Donauregulierung

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Dammbauarbeiten 1870 bis 1875
Daten zum Eintrag
Datum von
Datum bis
Objektbezug Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 19.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Bildname Dammschuettung.jpg
Bildunterschrift Dammbauarbeiten 1870 bis 1875

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1) Anlass dafür, der Donau zwischen Nußdorf und Albern ein (in sehr flacher Kurve verlaufendes) neues Bett zu graben (Strom-Kilometer 1935-1919, Gesamtbreite rund 758 Meter), waren die Aufsplitterung in zahlreiche Donauarme nordöstlich von Wien und die immer wiederkehrenden Überschwemmungen, die weite Teile der den Donaukanal und die Donau säumenden Vorstädte und Ortsgemeinden in Mitleidenschaft zogen. Der "Wiener Durchstich" ist zwischen den beiderseitigen Hochwasserschutzdämmen 830-950 Meter breit und in drei Streifen geteilt, die den Wasserständen der Donau entsprechen (Hoch-, Mittel- und Niederwasser); das Hochwasserbett entsprach dem Inundationsgebiet am linken Stromufer (Überschwemmungsgebiet, Breite 474 Meter; links vom Marchfeldschutzdamm begrenzt, der 33 Marchfeldgemeinden vor Überschwemmungen schützt, beim Donaugraben im Tuttendörfel beginnt und bis Markthof reicht [57 Kilometer Länge]), das Mittelwasserbett war das "normale" Strombett (284-300 Meter), das Niederwasserbett war nur bei sehr niedrigem Wasserstand erkennbar; ganz rechts verlief die (ständig ausgebaggerte) Fahrtrinne. Die Regulierungen beschränkten sich anfangs auf den Donaukanal; seit dem späten Mittelalter suchte man durch Ausgrabungen der Versandung und durch Uferbefestigung der Hochwassergefahr entgegenzuwirken.

1598 kam es erstmalig zu einer Regulierung des "Wiener Kanals", durch den auch dem "Linksdrängen" der Donau entgegengewirkt und der Versuch unternommen werden sollte, die Donau nahe bei Wien zu halten. Die zahlreichen Donauarme und Inseln ("Haufen") erschwerten nicht nur die Schifffahrt, sondern bildeten auch ein wesentliches Hindernis für die Siedlungsentwicklung der linksseitigen Donaugemeinden beziehungsweise deren Anbindung an das Stadtzentrum (älteste Donaubrücke erst 1439); die immer deutlichere Verlagerung des Donaulaufs vom Stadtrand weg in nordöstliche Richtung ließ eine wirtschaftliche Schwächung der Stadt befürchten, weil die Lage am Strom verlorenzugehen drohte. Dazu kam, dass die oftmaligen Überschwemmungen für die angrenzenden Vorstädte (insbesonders Leopoldstadt, Roßau, Weißgerber, Erdberg) und für die Marchfeldgemeinden am linken Donauufer eine permanente Bedrohung darstellten. 1717 berief Karl VI. Vincenzo Coronelli nach Wien, um einen Regulierungsplan auszuarbeiten ("Commissario Perpetuo del Danubio"). 1810 artikulierte Josef Schemerl Ritter von Leytenbach (1807-1836 Leiter des Hofbaurats) erstmalig den radikalen Gedanken, die Donauarme in einem "Normalstrombett" zu vereinigen und dieses mittels einer stabilen Brücke zu überqueren; damit sollten die Bedingungen für die Schifffahrt verbessert und die Gefahren durch Hochwässer beseitigt werden.

