Praterhütten

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Datum bis
Objektbezug Prater, Volksprater
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Letzte Änderung am 23.11.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname Erstes Praterkaffee.jpg
Bildunterschrift Erstes Kaffeehaus, um 1802

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Praterhütten, Vergnügungsbetriebe und Etablissements im Volksprater (Wurstelprater, Prater).

Geschichte

"[...] auch Niemanden verwehrt seyn soll, sich daselbst mit Ballonschlagen, Kegelscheiben und anderen erlaubten Unterhaltungen eigenen Gefallens zu divertieren [...]". "[...] allen bürgerlichen Gastgebern und Coffeesiedern, welche in dem Bratter tractiren, Wein, Bier, Coffee und dergleichen ausschenken, auch zu diesem Ende Zelten aufschlagen, oder andere Bequemlichkeiten daselbst verschaffen wollen, die Erlaubnis dazu gratis erteilen zu lassen [...]". Mit diesen zwei Genehmigungen Kaiser Josephs II., die am 9. und 17. April im Wienerischen Diarium kundgemacht wurden, konnten sich die Wirte und Unterhaltungsanbieter, die bis dahin im Stadtgut ansässig waren, im Prater ansiedeln. Das stellt den Beginn des sogenannten Wurstelpraters dar. Bei den ersten "Hütten" handelte es sich meist um Zelte und einfache Holzbuden für deren Errichtung die Betreiber um eine Bewilligung beim Oberstjägermeisteramt ansuchen mussten. Zu Beginn schlugen vor allem Gastwirte ihre Zelte im Prater auf. Diverse einfache Unterhaltungsspiele, wie Kegeln, Ringelspiele, Ballspiele, Schaukeln und ähnliches wurden ebenfalls angeboten. Auf dem Plan von Mauer, der um 1782 entstand, sind im "Wurstelprater" bereits 47 Objekte, darunter 43 Wirtshäuser, zwei Ringelspiele, die "Optica nova" und eine Hütte, in der "mechanische Vögel" zu sehen waren, verzeichnet.

Bis zum Ende des Jahrhunderts erhöhte sich die Zahl der Hütten, die alle aus Holz gebaut waren und jederzeit entfernbar sein mussten, kontinuierlich. Auch im 19. Jahrhundert wurde die Zahl der Hütten gesteigert, bis 1871 standen 82 solcher Hütten im Prater. Die Weltausstellung 1873 ging auch an den Praterhütten nicht spurlos vorüber, denn diese wurden durch das 1871 gegründete Praterregulierungskomitee "reguliert". Durch die Neugestaltung des Wurstelpraters durch das Regulierungskomitee und deren Auflagen an die Praterhüttenbesitzer änderte sich das Erscheinungsbild durchaus drastisch. Zahlreiche Hütten und Unternehmungen wurden abgerissen, trotzdem stieg die Zahl der Praterhütten bis zum Weltausstellungsjahr auf 187 an. Das Areal wurde nunmehr Volksprater genannt. Im Dezember 1873 übergab die Weltausstellungskommission die Administration des Volkspraters und der Praterhütten wieder an das Obersthofmeisteramt. Da durch den Börsenkrach und durch die Regulierung einige Praterhüttenbesitzer bankrott machten, wurden in den Folgejahren einige Unternehmungen wieder geschlossen. Um 1930 existierten ca. 181 Hütten im Prater. Aufgrund des Wohnungsmangels in den 1920ern und 1930ern beantragten manche Praterhüttenbesitzerinnen und Praterhüttenbesitzer Bewilligungen, um auf oder neben ihren Hütten Wohneinheiten aufbauen zu dürfen.

