Kabarett: Unterschied zwischen den Versionen

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Kabarett (Kleinkunstbühne). Ende 19. Jahrhundert entwickelte sich, von Frankreich ausgehend, das im Text oft zeitkritische, meist literarische und oft die Obrigkeit provozierende Chanson zur wichtigsten Form der Unterhaltung, das „Brettl" wurde zum Podium für scharfe Zeitkritik. Die nach der Jahrhundertwende entstehenden Kleinbühnen bildeten eine typisch wienerische Mischform von Kabarett und Theater mit hauptsächlich polemisch-satirischen und kulturkritischen Einaktern, Sketches und literarischen Vortragsstücken. Für die ersten „Brettl"-Gründungen in Wien war die Leopoldstadt mit ihrem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil ein guter Nährboden; viele Komödianten fanden in den Kaffeehäusern ein interessiertes Publikum. Die Künstler, unter denen sich viele spätere Größen befanden, spielten auf Anteil an den Einnahmen. Das bekannteste Kabarett war die [[Budapester Orpheumgesellschaft]], die im Hotel Stephanie (2, Taborstraße 12) auftrat. Das „Bierkabarett Simplizissimus" ist das einzige der damals gegründeten Kabartts, das bis in die Gegenwart besteht ([[Simpl]]).
 
Kabarett (Kleinkunstbühne). Ende 19. Jahrhundert entwickelte sich, von Frankreich ausgehend, das im Text oft zeitkritische, meist literarische und oft die Obrigkeit provozierende Chanson zur wichtigsten Form der Unterhaltung, das „Brettl" wurde zum Podium für scharfe Zeitkritik. Die nach der Jahrhundertwende entstehenden Kleinbühnen bildeten eine typisch wienerische Mischform von Kabarett und Theater mit hauptsächlich polemisch-satirischen und kulturkritischen Einaktern, Sketches und literarischen Vortragsstücken. Für die ersten „Brettl"-Gründungen in Wien war die Leopoldstadt mit ihrem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil ein guter Nährboden; viele Komödianten fanden in den Kaffeehäusern ein interessiertes Publikum. Die Künstler, unter denen sich viele spätere Größen befanden, spielten auf Anteil an den Einnahmen. Das bekannteste Kabarett war die [[Budapester Orpheumgesellschaft]], die im Hotel Stephanie (2, Taborstraße 12) auftrat. Das „Bierkabarett Simplizissimus" ist das einzige der damals gegründeten Kabartts, das bis in die Gegenwart besteht ([[Simpl]]).
  
Als sich Wien vor der Jahrhundertwende infolge des neuerlichen Wirtschaftswachstums und der zweiten Stadterweiterung zur europäischen Großstadt entwickelte, führte dies neben der zweiten Blüte der [[Operette]] („Silberne Ära") auch zu einem erhöhten Zerstreuungsbedürfnis der Bevölkerung. Insbesondere die Zeitspanne 1900-1914 bot mit ihrem Durchbruch zur Massenkultur günstige Entwicklungsmöglichkeiten für Kaffeehäuser, Orpheen, Tanzpaläste, Varietes und Kabaretts, die zum Treffpunkt des anonymen Großstadtpublikums wurden. 1901 gründete [[Felix Saiten]] im Keller des von [[Wilhelm Karczag]] betreuten Theaters an der Wien (6, Linke Wienzeile 6) das „Jung-Wiener Theater zum Lieben Augustin" ([[Lieber Augustin]], sub 7), das sich im Stil des Berliner „Überbrettls" versuchte, sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Es wurden 1903 Ben Tibers „Apollotheater", 1905 das „[[Modernes Cabaret|Moderne Cabaret]]", 1906 das „[[Nachtlicht|Cabaret Nachtlicht]]" und die „[[Die Hölle|Hölle]]" (in den Räumlichkeiten von „Jung-Wien"), 1907 die [[Fledermaus]] (ab 1913 [[Kabarett Femina]]) und 1910 der „[[Himmel]]" eröffnet. Das Wiener Theatergesetz von 8. April 1930 begünstigte Lokale mit weniger als 50 Sitzplätzen, da keine Konzession mehr nötig war, sondern eine Anmeldung genügte. In die nun folgende Blütezeit des Kabaretts, die erst 1938 ein gewaltsames Ende fand, fallen bedeutende Neugründungen von (meist in Kellerräumlichkeiten eingerichteten) Theatern, deren Sitzplatzangebot auf maximal 49 Zuschauer begrenzt blieb.  
