Grundherrschaft (Wien)

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Ausschnitt aus der Rekonstruktion der grundherrschaftlichen Verhältnisse in Wien 1779
Daten zum Eintrag
Bildname GrundherrschaftWien1779.jpg
Bildunterschrift Ausschnitt aus der Rekonstruktion der grundherrschaftlichen Verhältnisse in Wien 1779

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Überblick über die Territorialentwicklung

Die Entwicklung von Grundherrschaft in der Großstadt Wien verlief, wenn auch nicht vollkommen linear, von einer großen Heterogenität an Grundherren und Besitzrechten hin zu einer zunehmenden Arrondierung von Grundbesitz, insbesondere in Händen der Wiener Stadtgemeinde bzw. des Magistrats. Erstreckte sich die Einflusssphäre desselben anfangs im Wesentlichen nur auf den Burgfried und einige außerhalb gelegene Landgüter (etwa Erdberg), gelang es diesem – teils mit direkter oder indirekter Unterstützung des Landesfürsten – im Laufe des 18. und 19. Jahrhunderts einen Großteil der grundherrschaftlichen Besitzungen mitsamt den dazugehörigen Rechten an sich zu ziehen. Dennoch blieb ein Gutteil des Wiener Stadtgebietes innerhalb des Linienwalls bis zur Auflösung der Grundherrschaft 1848 im Besitz geistlicher oder weltlicher Grundherren. Dadurch wurde die Schaffung eines einheitlichen Herrschafts- und Rechtsraumes lange verhindert, da die einzelnen Grundherren nicht nur über die Besitzrechte, Abgaben und Dienste, sondern auch über die niedere Gerichtsbarkeit auf ihren Gütern verfügten.

18. Jahrhundert und Vormärz

Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts kam es zu einer schrittweisen Zurückdrängung (nicht-magistratischer) Grundherren im Wiener Raum, in erster Linie, was ihre rechtliche Bedeutung anging. Dabei griff das Einzugsgebiet des Magistrats im Laufe des Jahrhunderts besonders nach Südwesten (Margareten, Nikolsdorf, Matzleinsdorf) aus. Im Bereich Erdberg und Altlerchenfeld wandelte sich wiederum magistratischer Grundbesitz in Staatsgut um. Ein Erneutes Erstarken des Phänomens Grundherrschaft ist dann nach großflächigen Umverteilungen zur Zeit des Josephinismus im letzten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts kontinuierlich bis zum Vormärz zu beobachten. Es ist zudem bis 1847 eine deutliche Zunahme bürgerlichen Grundbesitzes, zeitweilig sogar innerhalb des Linienwalls (etwa Reinprechtsdorf um 1825) festzustellen, mit dem ein Rückgang adeliger und kirchlicher Landgüter parallel läuft, ersterer besonders deutlich im Süden (Inzersdorf), letzterer zeitweilig vor allem im Westen (Braunhirschen, Penzing, Rustendorf), dauerhaft im Nord-Westen (Gersthof, Oberdöbling) zugunsten des Bürgertums. Stiftungs- und Staatsherrschaften, die im 18. Jahrhundert in den Vorstädten und Vororten (Penzing, Rustendorf; zuerst Stiftungs-, dann Staatsherschaften bzw. Erdberg, zuerst Magistrat, dann Staatsherrschaft), aber auch innerhalb des Linienwalls, wie Spittelberg, Reinprechtsdorf (Stiftung) und Altlerchenfeld (Staat) beziehungsweise innerhalb des Burgfrieds (Jägerzeile,Staat) bestanden, verschwanden zu Beginn des 19. Jahrhunderts aus dem Wiener Raum.

Entwicklung innerhalb des Linienwalls

Innerhalb der Linien war der Magistrat von Beginn des 18. Jahrhunderts an größter Grundbesitzer. Seine Besitzungen lagen teils in, teils quer zum Linienwall, was durch die weit in den Süden ausgreifende Burgfriedsgrenze bedingt war. Besitzwechsel vollzog sich immer wieder, wobei auffällig ist, dass dieser auch im 18. Jahrhundert nicht einseitig zugunsten des Magistrats verlief. So 'verlor' derselbe etwa Altlerchenfeld zum Ende des Jahrhunderts an den Staat, bis 1847 zeitweise Breitenfeld an den Adel bzw. die Landgüter nördlich der Leopoldstadt an die Kirche.

