Hans Weigel

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Daten zur Person
Personenname Weigel, Hans
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 5948
GND 118630083
Wikidata Q44943
Geburtsdatum 29. Mai 1908
Geburtsort Wien 4066009-6
Sterbedatum 12. August 1991
Sterbeort Maria Enzersdorf, Niederösterreich 4114994-4
Beruf Schriftsteller, Theaterkritiker, Übersetzer, Kabarettist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug Karl Kraus (Portal)
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 18.10.2023 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum 20. August 1991
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 33G, Nummer 79
Ehrengrab Ehrengrab

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erster Klasse (Übernahme: 13. März 1967)
  • Preis der Stadt Wien für Publizistik (Übernahme: 19. Juni 1972)
  • Johann-Nestroy-Ring der Stadt Wien (Übernahme: 11. April 1978)
  • Kulturpreis des Landes Niederösterreich für Dichtkunst (Übernahme: 20. Dezember 1976)
  • Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (Verleihung: 1983)
  • Ehrenring der Stadt Wien (Verleihung: 7. Dezember 1982, Übernahme: 12. Jänner 1983)
  • Goldener Rathausmann (Übernahme: 22. Mai 1969)
  • Großes Goldenes Ehrenzeichen des Landes Steiermark (Übernahme: Juni 1988)
  • Großes Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland (Übernahme: Dezember 1986)
  • Donauland-Preis (Kategorie:Sachbuch) (Übernahme: 6. November 1978)

Hans Weigel, * 29. Mai 1908 Wien, † 12. August 1991 Maria Enzersdorf (Niederösterreich), Schriftsteller.

Biografie

Besuchte das Akademische Gymnasium, studierte an den Universitäten Hamburg und Berlin Jus, kehrte 1928 nach Wien zurück und wurde Mitarbeiter des Paul-Zsolnay-Verlags. 1931 hielt er sich längere Zeit in Paris auf und begann sich dort schriftstellerisch zu betätigen. Wieder nach Wien zurückgekommen, arbeitete er in der Produktion der Brecht-Weill-Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny" mit (Österreichische Erstaufführung am Wiener Raimundtheater, 26.04.1932), schrieb satirische Texte für die Kabaretts "Stachelbeere", "Lieber Augustin" und "Literatur am Naschmarkt", dichtete aber auch Chansontexte (großen Erfolg hatte das Singspiel "Axel an der Himmelstür" 1936 im Theater an der Wien mit Zarah Leander in der Titelrolle, Weigel schrieb die Gesangstexte). 1938 Flucht in die Schweiz mit seiner Ehefrau Gertrud Ramlo, die Beschäftigung als Schauspielerin in Basel fand. Weigel schrieb seinen antifaschistischen Roman "Der grüne Stern" (1946), arbeitete für das Basler "Cabaret Kaktus" und schuf (ohne Namensnennung) Nestroy-Bearbeitungen für das Zürcher Schauspielhaus.

Remigration und Schriftstellertum

Bereits im Sommer 1945 kam Weigel zurück nach Österreich, im Oktober kehrte er nach Wien zurück. Im Januar 1946 hatte sein im Exil entstandenes Theaterstück "Barabbas" im Theater in der Josefstadt Premiere und wurde ein Erfolg; ab Februar war er als Theaterkritiker tätig – was er bis 1962 blieb. Daneben schrieb er Adaptionen von Operetten, Drehbücher und kabarettistische Revues – über die Publikation seiner im Exil entstandenen Texte hinaus hatte er als Literat keinen Erfolg - auch nicht mit dem Roman "Unvollendete Symphonie" (1951), in dem er die Ich-Erzählerin, eine junge Malerin, im zerstörten Nachkriegswien eine Beziehung mit einem jüdischen Remigranten eingehen lässt (bei der Neuauflage 1991 glaubte Weigel die Erzählerin als Ingeborg Bachmann, mit der ihn um 1948 eine Liaison verband, entschlüsseln zu müssen). Ab 1962 konzentrierte er sich auf Molière-Übersetzungen und Bearbeitungen von Nestroy-Stücken und publizierte (meist satirisch-humoristische) Werke über Österreich und Zeitphänomene (O du mein Österreich, 1956; Flucht vor der Größe, 1960; Tirol für Anfänger, 1964; Die Leiden der jungen Wörter, 1974; Die 1000 Todsünden, 1988; Das Scheuklappensyndrom, 1990).

Der Förderer

Im Café Raimund gegenüber dem Volkstheater unterhielt Weigel ab dem Ende der 1940er Jahre einen Stammtisch mit jungen Künstlerinnen und Künstlern aus Literatur, bildender Kunst und Musik; er versuchte seine Kontakte für Auftritts- und Publikationsmöglichkeiten fruchtbar zu machen. Gemeinsam mit Milo Dor und Reinhard Federmann hob er 1951 das Jahrbuch "Stimmen der Gegenwart" aus der Taufe, eine Publikationsplattform für noch unbekannte literarische Newcomer. 1952 übernahm Jeannie Ebner die Redaktionsarbeit der "Stimmen", die bis 1954 jährlich unter Weigels Herausgeberschaft erschienen (1956 - von der ungenannten Jeannie Ebner verantwortet - ohne Herausgeber). Aufgrund dieser Tätigkeit galt Weigel forthin, durch Werbung in eigener Sache verstärkt, als Förderer und "Geburtshelfer" der Generation von Ilse Aichinger und Ingeborg Bachmann.