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Als sich Wien vor der Jahrhundertwende infolge des neuerlichen Wirtschaftswachstums und der zweiten Stadterweiterung zur europäischen Großstadt entwickelte, führte dies neben der zweiten Blüte der [[Operette]] („Silberne Ära") auch zu einem erhöhten Zerstreuungsbedürfnis der Bevölkerung. Insbesondere die Zeitspanne 1900-1914 bot mit ihrem Durchbruch zur Massenkultur günstige Entwicklungsmöglichkeiten für Kaffeehäuser, Orpheen, Tanzpaläste, Varietes und Kabaretts, die zum Treffpunkt des anonymen Großstadtpublikums wurden. 1901 gründete Felix Saiten im Keller des von [[Wilhelm Karczag]] betreuten Theaters an der Wien (6, Linke Wienzeile 6) das „Jung-Wiener Theater zum Lieben Augustin" ([[Lieber Augustin]], sub 7), das sich im Stil des Berliner „Überbrettls" versuchte, sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Es wurden 1903 Ben Tibers „Apollotheater", 1905 das „[[Modernes Cabaret|Moderne Cabaret]]", 1906 das „[[Nachtlicht|Cabaret Nachtlicht]]" und die „[[Die Hölle|Hölle]]" (in den Räumlichkeiten von „Jung-Wien"), 1907 die [[Fledermaus]] (ab 1913 [[Kabarett Femina]]) und 1910 der „[[Himmel]]" eröffnet. Das Wiener Theatergesetz von 8. April 1930 begünstigte Lokale mit weniger als 50 Sitzplätzen, da keine Konzession mehr nötig war, sondern eine Anmeldung genügte. In die nun folgende Blütezeit des Kabaretts, die erst 1938 ein gewaltsames Ende fand, fallen bedeutende Neugründungen von (meist in Kellerräumlichkeiten eingerichteten) Theatern, deren Sitzplatzangebot auf maximal 49 Zuschauer begrenzt blieb.  
  
In den 30er Jahren spielten zeitweise bis zu 25 Kellerbühnen gleichzeitig in Wien; die grundsätzliche Einstellung änderte sich insofern, als man Schluss machte mit den Plüschkabaretts und sie durch „Kleinkunstbühnen" mit aktuellen, zeitkritischen Chansons und anderen Darbietungen ersetzte. Zahlreiche bedeutende Schauspieler traten am Anfang ihrer Karriere auf diesen Kleinkunstbühnen auf (beispielsweise [[Franz Böheim]], [[Hugo Gottschlich]], Heidemarie Hatheyer, Hilde Krahl, Josef Meinrad, [[Erich Nikowitz]] und [[Rudolf Steinboeck]]). 1928 wurde in den Räumlichkeiten der „Fledermaus" das [[Kabarett Femina]], 1929 „[[Die Komödie]]" (1, Johannesgasse 4) eröffnet. Das erste zeitkritische Kabarett Wiens war der von [[Stella Kadmon]] und [[Peter Hammerschlag]] am 7. November 1931 eröffnete „[[Theater der Courage|Der liebe Augustin]]" (sub 2). Einen neuen Typus entwickelte Rudolf Weys mit der 1933 gegründeten „[[Literatur am Naschmarkt]]", mit der das Genre der Kleinkunst „salonfähig" wurde („Burgtheater der Kleinkunst") und die mit dem 1933 gegründete literarisch-politischen Kabarett „[[Die Stachelbeere]]" eng verbunden war. Als politisch schärfstes Kabarett galt der vom Schriftsteller Hans Lengsfelder und Regisseur Teddy Bill gegr. „Regenbogen", der 1934 im Café Arkaden spielte ([[Kabarett ABC]]); hier wurden auch Stücke von [[Jura Soyfer]] aufgeführt. 