Michaelertrakt

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1893 vollendete Fassade der Hofburg (Michaelertrakt), um 1900
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1889
Datum bis
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Michaelerkirche
Einlagezahl
Architekt Joseph Emanuel Johann Fischer von Erlach, Ferdinand Kirschner
Prominente Bewohner
PageID 4149
GND 4452757-3
WikidataID Q978722
Objektbezug Hofburg, Michaelertor, Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 18.09.2023 durch WIEN1.lanm08swa
Bildname Michaelerfassade 1900.jpg
Bildunterschrift 1893 vollendete Fassade der Hofburg (Michaelertrakt), um 1900
  • 1., Michaelerplatz 1

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48° 12' 27.70" N, 16° 21' 57.96" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Michaelertrakt (1., Trakt der Hofburg, Michaelerplatz).

Ideen für eine repräsentative Front der Hofburg zur Stadt hin sind eng mit Gesamtplanungen für das Hofburgareal verknüpft. Als Hauptfassade der Burg ist wohl bis ins 16. Jahrhundert die Front des Schweizerhofes anzusehen, die 1552 durch das prächtige Schweizertor akzentuiert wurde. Das stete Wachstum des Burgkomplexes bedingte, dass sich die Grenzen des Areals allmählich ausweiteten. In der Regentschaft Karls VI. wurden mehrere Projekte verfolgt, die schließlich eine übergreifende Lösung nötig machten. Die 1726 fertiggestellte Hofbibliothek bedingte den Neubau einer Winterreitschule, da der nie vollendete Vorgängerbau der Bibliothek beide Funktionen in sich vereint hätte. Für den Platz der Reitschule wurde der Lustgarten der Hofburg aufgelassen. Gleichzeitig wurde 1723 mit dem Neubau des Reichskanzleitraktes begonnen. Der damit betraute Johann Lukas Hildebrandt legte 1724 als erster einen Plan für eine Gesamtregulierung der Hofburg vor, der eine Fassade Richtung Kohlmarkt zur Stadt hin vorsah. 1726 übernahm sein Konkurrent Joseph Emanuel Johann Fischer von Erlach überraschend die Bauleitung des Reichskanzleitraktes. In der Folge arbeitete er einen eigenen Entwurf für die Michaelerfassade aus, der nur durch eine Zeichnung von Salomon Kleiner, die dann gestochen wurde, überliefert ist. Die überaus monumentale Lösung knüpfte an Projekte zur Stadtfassade des Pariser Louvre an. Die Fassade sah eine halbkreisförmig zurückschwingende Lösung vor, die gleichzeitig einen neuen Platz schuf. Bisher war an Stelle des projektierten Michaelerplatzes lediglich eine Straßenkreuzung. Die Umsetzung des Planes von Fischer blieb ein Torso. Mit der Schmalseite der Winterreitschule wurde nur der linke Teil der Gesamtfassade vollendet. Die Rotunde zwischen Michaelerplatz und dem Burgplatz wurde nur zur Hälfte fertig gestellt (Hier stand bis 1726 das 1608 erstmals erwähnte Matthiastor. Darüber hinaus blieben einige Privathäuser rechts in der Verlängerung des Kohlmarktes stehen, die dem geplanten Platzprojekt noch im Weg waren. Nach dem Tod Karls VI. wurden die Arbeiten nicht wieder aufgenommen. Maria Theresia ließ den Trakt des Ballhauses in ein Theater umbauen (1742 eröffnet), das einem Weiterbau im Weg war. Wohl als Provisorium gedacht, blieb diese Situation bis 1889 bestehen.

Idealansicht der von Joseph Emanuel Fischer von Erlach entworfenen Fassade der Hofburg, 1733
Entwurf zur Vollendung des Michaelertraktes, zugeschrieben an Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg, 1790/1792

Vollendung des barocken Bauprojektes in der Ringstraßenzeit

Das barocke Projekt der Fassade zur Stadt hin wurde in der Regierungszeit von Kaiser Franz Joseph I. ab 1869 wieder aufgenommen. Bis 1877 wurden alle Privatgebäude aufgekauft, die einem Neubau im Weg waren. 1874 erfolgte der Spatenstich des neuen Burgtheaters am Ring, das 1888 bezogen werden konnte. Damit war der Weg frei für den Neubau des Michaelertraktes. Die lang dauernde Absiedlung des Theaters war wohl der Grund, warum Architekt Ferdinand Kirschner erst 1888 in Anlehnung an den Entwurf Fischer von Erlachs erste Pläne für die Errichtung des Traktes vorlegte. Die Überlieferung war in Bezug auf die Gestaltung der Dachzone widersprüchlich: Der Stich Salomon Kleiners zeigte hinter der die Fassade bekrönenden Balustrade weder Dach noch Kuppeln. Das konnte entweder eine Ungenauigkeit der Zeichnung sein oder ein Flachdach nach italienischer Manier bedeuten. Der barocke Baubestand der Winterreitschule wies hingegen sehr wohl eine Kuppel auf. Carl von Hasenauer ging davon aus, dass aus baukünstlerischer Sicht die niedrige Seitenkuppel auf alle Fälle eine erhöhte Mittelkuppel erforderte. In der Tat ist eine Fassadenlösung mit drei Kuppeln bereits für die 1770er Jahre überliefert[1]. Ob damals noch auf vorhandene Pläne Fischer von Erlachs zurückgegriffen werden konnte, ist nicht mehr nachweisbar. Auf alle Fälle hat Hasenauer die ersten Pläne Kirschners stark kritisiert. Diese sahen auch einen relativ flachen Grundriss vor, damit mehr Bauvolumen untergebracht werden konnte. Hasenauer legte seinerseits Pläne vor. Kirschner musste die Anregungen Hasenauers in seinen Entwurf übernehmen. Der kuppelbekrönte Michaelertrakt wurde aus den Mitteln des Stadterweiterungsfonds 1889-1893 errichtet (Eröffnung 8. September 1893). Dazu wurden Burgtheater und Privathäuser abgerissen und die barocke Bausubstanz in den Neubau integriert. Es entstand eine repräsentative Fassade mit einer großzügigen Toranlage.

