Beschluss des Bauprojekts zur Ersten Hochquellenleitung

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Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderats vom 19. Juni 1866. Schlussworte von Gemeinderat Eduard Suess vor der Abstimmung.
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Politisches Ereignis
Datum von 19. Juni 1866
Datum bis 19. Juni 1866
Thema Wasserversorgung
Veranstalter Gemeinderat
Teilnehmerzahl
Gewalt Nein
PageID 366240
GND
WikidataID
Objektbezug Erste Hochquellenleitung, Wasserversorgung
Quelle
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Bildname GR-Beschluss-Bauprojekt.jpg
Bildunterschrift Auszug aus dem Sitzungsprotokoll des Gemeinderats vom 19. Juni 1866. Schlussworte von Gemeinderat Eduard Suess vor der Abstimmung.
Beteiligte Personen
  • 1., Wipplingerstraße 8

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Am 19. Juni 1866 beschloss der Gemeinderat das Bauprojekt zur Ersten Hochquellenleitung. Das Projekt war von der Wasserversorgungskommission ausgearbeitet und am 25. Mai 1866 zur Beschlussfassung in den Gemeinderat eingebracht worden. Es sah den Bau einer Wasserleitung vor, welche die Stadt Wien mit Wasser der Quellen Kaiserbrunn, Stixenstein und Alta versorgte.

Durch die Eingemeindung der Vorstädte (1850) hatten die bestehenden Wasserleitungen wie zum Beispiel die Albertinische- oder die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung ihre Kapazitätsgrenzen erreicht. Zur Lösung der Wasserversorgungsfrage beschloss der Gemeinderat im November 1862 eine Kommission zur Wasserversorgung einzurichten, welche gemeinsam mit Fachleuten alle nötigen Erhebungen und Vorarbeiten für den Bau einer Wasserleitung durchführen sollte.

Im Juli 1864 erstattete die Kommission dem Gemeinderat Bericht, woraufhin die Erschließung von Hochgebirgsquellen beschlossen und die Kommission mit der weiteren Planung des Bauprojekts beauftragt wurde. Am 2. September 1864 erteilte die Niederösterreichische Statthalterei die Bewilligung für die Ausarbeitung des detaillierten Projekts und beauftragte die zuständigen Bezirksämter und Gemeinden mit der Duldung bzw. Unterstützung der notwendigen Vermessungsarbeiten. Ab dem 21. Dezember 1864 wurden, ebenfalls auf Anordnung der Statthalterei, keine neuen Wasserrechte an betroffenen Gewässern vergeben.

Ausarbeitung des detaillierten Bauprojekts

Die Quellen des "Drei-Quellen-Projekts" zur Wasserversorgung Wiens, um 1870

Um die notwendigen Planungsarbeiten zu bewältigen, wurde die Wasserversorgungskommission durch Gemeinderäte aus der Bau- und Finanzsektion erweitert und innerhalb der Kommission Spezialreferenten ernannt. Die neuen Mitglieder waren Franz Khunn, Eduard Hütter, Eduard Uhl, Wilhelm Groß, August Sicard von Sicardsburg und Johann Hönig. Insbesondere beschäftigte sich die Kommission mit den Vorarbeiten für die notwendigen Grundeinlösungen.

Die technische Planung sollte von zwei neu gegründeten Ober-Ingenieurs-Abteilungen übernommen werden, deren Leitung am 4. August 1864 bestellt wurde:

  • Die erste Abteilung befasste sich mit der Quellenfassung und dem Bau der Wasserleitung bis zur Einmündung in das Reservoir am Rosenhügel. Da die Arbeiten in großer räumlicher Entfernung zur Stadt durchgeführt werden mussten, entschied sich die Wasserversorgungskommission für eine Vergabe an externe Techniker. Ihr Leiter war der Civil-Ingenieur Carl Junker.
  • Die zweite Abteilung plante den Bau der Wasserbehälter und des Verteilnetzes innerhalb der Stadt. Diese Aufgaben sollten von Ingenieuren des Stadtbauamts übernommen werden, die über die notwendigen Lokalkenntnisse verfügten. Die Leitung wurde Karl Gabriel übertragen.