1937/1938 und 1945-1951 spielte „[[Die Insel]]" (ursprünglich 1, Parkring 8, nach dem zweiten Weltkrieg „Insel in der Komödie", 1, Johannesgasse 4), 1936-1938 der „Fröhliche Landtmann" (Café Landtmann; nach dem zweiten Weltkrieg zog hier die [[Tribüne]] ein) und 1939-1941 unter Leon Epp „Die Komödie" (1, Johannesgasse 4). Daneben etablierten sich auch zahlreiche kleine Kabaretts, wie das „KIK (Kleinkunst im Kasoni-Theater)", das 1934/1935 vom Pächter der „Schiefen Laterne" (1, Walfischgasse 11) aufgenommen wurde, „Die neuen Scharfrichter" im Cafe Künstlerheim (2, Praterstraße), die im Dezember 1935 von Renée von Bronneck gegründete Kleinkunst in den „Colonnaden" (für die Hammerschlag und Eckhardt als Autoren fungierten) unter anderem. Die Blütezeit des Kabaretts, die von zahlreichen jüdischen Künstlern getragen wurde, fand in der nationalsozialistischen Ära ein jähes Ende; zahlreiche Vertreter der Kleinkunst kamen in KZs um (beispielsweise [[Fritz Grünbaum]], [[Peter Hammerschlag]] und [[Jura Soyfer]]), nur wenigen gelang die Flucht ins Ausland; das Kabarett verstummte zum Flüsterwitz. 1939 begann (unter stillschweigender Duldung seitens der nationalsozialistischen Behörden) das „[[Wiener Werkel]]" zu spielen (Rudolf Weys und Fritz Feldner), das jedoch den zweiten Weltkrieg nicht lange überdauerte.
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In den 30er Jahren spielten zeitweise bis zu 25 Kellerbühnen gleichzeitig in Wien; die grundsätzliche Einstellung änderte sich insofern, als man Schluss machte mit den Plüschkabaretts und sie durch „Kleinkunstbühnen" mit aktuellen, zeitkritischen Chansons und anderen Darbietungen ersetzte. Zahlreiche bedeutende Schauspieler traten am Anfang ihrer Karriere auf diesen Kleinkunstbühnen auf (beispielsweise [[Franz Böheim]], [[Hugo Gottschlich]], Heidemarie Hatheyer, Hilde Krahl, Josef Meinrad, [[Erich Nikowitz]] und [[Rudolf Steinboeck]]). 1928 wurde in den Räumlichkeiten der „Fledermaus" das [[Kabarett Femina]], 1929 „[[Die Komödie]]" (1, Johannesgasse 4) eröffnet. Das erste zeitkritische Kabarett Wiens war der von [[Stella Kadmon]] und [[Peter Hammerschlag]] am 7. November 1931 eröffnete „[[Theater der Courage|Der liebe Augustin]]" (sub 2). Einen neuen Typus entwickelte Rudolf Weys mit der 1933 gegründeten „[[Literatur am Naschmarkt]]", mit der das Genre der Kleinkunst „salonfähig" wurde („Burgtheater der Kleinkunst") und die mit dem 1933 gegründete literarisch-politischen Kabarett „[[Die Stachelbeere]]" eng verbunden war. Als politisch schärfstes Kabarett galt der vom Schriftsteller Hans Lengsfelder und Regisseur Teddy Bill gegr. „Regenbogen", der 1934 im Café Arkaden spielte ([[Kabarett ABC]]); hier wurden auch Stücke von [[Jura Soyfer]] aufgeführt. 1937/1938 und 1945-1951 spielte „[[Die Insel]]" (ursprünglich 1, Parkring 8, nach dem zweiten Weltkrieg „Insel in der Komödie", 1, Johannesgasse 4), 1936-1938 der „Fröhliche Landtmann" (Café Landtmann; nach dem zweiten Weltkrieg zog hier die Tribüne ein) und 1939-1941 unter Leon Epp „Die Komödie" (1, Johannesgasse 4). Daneben etablierten sich auch zahlreiche kleine Kabaretts, wie das „KIK (Kleinkunst im Kasoni-Theater)", das 1934/1935 vom Pächter der „Schiefen Laterne" (1, Walfischgasse 11) aufgenommen wurde, „Die neuen Scharfrichter" im Cafe Künstlerheim (2, Praterstraße), die im Dezember 1935 von Renée von Bronneck gegründete Kleinkunst in den „Colonnaden" (für die Hammerschlag und Eckhardt als Autoren fungierten) unter anderem. Die Blütezeit des Kabaretts, die von zahlreichen jüdischen Künstlern getragen wurde, fand in der nationalsozialistischen Ära ein jähes Ende; zahlreiche Vertreter der Kleinkunst kamen in KZs um (beispielsweise [[Fritz Grünbaum]], [[Peter Hammerschlag]] und [[Jura Soyfer]]), nur wenigen gelang die Flucht ins Ausland; das Kabarett verstummte zum Flüsterwitz. 