Wiener Werkel

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Kleinkunstbühne Wiener Werkel (1., Liliengasse 3), Außenansicht, um 1939–1940
Daten zur Organisation
Art der Organisation Theater
Datum von 1938
Datum bis 1944
Benannt nach
Prominente Personen Rudolf Weys
PageID 10543
GND 4401447-8
WikidataID
Objektbezug NS-Zeit, Theater
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 23.06.2023 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Wiener Werkel Wien Museum 211303.jpg
Bildunterschrift Kleinkunstbühne Wiener Werkel (1., Liliengasse 3), Außenansicht, um 1939–1940
  • 1., Liliengasse 3

Frühere Adressierung
  • Moulin Rouge (1920, bis: 1938)
  • Wiener Werkel (1939, bis: 1944)
  • Literatur im Moulin Rouge (1945, bis: 1946)
  • Studio des Theaters in der Josefstadt (1946, bis: 1950)
  • Wiener Werkel (2) (1950, bis: 1953)
  • Kleine Komödie (1953, bis: 1956)
  • Intimes Theater (1956, bis: 1960)
  • Theater im Zentrum (1960)

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48° 12' 25.16" N, 16° 22' 22.94" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Wiener Werkel war eine Kleinkunstbühne in der 1., Liliengasse 3.

Im Frühjahr 1938 schlossen die Nationalsozialisten zahlreiche Kabaretts oder "arisierten" diese, wie etwa das Simpl. Geöffnet waren neben dem Simpl unter anderem die "Lachtheater" (so die offizielle Bezeichnung) "Kabarett Dobner" (zuvor Literatur am Naschmarkt), "Schiefe Laterne" (1., Walfischgasse 11) und "Höhle" (1., Habsburgergasse 4).

Kleinkunstbühne Wiener Werkel (1., Liliengasse 3), Zuschauerraum, um 1939–1940
Kleinkunstbühne Wiener Werkel, 1., Liliengasse 3, Zuschauerraum, um 1939–1940

Im Zuge der Liquidierung des "Bunds junger Autoren Österreichs" (der Rechtsträger der "Literatur am Naschmarkt" war) gründete der Schauspieler Adolf Müller-Reitzner, der Parteianwärter war, in 1., Liliengasse 3 (dem ehemaligen Sitz des Moulin Rouge) das Wiener Werkel.

Ende des Jahres 1938 beantragte Müller-Reitzner (4., Heumühlgasse 3), die Konzession "auf Zulassung für Cabarettveranstaltungen im ehemal. Moulin Rouge". Der Antrag wurde vom Wiener Magistrat, "Landesleiter der Reichstheaterkammer, Herr Valberg“, positiv begutachtet, sodass Reitzner die Zulassung erhielt.

Hausautoren waren Rudolf Weys und Franz Paul; daneben, aus politischen Gründen unter Pseudonymen, Kurt Nachmann und Fritz Eckhardt. Aufgetreten sind unter anderen Hugo Gottschlich, Wilhelm Hufnagl, Josef Meinrad, Erich Nikowitz, Rudolf Steinboeck und Oskar Wegrostek, Rosl Dorena, Walter von Warndal, Traute Witt, Karl Kalwoda, Amandus M. Hauke, Theo Prokop, Helly Fuhs, Rolf Olsen und Adolf Müller-Reitzer selbst.

Rudolf Weys erinnerte sich später: "Zu meinem Erstaunen musste ich bemerken, dass die Hälfte aller Mitglieder unseres doch so stark linksgerichteten und proösterreichischen Kabaretts bereits mit dem Parteiabzeichen im Knopfloch auftrat. Es war für mich eine herbe Enttäuschung, denn ich hatte zwar gewusst, dass viele mit Rechts und wohl auch mit Hitler kokettierten, aber dass wir schon einen größeren Kreis Illegaler unter uns gehabt hatten, das erfuhr ich erst am 12. März 1938."[1]

Die Konzession für Reitzners "Kleinkunstbühne Wiener Werkel" wurde 1940 und erneut 1941 vonseiten der öffentlichen Verwaltung verlängert. Im Zuge der allgemeinen Theatersperre wurde auch diese Wiener Spielstätte am 9. September 1944 geschlossen. "Die Räumlichkeiten dienten bis Kriegsende als Lager für Militärgut bzw. als Luftschutzkeller."[2]