Spezifika von Grundherrschaft in der (Groß-)stadt

Einerseits bedingte die komplizierte boden- und herrschaftsrechtliche Lage in gewisser Weise die Dynamik des städtischen Wachstums, andererseits färbte die spezifische Situation (groß-)städtischer Verhältnisse, im Gegensatz etwa zu ländlichen Strukturen im restlichen Niederösterreich, auf die Beschaffenheit und das Funktionieren von Grundherrschaft in Wien ab. Zwar ist eine zunehmende Bedeutung von Renteneinkünften, das heißt Geldabgaben, im Gegensatz zu Naturalabgaben bei Dominikalwirtschaft festzustellen, allerdings trifft dies besonders für Dominien in gänzlich verbauten Stadtgebieten zu. Dies schlägt sich etwa in der Theresianischen Dominikalfassion von 1751 nieder, wo für letztere ausschließlich Geldrenten verzeichnet sind. Daneben bestanden um die Mitte des 18. Jahrhunderts innerhalb des städtischen Raumes noch immer große landwirtschaftlich genutzte Flächen auf Dominikalland. Somit betrieb eine Zahl von Grundherren im Stadtgebiet, ebenso in den Vorstädten (v.a. geistliche Grundherren), noch immer dominikale Eigenwirtschaft. Dies trifft vor allem auf die großen geistlichen Grundherren (St. Dorothea], Domkapitel, Erzbistum, Himmelpfortkloster, St. Jakob) und das Bürgerspital (Grundherrschaft)|Bürgerspital]] zu. Dazu kamen grundherrliche Monopole wie Mühlen oder Bierbrauereien, so Dominikalbrauereien in Margareten, Lichtental und St. Dorothea, Bierausschank, etwa in der Stadt, der Leopoldstadt und St. Marx und innerstädtische Freihöfe. Zudem besaß das Bürgerspital als ein wichtiges handelspolitisches Privileg dasjenige der Vergabe sogenannter Konzessionen (da heißt gewähren) für Leinwandhandlungen. Die Poliermühle der Herrschaft Mühlfeld (Schleifmühle), die Diverses von Waffen bis kunstgewerlichen Erzeugnissen produzierte, war weiterhin spezifisch für Wiener Dominikalwirtschaft.

Nach der gezielten Ansiedlungspolitik der Grundherrschaften rund um den Burgfried nach der Türkenbelagerung 1683, die einen Ring untertäniger Dörfer schaffen sollte, stiegen zunächst die grundobrigkeitlichen Steuer-und Renteinnahmen, das verfügbare Arbeitskräftepotential für die herrschaftlichen Betriebe sowie die Einkünfte aus der Vergabe wichtiger Handels- und Gewerbelizenzen durch die Grundherrschaft. Durch die Errichtung von Gewerbe- und Gastbetrieben stieg zudem die potentielle Nachfrage nach Produkten, die auf den Dominikalgütern erzeugt wurden. Die Dominikalwirtschaft innerhalb des Linienwalls sowie die stadtnahe Landwirtschaft begannen jedoch mit zunehmender Entwicklung und Verstädterung unrentabel zu werden. Dies hatte seine Gründe teils unter anderem in der zunehmenden Dichte der Bebauung, in deren Folge Raumknappheit innerstädtische Viehwirtschaft obsolet werden ließ, teils in der Errichtung des Linienwalls 1704, durch den größeren Umwege und Hindernisse beim Transport landwirtschaftlicher Produkte aus den Vorstädten in Kauf genommen werden mussten. Es kam daher im Laufe des 18. Jahrhunderts zur zunehmenden Rustikalisierung der Dominikalwirtschaften. Dies hatte wesentlich den Anstieg der Bedeutung und des Umfangs von Geldrenten am herrschaftlichen Einkommen zur Folge bei gleichzeitigem Rückgang von Robot (d.h. Arbeitsdiensten) bzw. Naturalabgaben. Die Entwicklung, Abgaben und Arbeitsleistungen in Geld abzulösen, begegnet in Wien schon sehr früh.

Verstädterung und ihre Folgen

Die Verstädterung eröffnete andererseits aber auch neue Möglichkeiten, Einkünfte zu generieren, indem sich die Grundherren, die über ausgedehnte, zuvor landwirtschaftlich genutzte Flächen innerhalb der Linien verfügten, diese bei steigender Raumnot meistbietend verpachten oder verkaufen konnten. Da Grunddienste und Grundbuchsgebühren an der Anzahl der untertänigen Häuser bemessen wurden, waren die Grundherren bestrebt, die Zahl der "behausten Untertanen", d.h. der bewohnten respektive bewirtschafteten Häuser, in ihrem Dörfern zu erhöhen. Zugleich nahm mit dem Stadtwachstum die Zahl der sogenannten Inwohner, d.h. der "unbehausten Untertanen" zu.

Die Stadtentwicklung ließ auch die indirekten Getränkesteuern für die Grundherren als Einnahmequelle in ihren Gaststätten zunehmend lukrativ erscheinen. Damit erhöhte sich die Bedeutung des (Gast-)Gewerbes für ihr wirtschaftliches Handeln. Es kam in der Folge zu Veränderungen der gewerbe- und handelsrechtlichen Kompetenzen der Dominien. Dies betraf einmal die Versorgung der sich zunehmend zu städtischen Bezirken entwickelnden untertänigen Gemeinden, zum anderen die Sicherung von Raum, in dem die Zünfte keinen Einfluss hatten und der sich somit für (proto-)industrielle Entwicklung eignete. Dabei bedienten sich die einzelnen Grundherrschaften verschiedener Strategien, um ihre Wirtschaftsbetriebe rentabel zu halten und folglich Besitzsicherung bzw. -erweiterung zu erzielen.

Siehe auch:

Literatur

  • Walter Sauer: Grund-Herrschaft in Wien 1700-1848. Wien: Jugend und Volk 1993 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 5)