Frauenbildung

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Daten zum Eintrag
Datum von
Datum bis
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Das gehobene Bürgertum ließ seine Töchter im 18., insbesondere jedoch im 19. Jahrhundert, nach aristokratischem Vorbild durch Gouvernanten und Hauslehrer unterrichten; "höhere Bildung" schien dem "weiblichen Geschlechtscharakter" zu widersprechen. Weibliche Bildung hatte ihre Bühne im Salon, in Wien vor allem im berühmten Salon der Fanny Arnstein und später in jenem der Karoline Pichler, die in ihren Erinnerungen schreibt, sie sei von Privatlehrern in Englisch, Latein, Französisch, Italienisch und Mathematik unterrichtet worden, habe aber "über die Bildung des Geistes die viel nötigere zur Häuslichkeit nicht vergessen"; diese sei "die erste und wichtigste Bestimmung des Weibes". Die Prüfungen waren in "öffentlichen Schulen" abzulegen, die "Reifeprüfung" wurde den Frauen jedoch bis Ende 19. Jahrhunderts verweigert.

1774 wurde unter Maria Theresia die allgemeine Schulpflicht für Knaben und Mädchen vom sechsten bis zum zwölften Lebensjahr eingeführt. 1775 wurde das Offizierstöchter-Institut und 1786 das Zivil-Mädchen-Pensionat gegründet, beide mit hauswirtschaftlicher Ausrichtung; die Mädchen wurden als Erzieherinnen für die weibliche Jugend ausgebildet. 1812 wurde über Anregung von Regierungsrat Dr. Ignaz von Sonnleithner und seines Bruders, des Hoftheatersekretärs Joseph Sonnleithner, die "Gesellschaft adeliger Frauen zur Beförderung des Guten und Nützlichen" gegründet. 1868 gründete die Gemeinde Wien das "Wiener Pädagogium" als Lehrer- und Lehrerinnenbildungsanstalt. Mit dem Reichsvolksschulgesetz wurde 1869 die Schulpflicht bis zum 14. Lebensjahr verfügt (Errichtung von Bürgerschulklassen auch für Mädchen). Im 19. Jahrhundert nahmen sich vor allem die Frauenvereine (insbesondere der 1888 gegründete "Verein für erweiterte Frauenbildung") der Frage nach der Frauenbildung an, kämpften jedoch jahrzehntelang erfolglos um die Zulassung der Frauen zu den Bildungsinstitutionen (Frauenbewegung, Frauenstudium). 1870 konnte sich die Initiative von Marianne Hainisch zur Errichtung von Mädchenmittelschulen noch nicht durchsetzen; statt dessen beschloß die Gemeinde Wien die Errichtung mehrerer Mädchen-Bürgerschulen. 1871 wurde durch den "Frauen-Erwerb-Verein" eine vierklassige Höhere Bildungsschule gegründet und zusätzlich die Zulassung der Frauen zum Hochschulstudium gefordert. Ab 1878 war den Frauen die Ablegung der Matura gestattet, doch wurde ihnen die Klausel "Reif zum Besuch der Universität" verweigert. 1892 wurde das erste Mädchen-Gymnasium in Wien eingerichtet (zuvor bereits 1890 in Prag). Ab 1896 durften im Ausland erworbene Doktorate in Österreich nostrifiziert werden; ab 1897 wurde schrittweise die Zulassung von Frauen zum Studium an Hochschulen genehmigt (Frauenstudium).