„Physikalisch-mechanisches Kabinett“, um 1900
Praterschaubude, um 1900

Bei einem Großteil der Praterhütten handelte es sich um Wirtshäuser und Kaffeehäuser, in denen meistens irgendeine Kapelle Musik machte, es gab aber auch zahlreiche andere Attraktionen, wie Ringelspiele, Schießstände, Autodrome, Kuriositätenkabinette und Kinos. In den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs (April 1945) wurden der Volksprater und die Praterhütten durch Bomben und Brände weitgehend zerstört, nur 18 Objekte blieben erhalten, darunter das Riesenrad, dessen Waggons allerdings verbrannten, und das Lustspieltheater. Nach Kriegsende wurde der Prater in modernisierter Form wieder errichtet, zwischen 1946 und 1948 wurden einige der alten Unternehmungen wieder errichtet, aber auch zahlreiche neue Betriebe wurden auf dem Areal des Volkspraters gebaut.


Bekannte Praterhütten

  • Vivarium (Hütte 1), 1782 stand dort eine Camera Obscura, 1801 ein Panorama, 1873 ein Aquarium, das ab 1888 Vivarium hieß. 1902 wurde das Vivarium von dem Zoologen Hans Leo Przibram und den beiden Botanikern Wilhelm Figdor und Leopold von Portheim gekauft und zur Biologischen Versuchsanstalt gemacht, die 1914 Teil der Akademie der Wissenschaften wurde. Ab 1932 gab es dort auch eine Schaustellung von Süßwassertieren und Seewassertieren. 1938 wurde die Biologische Versuchsanstalt von den Nationalsozialisten "arisiert" und zerstört. Viele der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter starben in Konzentrationslagern. 1945 brannte das Vivarium ab.
  • Praterkaffeehäuser (Hütten 4, 9 und 12), das Erste Kaffeehaus, das Zweite Kaffeehaus und das Dritte Kaffeehaus wurden vermutlich um das Jahr 1786 errichtet. Die Kaffeehäuser verfügten über Bühnen und Räumlichkeiten für Musikkapellen, Konzerte, Varietés und Bälle und bewirteten die Gäste mit gar köstlichen Torten.
  • Zur Praterfee (Hütte 5)
  • Zum Braunen Hirschen (Hütte 6)
  • Czarda (Hütte 11), 1872 als ungarisches Weinhaus für die Weltausstellung errichtet. 1909 in einen Tanzsaal umgewandelt und in „Jardin de Paris“ umbenannt, 1912 wieder als ungarisches Weinhaus Czarda geführt.
  • Waldsteingarten (Hütte 13), 1802 stand an dieser Stelle das Gasthaus „zum schwarzen Adler“, 1820 in ein Sommerhaus für intime Diners des Fürsten Esterhazy umgewandelt. 1874 an Eduard Sacher verpachtet, der dort ein Restaurant für Adelige, Erzherzöge und reiche Leute eröffnete. 1945 abgebrannt.
  • Schweizerhaus (Hütte 16), 1868 als Schweizer Meierei als Nachfolgebetrieb des Gasthauses „Zur Tabakspfeife“, das um 1814 „Zum russischen Kaiser“ hieß, gegründet. 1911 umgebaut, nach 1945 wieder aufgebaut und vergrößert.
  • Geflügelzüchter (Hütte 25)
  • Phönixpalast/Hydrodrom (Hütte 26)
  • Kristallkino (Hütte 40)
  • Fürst Theater/Jantsch Theater/Lustspieltheater (Hütte 45), 1808 stand an dieser Stelle ein kleines mechanisches Theater, ab 1845 konnte dort ein Affentheater besucht werden. Die Hütte wurde 1862 von Johann Fürst übernommen und in eine Singspielhalle umgebaut, in der Fürst einaktige Stücke spielte. 1892 übernahm Heinrich Jantsch das Theater, 1905 Josef Jarno. 1927 wurde das Theater in ein Kino umgebaut, das Kino-Lustspieltheater, das ab 1938 Film-Palast hieß. 1945 gehörte das Kino zu den 18 Gebäuden im Prater, die nicht abbrannten. Dafür brannte es 1981 aus.
  • Liliputbahn (Hütte 57)
  • Vergnügungshalle (Hütte 64)
  • Kino Schaaf (Hütte 66), 1799 als Hütte, in der „Naturmagie“ gezeigt wurde, genannt, Mitte des 19. Jahrhunderts „Schaubude“ der Familie Schaaf, 1897 Filmvorführungen in der Schaubude, 1904 zum Kino mit Rutschbahn und Ringelspiel ausgebaut. 1926 wurde dort das erste Autodrom im Prater errichtet.
  • Kino Stiller/Autorennpalast (Hütte 77), 1873 eröffnete „Schaubude“ mit einer Schießstätte. Hier fanden 1896 die ersten Filmvorführungen im Prater statt. 1904 zum Kino mit 600 Plätzen umgebaut. 1927 wurde das Kino aufgelassen und durch ein Autodrom, den Autorennpalast ersetzt.
  • Geisterschloss/Geisterbahn (Hütte 96)
  • Zum eisernen Mann (Hütte 98)
  • Calafatis Ringelspiel (Hütte 110)
  • Zum Walfisch (Hütte 129)
  • Apollo-Schau (Hütte 139)
  • Präuschers Panoptikum und Anatomisches Museum (Hütte 140)
  • Kino Münstedt (Hütte 142), 1799 befand sich dort ein Ringelspiel, in den 1870ern von Gustav Münstedt übernommen und in ein Hippodrom in Form eines Schiffes umgebaut. Ab 1877 „Vergnügungshalle“ mit verschiedenen Artisten, um 1900 Filmvorführungen („Lebende Bilder“). 1904 wird ein Neubau mit einem kleinen Kinosaal errichtet, ab 1906 werden Filme im großen Saal gezeigt und die übrigen Attraktionen aufgelassen. 1945 abgebrannt. Das Kino wird an anderer Stelle bis 1984 weitergeführt.
  • Zirkus Busch/Busch Kino (Hütte 145), 1874 wurde an dieser Stelle ein Kunstkabinett mit seltenen Naturobjekten gegründet und 1881 durch einen Kuppelbau für Panoramen ersetzt. 1892 von Paul Busch übernommen und in einen Zirkus umgebaut, in dem auch Ringkämpfe stattfanden. 1920 in das damals größte Kino Wiens mit 1700 Plätzen umgebaut. 1945 abgebrannt.
  • Fortuna-Palast (Hütte 150)


