Bericht der Wasserversorgungskommission 1864

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Plan des Quellgebiets zum Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungskommission, 1864
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Politisches Ereignis
Datum von 10. Juni 1864
Datum bis 12. Juli 1864
Thema Wasserversorgung
Veranstalter Gemeinderat
Teilnehmerzahl
Gewalt Nein
PageID 366233
GND
WikidataID
Objektbezug Wasserversorgung, Erste Hochquellenleitung
Quelle
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Letzte Änderung am 9.10.2023 durch WIEN1.lanm08trj
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Bildunterschrift Plan des Quellgebiets zum Bericht über die Erhebungen der Wasserversorgungskommission, 1864

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Im Frühling 1864 fasste die Wasserversorgungskommission die Ergebnisse der von ihr beauftragten und koordinierten Untersuchungen und Messungen von in Frage kommenden Quellgebieten in einem Bericht zusammen. Die Messungen waren ab dem 6. Februar 1863 durchgeführt und ab dem Frühling 1863 vom Geologen Eduard Suess geleitet worden. Zum Zeitpunkt der Drucklegung des Berichtes waren die Messungen noch nicht abgeschlossen.

Der Bericht wurde unter der Leitung von Eduard Suess erstellt, der auch die geologischen und hydrografischen Teile verfasste. Die Untersuchungen in der Wiener Neustädter Ebene wurden vom Civilingenieur Carl Junker geleitet. Im Traisengebiet und im Wienerwald leitete der Oberingenieur der k. k. siebenbürgischen Landesbaudirection Engelbert Koleit mit Unterstützung durch den k. k. Ingenieur Lissek. Die Überlegungen zur Verteilung des Wassers auf dem Wiener Stadtgebiet stammten vom Stadtbauamtsingenieur Karl Gabriel. Die chemischen Analysen wurden unter der Leitung von Professor Dr. Franz Schneider durchgeführt. Bei der Untersuchung des Traisenwassers wurde er von Dr. Josef Redtenbacher unterstützt. Die mikroskopischen Untersuchungen führten Dr. Vogel für das Donauwasser und Prof. Dr. Carl Wedl für alle weiteren Quellen durch. Die meteorologischen Daten stammten vom Vorstand der k. k. meteorologischen Centralanstalt Dr. Karl Jelinek. Zum Vorkommen von Krankheiten wie dem Kropf sowie geistigen Beeinträchtigungen, deren Auslöser im Trinkwasser vermutet wurden, wurden Ärzte aus den Quellgebieten befragt. Dem Textteil aus fünf Abschnitten und acht Beilagen wurde ein Atlas mit 21 Tafeln zur Seite gestellt.

Inhalt

Die Wasserqualität der Quellen wurde von der Wasserversogungskommission untersucht. Die mikroskopische Studie zeigt die häufigsten Wasserlebewesen, unter anderem eine sternförmige Actinophrys (3), eine Dipterenlarve (15) und eine Wassermilbe vor der ersten Häutung (18)

Im Bericht wurden einmal mehr die Anforderungen der Stadt an die Wasserversorgung in quantiativer und qualitativer Hinsicht sowie in Bezug auf die Höhenlage der Quellen dargelegt. Zusammengefasst wurden folgende Rahmenbedingungen definiert: „Die Commission grenzt daher ihre Aufgabe dahin ab, dass sie ein Quellgebiet aufzusuchen habe, welches im Stande sei, täglich auch zur heissesten Jahreszeit 1,600.000 bis 2,000.000 Eimer (entspricht 90,560.000 bis 113,200.000 Liter, Anm.) von einem Wasser zu liefern, das keiner Trübung unterworfen, das wo möglich ganz frei sein soll von faulenden oder der Fäulniss fähigen organisirten Substanzen, möglichst frei von löslichen schwefelsauren etc. Verbindungen, und das auch nur eine geringe Menge von kohlensauren Verbindungen enthalten darf, dessen Temperatur constant ist und jener der mittleren Jahrestemperatur von Wien nahe steht, dessen natürliches Gefälle endlich hinreicht, um ein Sammelbecken zu füllen, dessen Sohle 250 Fuss (entspricht ca. 79 Meter, Anm.) über dem Nullpunkte der Ferdinandsbrücke liegt.[1]

Umfangreich und wissenschaftlich fundiert legte der Bericht die geologischen und hydrologischen Grundlagen von Quellen und Oberflächengewässern dar, erläuterte Zusammenhänge von Niederschlägen und Grundwasserströmen – die Wissenschaftler und Ingenieure hatten, wie Eduard Suess es ausdrückte, „gleichsam die Hand auf die ganze Oberfläche dieses großen pulsirenden Wasserherzens[2] gelegt. Qualitative und quantitative Messergebnisse zahlreicher Hoch- und Tiefquellen sowie von Flüssen und Brunnen wurden vorgestellt.