Früher akzeptiert war die Ausbildung zu typischen Frauenberufen (Frauenarbeit): Erzieherin, Lehrerin, Kindergärtnerin. Die ersten Frauen wurden in dem von Wertheimer gegründeten Privatkindergarten ausgebildet und beschäftigt. Nach einer Verordnung des Unterrichtsministeriums wurden 1872 die Kindergärtnerinnen entweder als Zöglinge einer Lehrerinnenbildungsanstalt zugleich für den Kindergärtnerinnenberuf herangebildet, oder sie mußten einen einjährigen Spezialkurs erfolgreich besucht haben; per Erlaß wurde 1914 eine zweijährige Ausbildungsdauer festgesetzt. 1897 war Tina Blau-Lang Mitbegründerin der "Kunstschule für Frauen und Mädchen". Am 3. April 1897 wurde Gabriele Possanner von Ehrenthal als erste Frau zum Dr. med. univ. promoviert; Else Cronbach war der erste weibliche Dr. der Staatswissenschaften in Österreich. Um 1900 gab es in Wien folgende gewerbliche Fortbildungsschulen und Arbeitsschulen für Mädchen: die k. k. Kunststickereischule (1905/1906 von 38 Schülerinnen besucht), die aus einer Fachschule und einem Atelier für Kunststickerei bestand; der k. k. Zentralspitzenkurs (1905/1906 von 232 Schülerinnen besucht), gegliedert in drei Kurse für Spitzennähen, Spitzenklöppeln (je ein Jahr) und Spitzenhäkeln (zwei Monate); die k. k. Musterwerkstätte für Korbflechterei (1905/1906 von zwölf Mädchen besucht). Insgesamt bestanden in Wien für Mädchen elf Fortbildungsschulen mit 68 Klassen und 3.500 Schülerinnen (hingegen bestanden 960 Klassen für 36.600 Knaben), in der gesamten Monarchie 35 Fortbildungsschulen; daneben gab es "Arbeitsschulen" für Mädchen, die von Frauenvereinen organisiert wurden. Die staatliche Subventionen für die gewerblichen Fortbildungsschulen für Mädchen betrugen 1906 83.400 Kronen, die Subventionen für die entsprechenden Knabenschulen 857.000 Kronen. Im Jahr 1900 wurden Mädchenmittelschulen in Form von Mädchenlyzeen ermöglicht; diese sollten (laut Erlaß vom 11. Dezember 1900) "mit besonderer Berücksichtigung der modernen Sprachen und ihrer Literatur eine höhere, der weiblichen Eigenart entsprechende allgemeine Bildung" gewähren. Das 1892 vom "Verein für erweiterte Frauenbildung" eröffnete "Humanistische Gymnasium" für Mädchen in Wien (6, Rahlgasse 4) wurde 1902-1904 zu einem achtklassigen Gymnasium (mit Knabenlehrplan) erweitert (Landessubvention vor dem Ersten Weltkrieg cirka 2.000 Kronen), das 1910 das Öffentlichkeitsrecht und 1920 erstmals eine staatliche Förderung erhielt. Ab 22. Juli 1908 waren Frauen zum Studium an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt zugelassen. 1911/1912 gründete Eugenie Schwarzwald das erste Mädchenrealgymnasium in Wien (1, Wallnerstraße), weitere entstanden 1912 (8, Albertgasse) und 1913 (2, Sperlgasse). Alle diese "Mittelschulen" für Frauen ("Höhere Töchterschulen") waren anfangs Privatlehranstalten, die nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert wurden und denen das Öffentlichkeitsrecht sowie das Recht zu Maturitätsprüfungen vorenthalten wurde. - Nach 1919 blieben die Mädchenmittelschulen Privatinstitute, doch wurden sie nun teilweise gefördert. Sechs der 28 Bildungsanstalten für Mädchen überlebten die ersten Jahre nach dem Ersten Weltkrieg nicht. Otto Glöckels Plan als Unterstaatssekretär, die Knabenschulen auch den Mädchen zu öffnen, scheiterte; in Wien wurde jedoch die Aufnahme von Mädchen an Knabenschulen weitgehend gestattet (Erlaß vom 11. September 1919). 1920/1921 besuchten von 1.150 Mittelschülerinnen 362 normale Knabenschulen, 1923/1924 waren es schon etwa 900. Die Lyzeen wurden bis 1927 in Realgymnasien umgewandelt. Die ab 1920 an die Lehrer der Mädchenmittelschulen ausgezahlte Notstandsbeihilfe zur Sicherung der Gehälter wurde 1933 unter dem Vorwand budgetärer Gründe eingestellt. Noch immer stand den Knaben dreimal mehr Ausbildungsraum zur Verfügung, doch besuchten immerhin schon cirka 40 % aller Mittelschülerinnen koedukativ geführte Anstalten (Unterricht allerdings in getrennten Klassen). Nach 1920 gliederten sich die Frauenberufsschulen in "Höhere Lehranstalten für wirtschaftliche Frauenberufe", "Frauengewerbeschulen" und "Koch- und Haushaltungsschulen"; auch diese gingen auf private Gründungen zurück und wurden nur zögernd vom Staat übernommen. 1932 gab es in Wien sechs dieser Schulen (20 Klassen, 470 Schülerinnen), dazu noch die Bundeslehranstalt für wirtschaftliche Frauenberufe (1, Kurrentgasse). An den technisch-gewerblichen Bundeslehranstalten in Wien (Hoch- und Tiefbau, Maschinenbau, Elektrotechnik) studierten 1929 cirka 600 Studenten, jedoch nur acht Studentinnen. 1927 wurde im Mittelschulgesetz die vierklassige Hauptschule "mit durchgängiger Trennung der Geschlechter" als Ersatz für die dreiklassige Bürgerschule verankert.

