Zweite Hochquellenleitung

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
"Nach der Eröffnung der neuen II. Hochquellenleitung im Rathause durch den Kaiser Franz Josef I. überreicht die Tochter des Vice Bürgermeisters Fräulein Grete Hierhammer in der künstlerisch geschmückten Turmnische des Festaales dem Monarchen den ersten Trunk des neuen Wassers, 2. Dezember 1910"
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Wasserleitung
Datum von 1910
Datum bis
Andere Bezeichnung Zweite Wiener Hochquellenleitung, Zweite Wiener Hochquellwasserleitung, II. Wiener Hochquellenleitung
Frühere Bezeichnung Zweite Kaiser-Franz-Josefs-Hochquellenleitung
Benannt nach
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner
PageID 18273
GND 4258749-9
WikidataID Q1653818
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert, Wasser, Wasserversorgung, Brunnen, Erste Hochquellenleitung, Wasserleitungen
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 19.01.2024 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Eroeffnunghochquellenleitung.jpg
Bildunterschrift "Nach der Eröffnung der neuen II. Hochquellenleitung im Rathause durch den Kaiser Franz Josef I. überreicht die Tochter des Vice Bürgermeisters Fräulein Grete Hierhammer in der künstlerisch geschmückten Turmnische des Festaales dem Monarchen den ersten Trunk des neuen Wassers, 2. Dezember 1910"

Es wurden noch keine Adressen zu diesem Bauwerk erfasst!

Derzeit wurden noch keine Konskriptionsnummer zu diesem Bauwerk erfasst!

Die Zweite Hochquellenleitung, ehemals „Zweite Kaiser-Franz-Josef-Hochquellenleitung“, ist Teil der Wiener Wasserversorgung. 1910 eröffnet, leitet sie bis zu 217.000 m³ Wasser täglich vom Hochschwabgebiet über Lunz am See, Gaming, Scheibbs, Wilhelmsburg und Rekawinkel bis in den Süden Wiens.

Inhalt:
  1. Hintergründe
  2. Planung und Vorarbeiten
  3. Bau
  4. Eröffnung
  5. Weiterer Ausbau
  6. Weltkriege
  7. Trinkwasserkraftwerk
  8. Die Leitung – technische Daten
  9. Karte
  10. Videos
  11. Siehe auch
  12. Quellen
  13. Literatur

Hintergründe

Die Erste Hochquellenleitung wurde in ihrer Ergiebigkeit überschätzt, in den Wintermonaten sank das Liefervolumen bedenklich. Am Tag ihrer Eröffnung lieferte sie etwa 46.000 m³ Wasser, und auch nach ihren Erweiterungen war schnell klar, dass eine einzelne Leitung nicht ausreichend war. Der immer höher werdende Hygienestandard in Wien trieb den Wasserbedarf in die Höhe. Als 1890 die Vororte eingegliedert wurden, spitzte sich der Wassermangel erneut zu. Der Bau der Wasserbehälter Breitensee, Schafberg und Favoriten sowie die Vergrößerung des Wasserbehälters Rosenhügel löste den Mangel nicht ausreichend, die höchstgelegenen Gebiete wie etwa Neustift am Walde oder Döbling konnten nicht erreicht werden.

Nach Inbetriebnahme der Ersten Hochquellenleitung sank die Sterblichkeit an Typhus drastisch, die Cholera, die im Jahr 1873 noch über 2000 Todesopfer gefordert hatte, verschwand fast völlig. Die verbesserten Hygienemaßnahmen wirkten jedoch nur, wenn genug Wasser floss. Bei Wassermangel musste die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung mehrere Male erneut in Betrieb genommen werden. Zuletzt geschah dies im Jahr 1908. Das Wasser für die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung wurde aus dem Donaukanal bei Nussdorf entnommen und war stark verunreinigt, sodass es immer wieder zu kleineren Cholera- und Typhusausbrüchen kam.

