Creditanstalt-Bankverein
48° 12' 49.12" N, 16° 21' 47.12" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der Creditanstalt-Bankverein (CA-BV, 1, Schottengasse 6-8, Schottenring 2-6, Schottenbastei 1-5, Heßgasse 3-5) wurde 1855 begründet und 2002 aufgelöst.
Gebäude
Die Bank war zunächst provisorisch 1, Renngasse 1, untergebracht, übersiedelte 1860 in einen Neubau Am Hof 6 (Heidenschuß 2, Tiefer Graben 2; Architekt Franz Fröhlich, erbaut 1858-1860). 1914 erwarb sie das Gebäude der Niederösterreichischen Eskomptegesellschaft auf der Freyung 8-9 und kaufte zwischen 1912 und 1914 auch die benachbarten Häuser Stadt 156 und 160, wo sie anstelle aller genannten Gebäude einen Neubau (1914-1921) nach Plänen von Ernst Gotthilf von Miskolczy und Alexander Neumann errichten ließ.
Ab 1934 hatte die Bank ihr Domizil in dem 1909-1912 von Ernst Gotthilf von Miskolczy und Alexander Neumann errichteten Bankpalais am Schottenring, das bis dahin dem Bankverein gehörte. Um den Bau des Bankgebäudes zu ermöglichen, wurden 1909 die (1861 errichteten) Häuser Schottenring 2-6 und Schottenbastei 1-5 abgerissen. Der große, annähernd rechteckige Baublock besitzt vier glasgedeckte Innenhöfe und Mittelrisalite (Schottengasse und Schottenring, schwächer ausgeprägt Schottenbastei). Die Fassade am Schottenring ist zusätzlich durch zwei Eckrisalite akzentuiert. Am Schottenring war ursprünglich der Direktionseingang, von dem eine Feststiege in den ersten Stock zum "Oktogon", dem Sitzungssaal für die Generalversammlung mit seinen 16 großen Marmorsäulen, führte. 1923 wurde die Direktionsstiege abgetragen. Das Gebäude ging nach der Fusion mit der Bank Austria in den Besitz der neuen Aktiengesellschaft Bank Austria Creditanstalt über, die seit 2005 zum Unicredit Konzern gehört.
Institut
Die Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe wurde am 6. November 1855 gegründet (siehe Bankgebäude) und sollte entsprechend den Statuten über Eigenmittel in Höhe von 100 Millionen Gulden verfügen.
Gründung und Expansion
Creditanstalt-Bankverein (CA-BV, Institut). Im Rahmen der "Zweiten Finanzrevolution" kam es in der Habsburgermonarchie am Finanzplatz Wien ab den 1850er Jahren zur Gründung von großen Universalbanken nach dem Vorbild des Crédit Mobilier, die neben dem normalen Bankgeschäft auch eine wichtige Rolle im Gründungsgeschäft übernahmen. Das Spitzeninstitiut war die auf Initiative von Finanzminister Karl Ludwig Freiherr von Bruck und des Wiener Zweigs des Hauses Rothschild unter Beteiligung der böhmischen Hocharistokratie gegründete k.k. privilegierte Österreichische Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe. Die Bank war seit ihrer Gründung das führende österreichische Geldinstitut.
Ziel der Bank war es, dem Verkehrswesen, der Industrie und dem Außenhandel der österreichisch-ungarischen Monarchie Impulse zu geben und damit den Rückstand der wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber den westeuropäischen Ländern abzubauen. Der Börsenkrach von 1873, der die Industriefinanzierung über die Börse nachträglich diskreditierte, förderte den Einfluss der Creditanstalt, wie anderer Wiener Großbanken, über das bloße Gründungsgeschäft hinaus, sodass in den letzten Jahrzehnten der Donaumonarchie ein eigener Industriekomplex im Einflussbereich des Instituts entstand, der vielfältige finanzielle und personelle Verflechtungen mit der Bank aufwies.
