Neue Burg: Unterschied zwischen den Versionen

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|Art des Bauwerks=Gebäude
 
|Art des Bauwerks=Gebäude
|Jahr von=1913
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|Architekt=Gottfried Semper; Carl Hasenauer
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|Datum von=1869
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|Architekt=Ludwig Baumann; Gottfried Semper; Carl von Hasenauer; Bruno Gruber; Otto Hofer; Emil von Förster; Friedrich Ohmann
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Neue Burg (1, Heldenplatz). Dieser Trakt der Hofburg ist Teil eines von [[Gottfried Semper]] ausgearbeiteten größeren Konzepts ([[Kaiserforum]]), das jedoch wegen des langsamen Baufortschritts, der erforderlichen finanziellen Mittel und letztlich wegen des Zusammenbruchs der Monarchie (1918) nur teilweise realisiert wurde. Fertiggestellt wurden die beiden Hofmuseen ([[Kunsthistorisches Museum]], [[Naturhistorisches Museum]]), der südliche Flügel der Neuen Burg (zwischen Heldenplatz und Kaisergarten [ [[Burggarten]] ]) und die beiden Denkmäler auf dem Heldenplatz ([[Erzherzog-Carl-Denkmal (1)|Erzherzog-Carl-Denkmal]], [[Prinz-Eugen-Denkmal]]). Nicht ausgeführt wurden der (symmetrisch gegenüberliegend geplante) nördliche Flügel der Neuen Burg, der Verbindungstrakt dieser beiden Flügel vor dem Leopoldinischen Trakt sowie die die beiden Burgflügel mit den Museen verbindenden Triumphbögen über die Ringstraße. Der Bau der Neuen Burg wurde 1881 nach Plänen von Semper und [[Carl von Hasenauer]] begonnen und, nachdem Semper Wien verlassen hatte, unter Hasenauers Leitung fortgesetzt; nach Hasenauers Tod (1894) wurde die Bauleitung [[Emil von Förster]] (1894-1907), [[Friedrich Ohmann]] beziehungsweise [[Ludwig Baumann]] (1907-1913) übertragen; die Neue Burg wurde erst kurz vor dem Ersten Weltkrieg vollendet.
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Neue Burg ([[Innere Stadt|1.]], [[Hofburg]]), Trakt zwischen [[Heldenplatz]] und [[Burggarten]].
==== Äußeres ====
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[[Datei:Kaiserforum Alt.jpg|390px|thumb|right|Visualisierung des geplanten [[Kaiserforum]]s für die [[Weltausstellung|Wiener Weltausstellung]], 1873]]
Die große eingeschwungene Front zum Heldenplatz, die in einen Mittelbau mit Auffahrtshalle und -rampen sowie zu beiden Seiten je neun Säulenpaare gegliedert ist, wird zwischen den Fenstern des Untergeschosses durch 20 große Skulpturen geziert, die Hauptepochen und Träger der Geschichte Österreichs veranschaulichen (Vorschlag des Sektionschefs Rudolf Freiherr von Breisky im Gegensatz zu Hasenauer, der 20 Habsburgerstatuen anbringen wollte). Von links nach rechts: Markomanne (von [[Hans Scherpe|Johann Scherpe]]); römischer Legionär (von [[Wilhelm Seib]]); Bajuware (von [[Anton Břenek]]); Missionar (von [[Carl Kundmann]]); Slawe (von [[Johann Koloč); fränkischer Graf (von [[Edmund Hellmer]]); Magyare (von [[Rudolf Weyr]]); Kreuzfahrer (von [[Viktor Tilgner]]); Seefahrer (von [[Josef Kassin]]); Ritter (von Stephan Schwarz); Magister (von [[Eduard Hofmann|Edmund Hofmann]]); Kaufmann (von [[Hugo Haerdtl]]); Bürger (von [[Emmerich Alexius Swoboda|Emmerich Alexander Swoboda]]); Bergmann (von [[Werner David]]); Landsknecht (von [[Anton Schmidgruber]]); Soldat Wallensteins (von Franz Koch); Pole von 1683 (von Anton Břenek); Wiener Bürger von 1683 (von [[Richard Kauffungen]]); befreiter Bauer (von [[Anton Paul Wagner]]); Tiroler von 1809 (von [[Johann Jakob Silbernagl|Johann Silbernagl]]).
