Brauerei Schellenhof

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Brauerei Schellenhof
Daten zur Organisation
Art der Organisation Brauerei
Datum von 1622
Datum bis 1926
Benannt nach Schellenhof
Prominente Personen
PageID 362975
GND
WikidataID
Objektbezug Bier, Brauhäuser, Frühe Neuzeit, Langes 19. Jahrhundert, Zwischenkriegszeit
Quelle
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Letzte Änderung am 1.03.2024 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Brauerei Schellenhof.jpg
Bildunterschrift Brauerei Schellenhof
  • 23., Ketzergasse 123
  • 23., Schellenhofgasse
  • 23., Wildagasse

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48° 7' 40.28" N, 16° 18' 13.95" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Brauerei Schellenhof (23., Ketzergasse 123, Schellenhofgasse, Wildagasse).

Anfänge

Im Edelsitz Schellenhof, einem befestigten Dominikalbesitz, soll schon ab 1559 Bier gebraut worden sein[1]. 1622 lieferte der Schellenhof Bier an das Wiener Bürgerspital[2]. Während der Zweiten Osmanischen Belagerung (1683) wurde der Schellenhof samt Brauhaus zerstört. Zwei Jahre später wurde aber schon wieder eine Brauerei in Betrieb genommen.

Der Schellenhof bestand in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus der Bierbrauerei, einer Mühle, einem Ziegelofen und einem Gasthaus und war bei den Wienern sehr beliebt: „Das Bräuhaus, bei welchem auch ein Garten, eine Kegelbahn usw. angelegt ist, findet in den Sommertagen äußerst zahlreichen Besuch von Wiener Bierfreunden. Man braut hier das beste Bier in der Gegend um Wien“[3]. Mitte der 1840er Jahre scheint das Brauhaus unter dem Namen „Mack’s Schellenhofer Bierbrauerei“ auf, die jährlich knapp 3.000 Hektoliter Bier braute. Valentin von Mack und seine Vorfahren waren Grundherren und Wohltäter der Gegend (Mackgasse in Kalksburg und Valentingasse in Mauer). Ihre Grundherrschaft endete im Jahr 1848 infolge der Grundentlastung (siehe auch Revolution). Daraufhin wurde die Brauerei von Johann Christian Hoppe erworben.

Die erste Bierbrauerei-Aktiengesellschaft

Im April 1862 konstituierte sich ein Gründungskomitee für die Bildung einer Aktiengesellschaft, welche Johann Christian Hoppe die Brauerei Schellenhof um 157.000 Gulden abkaufte und in die „Erste Bierbrauerei-Actiengesellschaft in Wien“ einbrachte. In diesem Komitee saßen Reichsratsabgeordnete und einige andere angesehene Wiener Bürger. Sie nutzten dabei ebenso wie die Hütteldorfer Brauerei, die ebenfalls seit 1862 als Akteingesellschaft organisiert war, neue gesellschaftsrechtliche Regelungen, um frisches Geld von privaten Anlegern für Ausbauprojekte verwenden zu können.

Die Niederösterreichische Eskomptegesellschaft legte im Rahmen einer Subskription 5.000 Aktien zu 100 Gulden auf, von denen die Hälfte vom Gründungskomitee gezeichnet wurden. Der Rest wurde der Öffentlichkeit als hervorragende Anlagemöglichkeit in Zeitungsannoncen angeboten, die neben den zu erwarteten Kurssteigerungen der Aktien eine jährliche Verzinsung (Dividende) von 5 Prozent versprachen[4]. Die Aktien wurde zur Gänze verkauft und bis 1867 wurden sogar nochmals Aktien für 600.000 Gulden gezeichnet, weil man noch zweimal Neuemissionen zum Kurs von 75 Prozent beschlossen hatte.