1939 begann (unter stillschweigender Duldung seitens der nationalsozialistischen Behörden) das „[[Wiener Werkel]]" zu spielen (Rudolf Weys und Fritz Feldner), das jedoch den zweiten Weltkrieg nicht lange überdauerte.
  
 
In der zweiten Republik erlebte das Kabarett eine Wiedergeburt. Von den Bühnen der 30er Jahre wurden die „Literatur am Naschmarkt" bis 1947 (in die Räumlichkeiten zog 1961 das [[Ateliertheater am Naschmarkt]] ein) und der „Liebe Augustin" bis 1948 weitergeführt (Umwandlung durch [[Stella Kadmon]], die 1947 aus dem Exil heimgekehrt war, ins [[Theater der Courage]]). 1951 hatte das Quartett [[Helmut Qualtinger]], [[Carl Merz]], Michael Kehlmann und Gerhard Bronner einen überwältigenden Erfolg mit einer in die damalige Zeit transponierten Neufassung von Schnitzlers „Reigen" im „Kleinen Theater im Konzerthaus" ([[Kleines Brettl]]) und beschloss daraufhin, beisammenzubleiben. Im Herbst 1952 brachten sie in der „Kleinen Komödie" (1, Liliengasse 3, ab 1960 befand sich hier das „Theater im Zentrum") mit großem Erfolg die Kabarettrevue „Brettl vor'm Kopf" heraus, der weitere folgten („Blattl vor'm Mund", „Glasl vor'm Aug", „Spiegel vor'm G'sicht"); das Team erweiterte sich unter anderem um [[Peter Wehle]] und [[Johann Sklenka]]; nach den Erfolgen Qualtingers mit „Der Halbwilde", dem „G'schupften Ferdl" und „Der Papa wird's schon richten" kreierten Qualtinger und Merz 1957 den „Travnicek". 1959 übersiedelte das Team mit dem Programm „Dachl über'm Kopf ins eigene Haus, das „Neue Theater am Kärntnertor" (1, Walfischgasse 4); hier beendete Qualtinger mit dem „Hackl im Kreuz" 1961 seine Karriere als Kabarettist und sorgte im selben Jahr mit dem „Herrn Karl" für Begeisterungs- und Entrüstungsstürme. Die Geburtsstunde einer neuen Brettl-Epoche schlug 1980, als unter anderem von Fritz Aumayr die „Kulisse" gegründet wurde (17, Rosensteingasse 39); die „Schmetterlinge" und Lukas Resetarits standen am Beginn. 1983 wurden das „Spektakel" (5, Hamburgerstraße 14) und der „Niedermair" (8, Lenaugasse 1 A) gegründet, es folgte im Jänner 1989 Aumayrs „Vindobona" (20, Wallensteinplatz 6). 1984 trat im „Theater in der Drachengasse" das erste Frauenkabarett auf (gegründet von Emmy Werner), wenig später entstanden andere Frauengruppen. Renate Heinzl eröffnete im Herbst 1984 im ehemaligen Premierenkino „Wienzeile" das „K & K-Theater am Naschmarkt" (6, Linke Wienzeile 4), in dem anfangs ihr Gatte Hans-Peter Heinzl, ab 1991 die „Hektiker" und ab 1992 Alexander Goebel erfolgreich auftraten. 1994 gab es neben diesem und dem „Kabarett Simpl" weiterhin (an unveränderten Adressen) die Kabaretts „Spektakel", „Niedermair", „Kulisse" und „Vindobona" sowie das „Hernalser Stadttheater" (17, Hernalser Hauptstraße 55).