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Dieser Trakt der [[Hofburg]] ist Teil des von [[Gottfried Semper]] und [[Carl von Hasenauer|Carl Hasenauer]] zwischen 1869 und 1871 entworfenen "[[Kaiserforum]]s", des riesenhaften Ausbauprojekts der kaiserlichen Residenz, das die Hofburg zur [[Ringstraße]] hin in Szene setzen sollte, aber nur teilweise realisiert wurde: Fertiggestellt wurden die beiden Hofmuseen ([[Kunsthistorisches Museum (Gebäude)|Kunsthistorisches Museum]], [[Naturhistorisches Museum (Gebäude)|Naturhistorisches Museum]]) und die Neue Burg (zwischen [[Heldenplatz]] und [[Burggarten|Kaisergarten]]). Nicht ausgeführt wurden der Flügel gegen den [[Volksgarten]], der als symmetrisches Pendant zur Neuen Burg vier große Appartements für höchste Gäste hätte aufnehmen sollen, der Thronsaaltrakt vor dem [[Leopoldinischer Trakt|Leopoldinischen Trakt]], der diese beiden Flügel hätte verbinden sollen, sowie die beiden Triumphbögen über die Ringstraße, die die Burgflügel mit den Hofmuseen verbunden hätten. Das [[Burgtheater (Institution)|Hofburgtheater]], das als Teil des "Kaiserforums" ursprünglich im Volksgarten stehen sollte und über eine brückenartige Galerie mit dem benachbarten Flügel baulich verbunden gewesen wäre, wurde an anderer Stelle errichtet, nämlich als Gegenüber des [[Rathaus|Neuen Rathauses]] am Ende des Volksgartens und damit (wie sein Pendant, die [[Staatsoper|Hofoper]]) am äußersten Rand des Hofburgareals.
==== Sammlungen ====
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In der Neuen Burg befindet sich seit 1966 der Lesesaal der Österreichischen Nationalbibliothek (seit 1992 Bücherspeicher und Zeitschriften-Lesesaal in den Tiefgeschossen), außerdem im Corps-de-Logis-Trakt das [[Österreichisches Museum für Völkerkunde|Museum für Völkerkunde]], das [[Ephesos-Museum]] und das [[Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek|Bildarchiv]] (samt der [[Porträtsammlung]]) der Österreichischen Nationalbibliothek.
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===Funktion===
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Der Zweck der Neuen Burg und ihres Pendants, des Volksgartenflügels, war es, die notorische Raumknappheit der alten Hofburg zu beseitigen: Es mangelte zum einen an ausreichend großen und repräsentativen [[Appartements (Hofburg)|Appartements]], um Staatsgäste und Familienmitglieder adäquat zu beherbergen; zum anderen musste man Vorkehrungen treffen, da sich der Raumbedarf der kaiserlichen Familie vermehren würde, wenn die Kinder des Kaiserpaares dereinst ihren eigenen Hofstaat und dementsprechend große Appartements mit allen erforderlichen Nebenräumen benötigten. Daher sollte die Neue Burg Wohnungen für die kaiserliche Familie und ihren engsten Hofstaat enthalten, neue Audienzzimmer und Räume für intime Feste der Kaiserfamilie. Von der zentralen Vorhalle im Erdgeschoß sollten zwei getrennte Stiegenhäuser als Zugang zu den beiden Appartements des Kaisers und der Kaiserin in der Beletage mit Blick auf den [[Burggarten]] führen. So großartig und riesenhaft diese Stiegen heute wirken, stellten sie eigentlich nebengeordnete Treppen dar, denn zu den eigentlichen Staatsgemächern im nie in Angriff genommenen Thronsaaltrakt sollte ein abermals prächtigeres Stiegenhaus führen. Die Planung für die Wohnung [[Franz Joseph I.|Franz Josephs]] und die [[Elisabeth (Österreich, Kaiserin)|Elisabeths]] entsprach weitgehend [[Habsburg-Lothringen|habsburgischen]] Usancen mit einem gemeinsamen Raum dort, wo das Appartement des Kaisers auf das der Kaiserin traf: Dieser Raum war zwar nicht das traditionelle gemeinsame Schlafzimmer, das etwas abseits der Gebäudemitte lag, aber immerhin ein Morgensalon. Auf beiden Seiten schlossen sich dann die getrennten Schlafzimmer des Kaisers und der Kaiserin mit ihren Badezimmern an – eine sehr spezifisch auf Franz Joseph und Elisabeth zugeschnittene Planung, die für habsburgische Kaiserpaare unüblich war, aber sehr passgenau der individuellen Beziehung zwischen den Eheleuten entsprach. Darauf folgten Arbeits- und Audienzzimmer bis hin zum Audienzwartesaal und dessen Vorraum auf der Kaiserseite. Zum [[Äußerer Burgplatz (1)|Äußeren Burgplatz]] hin, wo heute der Kuppelraum des Baumann-Stiegenhauses liegt, hätte sich in der Tradition habsburgischer Kammerkapellen eine private Kapelle befinden sollen. Das [[Corps de Logis]], der rechteckige Baublock gegen die [[Ringstraße]], sollte Festräume und das Empfangsappartement der Kaiserin aufnehmen, in dem kleinere zeremonielle Veranstaltungen und private Feste für einen kleineren und dementsprechend elitären Personenkreis stattfinden sollten.