Markus Felkel schreibt in seiner Diplomarbeit über die Bedeutung des Wiener Werkels: "Der Mythos vom Widerstandskabarett hat sich bis heute (2015) gehalten – trotzdem die Rolle einiger Werkel-Mitglieder, wie Robert Horky, mittlerweile kritisch bewertet wurde." Die Programme waren, so Felkel, "in keinster Weise systemkritisch" oder rüttelten "an den Grundfesten der NS-Ideologie".[3] Dennoch wurde die künstlerische Leitung 1941 von "Propagandaminister Joseph Goebbels anlässlich einer Wien-Visite" persönlich gemaßregelt, wobei die harte Kritik eher die "Sticheleien" gegen Deutschland betrafen als explizite Regimekritik.

Nach Kriegsende eröffnete das einstige Wiener Werkel 1945 als "Theater im Moulin Rouge" wieder - der Name "Wiener Werkel" wurde aufgrund der NS-Vergangenheit des Kabaretts von der damaligen Wiener Stadtregierung verboten und so erneut auf den ehemaligen Namen des Ortes (Moulin Rouge) in Kombination mit dem einstigen Kabarett "Literatur am Naschmarkt" verwiesen. Da Müller-Reitzner bereits 1943 überraschend gestorben war, hatte von da an seine Frau Christl Räntz den Betrieb geführt. Ihr wurde vom damaligen Stadtrat Dr. Viktor Matejka nun erneut die Pacht für den Betrieb übertragen; als Konzessionär jedoch Weys ernannt. "Nach nur einer Saison mit zwei Erwachsenenproduktionen und einer Kinderrevue schloss die Literatur im Moulin Rouge am 20. Jänner 1946 ihre Pforten. Christl Räntz überschrieb den Pachtvertrag auf das Theater in der Josefstadt unter der Direktion Rudolf Steinböck."[4] (Die Literatur im Moulin Rouge eröffnete noch einmal 1950 für kurze Zeit als Wander- und Reisebühne.)

Im frei gewordenen Raum in der Liliengasse 3 eröffnete 1946 das Theater in der Josefstadt seine neue Studiobühne, die vor allem der Nachwuchsförderung gewidmet sein sollte.

Wiederbelebung des Wiener Werkels

Nachdem das Theater in der Josefstadt ausgezogen war, bewarb sich Karl Farkas erneut um das ehemalige Moulin Rouge, an dem er bereits in den 1930er Jahren tätig gewesen war. In seinem Brief an den damaligen Wiener Bürgermeister, der bereits aus dem Jahr 1948 datiert, also noch auf die Zeit, in der das Studio des Theaters in der Josefstadt hier beheimatet war, heißt es dazu vonseiten Farkas, der 1946 aus dem Exil zurückgekehrt war: "Hochverehrter Herr Bürgermeister Dr. Körner, ich ersuche um Erteilung einer Spielkonzession für das Kleine Haus in der Liliengasse, Wien I. und begründe mein Ansuchen wie folgt: Besagtes Haus wurde von mir gegründet und unter meiner Direktion eröffnet. Erst durch Arisierung gelangte es in die Hände der Unternehmer des Kabaretts Wiener Werkel, deren Rechtsnachfolger es als Studio dem Theater in der Josefstadt zur Verfügung stellten. Aus diesen [sic] ursprünglichen Studio entwickelte sich die heutige Revuebühne, die unter der Direktion des Josefstädter Theaters dort spielt. Ich könnte das Kleine Haus einfach im Rahmen der Wiedergutmachung anfordern, ziehe es aber vor, ordnungsgemäß um die Konzession anzusuchen, da die Spielerlaubnis für dieses Haus doch automatisch zu Ende dieser Spielzeit erneuert werden muss und ich mich für den geeigneten Bewerber hierfür halte."