 
In der zweiten Republik erlebte das Kabarett eine Wiedergeburt. Von den Bühnen der 30er Jahre wurden die „Literatur am Naschmarkt" bis 1947 (in die Räumlichkeiten zog 1961 das [[Ateliertheater am Naschmarkt]] ein) und der „Liebe Augustin" bis 1948 weitergeführt (Umwandlung durch [[Stella Kadmon]], die 1947 aus dem Exil heimgekehrt war, ins [[Theater der Courage]]). 1951 hatte das Quartett [[Helmut Qualtinger]], [[Carl Merz]], Michael Kehlmann und Gerhard Bronner einen überwältigenden Erfolg mit einer in die damalige Zeit transponierten Neufassung von Schnitzlers „Reigen" im „Kleinen Theater im Konzerthaus" ([[Kleines Brettl]]) und beschloss daraufhin, beisammenzubleiben. Im Herbst 1952 brachten sie in der „Kleinen Komödie" (1, Liliengasse 3, ab 1960 befand sich hier das „Theater im Zentrum") mit großem Erfolg die Kabarettrevue „Brettl vor'm Kopf" heraus, der weitere folgten („Blattl vor'm Mund", „Glasl vor'm Aug", „Spiegel vor'm G'sicht"); das Team erweiterte sich unter anderem um [[Peter Wehle]] und [[Johann Sklenka]]; nach den Erfolgen Qualtingers mit „Der Halbwilde", dem „G'schupften Ferdl" und „Der Papa wird's schon richten" kreierten Qualtinger und Merz 1957 den „Travnicek". 1959 übersiedelte das Team mit dem Programm „Dachl über'm Kopf ins eigene Haus, das „Neue Theater am Kärntnertor" (1, Walfischgasse 4); hier beendete Qualtinger mit dem „Hackl im Kreuz" 1961 seine Karriere als Kabarettist und sorgte im selben Jahr mit dem „Herrn Karl" für Begeisterungs- und Entrüstungsstürme. Die Geburtsstunde einer neuen Brettl-Epoche schlug 1980, als unter anderem von Fritz Aumayr die „Kulisse" gegründet wurde (17, Rosensteingasse 39); die „Schmetterlinge" und Lukas Resetarits standen am Beginn. 1983 wurden das „Spektakel" (5, Hamburgerstraße 14) und der „Niedermair" (8, Lenaugasse 1 A) gegründet, es folgte im Jänner 1989 Aumayrs „Vindobona" (20, Wallensteinplatz 6). 1984 trat im „Theater in der Drachengasse" das erste Frauenkabarett auf (gegründet von Emmy Werner), wenig später entstanden andere Frauengruppen. Renate Heinzl eröffnete im Herbst 1984 im ehemaligen Premierenkino „Wienzeile" das „K & K-Theater am Naschmarkt" (6, Linke Wienzeile 4), in dem anfangs ihr Gatte Hans-Peter Heinzl, ab 1991 die „Hektiker" und ab 1992 Alexander Goebel erfolgreich auftraten. 1994 gab es neben diesem und dem „Kabarett Simpl" weiterhin (an unveränderten Adressen) die Kabaretts „Spektakel", „Niedermair", „Kulisse" und „Vindobona" sowie das „Hernalser Stadttheater" (17, Hernalser Hauptstraße 55).