1830, im Jahr einer katastrophalen Donauüberschwemmung (durch die neben Vorstädten und Gemeinden auch das halbe Marchfeld überflutet wurde), schlug der aus Udine berufene Oberingeneur Hermengild Francesconi die Regulierung der Donau auch auf der Strecke bis Pressburg vor. Handelsminister Karl Ludwig Freiherr von Bruck betrieb 1848 die Donauregulierung energischer (Einsetzung einer Kommission, die die Frage der Stromregulierung, der Umgestaltung des Donaukanals und die Errichtung einer neuen Brücke lösen sollte). Schon damals gab es Meinungsverschiedenheiten darüber, ob ein "Durchstich" (das heißt ein neues Strombett) gewagt werden solle (als Gegner trat unter anderem Florian Ritter von Pasetti auf).

Die 1850 ausgearbeiteten Regulierungsprojekte (von Mihálik, Kink, Baumgartner und Riener) entschieden sich für ein neues Donaubett, doch kam es zu keiner Entscheidung, weil der Regierung die nationalökonomischen Gesichtspunkte zu wenig berücksichtigt schienen. Die großen Überschwemmungen des 19. Jahrhunderts (1830, vor allem aber 1862) gaben schließlich den Anstoß dazu, dass der Gemeinderat sich seit 1863 mit der Regulierungsplanung eingehender beschäftigte. 1866 wurde die Donauregulierung vom Gemeinderat grundsätzlich beschlossen (Installierung einer Donauregulierungskommission 1867); in der Schwimmschulallee (2, Lassallestraße) wurden zwei Administrationsgebäude errichtet, in denen zwölf Ingenieure die Arbeit leisteten. Am 14. Mai 1870 erfolgte durch Franz Joseph I. der erste Spatenstich am Ende der Schwimmschulallee. Der Auftrag erging an die französische Familie Castor, Hersent und Couvreux, die über einschlägige Erfahrungen (Suezkanal) verfügte; durch große Schaufelmaschinen ("Excavateure" aus Paris und "Draques" vom Suezkanal) wurde das neue Bett ausgehoben, der Aushub auf 200 Cabs und 1.200 "Lowries" (Kippwagen auf Schienen) verladen und zur Zuschüttung der Donauarme (vornehmlich des Kaiserwassers), zur Abdämmung des Überschwemmungsgebiets und zum Bau des Marchfelddamms verwendet.

Das 284,5 Meter breite Strombett erhielt am linken Ufer ein 474,5 Meter breites Überschwemmungsgebiet. Die Arbeiten wurden in zwei Bauabschnitten vorgenommen: der erste ging vom sogenannten Roller (natürlicher Damm in der Gegend der heutigen Nordbrücke; Trennung des Kaiserwassers vom Floridsdorfer Arm; vollständige Ausgrabung) zur heutigen Reichsbrücke (Belassung des Erdreichs als Damm), der zweite von dieser flussabwärts (lediglicher Bau einer Künette am rechten Stromufer, das übrige überließ man dem Strom). Am 19. April 1875 fand die Inbetriebnahme statt, nachdem am 15./16. April der auch von Fachleuten mit Sorge erwartete "Durchstich" am Rollerdamm (in nur 60 Zentimeter Breite), dem wenige Stunden später der Durchstich des Schwimmschuldamms (oberhalb der Reichsbrücke) folgte, von geringfügigen Schäden abgesehen geglückt war; Bürgermeister Dr. Cajetan Felder hatte, als sich die Fachleute nicht einigen konnten, die Verantwortung für diese Entscheidung übernommen.

Am 30. Mai 1875 fand die feierliche Eröffnung des Schiffsverkehrs im neuen Donaubett statt; die Festgäste fuhren im Beisein des Kaisers an Bord der "Ariadne" von der Reichsbrücke nach Nußdorf. Die Kosten der Donauregulierung beliefen sich auf rund 25 Millionen Gulden, von denen je ein Drittel die Stadt Wien, das Land Niederösterreich und der Staat bezahlten, die in der Donauregulierungskommission vertreten waren. Die Donauregulierung im Weichbild der Stadt erfolgte nach Plänen der Ingenieure James Abernethy und Georg Sexauer. Im administrativen Bereich setzte sich für die Donauregulierung vor allem Bürgermeister Felder, auf dem wissenschaftlichen Sektor unter anderem der Geologe Eduard Suess ein (wogegen Bürgermeister Dr. Andreas Zelinka in der Vorplanung der 1860er Jahre eher eine zurückhaltende Position eingenommen hatte).