"Brecht-Boykott"

Ab dem Beginn der 1950er Jahre war Weigel gemeinsam mit dem 1951 remigrierten Friedrich Torberg der prominenteste und vehementeste Vertreter eines publizistischen Antikommunismus – beide erreichten (unter Mithilfe von Theaterleuten wie Ernst Haeusserman oder Franz Stoss), dass zwischen 1952 und 1963 in Wien außer im "Neuen Theater in der Scala" kein Stück von Bertolt Brecht aufgeführt wurde ("Brecht-Boykott").

Themenfelder der Publikationen – "Motivenbericht" zu Karl Kraus

Sein Naheverhältnis zur Musik fand Niederschlag in mehreren Büchern (Das kleine Walzerbuch, 1965; Das Buch der Wiener Philharmoniker, 1967), ebenso seine Nähe zum Theater (Masken, Mimen und Mimosen, 1958; Versuch über Josef Meinrad, 1962; Attila Hörbiger, 1963). Hervorzuheben ist Weigels Beschäftigung mit Karl Kraus, die sich in seiner umfangreichen, an der Lebensgeschichte ausgerichteten Publikation "Karl Kraus oder Die Macht der Ohnmacht" (1968, Neuausgabe 1986) niederschlägt. Weigel gibt in diesem "Versuch eines Motivenberichts zur Erhellung eines vielfachen Lebenswerks" Erklärungen für das "Phänomen" Kraus. Die "Ein-Mann-Kirche", den Visionär Kraus erklärt er allen voran mit der These, dass Kraus‘ Schaffen als Kompensation eines Theatermenschen, der nicht zum Theater konnte, verstanden werden müsse.

"Die Fackel" und Kraus‘ Vorlesungen waren für den jungen Weigel sicher zentrale Eindrücke und Bezüge, ein Jugendfreund Weigels, Georg Knepler, war zudem Kraus‘ Klavierbegleiter bei den Offenbach-Lesungen. In den Erinnerungen an die Zwischenkriegszeit ("In die weite Welt hinein", postum 2008) erwähnt er Kraus erstaunlicherweise mit keinem Wort – was einer der Gründe war, dass der Verlag das Manuskript ablehnte (s. Archiv Residenz Verlag). Das mag daran liegen, dass der 17-jährige Weigel von Kraus öffentlich (aber anonym) in der "Fackel" vorgeführt wurde: Kraus veröffentlichte in der "Fackel" 1925 drei Briefe in voller Länge, die "als Typen im Verkehrsleben der Fackel" dienen und als abschreckende Beispiele "zur Fernhaltung solcher Notwendigkeit" (einer ausführlichen, zeitraubenden Antwort auf vermeintliche Fehleranzeigen) dienen sollen (Die Fackel, Nr. 679-685, S. 73). Zwei Briefe stammen vom Gymnasiasten Weigel (sein Name wird nicht genannt). Im ersten unterstellt er Kraus eine Namensverwechslung, was er im zweiten Brief sogleich als einen Irrtum seinerseits eingesteht: "Ich ziehe daher alles gerne zurück, bleibe von Ihrer Unfehlbarkeit überzeugt." (S. 76) Kraus maßregelt Weigel dennoch öffentlich in einem einseitigen Antwortschreiben (dessen handschriftlicher Entwurf in der Digitalen Bibliothek der Wienbibliothek im Rathaus vorhanden ist).

Für den Remigranten Weigel wird Karl Kraus Anfang 1946 zu einer Figur, an der sich die notwendige geistige Erneuerung Österreichs ausrichten könnte: In einem Sonett, das mit Kraus‘ zentralem Werk den Ersten mit dem Zweiten Weltkrieg parallelisiert ("Der Menschheit letzte Tage brachen an"), feiert er den Umstand, dass eine Zeitung ("Die Presse"), die Kraus zeitlebens ignorierte (als vormalige "Neue Freie Presse"), sich nun auf ihn bezieht: "Kommt doch ein neuer, erster Tag ins Land?" (Weigel 1946)

Privates, Ehrungen

Hans Weigel war 1937–1947 in erster Ehe mit Gertrud Ramlo (eigentlich Kugel), in zweiter Ehe (1951–1964) mit Elvira Hofer, ebenfalls einer Schauspielerin, verheiratet. Ab 1964 führte er eine Lebensgemeinschaft mit Elfriede Ott, mit der er in den 1970er Jahren ein Haus im niederösterreichischen Maria Enzersdorf bezog. Er wurde mehrfach geehrt: Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst erster Klasse (1967), Preis der Stadt Wien für Publizistik (1972), Nestroy-Ring (1978), Kulturpreis des Landes Niederösterreich für Dichtkunst (1976), Österreichischer Staatspreis für Kulturpublizistik (1983), Ehrenring der Stadt Wien (1982). Sein Nachlass befindet sich in der Wienbibliothek im Rathaus.