Planung und Vorarbeiten

Wildalpen in der Steiermark

Bereits im Juni 1875, keine zwei Jahre nach der Eröffnung der Ersten Hochquellleitung, wurde eine Kommission beauftragt, ein Konzept für verlässliche Wasserversorgung zu entwerfen. 1877 wurde beschlossen, für die bestehende Erste Hochquellenleitung neue Quellen zu nutzen, auch die Wasserbehälter sollten vergrößert werden. Zusätzlich sollte das Schöpfwerk in Pottschach an Tagen aushelfen, an denen die Hochquellenleitung den Tagesbedarf nicht decken konnte. Bei einer Debatte im Gemeinderat (13. Jänner 1893) wurden als Grundprinzipien festgelegt, dass die Wasserversorgung nicht in die Hände Privater gelegt werden, die Trinkwasserqualität sich nicht verschlechtern dürfe und alle Bezirke in gleicher Weise versorgt werden müssten; hier wurde auch die Notwendigkeit einer neuen Leitung konkret diskutiert.

Der Ausbau der Ersten Hochquellenleitung war 1895 größtenteils abgeschlossen, während die Suche nach Quellen für eine zweite Leitung in vollem Gange war. Zusätzlich wurde das Grundwasser des Donauraums um Wien auf Nutzbarkeit getestet. Für eine zweite Hochquellenleitung wurden umfangreiche Gebiete in Nieder- und Oberösterreich sowie der Steiermark nach tauglichen Quellen durchsucht. Als Hauptquellen untersucht wurden der Pieslingursprung in Roßleithen, Teile der Ennstaler Alpen um Admont und Johnsbach, das Erlaufgebiet und die Quellen der Ybbs, der Traisen und der Salza. Das gefundene Material wurde auf Wasserkonstanz und -qualität geprüft, nach längeren Beobachtungszeiten kamen nur die Quellen der Traisen und der Salza infrage. Die Entscheidung gegen die Traisen fiel aufgrund der Industrie am Flusslauf, die fast das gesamte Wasser zur Energieherstellung brauchte, und der komplizierten wasserrechtlichen Lage. Auch konnten sich die Wasservolumina nicht mit jenen der Salza messen. Professor Franz Schwackhöfer war für die chemische Analyse des Wassers aus den Quellen der Salza zuständig und kam auf hervorragende Ergebnisse.

Die Kläfferquelle im steirischen Salzatal ist eine der größten Trinkwasserquellen Mitteleuropas und die ergiebigste Quelle der Wiener Wasserversorgung

Mit dem Amtsantritt Dr. Karl Luegers 1897 wurden die Vorstudien abgeschlossen. Noch vor endgültigem Baubeschluss begannen Verhandlungen über den Kauf der Quellen und Wasserrechte. Die Planung der Leitung war nicht unproblematisch: Da das Leitungsende in Wien möglichst hoch liegen sollte, um die höhergelegenen westlichen Vororte Wiens mit natürlichem Wasserdruck zu versorgen, musste eine „Hangleitung“ gebaut werden. Sie führt nicht wie die Erste Hochquellenleitung durch die Haupttäler der Salza, Enns und Donau, sondern durch höhere Hanglagen von Nebentälern, um einen möglichst kurzen, hochgelegenen Verlauf zu erreichen. Für die Talübersetzungen kommen die für diese Leitung charakteristischen, bis zu 2,5 Kilometer langen Aquädukte und Düker (Rohrsiphons basierend auf dem Gesetz der kommunizierenden Gefäße) zum Einsatz. Enden sollte sie auf 326 m Seehöhe, 81 m höher als die Erste Hochquellenleitung. Im Mai 1899 wurde das Siebenseengebiet dem Stift Admont abgekauft, die weiteren wesentlichen Gründe waren bis Ende des Jahres ebenso im Besitz der Stadt. Zum Zeitpunkt der Fertigstellung der Leitung umfasste der gekaufte Grund 6.058 Hektar. Ein eigener Gemeinderatsausschuss unter der Leitung des Bürgermeisters sollte ab 1899 eine effiziente Durchführung garantieren. In seine Zuständigkeit fiel nicht nur der Bau der Zweiten Hochquellenleitung, sondern auch der weitere Ausbau der ersten; damit sollte der Gemeinderat entlastet werden, der für ein so großes Projekt nicht die nötigen Ressourcen bündeln konnte. Bis auf die Einhaltung des Kreditrahmens, der vom Gemeinderat gebilligt wurde, hatte der Ausschuss weitreichende Vollmachten inne.

