Vororte: Unterschied zwischen den Versionen

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Den Anlaß für die Eingemeindung der Vorstädte gab die unterschiedliche Höhe der 1829 eingeführten [[Verzehrungssteuer]], einer staatlichen Abgabe, die auf verschiedenste Artikel des täglichen Bedarfs (vor allem Lebensmittel) aufgeschlagen wurde und die in Großstädten wie Wien wesentlich höher und umfassender war als in Kleinstädten und Landgemeinden. Dadurch war in Wien das Preisniveau höher als in den Vorstädten, es kam zu einer für Wien nachteiligen Entwicklung (Geldabfluß, Bevölkerungsabwanderung, Sozialgefälle, steigende Grundstückspreise, höhere Mieten und anderem).  
 
Den Anlaß für die Eingemeindung der Vorstädte gab die unterschiedliche Höhe der 1829 eingeführten [[Verzehrungssteuer]], einer staatlichen Abgabe, die auf verschiedenste Artikel des täglichen Bedarfs (vor allem Lebensmittel) aufgeschlagen wurde und die in Großstädten wie Wien wesentlich höher und umfassender war als in Kleinstädten und Landgemeinden. Dadurch war in Wien das Preisniveau höher als in den Vorstädten, es kam zu einer für Wien nachteiligen Entwicklung (Geldabfluß, Bevölkerungsabwanderung, Sozialgefälle, steigende Grundstückspreise, höhere Mieten und anderem).  
  
Die Vereinigung mit Wien zu einer „Großkommune" wurde zwar bereits 1849 durch Innenminister [[Franz Stadion|Franz Graf Stadion angeregt, doch wehrte sich der Wiener Gemeinderat entschieden, diesen weit vorausschauenden Plan zu akzeptieren, da er durch die Herstellung der in den Vorstädten weitgehend fehlenden technischen und sozialen Infrastruktur zu große finanzielle Belastungen für die Stadt befürchtete.  
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Die Vereinigung mit Wien zu einer "Großkommune" wurde zwar bereits 1849 durch Innenminister [[Franz Stadion|Franz Graf Stadion angeregt, doch wehrte sich der Wiener Gemeinderat entschieden, diesen weit vorausschauenden Plan zu akzeptieren, da er durch die Herstellung der in den Vorstädten weitgehend fehlenden technischen und sozialen Infrastruktur zu große finanzielle Belastungen für die Stadt befürchtete.  
  
Ab 1872 beriet eine „Vorstadtkommission" des Wiener Gemeinderats Möglichkeiten für Lösungen, 1887 wurde die niederösterreichische Regierung damit befaßt, 1888 sprach sich Franz Joseph I. anläßlich der Eröffnung des [[Türkenschanzpark|Türkenschanzparks]] für die Eingemeindung der Vorstädte aus. Ein Reichsgesetz zur Reform der Verzehrungssteuer erhielt am 10. Mai 1890 die kaiserliche Sanktion. Das niederösterreichische Landesgesetz, das nicht nur die Eingemeindung der Vorstädte nach Wien, sondern auch ein neues Gemeindestatut und eine neue Gemeindewahlordnung vorsah ([[Stadtverfassung]]) wurde am 9. Dezember 1890 beschlossen, am 19. Dezember 1890 publiziert und trat am l. Jänner 1892 in Kraft.  
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Ab 1872 beriet eine "Vorstadtkommission" des Wiener Gemeinderats Möglichkeiten für Lösungen, 1887 wurde die niederösterreichische Regierung damit befaßt, 1888 sprach sich Franz Joseph I. anläßlich der Eröffnung des [[Türkenschanzpark|Türkenschanzparks]] für die Eingemeindung der Vorstädte aus. Ein Reichsgesetz zur Reform der Verzehrungssteuer erhielt am 10. Mai 1890 die kaiserliche Sanktion. Das niederösterreichische Landesgesetz, das nicht nur die Eingemeindung der Vorstädte nach Wien, sondern auch ein neues Gemeindestatut und eine neue Gemeindewahlordnung vorsah ([[Stadtverfassung]]) wurde am 9. Dezember 1890 beschlossen, am 19. Dezember 1890 publiziert und trat am l. Jänner 1892 in Kraft.  
  