Version vom 6. August 2014, 13:00 Uhr

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Letzte Änderung am 6.08.2014 durch WIEN1.lanm09dun

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Kabarett (Kleinkunstbühne). Ende 19. Jahrhundert entwickelte sich, von Frankreich ausgehend, das im Text oft zeitkritische, meist literarische und oft die Obrigkeit provozierende Chanson zur wichtigsten Form der Unterhaltung, das „Brettl" wurde zum Podium für scharfe Zeitkritik. Die nach der Jahrhundertwende entstehenden Kleinbühnen bildeten eine typisch wienerische Mischform von Kabarett und Theater mit hauptsächlich polemisch-satirischen und kulturkritischen Einaktern, Sketches und literarischen Vortragsstücken. Für die ersten „Brettl"-Gründungen in Wien war die Leopoldstadt mit ihrem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil ein guter Nährboden; viele Komödianten fanden in den Kaffeehäusern ein interessiertes Publikum. Die Künstler, unter denen sich viele spätere Größen befanden, spielten auf Anteil an den Einnahmen. Das bekannteste Kabarett war die Budapester Orpheumgesellschaft, die im Hotel Stephanie (2, Taborstraße 12) auftrat. Das „Bierkabarett Simplizissimus" ist das einzige der damals gegründeten Kabartts, das bis in die Gegenwart besteht (Simpl).

Als sich Wien vor der Jahrhundertwende infolge des neuerlichen Wirtschaftswachstums und der zweiten Stadterweiterung zur europäischen Großstadt entwickelte, führte dies neben der zweiten Blüte der Operette („Silberne Ära") auch zu einem erhöhten Zerstreuungsbedürfnis der Bevölkerung. Insbesondere die Zeitspanne 1900-1914 bot mit ihrem Durchbruch zur Massenkultur günstige Entwicklungsmöglichkeiten für Kaffeehäuser, Orpheen, Tanzpaläste, Varietes und Kabaretts, die zum Treffpunkt des anonymen Großstadtpublikums wurden. 1901 gründete Felix Saiten im Keller des von Wilhelm Karczag betreuten Theaters an der Wien (6, Linke Wienzeile 6) das „Jung-Wiener Theater zum Lieben Augustin" (Lieber Augustin, sub 7), das sich im Stil des Berliner „Überbrettls" versuchte, sich jedoch nicht durchsetzen konnte. Es wurden 1903 Ben Tibers „Apollotheater", 1905 das „Moderne Cabaret", 1906 das „Cabaret Nachtlicht" und die „Hölle" (in den Räumlichkeiten von „Jung-Wien"), 1907 die Fledermaus (ab 1913 Kabarett Femina) und 1910 der „Himmel" eröffnet. Das Wiener Theatergesetz von 8. April 1930 begünstigte Lokale mit weniger als 50 Sitzplätzen, da keine Konzession mehr nötig war, sondern eine Anmeldung genügte. In die nun folgende Blütezeit des Kabaretts, die erst 1938 ein gewaltsames Ende fand, fallen bedeutende Neugründungen von (meist in Kellerräumlichkeiten eingerichteten) Theatern, deren Sitzplatzangebot auf maximal 49 Zuschauer begrenzt blieb.

