Gynäkologie und Geburtshilfe

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Ignaz Philipp Semmelweis
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Bildunterschrift Ignaz Philipp Semmelweis

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Von der Abkehr der Gebärzange und dem Aufkommen des Kindbettfiebers

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts wurde die Geburtshilfe zunehmend zu einem von universitär ausgebildeten Ärzten dominierten Fach. Als eigenständige Disziplin etablierte sie sich mit der Gründung des Gebärhauses. 1789 wurde von Joseph II. die Geburtshilfliche Klinik im Allgemeinen Krankenhaus begründet. Johann Lukas Boër, der zuvor nach Holland, Frankreich und England gesandt worden war, führte die Klinik bis 1822. In Wien hatte er von Anton Johann Rechberger (1731-1792), dem Leiter des Spitals in St. Marx, die Vorteile der sanften Geburtshilfe vermittelt bekommen. Im Gegensatz zum im 18. Jahrhundert sich verbreitenden Gebrauchs der Geburtszange war Boër ein Verfechter der natürlichen Geburt. Er leitete die Geburten konservativ, schonend und nur in seltenen Fällen mit instrumenteller Hilfe (Zangenoperationen, Wendungen, Perforationen). Auch purgierende Vorbereitungskuren lehnte er ab. Darüber hinaus gab es in Wien ab 1834 noch eine weitere Gebärklinik als Unterrichtsstätte für Hebammen. Auch die medizinisch-chirurgische Josephs-Akademie (Josephinum) hatte in Wilhelm Joseph Schmitt und Joseph Spaeth namhafte Fachvertreter. Für die Indikation von geburtshilflichen Eingriffen erwarb sich der 1804-1826 die geburtshilfliche Lehrkanzel innehabende Wilhelm Joseph Schmitt (1760-1827) als präzise beobachtender Empiriker Verdienste.

Boërs Schüler und Nachfolger Johann Klein leitete ab 1810 die Praxis der Übung der Medizinstudenten an Leichen, und nicht wie zuvor an Modellen, ein. Da diese Studenten nach den Übungen ohne gründliche Reinigung der Hände im Gebärhaus Schwangere im Rahmen ihrer Ausbildung betasteten, kam es zu einem starken Anstieg der Todesfälle an Kindbettfieber, welche nach der Trennung der Ausbildung für Ärzte und Hebammen ab 1839 in zwei verschiedene Geburtskliniken statistisch auf erstere zurückgeführt werden konnte. Diese Entdeckung der Ursache des Kindbettfiebers durch den Assitenten an der 1. Gebärklinik Ignaz Philipp Semmelweis, der durch die Vorschrift für die angehenden Ärzte, vor dem Besuch in der Klinik die Hände mit einer wässrigen Chlorkalklösung zu reinigen, die Sterberate drastisch senkte, wurde aber von den führenden Ärzten der Klinik trotz der Unterstützung durch Carl Rokitansky und Ferdinand Hebra nicht anerkannt. Semmelweis, der in Wien keine akademische Karriere machen konnte, kehrte deshalb in seine Heimatstadt Budapest zurück. Erst seit 1858 wurde den Medizinstudenten die Desinfektion der Hände vor Besuch der Gebärklinik vorgeschrieben.

Die Vereinigung von Geburtshilfe und Gynäkologie

An der 1843 erstmals eingerichteten gynäkologischen Abteilung am Allgemeinen Krankenhaus begründete 1847 Johann Baptist Chiari die moderne Gynäkologie auf Basis der pathologischen Anatomie. Carl Braun Ritter von Fernwald integrierte sie in die geburtshilfliche Klinik und den Unterricht (davor hatten sich die internen Kliniker und Chirurgen der erkrankten Frauen angenommen). Braun führte auch zahlreiche neue Instrumente für geburtshilfliche und gynäkologische Untersuchungen und Operationen ein. Die bakteriologische Erforschung des Genitaltraktes setzte mit Karl Mayrhofer ein. 1873 wurde eine zweite geburtshilfliche-gynäkologische Klinik für Ärzte in Wien gegründet . Erster Vorstand war Joseph Spaeth, dem August Breisky folgte, der aus Prag nach Wien berufen wurde und 1887 die "Österreichische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe" gründete.

Pionierleistungen der Jahrhundertwende

Bereits 1882 wurde Karl Pawlik, der zeitweise die gynäkologische Abteilung an der Wiener Poliklinik leitete, zum Pionier des Ureterenkatheteismus an der Klinik von Theodor Billroth. Rudolf Chrobak führte die Mikroskopie und experimentelle Physiologie in die Gynäkologie ein. Chrobak entwickelte auch erste Ansätze für die gynäkologisch-endokrinologische Forschung. Er begründete die Wiener Schule der Geburtshilfe. Die Namen von Chrobak und Friedrich Schauta sind nicht nur mit dem nach der Jahrhundertwende erfolgten Neubau beider Kliniken bekannt geblieben, sondern vor allem durch ihre Pionierleistungen im Bereich gynäkologischer Operationen. Schauta und sein Schüler Ernst Wertheim erarbeiteten die beiden bei Uteruskarzinomen möglichen Operationswege (vaginaler oder abdominaler Zugang). Fritz Hitschmann und Ludwig Adler erforschten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts die Veränderungen des Zellgefüges der Gebärmutter beim periodischen Monatszyklus. Aus der Schule von Rudolf Chrobak stammten Heinrich von Peham und Wilhelm Weibel. An der Klinik Schauta tätig war auch die 1904 promovierte Bianca Bienenfeld, die erste praktizierende Gynäkologin in Österreich.

Die neuere Gynäkologie

Josef Halban, ein genialer Operateur, stand als einer der ersten Forscher an der Schwelle der Hormonlehre. Fritz Kermauner war besonders in der Krebsforschung tätig. Der seit 1947 an der I. Universitäts-Frauenklinik tätige Tassilo Antoine befasste sich vorrangig mit der Diagnose und Therapie des Kollumkarzinoms. Sein Nachfolger Eduard Gitsch gründete ein Hormonlabor und hatte seinen wissenschaftlichen Schwerpunkt in Prophylaxe und Therapie postoperativer Komplikationen nach gynäkologischen Eingriffen, besonders des Gebärmutterkarzinoms. Hugo Husslein war ein bedeutender Reformer der Geburtshilfe. Auf seine Initiative ging die Einführung des Schwangerenpasses und die Einrichtung des ersten Intensivkreißsaales zurück. Mit Schwerpunkt auf der Erforschung von Fertilität und Sterilität hat Johannes Huber ein umfangreiches Oeuvre auf dem Gebiet der gynäkologischen Endokrinologie verfasst. Er war auch federführend als beratendes Mitglied im Parlamentarischen Ausschuss zur Vorbereitung des Reproduktionshilfegesetzes beteiligt.

Gynäkologen und Geburtshelfer im Wien Geschichte Wiki

Literatur

  • Isidor Fischer [Hg.]: Geschichte der Geburtshilfe in Wien. Leipzig: Deuticke 1909
  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 71-79, 209-220, 467-478
  • Anton Schaller: Die Wertheim-Klinik. Band 2: Eine Geschichte der Zweiten Universität-Frauenklinik in Wien. Wien: Maudrich 1992
  • Anton Schaller / Helmut Wyklicky: Aus der Geschichte der österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe. In: Wiener klinische Wochenschrift 100 (1988), S. 121 ff.
  • Karl Heinz Tragl: Chronik der Wiener Krankenanstalten. Wien/Köln/Weimar: Böhlau 2007, S. 151-159, 203-206

Weblinks