Bereits 1891 hatten in den Vorstädten erstmals Wahlen zum Wiener Gemeinderat stattgefunden. Durch die Eingemeindung ergaben sich auch fiskalische Veränderungen: die ab 1829 am Linienwall eingehobene Verzehrungssteuer wurde hinfällig, die „Linienämter" fanden an den äußeren Vorortgrenzen ihren neuen Platz.  
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Bereits 1891 hatten in den Vorstädten erstmals Wahlen zum Wiener Gemeinderat stattgefunden. Durch die Eingemeindung ergaben sich auch fiskalische Veränderungen: die ab 1829 am Linienwall eingehobene Verzehrungssteuer wurde hinfällig, die "Linienämter" fanden an den äußeren Vorortgrenzen ihren neuen Platz.  
  
Die Vorstädte waren insbesonders von vielen Arbeitern als Wohnort gewählt worden, weil die billigeren Mieten in Verbindung mit der außerhalb des [[Linienwall|Linienwalls]] geringeren [[Verzehrungssteuer]] gegenüber den -» Vorstädten (beziehungsweise später den Bezirken 3-9) zu deutlich verringerten Lebenshaltungskosten führten. Die geringeren Grundstückspreise (und damit die niedrigeren Renditen des eingesetzten Kapitals) führten allerdings auch zur Errichtung von qualitativ minderwertigen „Zinskasernen" mit jenen Substandardwohnungen, die noch heute Probleme aufwerfen. Da die Arbeiter jedoch (trotz wachsender Industrialisierung in den Vorstädten) oftmals in den innerhalb der „Linien" gelegenen Vorstädten ihre Arbeitsplätze hatten, begann in dieser Zeit eine „Berufspendelwanderung", die billligere Massenverkehrsmittel erforderten (Stellwagen, Pferdeomnibusse, später Pferdetramway).  
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Die Vorstädte waren insbesonders von vielen Arbeitern als Wohnort gewählt worden, weil die billigeren Mieten in Verbindung mit der außerhalb des [[Linienwall|Linienwalls]] geringeren [[Verzehrungssteuer]] gegenüber den -» Vorstädten (beziehungsweise später den Bezirken 3-9) zu deutlich verringerten Lebenshaltungskosten führten. Die geringeren Grundstückspreise (und damit die niedrigeren Renditen des eingesetzten Kapitals) führten allerdings auch zur Errichtung von qualitativ minderwertigen "Zinskasernen" mit jenen Substandardwohnungen, die noch heute Probleme aufwerfen. Da die Arbeiter jedoch (trotz wachsender Industrialisierung in den Vorstädten) oftmals in den innerhalb der "Linien" gelegenen Vorstädten ihre Arbeitsplätze hatten, begann in dieser Zeit eine "Berufspendelwanderung", die billligere Massenverkehrsmittel erforderten (Stellwagen, Pferdeomnibusse, später Pferdetramway).  
  
 
Manche Vorstädte waren unabhängig von dieser Entwicklung (insbesonders ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) beliebte Sommerfrischen (darunter Hietzing, Penzing, Hernals, Salmannsdorf, Sievering), in anderen entstanden Villenviertel (Cottageviertel in Hietzing, Währing und Döbling) und Landhäuser der gehobenen bürgerlichen Bevölkerung.
 
Manche Vorstädte waren unabhängig von dieser Entwicklung (insbesonders ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) beliebte Sommerfrischen (darunter Hietzing, Penzing, Hernals, Salmannsdorf, Sievering), in anderen entstanden Villenviertel (Cottageviertel in Hietzing, Währing und Döbling) und Landhäuser der gehobenen bürgerlichen Bevölkerung.

Version vom 14. August 2013, 16:30 Uhr

Daten zum Eintrag
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Datum bis
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 14.08.2013 durch WIEN1.lanm08w14

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Vororte, außerhalb des Linienwalls gelegene ehemalige niederösterreichische Ortsgemeinden, die 1890/1892 eingemeindet und zu den Bezitken 11-19 zusammengeschlossen wurden.