Doch nicht Farkas erhielt zwei Jahre später die Konzession zur Wiedereröffnung des "Wiener Werkel" – nun war es wieder erlaubt, den während der NS-Zeit geführten Namen wiederzuverwenden –, sondern Eduard Geiger; andere Quellen weisen Fritz Feldner als neuen Leiter aus, der bereits im ersten Wiener Werkel tätig gewesen war; ebenfalls im Leitungsteam waren Robert Horky und Rudolf Weys, der über den Spielplan der kommenden Monate in seinem Rückblick berichtet: "Als die Josefstadt 1950/51 die Kammerspiele übernahm, bezog Direktor Eduard Geiger das frei gewordene Haus in der Liliengasse. Zunächst wurden von ihm ausländische Gäste vorgestellt: Luisette Bretteville mit ... abends in Paris, Cilli Wang mit ihrer Cilli-Symphonie, conferiert von Ernst Waldbrunn, danach Lucienne Boyer und die deutschen Kabarettiche. Angeregt von meinem Reminiszenzen-Programm im Sender Rot-Weiß-Rot wünschte Direktor Geiger von mir ein ähnliches heimisches Programm, ich sollte Spitzennummern der Werkel-Zeit mit Neuem verbinden. So kam es denn zu meinem Seitensprung Chinesisch denken!"[5]

Trotz der Gastspiele mit prominenten Namen war der Publikumszuspruch nur sehr mager, sodass das wiederbelebte Wiener Werkel nach nur drei Spielzeiten erneut beendet wurde. Ein Teil des Ensembles wechselte von hier aus unter Beibehaltung des Namens noch für einige Zeit in den Schwechater Hof (ehemals Drehers Etablissement) auf der Landstraßer Hauptstraße.

An der Adresse Liliengasse 3 folgten zwischen 1953 und 1959 die "Kleine Komödie" und das "Intime Theater", ehe 1960 hier das Theater im Zentrum eröffnet wurde.

Heute befindet sich an dieser Adresse das seither nicht mehr umbenannte Theater im Zentrum des Theaters der Jugend.

Schauspielerinnen und Schauspieler

Im Wien Geschichte Wiki gibt es 9 Einträge von Personen, die im Wiener Werkel engagiert waren.

BildNameBerufGeburtsdatumSterbedatum
Carlo BöhmSchauspieler18 April 19172 April 1997
Felix DvorakSchauspieler
Autor
Kabarettist
Regisseur
4 November 1936
Fritz EckhardtSchauspieler
Kabarettist
Schriftsteller
Theaterdirektor
30 November 190731 Dezember 1995
Harry GlöcknerSchauspieler
Regisseur
Heimatforscher
Autor
31 März 192215 März 1999
Hugo GottschlichSchauspieler30 Oktober 190522 März 1984
Wilhelm HufnaglSchauspieler15 Juni 190425 Dezember 1994
Ossy KolmannSchauspieler
Kabarettist
Komödiant
10 Januar 192818 Juli 2016
Josef MeinradSchauspieler21 April 191318 Februar 1996
Kurt NachmannSchauspieler
Regisseur
Schriftsteller
13 Mai 19154 März 1984

Quellen

Literatur

  • Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015
  • Manfred Lang: Kleinkunst im Widerstand. Das "Wiener Werkel". Das Kabarett im Dritten Reich. Diss. Univ. Wien. Wien 1967
  • Daniela Loibl: Kabarett seiner Zeit. (Liter)arische Kleinkunst im "Wiener Werkel" von 1939 bis 1944. Dipl.-Arb. Univ. Wien 2003
  • Hans Veigl: Lachen im Keller. Wien 1986, S. 206 ff.
  • Hans Veigl [Hg.]: Bombenstimmung. Das Wiener Werkel. Kabarett im Dritten Reich. Wien 1994, besonders S. 9 ff.
  • Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien. Wien, München: Jugend und Volk 1970
  • Anita Wolfartsberger: Das "Mittelstück" im "Wiener Werkel". Kleinkunst im Dritten Reich zwischen Anpassung und Widerstand. Dipl.-Arb. Univ. Wien 2004

Einzelnachweise

  1. Manfred Lang: Kleinkunst im Widerstand. Das "Wiener Werkel". Das Kabarett im Dritten Reich. Diss. Univ. Wien. Wien 1967, S. 5.
  2. Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015, S. 38.
  3. Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015, S. 38.
  4. Markus Felkel: Vom Etablissement Grand Gala zum Theater im Zentrum – eine theaterarchäologische Spurensuche in Wien. Dipl.-Arbeit Univ. Wien 2015, S. 42.
  5. Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien. Wien, München: Jugend und Volk 1970, S. 80