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==Planungs- und Baugeschichte==
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[[Datei:Heldenplatz Schraegluftaufnahme.jpg|390px|thumb|right|Die Schrägluftaufnahme des Baukomplexes zeigt den Torso des Kaiserforums sowie die Größenverhältnisse zwischen dem alten Baubestand und der Neuen Burg. Um 1930]]
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Da der zur Finanzierung des "Kaiserforums" vorgesehene [[Stadterweiterungsfonds]] Mitte der 1860er Jahre noch nicht ausreichend befüllt war, entschied man, mit dem Ausbau des kaiserlichen Wohnflügels solange zu warten, bis die beiden Hofmuseen weitgehend fertiggestellt sein würden. Daher begannen die konkreten Planungen für den Bau der Neuen Burg erst 1879, der eigentliche Baubeginn war 1881. Da [[Gottfried Semper|Semper]], der Wien bereits 1876 verlassen hatte, im Mai 1879 in Rom verstorben war, führte Hasenauer den Bau der Neuen Burg alleine. Nach Hasenauers Tod (1894) wurde die Bauleitung seinen Mitarbeitern Bruno Gruber und [[Otto Hofer]] (1894–1896) übertragen. Von 1896 bis 1899 war [[Emil von Förster]] für den Bau verantwortlich. [[Friedrich Ohmann]], der den Bau von 1899 bis 1907 leitete, wurde von [[Ludwig Baumann]] abgelöst, der noch in den frühen Jahren der [[Erste Republik|Ersten Republik]] für die Neue Burg zuständig war. Trotz jahrzehntelanger Bautätigkeit konnte die Neue Burg bis zum Ende der Monarchie nicht vollendet werden, sodass beim Zusammenbruch der Monarchie (1918) das Innere der Neuen Burg teilweise nur im Rohbau fertiggestellt war.  
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==Umsetzungsschwierigkeiten==
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[[Datei:Neue Burg Baustelle.jpg|390px|thumb|right|Baustelle der Neuen Burg bei Baubeginn, 1882]]
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Dass die Neue Burg mit dem Ende der Monarchie noch immer unvollendet war, lag nicht – wie oft fälschlich behauptet – am mangelnden Baubudget, das tatsächlich in vollkommen ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stand. Sondern bereits unter Hasenauers Bauleitung verschleppten etwa umständliche Fundamentierungsarbeiten und verzögerte Lieferungen des Steinmaterials aus Istrien den Baufortschritt. Weil das ursprüngliche Raumprogramm nur in groben Zügen festgelegt war, konnte es nach dem Tod Hasenauers 1894 zu regelmäßigen Nutzungsänderungen und Umplanungen etwa der prunkvollen Stiegenhäuser kommen. Ab 1896 entwarfen alle [[Architekten]] der Neuen Burg gerade zum Thema dieser Stiegenhäuser nicht nur höchst aufwendige Lösungen, sondern auch eine schier unglaubliche Zahl an Varianten dafür. Die Veränderungen im Inneren der Neuen Burg, die ab 1897 möglich waren, etwa der nachträgliche Einbau eines Mezzaningeschoßes, zwangen zur Neuanfertigung von Fassaden, die eigentlich bereits fertiggestellt waren. Mit dem Tod [[Rudolf (Kronprinz von Österreich-Ungarn)|Kronprinz Rudolfs]] 1889 und dem der Kaiserin Elisabeth 1898 reduzierte sich auch die Zahl der potentiellen Bewohnerinnen und Bewohner der Neuen Burg auf Franz Joseph I. alleine. Die zeremoniellen Schwierigkeiten, die der Wiener Hof dem Thronfolger [[Franz Ferdinand von Österreich-Este|Franz Ferdinand]] in Folge seiner 1900 geschlossenen morganatischen Ehe mit [[Sophie Chotek]] bereitete, sodass das Thronfolgerpaar im [[Oberes Belvedere|Oberen Belvedere]] residierte, dürften mit verantwortlich gewesen sein, dass die Neue Burg als künftige Kaiserresidenz durch Umplanungen infrage gestellt wurde und sich allmählich zu einem Ort für die Sammlungen Franz Ferdinands entwickelte. Die Unterbringung der [[Fideikommißbibliothek]] im Erdgeschoß des Corps de logis (1901–1903) bildete den Auftakt zur Musealisierung der Neuen Burg, der die Weltreisesammlung des Thronfolgers und die Estensische Kunstsammlung folgten (siehe [[Weltmuseum Wien]]).  
