Österreich von 1751 bis 1848. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2017
  • Anton Tantner: Die Hausnummern von Wien. Der Ordnung getreue Zahlen. Weitra: Bibliothek der Provinz 2016 (Enzyklopädie des Wiener Wissens, XXIV)
  • Andreas Weigl / Peter Eigner / Ernst Gerhard Eder [Hg.]: Sozialgeschichte Wiens 1740–2010. Soziale und ökonomische Ungleichheiten, Wanderungsbewegungen, Hof, Bürokratie, Schule, Theater. Wien / Innsbruck / Bozen: Studienverlag 2015 (=Geschichte der Stadt Wien, 8)
  • Georg Tschannett: Zerrissene Ehen. Scheidungen von Tisch und Bett in Wien (1783–1850). Diss. Univ. Wien. Wien 2015
  • Klaralinda Ma-Kircher: Wien 1814/15. Die Stadt und der Kongress. Wien 2014 (Wiener Geschichtsblätter Beiheft 1/2014)
  • Bernhard Hachleitner [Hg.]: Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien. Wien: Metro 2013
  • Gudrun Pollack: Verschmutzt - Verbaut - Vergessen. Eine Umweltgeschichte des Wienflusses von 1780 bis 1910. Wien: 2013 (Social Ecology Working Paper 138). URL: http://www.uni-klu.ac.at/socec/downloads/WP138_webversion.pdf [Stand: 21.07.2016]
  • Michal Chvojka: Josef Graf Sedlnitzky als Präsident der Polizei- und Zensurhofstelle in Wien (1817-1848). Ein Beitrag zur Geschichte der Staatspolizei in der Habsburgermonarchie. Frankfurt am Main / Wien: Lang 2010
  • Klaralinda Ma-Kircher: Wien 1809. Wien 2009 (Wiener Geschichtsblätter Beiheft 2/2009)
  • Martin Scheutz: Der "blaue Herrgott". Das nicht-bürgerliche Versorgungshaus "Alserbach" als Zentralanstalt der Wiener Versorgungshäuser im 19. Jahrhundert. In: Orte der Verwahrung. Die innere Organisation von Gefängnissen, Hospitälern und Klöstern seit dem Spätmittelalter. Hg. von Gerhard Ammerer / Arthur Brunhart / Martin Scheutz / Alfred Stefan Weiss. Leipzig 2009, S. 269–293 (Geschlossene Häuser. Historische Studien zu Institutionen und Orten der Separierung, Verwahrung und Bestrafung Bd. 1)
  • Susanne Fritsch / Hannes Tauber: Der Fall der Bastei. Die Wiener Befestigungsanlagen und ihr Ende 1857. Wien 2007 (Wiener Geschichtsblätter Beiheft 3/2007)
  • Verena Pawlowsky: Mutter ledig – Vater Staat. Das Gebär- und Findelhaus in Wien 1784–1910. Innsbruck / Wien: Studien-Verlag 2001
  • Andreas Weigl: Demographischer Wandel und Modernisierung in Wien (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien 1), Wien: Pichler 2000.
  • Verena Pawlowsky / Rosa Zechner: Verwaltete Kinder. Das Wiener Findelhaus (1784–1910). In: Wiener Geschichtsblätter 47 (1992), S. 129 ff.
  • Felix Olegnik [Hg.]: Historisch-statistische Übersichten von Wien. Teil 1. Naturverhältnisse, Gebiet, Bevölkerung, Gesundheits- und Wohlfahrtswesen. Wien: Statistisches Amt der Stadt Wien 1956
  • Josef Karl Mayr: Zwei Reformatoren der Wiener Armenfürsorge. Eine sozialgeschichtliche Studie. II. Teil. In: Jahrbuch des Vereines für Geschichte der Stadt Wien, 9 (1951), S. 151–186

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