Quellen

Häuserschematismen


Literatur

  • Eva Berger: [...] von nun an zu allen Zeiten des Jahrs und zu allen Stunden des Tags. Der Wiener Prater als Vergnügungsort im 17. Und 18. Jahrhundert. In: Wiener Geschichtsblätter 66. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2011, Nr. 4, S. 285 ff.
  • Christian Dewald / Werner Michael Schwarz: Kino des Übergangs. Zur Archäologie des frühen Kinos im Wiener Prater. In: Christian Dewald / Werner Michael Schwarz (Hg.): Prater Kino Welt. Der Wiener Prater und die Geschichte des Kinos. Wien 2005, S. 11-85.
  • Hans Pemmer / Ninni Lackner: Der Wiener Prater einst und jetzt. Wien 1935.
  • Hans Pemmer / Ninni Lackner: Der Prater. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Wien, München: Jugend & Volk 1974 (Wiener Heimatkunde).
  • Hans Pemmer: Zur Geschichte des Praters. In: Monatsblatt des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1919-1938. Band 14. 1932, S. 184 ff., S.195 ff.
  • Hans Pemmer: Die allmähliche Verbauung des Praters. In: Wiener Geschichtsblätter 3. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1948, Nr. 4, S. 54 ff.
  • Norbert Rubey / Peter Schoenwald: Venedig in Wien. Theater- und Vergnügungsstadt der Jahrhundertwende. Wien 1996.
  • Ursula Storch: Das Pratermuseum. 62 Stichwörter zur Geschichte des Praters. Wien 1993.
  • Ursula Storch: Vom Wurstelprater zum Volksprater. Die Praterregulierung anlässlich der Weltausstellung. In: Wolfgang Kos / Ralph Gleis: Experiment Metropole. 1873: Wien und die Weltausstellung. Ausstellungskatalog Wien Museum, Wien 2014.