Die Donauregulierung bewirkte, dass die tiefgelegenen Stadtteile von der Bedrohung durch die Donau befreit wurden und viele Sandbänke, aber auch Augebiete als Baugründe nutzbar gemacht werden konnten; eine Erhaltung von Augebieten im Sinn eines Naturschutzes kam nicht zum Tragen, jedoch wurde die "Alte Donau", das durch die Donauregulierung vom Hauptstrom getrennte ehemalige Hauptbett des Stroms, zu einem Erholungsgebiet gestaltet (Gänsehäufel und andere Bäder, Ansiedlung von Rudervereinen und so weiter). Zugleich mit der Donauregulierung begann der Bau neuer Donaubrücken, die noch auf trockenem Grund errichtet werden konnten. Die Donau wurde im Zuge der Regulierung an ihrem linken Ufer durch ein Überschwemmungsgebiet begleitet, das im Fall von Hochwasser überflutet wurde; die Brücken überquerten daher nicht nur den Strom, sondern auch dieses Überschwemmungsgebiet. Im Zuge des Baus der Reichsbrücke wurde eine Erhöhung und Verstärkung der Hochwasserschutzdämme für Wien und Niederösterreich in Angriff genommen, die 1935 abgeschlossen werden konnte.


2) Nach der Überschwemmung von 1954 (das dem stärksten jemals registrierten Hochwasser von 1501 am nächsten kam) wurde das Projekt einer im ehemaligen Überschwemmungsgebiet zu schaffenden "zweiten Donauregulierung" (Hochwasserschutzprojekt, Donauinsel, Neue Donau) am 1. März 1972 in Angriff genommen (Abschluss der Baggerarbeiten am 13. Oktober 1987, Teilfreigaben der Donauinsel für Erholungszwecke seit 1981; Donau).

Videos

Mit dem Strom leben (1993), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 538 (Ausschnitt)

Quelle

Literatur

  • Bericht und Anträge des von der Commission für die Donauregulirung bei Wien ernannten Comités. Vorgetragen in der Plenarversammlung am 27. Juli 1868 und von derselben einstimmig angenommen. Wien: Hof- und Staatsdruckerei 1868
  • Regulierung der Donau bei Wien in der Strecke vom Roller bis unterhalb der Stadelauer Eisenbahnbrücke. 1. Allgemeine Bestimmungen 2. Baubeschreibung. 3. Vorausmaße. Wien: Donauregulierungskommission 1869
  • Beschreibung der Arbeiten der Donau-Regulierung bei Wien. Hg. aus Anlaß der ... Eröffnung der Schiffahrt im neuen Strombette am 30. Mai 1875 von der Donau-Regulirungs-Commission in Wien. Wien: Hof- und Staatsdruck 1875
  • Berichte der Donau-Regulierungs-Kommission in Wien über die Vollendung der Donau-Regulierung bei Wien von Nußdorf bis Fischamend ... Wien 1885
  • Cajetan Felder: Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters. Hg. von Felix Czeike. Wien: Forum-Verlag 21984, S. 337 ff.
  • Franz Kaiser: Zum Jubiläum der Donauregulierung und zum neuen Wiener Hochwasserschutzgebiet. in: Österreich in Geschichte und Literatur 15 (1971), S. 542 ff.
  • Viktor Thiel: Geschichte der älteren Donauregulierungssarbeiten bei Wien. In: Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich 2 (1903), S. 117 ff. und 4/5 (1905/1906), S. 1 ff.
  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1896 - 1934. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 2), S. 553 ff.
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: 1958, S. 69 ff., 79 ff. (Folgen)
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 104ff.

Weblinks