Die CA-Krise 1931
Durch das Auseinanderbrechen der Monarchie nach 1918 verlor die Bank die Mehrheit der Filialen in den Nachfolgestaaten und wertvolle Beteiligungen. Während der Zeit der Hyperinflation erwarb die Bank große Aktienbestände an österreichischen Industrieunternehmen, die sich in weiterer Folge auf Grund der krisenhaften ökonomischen Entwicklung als Last erwiesen. Zudem wurde trotz der Nationalisierungsstrategie der Nachfolgestaaten im Zuge der "Donauraum-Strategie" versucht, den Einfluss in Ostmitteleuropa durch Vermittlung westeuropäischen Kapitals zu erhalten. Bestandteil dieser Strategie war auch die direkte oder indirekte Übernahme aller großen Wiener Konkurrenzbanken, soweit sie sich nicht in ausländischem Besitz befanden. Die Creditanstalt übernahm die Union-Bank, die Anglo-Oesterreichische Bank und (auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesregierung) am 6. Oktober 1929 die Allgemeine Österreichische Boden-Credit-Anstalt (die am 5. Dezember zusammenbrach). Im Mai 1931 stand die Creditanstalt vor dem Zusammenbruch. Am 24. Mai 1931 war der Höhepunkt einer Krise erreicht, durch die die damalige Wirtschaftskrise in mehrfacher Hinsicht (Verflechtung mit der Industrie, Abhängigkeit der Sparkassen und eines Großteils der Regionalbanken von der Creditanstalt) verschärft wurde. Die Rekonstruktion der Bank erfolgte durch die Übernahme der Aktienmehrheit durch den Bund (Aufnahme ausländischer Kredite) und die Fusionierung der Creditanstalt mit dem Wiener Bank-Verein (1934; "Österreichische Creditanstalt – Wiener Bankverein" [CA-BV]). Für die Rettung der Bank wurden insgesamt 779 Millionen Schilling an öffentlichen Mitteln aufgewendet. Zu einem endgültigen Abkommen mit den Gläubigern kam es 1936 in London. Das Auslandsgeschäft musste mehr oder minder vollständig an die Gläubiger abgetreten werden. Ihre internationale Bedeutung hatte die Bank vorerst völlig verloren. Gleichwohl vereinigte sie im Jahr 1937 57% der Debitoren sämtlicher österreichischer Banken und überlebte als einzige österreichische Großbank die Weltwirtschaftskrise.
NS-Zeit und Wiederaufbau
Nach dem "Anschluss" übernahm die Deutsche Bank zunächst 25%, ab Frühjahr 1942 die Mehrheit an der Creditanstalt, beließ ihr jedoch ihre eigene Rechtspersönlichkeit ("Creditanstalt-Bankverein"). 21 österreichische Gesellschaften mussten an deutsche Konzerne abgegeben werden (darunter Elin, DDSG, Gerngroß, Simmering-Graz-Pauker, Steyr-Daimler-Puch). Im Zuge der NS-Okkupation weiter Teile Ostmittel- und Südosteuropas versuchte die Bank in den von der Wehrmacht besetzten Gebieten Jugoslawiens, der Tschechoslowakei und Polens erneut eine überregionale Rolle zu spielen und ihren traditionellen Einfluss zurück zu gewinnen, was nur bedingt gelang. Im Zuge dieser Expansionsstrategie kam es zur Beteiligung an "Arisierungen" durch Kreditvergabe an "Ariseure". Nach dem Zweiten Weltkrieg verlor die Bank sämtliche Ostinteressen; 1946 wurde sie verstaatlicht. Sie leistete in den Nachkriegsjahren einen wesentlichen Beitrag zum Wiederaufbau.
Neue Internationalität
Von 1970 bis 1997 wandelte sich die Bank vom führenden nationalen zu einem international tätigen Bankinstitut mit großer Mitteleuropakompetenz. Mit der Gründung von Repräsentanzen im RGW-Raum (beginnend mit Budapest 1976), wurde auch wieder eine Präsenz in Osteuropa etabliert, die in einer zweiten Stufe mit Bankgründungen in Budapest (1990), Prag und Warschau (1991) fortgesetzt wurde. 1965 besaß die Creditanstalt-Bankverein in Wien 28 Zweigstellen, 1990 100; 1965 war sie an mehr als 50 Unternehmungen beteiligt, 1990 an mehr als 90 (davon Beteiligungen an elf Industriebetrieben, sonst meist Gesellschaften, die finanzielle Dienstleistungen erbringen). 1990 betrug die Bilanzsumme 459,2 Milliarden Schilling, das Haftkapital 21,9 Milliarden Schilling.