Am 27. März 1900 fiel der endgültige Beschluss im Gemeinderat über eine neue Leitung mit einer Leistungsfähigkeit von 200.000 m³ pro Tag. Die Zahl war seit 1895 Richtschnur für das neue Projekt gewesen; errechnet wurde sie aus einem geschätzten Verbrauch von 140 Liter Wasser pro Kopf und Tag im Sommer und 110 Liter im Winter für eine im Jahr 1920 auf 2,4 Millionen Menschen geschätzte Stadt. Am 11. August 1900 erfolgte der erste Spatenstich in Wildalpen.

Die gesamte Leitungsstrecke war bereits 1901 vollständig ausgesteckt, bis 1902 die Pläne für Einfassungen, Aquädukte, Düker und ähnliche Bauobjekte fertiggestellt. Für die Ausarbeitung dieser Details war das Stadtbauamt zuständig, wo sich besonders der Oberbaurat Karl Kinzer hervortat. Um die Kosten von ca. 100 Millionen Kronen zu decken, wurden mehrere Anleihen aufgenommen. Die erste Leihe war Teil eines größeren Vertrags mit der Deutschen Bank, von der 1901 insgesamt 285 Millionen Kronen geliehen wurden, die zweite war Teil eines Vertrags mit der k. k. priv. allg. österr. Bodencreditanstalt und der Österreichischen Länderbank, das Gesamtpaket belief sich hier auf 360 Millionen Kronen.

Bau

Ing. Faccanoni besucht die Baustelle der Zweiten Hochquellenleitung beim Aquädukt über das Brentenmais, vor 1910

Noch vor dem allgemeinen Baukonsens über die gesamte Leitung wurde begonnen, an einzelnen, genehmigten und feststehenden Etappen zu arbeiten. Als erste Etappe kann der Göstlinger Hauptstollen gelten. Der Stollenvortrieb begann schon am 7. Dezember 1901 und stellt den eigentlichen Baubeginn des Projekts dar; der Stollen konnte allerdings erst 1906 vollendet werden, da sich die Verhandlungen mit der Verwaltung der steirischen Seite des Stollens in die Länge zogen. Einige andere Stollen und auch Quelleneinfassungen wurden in gleicher Weise vor dem Baukonsens begonnen und brachten wichtige Erfahrungswerte für die nachfolgenden Jahre. Das Vorgehen war nötig, weil die Verhandlungen für die gesamte Strecke mit sieben politischen Bezirken und etwa 800 Grundbesitzern geführt werden mussten. Da diese Verhandlungen nacheinander geführt wurden, konnten einige Baustellen also schon vor Abschluss des Hauptverfahrens im Februar 1906 begonnen werden. Mit den Nachverfahren, die sich mit unklaren Entschädigungsmodalitäten auseinandersetzten, waren die formalen Auseinandersetzungen erst 13 Monate vor Fertigstellung der Hochquellenleitung konsensfähig beendet.

Baustelle der Zweiten Hochquellenleitung beim Aquädukt über das Brentenmais, vor 1910

Administrativ wurde die Strecke in zwölf Bausektionen mit eigenem Sitz und je zwei Baulosen unterteilt. Wichtig war jedoch die erstinstanzliche Hauptentscheidung von 1906, nach der endlich die öffentlichen Ausschreibungen und Bauvergaben erfolgten. Die Hauptleitung ab St. Georgen bei Scheibbs wurde von vier Bauunternehmen errichtet: Leo Arnoldi, Dr. Mayreder und Peter Kraus, F. Marinelli und Faccanoni sowie Heinrich Sikora. Den Bau der Leitung vor St. Georgen wurde vom Stadtbauamt als „Regiestrecke“ selbst durchgeführt. Für diese Abschnitte mit vielen Leitungs- und Wasserscheidestollen wäre ein privates Bauunternehmen zu kostspielig gewesen.