Alphabetische Übersicht

(Bezirke in Klammer):

Einbezogen wurden auch kleine Teile von:

Vorgeschichte der Eingemeindung

Alle Vororte lagen außerhalb des 1704 errichteten Linienwalls, unterstanden bis 1848 verschiedensten Orts- und Grundherren und waren danach selbständige niederösterreichische Gemeinden (die von Bürgermeistern geleitet wurden).

Die erste Annäherung an Wien vollzog sich im Rahmen der Polizeiorganisation; ab 1751 unterstanden Fünfhaus, Sechshaus, die später zu Rudolfsheim vereinten Gemeinden Braunhirschengrund, Reindorf und Rustendorf sowie Neulerchenfeld, Hernals (durchwegs Standorte der wachsenden Industrie) und Währing der Polizeidirektion Wiens;

1850/1851 und 1873 wurde deren Sprengel auf die meisten übrigen Vororte ausgedehnt. Die nördlichen und ein Teil der westlichen Vororte waren ab Anfang des 19. Jahrhunderts beliebte Sommerfrischen der Stadtbevölkerung.

Mit dem Zusammenschluß der 1704 außerhalb des Linienwalls gebliebenen Teile der ehemligen Vorstädte Wieden, Margareten und Landstraße und von Teilen der Gemeinden Inzersdorf, Ober- und Unterlaa zum 10. Bezirk Favoriten (1874) wurde das Stadtgebiet erstmals über den Linienwall hinaus ausgedehnt.

Eingemeindung

Den Anlaß für die Eingemeindung der Vorstädte gab die unterschiedliche Höhe der 1829 eingeführten Verzehrungssteuer, einer staatlichen Abgabe, die auf verschiedenste Artikel des täglichen Bedarfs (vor allem Lebensmittel) aufgeschlagen wurde und die in Großstädten wie Wien wesentlich höher und umfassender war als in Kleinstädten und Landgemeinden. Dadurch war in Wien das Preisniveau höher als in den Vorstädten, es kam zu einer für Wien nachteiligen Entwicklung (Geldabfluß, Bevölkerungsabwanderung, Sozialgefälle, steigende Grundstückspreise, höhere Mieten und anderem).

Die Vereinigung mit Wien zu einer "Großkommune" wurde zwar bereits 1849 durch Innenminister [[Franz Stadion|Franz Graf Stadion angeregt, doch wehrte sich der Wiener Gemeinderat entschieden, diesen weit vorausschauenden Plan zu akzeptieren, da er durch die Herstellung der in den Vorstädten weitgehend fehlenden technischen und sozialen Infrastruktur zu große finanzielle Belastungen für die Stadt befürchtete.

Ab 1872 beriet eine "Vorstadtkommission" des Wiener Gemeinderats Möglichkeiten für Lösungen, 1887 wurde die niederösterreichische Regierung damit befaßt, 1888 sprach sich Franz Joseph I. anläßlich der Eröffnung des Türkenschanzparks für die Eingemeindung der Vorstädte aus. Ein Reichsgesetz zur Reform der Verzehrungssteuer erhielt am 10. Mai 1890 die kaiserliche Sanktion. Das niederösterreichische Landesgesetz, das nicht nur die Eingemeindung der Vorstädte nach Wien, sondern auch ein neues Gemeindestatut und eine neue Gemeindewahlordnung vorsah (Stadtverfassung) wurde am 9. Dezember 1890 beschlossen, am 19. Dezember 1890 publiziert und trat am l. Jänner 1892 in Kraft.

Bereits 1891 hatten in den Vorstädten erstmals Wahlen zum Wiener Gemeinderat stattgefunden. Durch die Eingemeindung ergaben sich auch fiskalische Veränderungen: die ab 1829 am Linienwall eingehobene Verzehrungssteuer wurde hinfällig, die "Linienämter" fanden an den äußeren Vorortgrenzen ihren neuen Platz.