Als Direktor wurde Joachim Hermann Werner bestellt, der ein Ausbauprogramm in Höhe von 60.000 Gulden, den Erwerb der Brauerei Neuerlaa, den damals noch unüblichem Verkauf von Flaschenbier als „Schellendorfer Kaiser-Bier“ in 100 Depots in Wien und den umliegenden Gemeinden sowie die Errichtung einer 1,8 Kilometer neu zu bauenden Pferdebahn mit eleganten Salonwagen vom Bahnhof Liesing zum Schellenhof plante [5].

Nachdem Werner ungedeckte Wechsel präsentiert wurden, beging er 1868 Selbstmord und ließ ein konkursreifes Unternehmen zurück, das nur mit viel Mühe gerettet werden konnte. Die Niederösterreichische Eskomptegesellschaft als 10-prozentiger Minderheitsaktionär konnte ihren Verlust minimieren, die anderen Aktionäre mussten hingegen große Verluste hinnehmen. Der Fall Schellendorf brachte es auf die Titelseiten der renommiertesten Zeitungen der Monarchie, „Schellendorf“ wurde noch jahrelang ein Schlagwort für betrogene Aktionäre und man wurde sich rasch bewusst, welche Gefahren das noch unerprobte Aktienrecht in sich bergen konnte.[6].

Die Niederösterreichische Eskomptegesellschaft schlug nun dem bisherigen Verwaltungsrat die Ausgabe von 7500 neuen Prioritätsaktien zu 100 Gulden vor. Die bisherigen Aktionäre konnten nun entweder eine alte in eine neue Aktie tauschen, die natürlich eine große Kursunsicherheit hatte, oder die alten zu einem Kurs von 60 Prozent verkaufen. Da die Aktien nicht an der Börse notierten, war dieser vom Verwaltungsrat festgesetzte Kurs wahrscheinlich günstiger als ein Kurs, der im Börsenverkehr entstanden wäre. Außerdem wurden die alten Verwaltungsräte gezwungen, für allfällige neue Verluste durch eine unbeschränkte Garantie gerade zu stehen, was ihnen bis 1871 noch weiteres Geld kostete.

Die Niederösterreichische Eskomptegesellschaft rettete mit dieser Neuemission von Aktien das Unternehmen, schaffte eine 60-prozentige Ausgleichsquote und sicherte den weiteren Betrieb der Brauerei. Damit hatten zwar die alten Verwaltungsratsmitglieder den Großteil des Verlustes zu tragen, aber auch die große Zahl der spekulierenden Kleinaktionäre nahm herbe Verluste statt der erhofften fünfprozentigen Verzinsung und Wertsteigerung ihres Kapitals in Kauf.

Die Brauerei wies nach der 1871 erfolgten Konsolidierung eine durchaus zufriedenstellende Entwicklung auf und konnte sich ein Absatzgebiet in Wien sowie in den südlichen Gemeinden bis Mödling und Baden sichern. In der Wiener Altstadt wurden zwei Bierhallen errichtet und verpachtet, und zwar ab 1878 in der Seilerstätte 11 neben dem Ronacher sowie nach dem Ersten Weltkrieg in der Ertlgasse 2 an der Ecke zur Rotenturmstraße.

Die Eskomptegesellschaft nützte diese gute Entwicklung und reduzierte 1887 das Aktienkapital von bisher 670.000 Gulden auf die Hälfte und wandelte die alten Aktien in 3.351 neue Anteilsscheine à 100 Gulden auf. Damit konnte sie ab 1888 die Börsennotierung erreichen und eine solide Entwicklung der Brauerei-Aktiengesellschaft fortsetzen. Der Aktienkurs lag bald bei 280 Gulden und erreichte 1907 sogar den Höchstwert von 400 Gulden, weil damals mit 136.000 Hektoliter der höchste Ausstoß in der Brauereigeschichte erzielt wurde.