Baustelle der Zweiten Hochquellenleitung, vor 1910

Die Zahl der am Bau Arbeitenden war schwankend, da es verschiedene Bauetappen mit unterschiedlichen Baugeschwindigkeiten gab. Ursprünglich war geplant, die Leitung 1911 zu eröffnen. Da sich aber das Problem des Wassermangels durch den besonders trockenen Sommer 1908 bedenklich zuspitzte, beschloss man eine Anhebung des Arbeitsaufwandes und die Einführung eines dreifachen Schichtbetriebs, sodass 24 Stunden gearbeitet werden konnte. In der intensivsten Bauphase zwischen 1908 und 1910 wurden auf der Regiestrecke etwa 2.700 Arbeiterinnen und Arbeiter beschäftigt. In den Baulosen, die von Privatunternehmen geführt wurden, etwa 6.000-7.000 und für die Verteilungsanlagen 1.500. Es existieren keine Zahlen zu Unfällen oder Todesopfern unter den Arbeiterinnen und Arbeitern.

Für die Regiestrecke ist bekannt, was den Arbeiterinnen und Arbeitern insgesamt bezahlt wurde: von 1902 bis 1910 belaufen sich die Löhne auf ca. 11 Millionen Kronen. Die Höhe der Löhne der Arbeiterinnen und Arbeiter, die von Privatunternehmen angestellt waren, war weniger als doppelt so hoch, woraus geschlossen werden kann, dass diese etwas schlechter bezahlt wurden. Die Bezirkskrankenkasse St. Pölten, bei der die meisten Arbeitenden der Regiestrecke versichert waren, richtete einen von der Stadt Wien mit 200 Kronen unterstützten Fonds zur Unterstützung chronisch und unheilbar kranker Mitglieder ein. Die Gesamtkosten für Kranken- und Unfallversicherungen aller Arbeiterinnen und Arbeiter beliefen sich auf 331.689 Kronen.

Bauarbeiten für die Zweite Hochquellenleitung beim Entladebahnhof der Feldbahn Purgstall, vor 1910

Der Großteil der Bauarbeiten erfolgte manuell. Technische Hilfsmittel waren vor allem für die Bewegung größerer Materialmengen vorhanden, etwa die seit 1854 betriebene Semmeringbahn, aber auch Seilbahnen und Schrägaufzüge kamen zum Einsatz. Das Eisenbahnministerium gewährte den Transportfahrzeugen ab 1908 Frachtermäßigungen, die vor allem den Transport der Rohre und Formstücke deutlich erleichterten. Für den Bau der Stollen standen bereits Bohrmaschinen zur Verfügung. Umfang und Druckbelastung der Leitung veranlassten das Stadtbauamt dazu, eine neue Rohrnormale zu entwerfen, die auch Druck von bis zu 11 Bar standhalten konnte. Die Leitungsrohre wurden aus Gusseisen hergestellt, insgesamt wurden zwischen 30.000 und 40.000 Tonnen davon verbaut. Entgegen der Ersten Hochquellenleitung, die im Ziegelbau errichtet wurde, wählte man für die Zweite Leitung örtliches Steinmaterial, die Fundamente wurden aus Beton gegossen. Hierfür wurden etwa 150.000 Tonnen Zement verbraucht.

Für den Bau der Leitung war die Errichtung zahlreicher unterstützender Bauten notwendig. So wurde im Steinbachtal ein provisorisches Wasserkraftwerk errichtet, um die Tunnelbohrmaschinen zu betreiben. Immer wieder wurden neue Straßen angelegt, dazu Gleise für Feldbahnen, die teilweise manuell oder mit Zugtieren bewegt wurden. Dafür wiederum brauchte es behelfsmäßige Brücken an Stellen, wo Aquädukte geplant waren.