In den Schlussfolgerungen wog die Wasserversorgungskommission die Vor- und Nachteile von zwei möglichen Bezugsquellen ab, ohne eine eindeutige Empfehlung auszusprechen: der beiden Hochquellen Kaiserbrunn und Stixenstein und der Alta-Tiefquelle sowie der Tiefquelle der Fischa-Dagnitz. Damit entsprach sie der an sie gestellten Anforderung der objektiven und wissenschaftlichen Untersuchung der Quellen. Sie stellte in einem Anhang allerdings eine Kostenabschätzung zur Nutzung der Hochquellen von Karl Junker bei, in der diese Variante trotz der größeren Entfernung zum Stadtgebiet aufgrund der größeren Höhenlage günstiger abschnitt, als die Nutzung der Fischa-Dagnitz, deren Erschließungskosten bereits in einigen Projekten des zuvor erfolgten Wettbewerbs abgeschätzt worden waren.

Diskussionen und Entscheidung im Gemeinderat

In der Gemeinderatssitzung vom 10. Juni 1864 hielt Eduard Suess ein Referat, in dem er als Sprecher der Wasserversorgungskommission die Ergebnisse des Berichts zusammenfasste und erläuterte. Er empfahl deutlich die Nutzung der Hochquellen, sowohl wegen der Höhenlage als auch wegen zu befürchtender zukünftiger Verunreinigungen der Fischa-Dagnitz durch die zunehmende landwirtschaftliche und industrielle Nutzung ihres Einzugsgebiets.

Die Ergebnisse des Berichts, insbesondere die Frage ob die Wasserversorgung durch die Fischa-Dagnitz oder die Hochquellen erfolgen sollte, wurden in Folge von Experten diskutiert, in den Zeitungen breit rezipiert und öffentlich debattiert. So sprachen sich etwa der Bezirksvorsteher des 2. Bezirks Konrad Ley gegen den Bau einer Wasserleitung aus und bezeichnete das Donauwasser als vollkommen ausreichend. Dieser Ansicht wurde sogleich von Bewohnern und Ärzten widersprochen. Eine umfassende, an ein breites Publikum gerichtete, leicht verständliche und durch humoristische Bemerkungen zum Gemeinderat angereicherte Berichterstattung zur Wasserfrage lieferte etwa die Tageszeitung Morgenpost.

Während die Wasserqualität der Hochquellen kaum angezweifelt wurde, waren Fragen der Kosten und der Finanzierung sowie die Abschätzung der verfügbaren Wassermenge umstritten. Kritiker des Hochquellenprojekts bezweifelten, dass die durchgeführten Untersuchungen der Hochquellen, die gemessen an der Tragweite der Entscheidung über einen sehr kurzen Zeitraum durchgeführt worden waren, die tatsächliche Verfügbarkeit von Wasser ausreichend abbilden würden. Auch die Belastbarkeit der Kostenabschätzungen der verschiedenen Varianten wurde kritisiert. Am 7. Juli 1864 veröffentlichte die Tageszeitung Presse eine Eingabe der Industriellen und Müller, die durch die Realisierung des Hochquellenprojektes eine Verringerung der für sie nutzbaren Wassermenge zu erwarten hatten, an die Niederösterreichische Statthalterei. Diese Eingabe beförderte Befürchtungen, dass die veranschlagten Kosten durch die Ablöse von Wasserrechten noch bedeutend steigen könnten.

Die Mitglieder der Wasserversorgungskommission sowie die involvierten Ingenieure und Wissenschaftler bemühten sich dagegen, den Gemeinderäten sowie der Öffentlichkeit das Hochquellenprojekt zu vermitteln und breite Unterstützung für ihre Vorschläge zu erlangen. Am 26. und 27. Juni 1864 unternahmen interessierte Mitglieder des Gemeinderates auf Einladung der Wasserversorgungskommission eine Exkursion in die Quellgebiete von Kaiserbrunn, Stixenstein, Alta und der Fischa-Dagnitz. Am 4. und 5. Juli konnten Wissenschaftler und Journalisten an dieser Exkursion teilnehmen. In persönlichen Gesprächen überzeugte Eduard Suess die bisher skeptischen Mitglieder der Linken und Äußersten Linken vom Hochquellenprojekt und sicherte deren Unterstützung im Gemeinderat.