Ab 1933/1934 wurden Mädchen kaum noch an Knabenschulen zugelassen; sie mußten Frauenoberschulen und ein neuerlich eröffnetes Oberlyzeum besuchen; außerdem wurde wieder ein Zölibat für Lehrerinnen eingeführt. Den im Ständestaat stark vermehrten konfessionellen Privatschulen wurde nach dem "Anschluss" Österreichs 1938 das Öffentlichkeitsrecht entzogen; sie mußten schließen oder wurden verstaatlicht.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde an die Schulgesetze von 1927 angeschlossen; die öffentlichen Mittelschulen und Hochschulen standen nun für Frauen offen, frauenspezifische Einrichtungen (Frauenoberschulen) blieben jedoch erhalten. Die Beschränkung der beruflichen Bildung für Mädchen auf sogenannte "Frauenberufe" erhielt sich auch noch in der Zweiten Republik (noch 1970 wurden 68% aller weiblichen Lehrlinge in nur drei Berufen ausgebildet: Friseuse, Damenschneiderin, Einzelhandelskaufmann), in der Ausbildung für kaufmännische und Büroberufe, aber auch in der Lehrerausbildung wurden schließlich zunehmend Frauen akzeptiert. 1944/1956 stellten die Frauen erstmals mehr als die Hälfte der Pflichtschullehrer. 1962 wurde die Schulpflicht von acht auf neun Jahre verlängert. Der Ausbau des koedukativen Unterrichts wurde weitgehend abgeschlossen, der Abbau rollenspezifischer Unterrichtsangebote in Angriff genommen. 1983/1984 waren 51% der Schüler in Maturaklassen Mädchen; allerdings erlangte nur cirka ein Viertel der Frauen einen Lehrabschluß (im Gegensatz zu cirka der Hälfte bei den Männern).

Literatur

  • Helmut Engelbrecht: Geschichte des österreichischen Bildungswesens. Erziehung und Unterricht auf dem Boden Österreichs. Bände 3-5. Wien : Österreichischer Bundesverlag 1984-1988
  • Erika Weinzierl: Emanzipation? Österreichische Frauen im 20. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1975
  • Marina Fischer-Kowalski [u. a.]: Von den Tugenden der Weiblichkeit. Mädchen und Frauen im österreichischen Bildungssystem. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1986
  • Amalie Mayer / Hildegard Meissner / Henriette Siess: Geschichte der österreichischen Mädchenmittelschule. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1952