Die Übergangskammer Mauer beim Lainzer Tiergarten: hier endet die Zweite Hochquellenleitung

Eröffnung

Die Ehrengäste vor der festlich geschmückten Turmnische anlässlich der Inbetriebnahme der Wasserleitung, 1910

Die frühzeitige Eröffnung der Leitung funktionierte nicht nur, es wurden die Erwartungen an die Baugeschwindigkeit sogar übertroffen: Am 2. Dezember 1910 wurde nicht nur wie geplant das zur Eröffnung ausreichende Wasser der Kläfferquelle nach Wien geleitet, auch die Strecke zu den Siebenseequellen war fertiggestellt worden und eröffnungsbereit. Der Bau der Wasserbehälter und Leitungen in Wien selbst war dem Zeitplan ebenfalls weit voraus, 1910 erreichte das Verteilungsrohrnetz eine Länge von rund 1.000 Kilometern.

Die Eröffnung fand am 2. Dezember 1910, dem 62. Jahrestag der Regierung Franz Josephs I., durch den Kaiser selbst statt. Gefeiert wurde mit über 1.200 Gästen im Rathaus, in dessen Park die Springbrunnen das neu erschlossene Wasser versprühten; indirekt wurde ganz Wien eingebunden, indem ausnahmsweise einen Tag lang die Stadt allein von Wasser aus dem Hochschwabgebiet versorgt wurde.

Weiterer Ausbau

Die Zweite Hochquellenleitung war zum Zeitpunkt ihrer offiziellen Eröffnung 1910 prinzipiell fertiggestellt, ebenso die Fassungen und Ableitungen der Kläffer- und Siebensteinquellen. Jene der Schleierklamm und der Höllbachquellen waren in Arbeit und wurden 1911 bzw. 1912 fertiggestellt. Darüber hinaus bestanden Pläne zur Einbeziehung weiterer Quellen. Die Wasserrechtsverhandlungen über diese Quellen fanden im September 1911 statt und gingen weitgehend reibungslos über die Bühne.

Die letzten großen Quellen, die eingefasst wurden, waren die Brunngrabenquellen mit einer Mindestergiebigkeit von 20.000 m³ pro Tag. Ihre Erschließung war kompliziert, da die Quellen nur durch den unzugänglichen Klausgraben in der Salzaschlucht erreichbar sind. Lange Vorarbeiten waren vonnöten, um Stege und Straßen, aber auch Quartiere für Arbeiterinnen und Arbeiter, Schmieden und Magazine zu bauen. Allerdings konnte auf erfahrene und bewährte Arbeitskräfte und Inventar vom Bau der Regiestrecke zurückgegriffen werden. Das Projekt wurde 1912 beschlossen und begonnen, durch den Ersten Weltkrieg aber verzögert, sodass das Wasser der Brunngrabenquellen erst Ende April 1923 Wien erreichte. Durch diese Erweiterung floss 1923 erstmals ein Jahresmittel von 200.000 m³ pro Tag durch die Zweite Hochquellenleitung. Im Zuge der Ableitung der Brunngrabenquellen wurde auch eine Umfahrung der Kläfferquellen gebaut, um Wasser, das durch Unwetter verunreinigt war, der Salza zuführen zu können. Diese Arbeiten wurden 1924 abgeschlossen und stellen wichtige Vorbilder für weitere Erschließungen und Ableitungen dar.

Nach dem Winter 1928/29, in dem das Liefervolumen der Zweiten Hochquellenleitung auf auf 154.200 m³ absank, beschloss die Stadt die Erschließung der Siebensteinquelle, deren Wasserrechte sie schon seit 1906 besaß. Sie wurde nicht früher erschlossen, weil sie auf 595 Meter Höhe austrat, was eine künstliche Hebung nötig machte. Um die Energie dafür zu liefern, wurde ein Wasserleitungskraftwerk auf der Poschenhöhe gebaut. Die Anlage war 1931 einsatzbereit, wurde aber bis in die 1940er selten verwendet, da der Verbrauch eher sank als stieg.

