Wasserversorgung

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Sammelbecken der drei Quellen der Ersten Hochquellenleitung, Bauplan, 1864
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Bildname Wasserversorgung.jpg
Bildunterschrift Sammelbecken der drei Quellen der Ersten Hochquellenleitung, Bauplan, 1864

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Der Begriff Wasserversorgung beschreibt die Bereitstellung von Grund-, Quell-, Fluss- und Seewasser bzw. Trink- und Brauchwasser mittels Brunnen, Wasserbehältern oder Wasserleitungen[1]. Siehe auch: Themenportal Wasserversorgung

Inhalt:
  1. Grundsätzliches
  2. Mittelalter und Frühe Neuzeit - Brunnen und lokale Wasserleitungen
  3. Eingemeindungen und weiter steigender Wasserbedarf - die Hochquellenleitungen
  4. Positive Gesundheitseffekte des Hochquellenwassers
  5. Karte
  6. Siehe auch
  7. Videos
  8. Quellen
  9. Literatur
  10. Einzelnachweise

Grundsätzliches

Hydrologie und Morphologie prägten die möglichen Nutzungen der Wiener Gewässer und deren räumliche Verteilung. Für die Wassernutzung standen der Wiener Arm der Donau, der Wienfluss, die Wienerwaldbäche und auch das Grundwasser im Schotterkörper der Donau zur Verfügung. Im Stadtgebiet an den abfallenden Terrassen des Wienerwalds lieferten Brunnen ausreichend Wasser. Quellen der Wienerwaldbäche waren für Trinkwasserleitungen begehrt. Die Wienerwaldbäche trockneten im Sommer mitunter allerdings aus. Während die Gewinnung von Oberflächennutzwasser aus Quellen und von Uferfiltrat in unmittelbarer Nähe der Fließgewässer - also gefiltertes Wasser aus dem Schottergrund - ohne größere technische Einrichtungen möglich war, traf das auf die Brunnen nicht zu. Wasser in der Stadt wurde für unterschiedliche Zwecke verwendet, zum Trinken, Kochen, Waschen, Aufspritzen der Straßen, Feuerlöschen, bei zahlreichen Handwerken wie den Gerbern etc. Je nach Verwendungsart war eine unterschiedliche Qualität vonnöten. Nutzungskonflikte waren vorprogrammiert.

Mittelalter und Frühe Neuzeit - Brunnen und lokale Wasserleitungen

Plan von 1832/33 mit dem Verlauf und den Bauwerken der Albertinischen Wasserleitung. Ebenso sind die Verläufe und Bauwerke der Hernalser- und der Mariahilfer Wasserleitung abgebildet

Während das römische Vindobona bereits über Zuleitungen verfügte, wurde die Bevölkerung von der Babenbergerzeit bis ins beginnende 16. Jahrhundert ausschließlich aus Hausbrunnen versorgt. Als sich diese beim Stadtbrand 1525 für die Löschaktionen als unzureichend erwiesen, ordnete Erzherzog Ferdinand 1526 den Bau einer öffentlichen Wasserleitung an. Die in der Folge gebaute Hernalser Wasserleitung konnte jedoch erst 1565 in Betrieb genommen werden.

Konsensbrief der Brüder Geyer von Osterburg für die über ihren Grund führende Hernalser Wasserleitung der Stadt Wien

Bereits 1544 erteilte Ferdinand I. seinem Baumeister Johann Tscherte den Auftrag, Quellen für eine Hereinleitung von Wasser in den Burggarten zu lokalisieren. Diese konnten in St. Ulrich gefunden werden. Wolfgang Schmeltzl wusste diese Wasserleitung 1549 bereits zu rühmen.[2] 1553 wurde eine weitere Hofwasserleitung, die sogenannte Siebenbrunner Hofwasserleitung, erbaut, die neben dem Hof auch einige andere Gebäude versorgte. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ließ der Stadtrat Quellen in Hungelbrunn sammeln (Schüttung nur etwa 50 Kubikmeter pro Tag) und zur Speisung des Brunnens auf dem Neuen Markt verwenden, wobei auch einige Privathäuser Anschlüsse erhielten. In der Folgezeit kam es zum Bau einer Reihe kleinerer höfischer, öffentlicher oder privater Wasserleitungen; dazu gehörten beispielsweise die Schottenfelder Hofwasserleitung und die Schönbornsche Wasserleitung. Die 1804 eröffnete Albertinische Wasserleitung versorgte Anfang des 19. Jahrhunderts erstmals ein größeres Gebiet. Gleichzeitig entstanden in einigen Vorstädten Wasserleitungen, beispielsweise die Mariahilfer Wasserleitung mit dem Esterházyschen Schöpfwerk Kaiserstraße 9, die Dietrichsche Wasserleitung in Matzleinsdorf, drei Liechtensteinsche Wasserleitungen aus Quellen in Hernals, Währing und Döbling sowie die Woebersche Wasserleitung. Diese Wasserleitungen funktionierten alle gleich: Das Wasser wurde an den meist im Wienerwald gelegenen Quellen gefasst und in Brunnstuben geleitet. Von dort verliefen Rohre aus Holz, Blei, Ton oder Eisen bis um Bestimmungsort. An den Endpunkten befanden sich Auslaufbrunnen. Mit einer täglichen Schüttung von maximal 1.400 Kubikmetern Wasser reichten diese Wasserleitungen für die Versorgung der Bevölkerung (1834 rund 326.000 Einwohner) nicht aus, weshalb weiterhin Hausbrunnen und Wasserwagen erforderlich waren.