Die Vorstädte waren insbesonders von vielen Arbeitern als Wohnort gewählt worden, weil die billigeren Mieten in Verbindung mit der außerhalb des Linienwalls geringeren Verzehrungssteuer gegenüber den -» Vorstädten (beziehungsweise später den Bezirken 3-9) zu deutlich verringerten Lebenshaltungskosten führten. Die geringeren Grundstückspreise (und damit die niedrigeren Renditen des eingesetzten Kapitals) führten allerdings auch zur Errichtung von qualitativ minderwertigen "Zinskasernen" mit jenen Substandardwohnungen, die noch heute Probleme aufwerfen. Da die Arbeiter jedoch (trotz wachsender Industrialisierung in den Vorstädten) oftmals in den innerhalb der "Linien" gelegenen Vorstädten ihre Arbeitsplätze hatten, begann in dieser Zeit eine "Berufspendelwanderung", die billligere Massenverkehrsmittel erforderten (Stellwagen, Pferdeomnibusse, später Pferdetramway).

Manche Vorstädte waren unabhängig von dieser Entwicklung (insbesonders ab der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts) beliebte Sommerfrischen (darunter Hietzing, Penzing, Hernals, Salmannsdorf, Sievering), in anderen entstanden Villenviertel (Cottageviertel in Hietzing, Währing und Döbling) und Landhäuser der gehobenen bürgerlichen Bevölkerung. Außerdem florierten dort, wo es bereits Verkehrsverbindungen gab, Vergnügungsetablissements (insbesonders in Hietzing, Hernals und Döbling), Wirtshäuser (vor allem im unmittelbar vor dem Linienwall gelegenen Neulerchenfeld) und Heurigenschenken.

Obwohl die Vorstädte bereits seit 1890/1892 mit Wien vereinigt sind, haben sich im Sprachgebrauch viele der alten Ortsnamen erhalten (beispielsweise Lainz, Neulerchenfeld sowie die Heurigenorte im Norden - Westen Wiens); auch die Verkehrsbetriebe bezeichnen bis in die Gegenwart Stationen beziehungsweise Ziele mancher Linien nach ehemaligen Vorortn, wie Hütteldorf, Unter-St.-Veit, Baumgarten und Heiligenstadt (U 4), Nußdorf (D), Grinzing (38), Sievering (39A), Gersthof (42A) oder Neuwaldegg (43); dasselbe gilt für Stationen der Schnellbahn (Hetzendorf, Atzgersdorf, Speising, Penzing) und der ehemaligen Vorortelinie (S 45).

Noch stärker zeigt sich das Beharrungsvermögen in den Bezirken 21-23.

Literatur

  • Maren Seliger / Karl Ucakar: Wien. Politische Geschichte 1740 - 1895. Wien: Jugend & Volk 1985 (Geschichte der Stadt Wien, 1, S 390 ff.
  • Robert Messner: Die Leopoldstadt im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der nordöstlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1962 (Topographie von Alt-Wien, 1)
  • Robert Messner: Die Landstrasse im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südöstlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verband der Wissenschaftlichen Gesellschaften Österreichs 1978 (Topographie von Alt-Wien, 5)
  • Robert Messner: Die Wieden im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südwestlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1982 (Topographie von Alt-Wien, 7)
  • Robert Messner: Mariahilf im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der westlichen Vorstädte Wiens (südliche Hälfte) auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1982 (Topographie von Alt-Wien, 6)

Messner, Wieden

  • Robert Messner: Der Alsergrund im Vormärz. Historisch-Topographische Darstellung der nordwestlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verlag Notring 1970 (Topographie von Alt-Wien, 2)
  • Adalbert Klaar: Die Siedlungsformen Wiens. Wien: Zsolnay 1971
  • Ferdinand Opll: Erstnennung von Siedlungsnamen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 2)
  • Elisabeth Schuster: Die Etymologie der niederösterreichischen Ortsnamen. Band 1/3: Einleitung, Abkürzungsverzeichnisse, Ortsnamen A bis E. Wien: Verein für Landeskunde von Niederösterreich 1989
  • Rafetseder / Hermann Oberhummer: Die Wiener Polizei l. 1937, S. 287 ff.


Spezialliteratur bei den einzelnen Vororten