Heuriger

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Der Wiener Heurige (Postkarte, um 1930)
Daten zum Begriff
Art des Begriffs Dialektausdruck
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Nachweisbar von
Nachweisbar bis
Objektbezug Wein
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 7.12.2022 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Heuriger 2.jpg
Bildunterschrift Der Wiener Heurige (Postkarte, um 1930)

Ältester Nachweis für das Ausstecken von Tannenreisig beim Heurigen in einer Ordnung über den Weinausschank, 18. August 1459 (Ausschnitt)
Tarock-Spiel (Carl Holdhaus, um 1850)

Heuriger, Bezeichnung für den Wein der letzten Fechsung (Ernte) und im weiteren Sinn das Produzentenlokal, in dem er ausgeschenkt wird (Buschenschank); Lostag ist Martini (11. November), an dem seit alters der vorjährige Wein zum "alten" und die frisch gekelterte Fechsung zum "Heurigen" wird.

Ursprünge im Mittelalter

Vorläufer von Weinschenken finden sich bereits im Mittelalter in den Lucken vor der Ringmauer. Weinbau wurde bis unmittelbar vor die Stadtmauern betrieben (Laimgrube, Rennweg, Alsergrund usw.). Viele Bürger besaßen Weingärten außerhalb der Stadt, deren Erträge sie (gegen Entrichtung einer Tormaut) in diese einbringen, in ihren (oft mehrstöckigen) Hauskellern lagern und in Trinkstuben ausschenken durften; auch in einigen Klosterhöfen entstanden Weinkeller mit Ausschank (die seit Rudolf IV. eingehobene Getränkesteuer hieß Ungeld).

Entgegen der Ansicht, dass der „Heurige“ im heutigen Sinn erst auf eine Verordnung Josephs II. vom 17. August 1784 zurückgeht, wird das Ausstecken von Tannenreisig an Lokalen, die heurigen Wein ausschenkten, bereits in einer städtischen Ordnung von 1459 erwähnt.

Erlaubnis zur Mitnahme von Speisen

Unter Joseph II. wurde es den Weinhauern jedoch erlaubt, Wein und Obstmost auszuschenken beziehungsweise selbst erzeugte Lebensmittel (etwa Nüsse) zu verkaufen. Das Gasthaus "Zum weißen Ochsen" (Neulerchenfeld) inserierte bereits im März 1784 in der Wiener Zeitung "heurigen Wein" und "da der Wein gut und gerecht ist, verspricht er sich viele Gäste“.

Lokale in den Vororten

Das Aufkommen von preislich erschwinglichen Verkehrsmitteln ermöglichte es der städtischen Bevölkerung ab dem Vormärz, auch vor dem Linienwall gelegene Vororte aufzusuchen, in denen sich daraufhin die Heurigen und Wirtshäuser rasch vermehrten; das in der Biedermeierzeit aufkommende Naturbewusstsein trug zusätzlich zur Belebung des Geschäfts bei.

Die Heurigenfahrten kamen in Schwung (besonders nach Grinzing, Währing, Hernals, Sievering). Franz Schubert und sein Freundeskreis, Ludwig van Beethoven, Ferdinand Sauter und viele andere gehörten zu regelmäßigen Besuchern; von Franz Grillparzer wissen wir, dass er 1824 den deutschen Philosophen Hegel zum Heurigen nach Nußdorf führte. Als ab 1829 am Linienwall die Verzehrungssteuer eingehoben wurde und man daher außerhalb desselben billiger lebte, war dies ein weiterer Anreiz, Lokale in den Vororten aufzusuchen; insbesondere Neulerchenfeld und die an den Abhängen des Kahlengebirges liegenden Ortschaften (Grinzing, Sievering, Nußdorf, Salmannsdorf, Neustift am Walde), aber auch Dornbach und Ottakring waren stark frequentiert.

Die Eröffnung der Stadtbahn und der Ausbau der elektrischen Straßenbahn führten durch die Verbesserung der Verkehrsbedingungen zu einem Aufblühen der Heurigenschenken in den äußeren Bezirken. Die Aufmachung war einheitlich (Kennzeichnung durch den Reisigbuschen an der Stange über dem Hoftor, rustikale Einrichtung, ungedeckte Tische, Mitbringen des kalten Imbisses durch die Gäste).

Musik für gute Stimmung

Stimmungsmusik (Schrammeln) wurde sehr populär, manchenorts gehörte sie geradezu verpflichtend dazu. Allmählich entwickelten sich ganze Heurigenschenkerdynastien (unter anderem die Familie Mandl in Ottakring und Hernals, ab 1807 die Familie Grünbeck und ab 1871 Johann Weigl in Hernals). 1834 erregte es Aufsehen, dass ein nicht "Hausgesessener", nämlich Johann Gschwandtner, eine Buschenschank eröffnete. Um 1840 wurde von Hernals aus durch den Gruber-Franzl eine Reorganisierung des Heurigenlebens in die Wege geleitet; er trat vor allem beim Gschwandtner auf, spielte selbst Geige, Flöte und besonders Klarinette und ließ sich von Harmonika- und Gitarrespielern begleiten. Die Gruppe ist als Vorläuferin der Schrammeln (Stahlener) anzusehen. Manches Lied der Volkssänger erklang beim Heurigen zum ersten Mal und wurde dann in ganz Wien gesungen.

Über den Film zum Touristenmagnet

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts erreichte die dem Weinbau gewidmete Bodenfläche in der Stadtregion mit rund 1.200 Hektar ihre größte Ausdehnung (sie reicht von Stammersdorf und Strebersdorf jenseits der Donau zum Kahlenberg und südwestlich bis Ober-St.-Veit und Mauer). Der Buschenschank unterliegt nicht der Gewerbeordnung, wird jedoch in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt (Buschenschankgesetz). In der Zwischenkriegszeit entdeckte man Grinzing für den neuen Tonfilm. Fast in jedem der damals beliebten "Wiener Filme" kamen echte oder gestellte "Heurigenszenen", vor allem mit Hans Moser und Paul Hörbiger, aber auch mit zahlreichen anderen Schauspielern, vor.

Heurige heute

Seit der Verordnung vom 26. August 1939 sind Heurigenbuffets gestattet, bei denen auch nicht selbst erzeugte kalte Lebensmittel angeboten werden dürfen; warme Speisen bedürfen einer besonderen Konzession.

Derzeit (2022) gibt es rund 100 Heurigenbetriebe in Wien.

Quellen

Literatur

  • Der Weinschank im alten Wien. In: Hans Pemmer: Schriften zur Heimatkunde Wiens. Festgabe zum 80. Geburtstag. Für die "Arbeitsgemeinschaft der Wiener Heimatmuseen" hrsg. v. Hubert Kaut u. Ludwig Sackmauer. Wien [u.a.]: Verlg. f. Jugend & Volk 1969 (Wiener Schriften, 29), S. 93-114
  • Christian Brandstätter: Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien [u.a.]: Brandstätter 1986, S. 338
  • Gottfried Heindl: Wien. Brevier einer Stadt. Wien [u.a.]: Neff 1972, S. 84 f., 145 f.
  • Bartel F. Sinhuber: Das große Buch vom Wiener Heurigen. Wien: Orac / Stuttgart: Pietsch 1980
  • Leopold Schmidt: Wiener Volkskunde. Ein Aufriß. Hg. vom Verein f. Volkskunde in Wien. Wien [u.a.]: Gerlach & Wiedling 1940 (Wiener Zeitschrift für Volkskunde, Erg.Bd. 16), S. 87