Die Wasserleitungen waren seit dem 16. Jahrhundert in nicht geringem Ausmaß zur Versorgung von Adelshäusern und Klöstern gebaut worden. Mit dem starken demographischen Wachstum seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert verschlechterte sich die Trinkwasserversorgung zunehmend, zumal die Ergiebigkeit der Brunnen durch die Pflasterung der Straßen in der Stadt langsam zurückging. Der Bau einer größeren Wasserleitung wurde daher zu einem immer dringenderen Erfordernis. Es bedurfte jedoch erst des Schockerlebnisses der ersten Choleraepidemie, um dieses Projekt zu verwirklichen. Eine großflächigere Wasserversorgung ermöglichte die 1841 in Betrieb genommene Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung, die allerdings nicht aus Quellen gespeist wurde, sondern Donauwasser aufbereitete. Für diese Art der Wassergewinnung waren neue technische Möglichkeiten entscheidend. Aus dem durchlässigen Schotterbett des Gewässers wurde Wasser mit dampfbetriebenen Hoch- und Niederdruckmaschinen angesaugt. 1843 konnte die Saugleistung erhöht werden, 1853/54 kam es noch einmal zu einem Ausbau.

Wasserversorgung beim Wassermann auf der Straße, 1860

Eingemeindungen und weiter steigender Wasserbedarf - die Hochquellenleitungen

Als 1850 die Vorstädte eingemeindet wurden und ab 1858 die Ringstraßenzone entstand, erzwang der steigende Bedarf neue Lösungen. Ab den späten 1850er Jahren wurden Studien betrieben, zwei Kommissionen tagten, Wasser wurde erstmals wissenschaftlich untersucht. Schließlich gelangte man zur Einsicht, dass Hochquellenwasser zu bevorzugen sei. Nicht zuletzt aufgrund der Überzeugungsarbeit von Eduard Suess und Cajetan Felder fasste der Gemeinderat 1864 den Grundsatzbeschluss zum Bau einer Hochquellenwasserleitung.

Plan des Quellgebiets zum Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungskommission, 1864
Arbeiter und Arbeiterinnen beim Bau des Aquädukts in Liesing, um 1872

Das Bauprojekt der Ersten Hochquellenleitung aus dem Rax-Schneeberg-Gebiet wurde als das größte je von der Stadt Wien angegangene Infrastrukturprojekt im Jahr 1866 beschlossen. Am 24. Oktober 1873 erfolgte die feierliche Eröffnung.

Der handgezeichnete und kolorierte Plan zeigt eine prototypische Planung eines Wasserreservoirs, das ursprünglich für ein früheres Wasserleitungsprojekt entlang des Wiener-Neustädter-Schifffahrtskanals gedacht war. Im Zuge des Baus der beiden Hochquellleitungen wurden über ganz Wien verteilt 29 Wasserbehälter errichtet.
Der Wasserbehälter Rosenhügel. Die Erste Hochquellenleitung endet hier. Die Verteilung des Wassers im Stadtgebiet erfolgt über ein Rohrnetz. Ausschnitt, Rudolf von Alt, 1873
Hochstrahlbrunnen (3., Schwarzenbergplatz), gefördert von Antonio Gabrielli und errichtet von Gustav Bruck, in Betrieb gesetzt am 24. Oktober 1873 anlässlich der feierlichen Vollendung der ersten Hochquellenleitung in Anwesenheit Franz Josephs I, Postkarte, nach 1906