Niedergang

Nach 1914 ging es mit dem Schellenhof und auch seiner Brauerei stark bergab. Statt den 106 Einwohnerinnen und Einwohner im Jahr 1890 gab es 1923 nur mehr 43. Das Betriebsende wurde aber durch Bankentscheidungen eingeleitet, weil nach rein wirtschaftlichem Kalkül die Brauerei bei einem jährlichen Ausstoß von 40.000 Hektoliter nicht mehr rentabel war. In der letzten Brauperiode musste sie einen Verlust von fast 600.000 Schilling verbuchen und die Schuldenlast war auf 1,6 Millionen Schilling angewachsen.

1926 hatte die Niederösterreichische Eskomptegesellschaft gemeinsam mit der Creditanstalt für Handel und Gewerbe und dem Wiener Bankverein die Aktienmehrheit an den Vereinigten Brauereien übernommen. Die Banken beherrschten damit den Wiener Brauherrenverein. Damit hatte das Engagement der Eskomptegesellschaft in der kleinen Brauerei Schellenhof angesichts der schlechten Bilanzergebnisse keinen Sinn mehr und so beschloss sie - unterstützt von der Liesinger Brauerei – die Aktiengesellschaft zu liquidieren und die „Flurbereinigung“ im südlichen Wien fortzusetzen. Die Kleinaktionäre wehrten sich vergeblich und der Brauherrenverein übernahm den Liquidierungsvorgang. Der Braubetrieb wurde im Sommer 1926 stillgelegt und, wie im Liquidationsbericht zu lesen ist, „die Kunden nach Verbrauch der Biervorräte, soweit solche noch vorhanden waren, von den Wiener Verbandsbrauereien übernommen“[7]. Ein Großteil der Schulden konnte mit dem Verkauf der Wiener Gaststätten, ein kleinerer mit der Verwertung von Gebäuden auf dem Schellenhof abgedeckt werden.

Im Haus Ketzergasse 105/ Schellenhofgasse 1 befand sich die Brauhausrestauration, die als Lokal bis 1937 bestand. An die Brauerei erinnern noch einige Straßennamen und ein Bild des Heiligen Martin in der gleichnamigen Pfarre, das von der Hauskapelle der Brauerei Schellenhof 1875 hierher gebracht wurde.

Literatur

  • Börse vom 22.7.1926
  • Joseph Jahne: Heimatkunde des politischen Bezirkes Hietzing-Umgebung für Schule und Haus. Wien: Selbstverlag des k.u.k. Bezirksschulrates für Hietzing und Umgebung 1911
  • Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Oesterreichs 1898, Bd. 5, Leopold Weiss: Wien 1898, S. 225-226.
  • Morgenpost vom 15.6.1862
  • Neue Freie Presse 18.12.1868
  • Christian Springer / Alfred Paleczny / Wolfgang Ladenbauer: Wiener Bier-Geschichte. Böhlau Verlag: Wien-Köln-Weimar 2017, S. 256-259
  • Die Presse 1.10.1863, 17.12.1868
  • Schultes: Ausflüge nach dem Schneeberge in Unterösterreich. Wien: J. V. Degen 1802, 1807
  • Wr. Sonn- und Montagszeitung 9.9.1867

Referenzen

  1. Joseph Jahne: Heimatkunde des politischen Bezirkes Hietzing-Umgebung für Schule und Haus. Selbstverlag des k.u.k. Bezirksschulrates für Hietzing und Umgebung: Wien 1911, S. 173
  2. Siehe hierzu: Bierwesen des Bürgerspitals und Bierimport des Bürgerspitals
  3. Schultes: Ausflüge nach dem Schneeberge in Unterösterreich. Wien: J. V. Degen: 1802, S. 6; 1807, S. 4.
  4. Morgenpost vom 15.6.1862
  5. Die Presse 1.10.1863; Wr. Sonn- und Montagszeitung 9.9.1867; Joseph Jahne: Heimatkunde des politischen Bezirkes Hietzing-Umgebung für Schule und Haus. Wien: Selbstverlag des k.u.k. Bezirksschulrates für Hietzing und Umgebung 1911, S. 173
  6. Neue Freie Presse 18.12.1868; Die Presse 17.12.1868
  7. Börse vom 22.7.1926.