In den 30er Jahren spielten zeitweise bis zu 25 Kellerbühnen gleichzeitig in Wien; die grundsätzliche Einstellung änderte sich insofern, als man Schluss machte mit den Plüschkabaretts und sie durch „Kleinkunstbühnen" mit aktuellen, zeitkritischen Chansons und anderen Darbietungen ersetzte. Zahlreiche bedeutende Schauspieler traten am Anfang ihrer Karriere auf diesen Kleinkunstbühnen auf (beispielsweise Franz Böheim, Hugo Gottschlich, Heidemarie Hatheyer, Hilde Krahl, Josef Meinrad, Erich Nikowitz und Rudolf Steinboeck). 1928 wurde in den Räumlichkeiten der „Fledermaus" das Kabarett Femina, 1929 „Die Komödie" (1, Johannesgasse 4) eröffnet. Das erste zeitkritische Kabarett Wiens war der von Stella Kadmon und Peter Hammerschlag am 7. November 1931 eröffnete „Der liebe Augustin" (sub 2). Einen neuen Typus entwickelte Rudolf Weys mit der 1933 gegründeten „Literatur am Naschmarkt", mit der das Genre der Kleinkunst „salonfähig" wurde („Burgtheater der Kleinkunst") und die mit dem 1933 gegründete literarisch-politischen Kabarett „Die Stachelbeere" eng verbunden war. Als politisch schärfstes Kabarett galt der vom Schriftsteller Hans Lengsfelder und Regisseur Teddy Bill gegr. „Regenbogen", der 1934 im Café Arkaden spielte (Kabarett ABC); hier wurden auch Stücke von Jura Soyfer aufgeführt. 1937/1938 und 1945-1951 spielte „Die Insel" (ursprünglich 1, Parkring 8, nach dem zweiten Weltkrieg „Insel in der Komödie", 1, Johannesgasse 4), 1936-1938 der „Fröhliche Landtmann" (Café Landtmann; nach dem zweiten Weltkrieg zog hier die Tribüne ein) und 1939-1941 unter Leon Epp „Die Komödie" (1, Johannesgasse 4). Daneben etablierten sich auch zahlreiche kleine Kabaretts, wie das „KIK (Kleinkunst im Kasoni-Theater)", das 1934/1935 vom Pächter der „Schiefen Laterne" (1, Walfischgasse 11) aufgenommen wurde, „Die neuen Scharfrichter" im Cafe Künstlerheim (2, Praterstraße), die im Dezember 1935 von Renée von Bronneck gegründete Kleinkunst in den „Colonnaden" (für die Hammerschlag und Eckhardt als Autoren fungierten) unter anderem. Die Blütezeit des Kabaretts, die von zahlreichen jüdischen Künstlern getragen wurde, fand in der nationalsozialistischen Ära ein jähes Ende; zahlreiche Vertreter der Kleinkunst kamen in KZs um (beispielsweise Fritz Grünbaum, Peter Hammerschlag und Jura Soyfer), nur wenigen gelang die Flucht ins Ausland; das Kabarett verstummte zum Flüsterwitz. 1939 begann (unter stillschweigender Duldung seitens der nationalsozialistischen Behörden) das „Wiener Werkel" zu spielen (Rudolf Weys und Fritz Feldner), das jedoch den zweiten Weltkrieg nicht lange überdauerte.

In der zweiten Republik erlebte das Kabarett eine Wiedergeburt. Von den Bühnen der 30er Jahre wurden die „Literatur am Naschmarkt" bis 1947 (in die Räumlichkeiten zog 1961 das Ateliertheater am Naschmarkt ein) und der „Liebe Augustin" bis 1948 weitergeführt (Umwandlung durch Stella Kadmon, die 1947 aus dem Exil heimgekehrt war, ins Theater der Courage). 