In jeder der beiden Abteilungen arbeiteten drei Sections-Ingenieure sowie eine Reihe von Assistenten, Eleven und Geometern. Die Ingenieure der I. Abteilung widmeten sich der Vermessung des Geländes und der Planung der Trasse inklusive der zur Talquerung benötigten Aquädukte. Die Arbeit war entlang der geplanten Trasse in siebe Baulose aufgeteilt. Die Bauunterlagen umfassten unter anderem 357 Pläne, 86 Blätter mit Querprofilen und 91 Katastermappen mit eingezeichneter Trasse.

In der II. Abteilung erstellten die Ingenieure einen detaillierten Niveauplan des gesamten Versorgungsgebiets und erhoben die bestehende und geplante Verbauung. So entstanden ein großer Übersichtsplan von Wien und Umgebung sowie 31 Situationspläne mit Höhenlinien und dem projektierten Röhrennetz. Für die Wasserbehälter wurden 46 Baupläne und 31 Detailpläne angefertigt, für die Hauptröhrentrassen und Überfallkanäle 15 Detailpläne sowie zahlreiche Detailzeichnungen zu Röhren und anderen Komponenten.

Nach Fertigstellung der Detailpläne wurden diese von Oktober bis Dezember 1865 im Augartenpalais öffentlich ausgestellt.

Öffentliche Kritik und Prüfung des Projekts

Während die Kommission das Bauprojekt vorbereitete, war sie zunehmend mit Kritik an diesem Vorhaben konfrontiert. Die geringen Niederschläge der Jahre 1863 bis 1865 ließen Zweifel an der Ergiebigkeit der Quellen aufkommen und rückten die bereits abgelehnte Vorschläge zur Nutzung von Wasser aus der Donau oder der Fischa-Dagnitz wieder in den Fokus. So prüfte etwa der Österreichische Ingenieur- und Architekten-Verein das Projekt und ließ eigene Messungen an den Quellen durchführen. Insbesondere Gemeinderat und Vereinsmitglied Friedrich Stach kritisierte Methoden und Ergebnisse der bisherigen Messungen unter Ober-Ingenieur Junker. Schließlich brachten 44 Vereinsmitglieder den Antrag ein, das Projekt für verfehlt zu erklären. In einer öffentlichen Stellungnahme des Vereins wurde dieser Antrag stark abgeschwächt, aber weitere Prüfungen zur Versorgungssicherheit während Trockenperioden empfohlen.

Protest gegen die geplante Wasserleitung kam auch von den Betreibern von Industrieunternehmen an der Schwarza, Fischa und Fischa-Dagnitz, dem Vorstand der k.k. Colonie Theresienfeld und anderen Wassernutzern aus dem weiteren Einzugsbereich, die ihre bestehenden Wasserrechte bedroht sahen. Neben Kritik in fachlichen Kreisen und Beschwerden über den Behördenweg wurde das Projekt auch in Zeitungsbeiträgen und Flugschriften, die teilweise anonym erschienen und diffamierende Passagen enthielten, angegriffen.

Die Wasserversorgungskommission verhielt sich gegen dieses Kritik zurückhaltend, prüfte alternative Vorschläge, erhob weiterhin Abflussmengen und Pegelstände und ließ vom 6. bis 8. Jänner 1866 eine weitere Wassermessung unter Anwesenheit der Kritiker durchführen. Bezüglich der Wasserqualität erhielt sie einmal mehr Unterstützung durch ein Gutachten der k.k. Gesellschaft der Ärzte.