Die seit den frühen 1990er Jahren angestrebte Privatisierung der Bank erfolgte am 12.1.1997 durch Verkauf der Bundesanteile um 17,2 Milliarden Schilling (1,25 Milliarden Euro) an den Bestbieter, die Bank Austria AG. Der Verkauf der "schwarzen" Creditanstalt an die "rote" Bank Austria, die frühere Wiener Zentralsparkasse, löste in konservativen Kreisen Befremden aus. 2001 wurden die beiden Banken selbst nach Deutschland verkauft und 2002 fusioniert. Die Bank Austria wurde in der Folge bis 2008 als Bank Austria Creditanstalt geführt, dann ging der Name Creditanstalt unter. Seit 2005 ist der italienische Bankenkonzern UniCredit Eigentümer.
Siehe auch
Literatur
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 21 f.
- Christian Brandstätter: Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien [u.a.]: Brandstätter 1986, S. 296
- Georg Heuberger: Die Rothschilds. Eine europäische Familie. Frankfurt/M. 1995
- Georg Heuberger: Die Rothschilds. Beiträge zur Geschichte einer europäischen Familie. Frankfurt/M. 1995
- Ein Jahrhundert Creditanstalt-Bankverein. Hg. von der Creditanstalt-Bankverein. Wien 1957
- Eduard März, Österreichische Bankpolitik in der Zeit der großen Wende 1913-1923. Am Beispiel der Creditanstalt für Handel und Gewerbe, Verlag für Geschichte und Politik, München-Wien 1981
- Eduard März, Österreichische Industrie- und Bankenpolitik in der Zeit Franz Josephs I. Am Beispiel der k.k.priv. Österreichischen Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe, Europaverlag: Wien-Frankfurt/M.-Zürich 1968
- Oliver Rathkolb, Theodor Venus, Ulrike Zimmerl (Hg.), Bank Austria Creditanstalt. 150 Jahre österreichische Bankengeschichte im Zentrum Europas, Zsolnay: Wien 2005
- Aurel Schubert, The Credit-Anstalt Crisis of 1931, Cambridge University Press: Cambridge 1991
- Dieter Stiefel: Finanzdiplomatie und Weltwirtschaftskrise. Die Krise der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe 1931, Knapp: Frankfurt/M. 1989
- Dieter Stiefel: Von der CA-Krise bis Lausanne. Österreichische Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Zeit der Wirtschaftskrise. Bd. 1-3, ungedr.Habil., Wien 1986
- Dieter Stiefel: Die große Krise in einem kleinen Land. Österreichs Finanz- und Wirtschaftspolitik 1929-1938. Studien zu Politik und Verwaltung 26, Böhlau: Wien-Köln-Graz 1988
- Dieter Stiefel: Finanzdiplomatie und Weltwirtschaftskrise. Die Krise der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe 1931. Frankfurt/M. 1989.
- Gerald D. Feldman, Oliver Rathkolb, Theodor Venus, Ulrike Zimmerl (Hg.), Österreichische Banken und Sparkassen im Nationalsozialismus und in der Nachkriegszeit, C.H. Beck: München 2006
- Festschrift der österreichischen Wirtschaftsunternehmen im Interessenskreis der Creditanstalt-Bankverein, Wien 1949
- Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. 11 Bände. Wiesbaden: Steiner 1969-1981. Band 4, S. 336 f.
- Renate Wagner-Rieger: Wiens Architektur im 19. Jahrhundert. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1970, S. 131
- Fritz Weber, Vor dem großen Krach. Österreichs Bankwesen der Zwischenkriegszeit am Beispiel der Credit-Anstalt für Handel und Gewerbe (Studien zur Wirtschaftsgeschichte und Wirtschaftspolitik 9), Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2016
- Ulrike Zimmerl: Das Historische Archiv der Bank Austria. In: Archiv und Wirtschaft. Zeitschrift für das Archivwesen der Wirtschaft. Jg. 41 (2008), Heft 4, S. 168-171.