1951 hatte das Quartett Helmut Qualtinger, Carl Merz, Michael Kehlmann und Gerhard Bronner einen überwältigenden Erfolg mit einer in die damalige Zeit transponierten Neufassung von Schnitzlers „Reigen" im „Kleinen Theater im Konzerthaus" (Kleines Brettl) und beschloss daraufhin, beisammenzubleiben. Im Herbst 1952 brachten sie in der „Kleinen Komödie" (1, Liliengasse 3, ab 1960 befand sich hier das „Theater im Zentrum") mit großem Erfolg die Kabarettrevue „Brettl vor'm Kopf" heraus, der weitere folgten („Blattl vor'm Mund", „Glasl vor'm Aug", „Spiegel vor'm G'sicht"); das Team erweiterte sich unter anderem um Peter Wehle und Johann Sklenka; nach den Erfolgen Qualtingers mit „Der Halbwilde", dem „G'schupften Ferdl" und „Der Papa wird's schon richten" kreierten Qualtinger und Merz 1957 den „Travnicek". 1959 übersiedelte das Team mit dem Programm „Dachl über'm Kopf ins eigene Haus, das „Neue Theater am Kärntnertor" (1, Walfischgasse 4); hier beendete Qualtinger mit dem „Hackl im Kreuz" 1961 seine Karriere als Kabarettist und sorgte im selben Jahr mit dem „Herrn Karl" für Begeisterungs- und Entrüstungsstürme. Die Geburtsstunde einer neuen Brettl-Epoche schlug 1980, als unter anderem von Fritz Aumayr die „Kulisse" gegründet wurde (17, Rosensteingasse 39); die „Schmetterlinge" und Lukas Resetarits standen am Beginn. 1983 wurden das „Spektakel" (5, Hamburgerstraße 14) und der „Niedermair" (8, Lenaugasse 1 A) gegründet, es folgte im Jänner 1989 Aumayrs „Vindobona" (20, Wallensteinplatz 6). 1984 trat im „Theater in der Drachengasse" das erste Frauenkabarett auf (gegründet von Emmy Werner), wenig später entstanden andere Frauengruppen. Renate Heinzl eröffnete im Herbst 1984 im ehemaligen Premierenkino „Wienzeile" das „K & K-Theater am Naschmarkt" (6, Linke Wienzeile 4), in dem anfangs ihr Gatte Hans-Peter Heinzl, ab 1991 die „Hektiker" und ab 1992 Alexander Goebel erfolgreich auftraten. 1994 gab es neben diesem und dem „Kabarett Simpl" weiterhin (an unveränderten Adressen) die Kabaretts „Spektakel", „Niedermair", „Kulisse" und „Vindobona" sowie das „Hernalser Stadttheater" (17, Hernalser Hauptstraße 55).


Literatur

  • Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien. Wien [u.a.]: Jugend und Volk 1970
  • Friedrich Scheu: Humor als Waffe. Politisches Kabarett in der ersten Republik. Wien [u.a.]: Europaverl. 1977
  • Klaus Budzinski: Das Kabarett. Düsseldorf 1985
  • Hans Veigl: Lachen im Keller. 1986
  • Hans Veigl, (Hg.): Karl Farkas. Ins eigene Nest. Sketches, Bilanzen, Doppelconferencen. 1988
  • Hans Veigl, (Hg.): Armin Berg. Der Mann mit dem Überzieher. Couplets, Conferencen und Parodien aus dem Repertoire. 1990
  • Hans Veigl, (Hg.): Fritz Grünbaum. Gedichte und Monologe aus dem Repertoire. 1992
  • Hans Veigl, (Hg.): Luftmenschen spielen Theater. Jüdisches Kabarett in Wien. 1890-1938. 1992
  • Hans Veigl, (Hg.): Gscheite & Blöde. Doppelconferencen. 1993
  • Hans Veigl: Nachtlichter. Sezessionistisches Kabarett. 1993
  • Hermann Hakel: Wigl Wogl. Kabarett und Variete in Wien. 1962
  • Gottfried Heindl: Wien. Brevier einer Stadt. 1972, S. 84 f.
  • A. Maximilian Bernardyn: Vom Cabaret zum Kabarett. Ein Blick in die Anfänge des Kabaretts. In: Lesezirkel, Literaturmagazin der Wiener Zeitung 56 (1992), S. 6 f.
  • Ingeborg Reisner: Kabarett als Werkstätte des Theaters. Literarische Kleinkunst in Wien vor dem zweiten Weltkrieg. Diss. Univ. Wien. Wien 1961
  • Manfred Lang: Kleinkunst im Widerstand. Das „Wiener Werkel". Das Kabarett im 3. Reich. Diss. Univ. Wien. Wien 1967
  • Rösler Walter (Hg.): Gehn ma halt a bisserl unter. Kabarett in Wien von den Anfängen bis heute. Berlin 1991