Im Oktober 1865 beauftragte der Gemeinderat folgende Experten mit der Begutachtung des ausgearbeiteten Projekts in Bezug auf die technischen Details und die veranschlagten Kosten:

Schönerer und Salzmann beteiligten sich nicht an der Prüfung, deren Ergebnisse dem Gemeinderat im Februar 1866 überreicht wurden. Das Expertenurteil fiel überwiegend positiv aus, insbesondere was Qualität und Quantität des Wassers betraf. Die Experten beurteilten die Ergiebigkeit der Quellen Kaiserbrunn und Stixenstein als ausreichend für die Wasserversorgung der Stadt Wien und sprachen sich aus Kostengründen gegen die zusätzliche Einspeisung der Altaquelle aus. In technischer Hinsicht wurden einige Änderungen vorgeschlagen, etwa die Wasserzuleitung ausschließlich in gemauerten Kanälen anstatt von Rohren zu bewerkstelligen, Siphone anstelle der Aquädukte zur Talquerung einzusetzen und auf Verzierungen der Bauwerke weitestgehend zu verzichten.

Die Experten empfahlen dem Gemeinderat „die ehemöglichste Ausführung dieser Wasserleitung … als die zu benützenden reichhaltigen Quellen eine sehr vortheilhafte Höhenlage besitzen, ihr Wasser von ausgezeichneter Qualität ist, dessen Bezugskosten verhältnißmäßig gering sein werden ... – Vortheile, welche vereint sich durch kein anderes der bis jetzt bekannten Projekte erreichen lassen.[1]

Die Wasserversorgungskommission prüfte insbesondere die Möglichkeit, die Aquädukte durch Siphone zu ersetzen, entschloss sich aber am ursprünglichen Plan festzuhalten, die Bauwerke aber ohne architektonischen Schmuck auszuführen. Auf die Nutzung der Altaquelle wurde im fertigen Bauprojekt verzichtet.

Beschlussfassung im Gemeinderat

Am 25. Mai 1866 legte die Wasserversorgungskommission dem Gemeinderat die Schlussanträge zur Ausführung des Hochquellen-Projekts vor. Weitere Anträge zur Vertagung – unter anderem angesichts der angespannten Lage wegen des preußisch-österreichischen Kriegs und der Schlacht von Königgrätz am 4. Juli 1866 – wurden nicht berücksichtigt. In zehn Plenarsitzungen mit insgesamt 59 Rednern diskutierten die Gemeinderäte über das „Dreiquellenprojekt“. In seinem Eröffnungsplädoyer betonte Eduard Suess, dass der Hauptzweck des Projekts die „Besserung der öffentlichen Gesundheitsverhältnisse“ sei und eine Entscheidung darüber nicht weiter vertagt werden könne. Die Ausführung selbst könne jedoch in „günstigere Zeiten“, also auf nach dem Ende des Krieges, verschoben werden. Neben Suess und anderen, die das Projekt aus naturwissenschaftlicher, technischer und hygienischer Sicht unterstützen und auf die moralische Verpflichtung des Gemeinderates in der Frage der Wasserversorgung hinwiesen, kam auch Unterstützung von in finanziellen und fiskalischen Bereichen versierten Rednern. Leopold von Mende unterstützte beispielsweise das Projekt aus sozialökonomischer Sicht, da durch den Bau viele „brotlos gewordene“ Menschen Arbeit finden würden.

Viele jener, die sich für eine Vertagung aussprachen, betonten, dass sie nicht generell gegen das Projekt wären, aber weitere Belege dafür erbracht sehen wollten, dass die Wassermenge ausreichen würde. Andere lehnten das Projekt generell ab, da sie fürchten die ohnehin schon hohen Gesamtkosten (zuletzt wurden 14 Millionen Gulden veranschlagt) würden durch Grund- und Wasserrechtsablösen noch in unabsehbarer Weise vermehrt. Dies würde beispielsweise die Steuerlast sowie die Mieten in Wien erhöhen. Als Sprecher der Wasserversorgungskommission war Eduard Suess bemüht, die Einwände wissenschaftlich zu widerlegen.