Werke (Auswahl)

Das himmlische Leben. Novella quasi una fantasia. Wien: Ibach o.J. [1946] Der grüne Stern. Utopischer Gegenwartsroman. Wien: Wiener Verlag 1946 [Neuausgaben: Wien 1976; Wien 2012] Kleines Lehrbuch der Ehe. Von Inge und Sven Lundborg [=Hans Weigel]. Wien: Ibach o.J. [1947]. Unvollendete Symphonie. Roman. Innsbruck: Österreichische Verlagsanstalt 1951 [Neuausgaben: Graz, Wien 1992; Wien 2015] O du mein Österreich. Versuch eines Fragments einer Improvisation für Anfänger und solche, die es werden wollen. Stuttgart: Steingrüben 1956 [Neuausgaben: Wien 1963; Zürich 1967; München 1968] Kleiner Knigge für Unpünktliche. Wien, München: Andermann 1957 Masken, Mimen und Mimosen. Liebeserklärung eines Zivilisten an die Welt hinter den Kulissen. Stuttgart: Goverts 1958 Lernt dieses Volk der Hirten kennen. Versuch einer freundlichen Annäherung an die Schweizer Eidgenossenschaft. Zürich: Artemis 1962 Versuch über Josef Meinrad. Velber bei Hannover: Friedrich 1962 Attila Hörbiger. Velber bei Hannover: Friedrich 1963 Blödeln für Anfänger. Aussichtsloser Versuch der Bewältigung eines in dieser Form nicht zu bewältigenden Gegenstandes. Zürich: Diogenes 1963 Tirol für Anfänger. Vorläufige Bruchstücke zum Entwurf einer Skizze über Land und Leute. Zürich: Diogenes 1964 [Neuausgaben: Innsbruck 1981; Innsbruck 1999; Innsbruck 2017] Johann Nestroy. Velber bei Hannover: Friedrich 1967. Das Buch der Wiener Philharmoniker. Salzburg: Residenz 1967. Karl Kraus oder Die Macht der Ohnmacht. Versuch eines Motivenberichts zur Erhellung eines vielfachen Lebenswerks. Wien: Molden 1968 [Neuausgabe: Wien 1986] Vorschläge für den Weltuntergang. Satiren. Salzburg: Residenz 1969 Der exakte Schwindel oder Der Untergang des Abendlandes durch Zahlen und Ziffern. Graz, Wien, Köln: Styria 1977 Das Land der Deutschen mit der Seele suchend. Bericht über eine ambivalente Beziehung. Zürich, München: Artemis 1978 In Memoriam. Graz, Wien, Köln: Styria 1979 Gerichtstag vor 49 Leuten. Rückblick auf das Wiener Kabarett der dreißiger Jahre. Graz, Wien, Köln: Styria 1981 Das Schwarze sind die Buchstaben. Ein Buch über dieses Buch. Graz, Wien, Köln: Styria 1983 Man kann nicht ruhig darüber reden. Umkreisung eines fatalen Themas. Graz, Wien, Köln: Styria 1986 Ist Pünktlichkeit heilbar? Zürich: Kreuz Verlag 1988 Das Abendbuch. Egozentrische Erinnerungen und Berichte unter tunlichster Aussparung des allzu Privaten und religiös Konfessionellen. Graz, Wien, Köln: Styria 1989 Das Scheuklappensyndrom. Undisziplinierte Gedanken über Mitläufer und nützliche Idioten. Graz, Wien, Köln: Styria 1990 Niemandsland. Ein autobiographischer Roman. Hg. v. Elfriede Ott u. Veronika Silberbauer. Wien: Amalthea 2006 Erinnerungen eines kritischen Patrioten. Hg. v. Elke Vujica. St. Pölten: Literaturedition Niederösterreich 2008

Quellen

Literatur

  • Wolfgang Straub: Die Netzwerke des Hans Weigel. Wien: Sonderzahl 2016
  • Wolff Greinert: Hans Weigel. Ich war einmal ... Eine Biografie. Wien: Styria 2015
  • Wolfgang Straub (Hg.): Hans Weigel. Kabarettist – Kritiker – Romancier – Literaturmanager. Innsbruck: Studienverlag 2014
  • Werner Röder / Herbert A. Strauss: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933 / International biographical dictionary of Central European émigrés 1933-1945. Hg. vom Institut für Zeitgeschichte München und von der Research Foundation for Jewish Immigration. München [u.a.]: Saur 1980–1999


Hans Weigel im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.


Weblinks