Die k. k. Gesellschaft der Ärzte befasste sich in ihrer Sitzung am 24. Juni 1864 mit dem Bericht und forderte aus gesundheitlichen Gründen die Nutzung der Hochquellen für die Wasserversorgung. Am 30. Juni 1864 wurden die konkurrierenden Projektanten des Konkurses zur Stellungnahme und Diskussion in den Gemeinderat eingeladen. In einem von der Wasserversorgungskommission beauftragten Expertengutachten sprachen sich k. k. Sektionsrat Moritz Löhr, Civil-Ingenieur Eduard Heider, Prof. Dr. Franz Schneider und der Inspektor der Südbahn Maximilian Meißner am 6. Juli 1864 ebenfalls für die Nutzung der Hochquellen aus.

Am 12. Juli 1864 stellte die Wasserversorgungskommission schließlich die entsprechenden Anträge zur Planung der Ersten Hochquellenleitung. Einige Gemeinderäte mahnten zur Vorsicht, wollten die Vorschläge eingehender prüfen, auf die Einwände der betroffenen Industriellen eingehen und die Entscheidung vertagen. Die Unterstützer einer raschen Entscheidung für die Umsetzung des Hochquellenprojekts, allen voran Eduard Suess, konnten jedoch eine sofortige Abstimmung erreichen, die schließlich mit 94 zu 2 Stimmen deutlich im Sinne der Wasserversorgungskommission entschieden wurde.

Ab dem 18. Juli wurden der Bericht und die Pläne für zwei Wochen lang öffentlich zugänglich im Rathaus ausgestellt.

Beschluss

Der Gemeinderat beschloss die beiden Anträge der Wasserversorgungskommission:

1. Es ist eine ersprießliche Versorgung der Stadt mit Wasser nur durch eine Vereinigung der Quellen von Kaiserbrunn, von Stixenstein und der Alta zu erzielen.
2. Die Vereinigung und Herbeileitung dieser Quellen ist mit aller Kraft anzustreben und baldmöglichst durchzuführen.

Außerdem wurde folgender Zusatz beschlossen:

3. Die Wasserversorgungs-Commission soll sogleich die Verfügbarkeit der Hochquelle des Kaiserbrunnens und jener von Stixenstein zu Communal-Zwecken auf's Eifrigste anstreben, ferner die genaueste Tracirung und Terrain-Aufnahme der künftigen Wasserleitung vornehmen und die genauesten und deailliertesten Baupläne und Kostenüberschläge verfassen lassen, während dieser zeit aber sich mit der Finanz-Programm-Commission in's innigste Einvernehmen setzen, um mit derselben hinsichtlich der erforderlichen Geldmittel und deren Beschaffungsart zu berathen und wenn alle oben aufgezählten Aufgaben beendet sind, dem Gemeinderathe neuerdings Bericht erstatten.


Siehe auch: Erste Hochquellenleitung (Zeitleiste)

Quellen

Literatur

  • Rudolf Stadler: Die Wasserversorgung der Stadt Wien in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Denkschrift zur Eröffnung der Hochquellen-Wasserleitung im Jahre 1873. Wien: Gemeinderat 1873, S. 116 ff.
  • Eduard Suess: Erinnerungen. Leipzig: Hirzel 1916, S. 155 f.
  • Bericht über die Erhebungen der Wasser-Versorgungs-Commission des Gemeinderathes der Stadt Wien 1. Text. Wien: Selbstverlag des Gemeinderathes 1864
  • Bericht über die Erhebungen der Wasser-Versorgungs-Commission des Gemeinderathes der Stadt Wien 2. Atlas (Atlas zur Wiener Wasserversorgung). Wien: Selbstverlag des Gemeinderathes (1864)

Einzelnachweise

  1. Bericht über die Erhebungen der Wasser-Versorgungs-Commission des Gemeinderathes der Stadt Wien 1. Text. Wien: Selbstverlag des Gemeinderathes 1864, S. 36
  2. Rudolf Stadler: Die Wasserversorgung der Stadt Wien in ihrer Vergangenheit und Gegenwart. Denkschrift zur Eröffnung der Hochquellen-Wasserleitung im Jahre 1873. Wien: Gemeinderat 1873, S. 117