Der Plan, daneben eine flächendeckende Nutzwasserleitung zu errichten, scheiterte. Bereits in den 1870er-Jahren mussten daher zusätzliche Tiefquellen bei Pottschach erschlossen werden. 1874 wurden alle früher bestehenden Wasserleitungen außer Betrieb gesetzt. Durch die Hereinleitung des Wassers aus 100 Kilometern Entfernung erfolgte eine Abkoppelung von der lokalen Ressource. Zudem wurde Wasser innerhalb des Gürtels zunehmend unsichtbar, da die Bäche verrohrt oder überwölbt wurden.

Im alten Stadtgebiet stieg der Anteil der mit Hochquellenwasser versorgten Häuser rasant auf 76% im Jahr 1881 und 87% im Jahr 1890. Die eingemeindeten Vororte wurden in den 1890er-Jahren systematisch an das Netz der Hochquellenwasserleitung angeschlossen. 1900 war mit einer Anschlussquote von rund 85% im gesamten Stadtgebiet wieder in etwa der Wert vor der zweiten Stadterweiterung erreicht. Neben der Versorgung mit qualitativ hochwertigem Trinkwasser kam es auch quantitativ zu einer enormen Verbesserung der Wasserversorgung. Der Wasserverbrauch pro Tag und Einwohner stieg sprunghaft von rund 16 Litern vor Inbetriebnahme der ersten Hochquellenwasserleitung auf 50 Liter im Jahr 1874 und 65 Liter zu Beginn der 1880er-Jahre. Nach dem systematischen Anschluss der Vororte an das Netz der Hochquellenwasserleitung wurde ein solcher Wert im erweiterten Stadtgebiet um die Jahrhundertwende in etwa wieder erreicht. Eine weitere Steigerung der Kapazität war jedoch nicht mehr möglich. Nach der Eingemeindung der Vororte (1890/92) wurde der Bau der Zweiten Hochquellenleitung aus dem steirischen Hochschwabgebiet sowie 1898 der Wientalwasserleitung (als Nutzwasserleitung) beschlossen. Diese garantierte die nahezu vollständige Versorgung mit Hochquellenwasser. Während des Zweiten Weltkriegs erlitten die Wasserleitungen durch Bombenangriffe schwere Schäden, deren Behebung erst 1947 abgeschlossen wurde. Wenig später begannen die Planungen für eine Dritte Wasserleitung (zunächst Teilwerk Lobau). Am 21. November 1953 erfolgte die Grundsteinlegung, am 25. April 1959 die Eröffnung des Wasserbehälters Neusiedl am Steinfeld.

Die Wasserversorgung Wiens 2018

Positive Gesundheitseffekte des Hochquellenwassers

Die Wasserqualität der Quellen wurde von der Wasserversogungskommission untersucht. Die mikroskopische Studie zeigt die häufigsten Wasserlebewesen, unter anderem eine sternförmige Actinophrys (3), eine Dipterenlarve (15) und eine Wassermilbe vor der ersten Häutung (18)

Die Inbetriebnahme der Hochquellenwasserleitungen hatte unmittelbar nachweisbare Auswirkungen auf den Mortalitätsrückgang. Insbesondere gastro-intestinale Infekte gingen markant zurück. Ein besonders eindrucksvoller Indikator für die Wirkung der Inbetriebnahme der Hochquellenwasserleitung auf den Mortalitätsrückgang stellte die Typhusmortalität dar. Große Typhusepidemien erlebte Wien Mitte der 1850er- und Anfang der 1870er-Jahre. Eine besonders schwere Epidemie brach 1871 aus. Verursacht wurde sie vermutlich durch Überschwemmungen der Donau im Spätwinter, die die niedrig gelegenen Teile des 2., 3. und 9. Bezirks überfluteten und dadurch das Trinkwasser verseuchten. Mit der Inbetriebnahme der Hochquellenwasserleitung kam es zu einem drastischen Rückgang der Typhusmortalität. Im Durchschnitt der Jahre 1859 bis 1873 betrug die Typhusmortalitätsrate auf 100.000 der Bevölkerung 109, 1874 bis 1888 lediglich 25. Die Eindeutigkeit des Zusammenhangs zwischen dem starken Absinkens der Typhusmortalität und der Versorgung einer immer größer werdenden Zahl von Haushalten mit Hochquellenwasser wird anhand der kurzfristigen Wiederinbetriebnahme der Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung in einigen Stadtteilen vom 29. Dezember 1876 bis 10. Februar 1877 und vom 28. Dezember 1877 bis zum 19. Februar 1878 deutlich. Die Typhussterblichkeit in den mit Donauwasser versorgten Bezirken verhielt sich zu jener der ohne Donauwasser versorgten wie 4,5 zu 1,6.