Durchfahrt zwischen Platz In der Burg und Michaelerplatz, wahrscheinlich um 1910

Fassadengestaltung

Das Grundschema der Fassade wurde nach Fischer von Erlach von der Hofbibliothek übernommen. Über einer rustizierten Sockelzone lagert die mit Kolossalpilastern versehene Hauptzone. Die beiden Seiten und die Mitte sind nicht nur von Kuppeln bekrönt, sondern auch mit Kolossalsäulen akzentuiert. Entlang der Dachzone verläuft eine Balustrade, die von Vasen und Trophäen von Emanuel Pendl geschmückt ist. Das Figurenprogramm von Fassade und Kuppelhalle geht auf den Archäologen Friedrich Kenner zurück. Eine Ausnahme bilden die Adler auf Globus, welche die Seiten krönen. Davon ist jener über der Winterreitschule barock, der anderen diesem nachgeahmt. Zahlreiche prominente Bildhauer arbeiteten am Skuplturenschmuck mit. Der Mitteltrakt ist mit den allegorischen Figurengruppe der Weisheit, Gerechtigkeit und Stärke von Johannes Benk geziert. Diese Hauptgruppe ist flankiert von Sitzfiguren mit Fascien (Liktoren), die Anton Schmidgruber anfertigte. Über dem Hauptportal, das über die Sockelzone in die Hauptzone hineinragt, ist von zwei posaunenführenden Genien getragene kaiserliche Wappen von Bildhauer Johann Jakob Silbernagl angebracht, darüber die Bauinschrift[2], die Friedrich Kenner 1892 verfasste. Die monumentalen Herkulesfiguren seitlich der Tore sind analog zu den Skulpturengruppen von Lorenzo Mattielli vor dem Reichskanzleitrakt ausgeführt. Sie zeigen "Herkules erlegt die Hydra" (Edmund Hofmann von Aspernburg), "Herkules befreit Hesione" (Hans Scherpe, nachdem Carl Kundmann den Auftrag abgelehnt hatte), "Herkules entfesselt Prometheus" (Josef Lax) und "Herkules bringt den Cerberus aus der Unterwelt" (Anton Paul Wagner). Sie Die Seitenpavillons gegen den Michaelerplatz zieren zwei aus Laaser Marmor ausgeführte Brunnengruppen ("Macht zur See" von Rudolf Weyr und "Macht zu Lande" von Edmund Hellmer).

Literatur

  • Richard Bösel: Der Michaelerplatz in Wien. Seine städtebaulichen, und architektonischen Entwicklung (Wien: Kulturkreis Looshaus, Kat. 1991)
  • Ferdinand Kirschner: Der Ausbau der Hofburg gegen den Michaelerplatz, in: Zeitschrift des Österreichischen Ingenieur-und Architekten-Vereins. Wien: Österreichische Staatsdruckerei, Jg. 46. 1894, S. 545 f.
  • Harry Kühnel: Die Hofburg. 1971, S. 103 ff.
  • Renate Leggatt-Hofer/Reinhold Sahl (Hg.): Die Wiener Hofburg. Sechs Jahrhunderte Machtzentrum in Europa, Wien 2018.
  • Hellmut Lorenz/Anna Mader-Kratky (Hg.): Die Wiener Hofburg 1705–1835. Die kaiserliche Residenz vom Barock bis zum Klassizismus (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg 3; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte 14; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW 445), Wien 2016.
  • Werner Telesko (Hg.) Die Wiener Hofburg 1835–1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des „Kaiserforums“ (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW 446), Wien 2012.

Einzelnachweise

  1. In einem Projekt, das 1772 datiert und Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg zugeschrieben werden kann. Vgl. Albertina, AZ6098
  2. Die Inschrift lautet: FRANCISCUS IOSEPHUS I VETUS PALATII OPUS A CAROLO VI INCHOATUM A MARIA THERESIA ET IOSEPHO II CONTINUATUM PERFECIT A.D. MDCCCXCIII.