Am 19. Juni 1866 kam es zur Abstimmung über die Anträge der Wasserversorgungskommission, die im Zuge der Debatten geringfügig abgeändert worden waren. Zur Abstimmung waren die Gemeinderäte beinahe vollzählig erschienen. Die Gemeinderäte Paffrath und Groß waren trotz Krankheit beziehungsweise Urlaub zur Abstimmung erschienen. Auf den Galerien verfolgten zahlreiche Bürger – und auch Bürgerinnen („eine Seltenheit auf der Gemeinderaths-Galerie“) - die Abstimmung. Eduard Suess verteidigte einmal mehr das Projekt und ging nochmals auf die Herausforderungen ein, eine Garantie über die minimal verfügbare Wassermenge abzugeben. Sein Plädoyer schloss mit emotionalen Worten: „Das Leben ist kurz, für Millionen schwindet es dahin, ohne daß sie Gelegenheit fanden, eine segensreiche Spur … zurückzulassen. … Eine solche Gelegenheit ist uns heute gegeben. Jeder ist sich des Maßes seiner Verantwortung bewußt. Wir werden heute urtheilen als Männer, unsere Kinder werden unsere Richter sein.[2] Schließlich stimmten die Gemeinderäte in einer namentlichen Abstimmung mit 65 zu 45 Stimmen für den ersten Paragrafen der Anträge, die weiteren drei Paragrafen erhielten noch größere Zustimmung.

Am 3. Juli 1866 bestellte der Gemeinderat die Mitglieder der Wasserversorgungskommission neu und beauftragte sie mit der Umsetzung der Beschlüsse. Zu den 21 Mitgliedern zählten zahlreiche bisherige Vertreter wie Cajetan Felder, Wenzel Sedlitzky, Franz Wertheim und Eduard Suess, einige neue und engagierte Unterstützer wie Wilhelm Groß, Leopold von Mende, Leopold Paffrath, Franz Coelestin Schneider und Eduard Uhl. Die Kritiker Josef Klucky, Leopold Schuch und Johann Heinrich Steudel, die gegen die Anträge gestimmt hatten, schieden aus der Wasserversorgungskommission aus.

Siehe auch: Erste Hochquellenleitung (Zeitleiste), Wasserversorgungskommission

Quellen

  • Wienbibliothek, Amtliche Verhandlungen und Actenstücke in Bezug auf die Hochquellenwasserleitung 1861-1879: Gutachten der vom Gemeinderathe der Reichshaupt- und Residenzstadt Wien zur Prüfung des Hochquellen-Projectes eingeladenen Herren Experten. Feburar 1866, Selbstverlag des Gemeinderathes, S. 199-234
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 25. Mai 1866.) In: Wiener Zeitung, 26. 5. 1866, S. 648 f.
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 29. Mai 1866.) In: Wiener Zeitung, 30. 5. 1866, S. 691 f.
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 1. Juni 1866.) In: Wiener Zeitung, 2. 6. 1866, S. 721 f.
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 5. Juni 1866.) In: Wiener Zeitung, 6. 6. 1866, S. 768
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 8. Juni 1866.) In: Wiener Zeitung, 9. 6. 1866, S. 802 f.
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 12. Juni 1866.) In: Wiener Zeitung, 13. 6. 1866, S. 846
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 15. Juni 1866.) In: Wiener Zeitung, 16. 6. 1866, S. 878 f.
  • Aus dem Gemeinderathe. (Plenarversammlung vom 19. Juni 1866.) In: Wiener Zeitung, 20. 6. 1866, S. 921 f.
  • Wiener Gemeinderath. In: Neue Freie Presse, 20. 6. 1866, S.6

Literatur

  • Josef Donner: "Dich zu erquicken, mein geliebtes Wien ..." . Geschichte der Wiener Wasserversorgung von den Anfängen bis 1910. Wien: NORKA Verl. [1990], S. 46 f.
  • Rudolf Stadler: Die Wasserversorgung der Stadt Wien in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Denkschrift zur Eröffnung der Hochquellen-Wasserleitung im Jahre 1873. Wien: Gemeinderat 1873, S. 140 ff.
  • Zur Wasserversorgung Wien’s. Wien, Selbstverlag des Gemeinderathes, 1865.

Einzelnachweise

  1. Rudolf Stadler: Die Wasserversorgung der Stadt Wien in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Denkschrift zur Eröffnung der Hochquellen-Wasserleitung im Jahre 1873. Wien: Gemeinderat 1873, S. 186
  2. Wiener Gemeinderath. In: Neue Freie Presse, 20. 6. 1866, S. 6