Karte

Die folgende Karte zeigt den Verlauf der Ersten Hochquellenleitung (blau) und der Zweiten Hochquellenleitung (rot) sowie im Wien Geschichte Wiki erfasste Quellen und Wasserbehälter.

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Siehe auch

Videos

Die Wasserleitungsanlagen der II. Hochquellenleitung in Wildalpen (1939), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 010 (Ausschnitt)
Wasser für Wien (1960), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 172 (Ausschnitt)
Eröffnung des Grundwasserwerks Lobau (1966), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 256 (Ausschnitt)

Quellen

Literatur

  • Die Tätigkeit des Wiener Stadtbauamtes und der Städtischen Unternehmungen technischer Richtung in der Zeit von 1935 bis 1965, 2. Band, 1974, Heft XIV, S. 6 ff.
  • Wasser Stadt Wien. Eine Umweltgeschichte. Hg. vom Zentrum für Umweltgeschichte, Universität für Bodenkultur Wien. Wien: Holzhausen Druck 2019
  • Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien. Bd. 5, Wien: Kremayr & Scheriau 2004, S. 591-592.
  • Josef Donner: Dich zu erquicken mein geliebtes Wien … Geschichte der Wiener Wasserversorgung bis 1910, Klosterneuburg: Norka 1990.
  • Anton Drasche: Über den Einfluss der Hochquellenwasserleitung auf die Salubrität der Bevölkerung Wiens während der ersten 15 Jahre ihres Bestandes. in: Prof. Dr. Anton Drasche's Gesammelte Abhandlungen, Wien: J. Safer 1893.
  • Alfred Drenning: Die I. Wiener Hochquellenwasserleitung. Wien: Jugend & Volk 1973.
  • Alfred Drenning: Die II.Wiener Hochquellenwasserleitung. Wien: Selbstverlag 1988.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 2: Die Gemeinde, ihre Verwaltung und sozialen Belange, Wirtschaftsleben, Handel, Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft, Volkskunde, Naturwissenschaft, Klimatologie, Meteorologie, Naturereignisse, Varia und Kuriosa. Wien: Jugend & Volk 1955, S. 58 ff.
  • Ruth Koblizek, Nicole Süssenbek, Die Trinkwasserversorgung der Stadt Wien von ihren Anfängen bis zur Gegenwart (ungedruckte Dissertation Wien). Wien. 1999/2000
  • Ruth Koblizek, Nicole Süssenbek, "Wasser in jedwedes Bürgers Haus". Die Trinkwasserversorgung Wiens. Wien: MEMO 2003
  • Paul Kortz: Wasserversorgung. in: Theodor Weyl (Hrsg.), Die Assanierung von Wien (Die Assanierung der Städte in Einzeldarstellungen 1 Heft 2), Leipzig 1902.
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 573 ff., 590 ff.
  • Ludwig Machek: Die Wiener Wasserversorgung, S. 245 ff.
  • Rudolf Stadler: Die Wasserversorgung der Stadt Wien in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Denkschrift zur Eröffnung der Hochquellen-Wasserleitung im Jahre 1873, Wien: Wiener Gemeinderat 1873
  • Rudolf Tillmann [Red.]: Festschrift herausgegeben anläßlich der Hundertjahrfeier des Wiener Stadtbauamtes am 12. Mai 1935 von der Technikerschaft des Wiener Stadtbauamtes und den großen Technischen Unternehmungen der Stadt Wien. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1935
  • Andreas Weigl: Demographischer Wandel und Modernisierung in Wien (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien 1), Wien: Pichler 2000, S. 186-189.

Einzelnachweise

  1. Martin Illi, "Wasserversorgung": Historisches Lexikon der Schweiz (HLS)
  2. Markus Jeitler/Jochen Martz, Der Rosstummelplatz (Josefsplatz) und seine Vorgänger: Irrgarten und Hinterer Lustgarten. In: Herbert Karner [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1521–1705. Baugeschichte, Funktion und Etablierung als Kaiserresidenz. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 2014, S. 268-293, hier 271f.