Während des Zweiten Weltkriegs waren schon zahlreiche Arbeiten im Quellgebiet der Ersten Hochquellenleitung vorgenommen worden. Diese Anstrengungen wurden nach dem Krieg auf die Zweite Hochquellenleitung übertragen. Nicht nur wurden schon erschlossene Quellen erweitert, sondern auch neue Quellen an der Außenstrecke mit einbezogen. Die Nachfassungen bestehender Quellen betrafen die Brunngrabenquellen, die Kläfferquellen und die Höllbachquellen. Für alle drei Quellen kamen Hebewerke zum Einsatz. Die Pumpen für die Brunngraben- und Höllbachquellen wurden aus der Energie des Wasserleitungsdrucks gespeist, während jene der Kläfferquellen dieselbetrieben war. Bis 1949 waren die Arbeiten abgeschlossen, die Hebung der Nachfassung im Gebiet der Kläfferquelle wurde bis 1955 von einer Dieselpumpe in eine Wasserstrahlpumpe umgestellt.

Es wurden aber auch neue Wasserquellen erschlossen. Zu erwähnen sind die Drainagegewässer aus bereits gegrabenen Stollen, die das ganze Jahr über Wasser führten und hinter dem Mitterauaquädukt (zwischen Gaming und Lunz) eingespeist wurden. Sie sollten nur bei Unterschreitung des Ableitungskonsens (217.000 m³/Tag) genutzt werden, also in besonders trockenen Monaten zwischen Jänner und März. Auch die Stickelleithenquelle wurde erst durch den Stollenbau erschlossen, ihr Wasser teilten sich die Gemeinden Gaming und Wien, sodass Wien, wieder bei Unterschreitung des Ableitungskonsens, Überschüsse der Wasserversorgung Gamings in die Leitung einfließen lassen konnte. Die Arbeiten waren 1955 fertiggestellt. Diesem Arrangement war die Erschließung der Schreyerbachquelle bei Göstling, die schon in den 1890ern diskutiert wurde, ähnlich: 1955 schlossen die Gemeinden Lunz am See und Wien einen Vertrag, in dem Wien sich zur Ableitung der Quelle und Wasserabgabe an Lunz bereiterklärt, während Lunz die Wasserberechtigten befriedigen sollte. 1957 war das Projekt abgeschlossen.

Als andere Aufschließungen im Quellengebiet sind etwa die 1963 fertiggestellte Grundwassererfassung im Holzäpfeltal (Wildalpen) zu nennen, aber auch die Erschließung der Pirknerquelle in Weichselboden und die Entnahme aus dem Siebenseebach gehören zu den späten Erweiterungen. Für diese Quellen gilt ebenfalls der Status der Notversorgung; nur bei Unterschreitung des Abgabekonsenses wird das Wasser nach Wien geleitet. Darüber hinaus werden an der Leitung regelmäßig Arbeiten durchgeführt. Dazu zählen etwa Abkehrungen (Reinigungen), aber auch Sanierungen oder Neubauten von beschädigten Abschnitten, wie etwa der Neubau des Neubrucker Stollens.

Weltkriege

Die Auswirkungen des Ersten Weltkriegs auf die Leitungen beschränkten sich größtenteils auf Bauverzögerungen. Kurz nach Kriegsende wurden Kupferdrahtleitungen im Schöpfwerk Matzendorf gestohlen, sonst sind keine Schäden oder Anschläge bekannt. Dies mag auch auf den Überwachungsdienst zurückzuführen sein, der die Sicherheit des nun „staatlich geschützten Unternehmens“ garantierte. Für den Notfall wurden provisorische Leitungen angefertigt und viel Material in Wien nahe dem Bahnhof gelagert, um schnelle Reparaturen durchführen zu können. Zwei Auswirkungen des Kriegs und der krisenhaften Zwischenkriegszeit, die die Wasserleitungen betrafen, waren eine starke Abnahme der Bevölkerung und ein Rückgang der Wirtschaft. Dies führte zu einem massiven Rückgang des Wasserverbrauchs von ca. 105 Millionen m³ auf 94 Millionen m³. Der Überschuss wurde zur Energiegewinnung in der Stadt genutzt.

Auch während des Zweiten Weltkriegs wurde Material für Reparaturen gelagert und eine Überwachung der Leitung organisiert. Zu Kriegsbeginn hatte man vor allem mit Hochwassern zu kämpfen, die die Infrastruktur rund um die Leitung teils stark beschädigten; Reparaturarbeiten konnten jedoch stets den Betrieb aufrechterhalten. Je länger der Krieg dauerte, desto weniger Ressourcen konnten für die Instandhaltung der Leitung gebündelt werden. Dazu kamen Kriegsschäden durch Bomben, die sowohl die Außenstrecke als auch das Leitungsnetz in Wien betrafen. Am 29. März 1944 unterbrachen zahlreiche Treffer die Wasserlieferung und beschädigten die Erste Hochquellenleitung. Der größte Schaden ereignete sich am 21. Februar 1945, als bei Ochsenburg eine schwere Bombe die Zweite Hochquellenleitung traf. Wegen Mangel an Arbeitskraft und Baumaschinen konnte eine provisorische Umleitung der beschädigten Stelle erst am 25. Februar fertiggestellt werden; die Reparaturen dauerten bis zum 4. April 1945. Schäden durch kleinere Bomben wurden oft erst nach Kriegsende entdeckt, sodass eine vollständige Reinigung erst 1947 wieder möglich war.

Als die Wehrmacht die Flucht aus Wien antrat, gab es Pläne zur Zerstörung von Aquädukten der Hochquellenleitungen. Der Einsatz des Lagerverwalters Josef Smetana, ein Arbeiter der Wasserwerke im Rohrlager Baumgarten, konnte diese vereiteln. Er redete dem zuständigen SS-Offizier ein, dass eine Sprengung der Wasserleitung eine Überschwemmung des ganzen Wientals mit sich brächte. Der daraufhin hinzugezogene Betriebsvorstand konnte dieses Szenario ebenso überzeugend kommunizieren, und so blieb die Leitung einsatzfähig. Die Wasserversorgung Wiens blieb deshalb in den nicht zerstörten Stadtteilen auch während der Kämpfe aufrecht.

Trinkwasserkraftwerk

Der Wasserdruck der Hochquellenleitung ermöglicht die Produktion von Energie durch Wasserkraftwerke. Einige dieser Kraftwerke dienen der Versorgung von Pumpwerken (Hebewerke), die Wasser von niedrig gelegenen Quellen in die Leitung heben. Dazu zählen etwa jene sieben Werke in Wildalpen, die zusätzlich den beteiligten Gemeinden Strom liefern. Mit dem Bau des Kraftwerks in der „M-Kammer“ wurde 1930 begonnen, 1960 wurde der Betrieb des letzten Werkes, das „Werk 22 Hopfgarten“, aufgenommen. Schon 1923 wurde die Errichtung des Kraftwerks Gaming begonnen, 1990 kam das Kraftwerk Gaming II dazu.

Auch in Wien wurden Trinkwasserkraftwerke eingesetzt, die von den großen Niveauunterschieden des Wiener Rohrnetzes (Höhendifferenz: 320 Meter) und den Wasserbehältern profitierten. Ende 1914 waren sechs Werke in Betrieb. 1971 wurde die Lieferung von Energie gestoppt, da der Eigenbedarf der Wasserwerke zu hoch war. Heute existieren drei Trinkwasserkraftwerke in Wien: Das Kraftwerk Mauer, das Wasserkraftwerk Schafberg sowie das Wasserkraftwerk Wienerberg.

Die Leitung – technische Daten

  • Baudaten: 11.08.1900 – 02.12.1910
  • Länge: 180 km
  • Gesamte Stollenlänge: 78 km
  • Gesamte Kanalleitungslänge: 76 km
  • Aquädukte: 100, Gesamtlänge: 6 km
  • Düker: 19, Gesamtlänge: 11,5 km
  • Quellenkammern: 17
  • Rohrgewicht: ca. 35.000.000 kg 

Karte

Die folgende Karte zeigt den Verlauf der Zweiten Hochquellenleitung sowie im Wien Geschichte Wiki erfasste Wasserbehälter und Quellen.

Die Karte wird geladen …

Videos

"Die Wasserleitungsanlagen der II. Hochquellenleitung in Wildalpen" (1939), Ausschnitt: WStLA, Filmarchiv der media wien, 010
"Wasser für Wien" (1960), Ausschnitt: WStLA, Filmarchiv der media wien, 172

Siehe auch

Quellen

Literatur