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===Die Neue Burg nach 1918===
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[[Datei:Neue Burg Treppenhaus.jpg|390px|thumb|right|Neue Burg, Treppenhaus, 1940]]
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Mit der Ausrufung der [[Republikgründung|Ersten Republik]] am 12. November 1918 verlor die Hofburg ihre über Jahrhunderte währende Bestimmung und Funktion als Kaiserresidenz und der junge Staat war vor die Frage der Neunutzung des riesigen innerstädtischen Baukomplexes gestellt. Es folgten turbulente Jahre der Suche nach einer neuen Zweckbestimmung und vor allem die Zukunft der Neuen Burg spielte in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Verschiedene [[Museum|Museen]], die [[Österreichische Nationalbibliothek]], die [[Gemeinde Wien]] und auch Private begehrten die leerstehenden Räumlichkeiten, doch auch Konzepte für ein luxuriöses Burghotel, große Restaurationsbetriebe und ein internationales Spielkasino wurden präsentiert. Zum Zeitpunkt des politischen Umbruchs war ausschließlich das Corps de logis fertiggestellt, jener Trakt, der bereits während der Monarchie als Museum diente. Im Gegensatz dazu waren der Garten- und der Segmenttrakt nur im Äußeren vollendet, weite Teile des Inneren befanden sich noch im Rohbau und wurden erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte ausgebaut. In die leerstehenden Räumlichkeiten zogen temporär verschiedene Vereine, Institutionen und Private ein, in den Sälen des Parterres und Mezzanin waren direkt nach dem [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkrieg]] die Lebensmittelvorratslager ausländischer Hilfsorganisationen untergebracht. Bei einem der wichtigsten Mieter ab den frühen 1920er-Jahren handelte es sich um die [[Wiener Messe]], die sämtliche Säle des Gartentrakts sowie die monumentale, über alle Geschoße reichende späthistoristische Prunkstiege im Segmenttrakt für ihre Frühjahrs- und Herbstpräsentationen nutzte. Im Jahr 1924 fiel schließlich die endgültige Entscheidung, den ursprünglich als Wohntrakt der Kaiserin und des Kaisers konzipierten Mitteltrakt der Neuen Burg für Museal- und Bibliothekszwecke zu widmen. Den Anfang machte das Museum für Völkerkunde (heute [[Weltmuseum Wien]]), das 1928 seine Pforten im Corps de logis öffnete und fünf Jahre später um die neu ausgebauten Terrassensäle im Gartentrakt erweitert wurde. 1936 bekam die Sammlung für Deutsche Religiöse Volkskunde vier Säle im Halbstock zugesprochen und auch die geplante Übersiedlung eines Teiles des [[Heeresgeschichtliches Museum|Heeresmuseums]] in die Neue Burg fiel in die Jahre des [[Austrofaschismus]]. Den Vorbereitungsarbeiten für das Weltkriegsmuseum in sämtlichen Räumen des ersten Stocks sowie für die Darstellung des Wehrwesens von 1618 bis 1914 im Prunktreppenhaus wurde durch den politischen Umbruch 1938 ein abruptes Ende gesetzt. Am 15. März 1938 hielt [[Adolf Hitler]] seine "[[Anschluss]]"-Rede auf der Terrasse des Mittelrisalits gegen den Heldenplatz (sogenannter "Hitlerbalkon"), sechs Monate später erfolgte durch das Amt des [[Reichsstatthalter]]s die Zuweisung der Räume des Heeresmuseums an das [[Kunsthistorisches Museum|Kunsthistorische Museum]]. Noch bevor man in den Sälen ab 1940 die großen NS-Propagandaausstellungen präsentierte, wurde in der Neuen Burg 1938 das "Zentraldepot der beschlagnahmten Kunstgegenstände" eingerichtet. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] waren die Raumfluchten des Parterres und Mezzanin durch das [[Orthopädisches Spital|Orthopädische Spital]] belegt (1945–1955), zudem beanspruchten die [[Wiener Interalliierte Kommandantur|Interalliierte Kommission]] (bis 1955) sowie das [[Statistisches Amt|Statistische Zentralamt]] (1927–1990er-Jahre) breite Raumgruppen. Bereits 1947 eröffnete das Kunsthistorische Museum wieder Schausäle in der Neuen Burg, unter anderem waren Objekte der [[Sammlung alter Musikinstrumente]], der [[Hofjagd- und Rüstkammer]] und des neu gegründeten "Museums österreichischer Kultur“ (MÖK) zu sehen. Die beiden Sammlungen sind wie das 1978 eröffnete [[Ephesos Museum]] bis heute im Garten- und Segmenttrakt angesiedelt, im Jahr 1966 hat zudem die [[Österreichische Nationalbibliothek]] weite Teile der Neuen Burg bezogen und hier ihre großen Lesesäle eingerichtet. Mit der Eröffnung des [[Haus der Geschichte Österreich]] am 10. November 2018 findet der Wandel der Neuen Burg vom Residenzpalast zum Museumsbau seinen vorläufigen Abschluss.
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==Museen, Bibliotheken und Organisationen in der Neuen Burg==
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*[[Österreichische Nationalbibliothek]] mit [[Papyrussammlung und Papyrusmuseum]]
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*[[Haus der Geschichte Österreich]]
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*[[Ephesos Museum]] (Sammlung des [[Kunsthistorisches Museum|Kunsthistorischen Museums]])
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*[[Sammlung alter Musikinstrumente]] (Sammlung des Kunsthistorischen Museums)
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*Wiener Kongresszentrum Hofburg
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==Literatur==
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*Anna Stuhlpfarrer: Der ehemalige Residenzbezirk in der Ersten Republik und im Austrofaschismus. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 26-115
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*Anna Stuhlpfarrer: Hofburg und Heldenplatz als Bühne der politischen Machtdemonstration. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 134-145
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*Anna Stuhlpfarrer: Aufbruch in die Zweite Republik. Das Hofburgareal nach 1945. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 190-249.
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*Martin Fritz: Schritt für Schritt. Museumsnutzungen im Großraum Hofburg und Museumsreformen von 1936 bis 1978 unter besonderer Berücksichtigung der Neuen Burg. In: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 414-437
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*Renate Leggatt-Hofer / Reinhold Sahl [Hg.]: Die Wiener Hofburg. Sechs Jahrhunderte Machtzentrum in Europa. Wien: Brandstätter 2018
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*Richard Kurdiovsky: The Spatial and Architectural Presence of Heirs to the Throne: The Apartments of the Habsburg Crown Princes in the Viennese Hofburg in the Long 19th Century. In: Frank Lorenz Müller / Heidi Mehrkens [Hg.]: Sons and Heirs. Monarchical Succession and the Political Culture of 19th-Century Europe. Houndmills / New York: Palgrave Macmillan 2015, S. 109–126
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*Richard Kurdiovsky: Wettbewerbs- und Planungsgeschichte [des "Kaiserforums]. In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 156-183
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*Richard Kurdiovsky: Die neue Burg - Die Geschichte einer "Nicht-Vollendung" nach Plan (1879-1894). In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 229-239
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*Andreas Nierhaus: Die Erben und Nachfolger Hasenauers. Bau und Umbau der Neuen Burg zwischen 1894 und 1898. In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 286-298
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*Andreas Nierhaus: Bauphase Friedrich Ohmann (1899-1907). In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 299-301, 303-328
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*Andreas Nierhaus: Ludwig Baumann, Erzherzog Franz Ferdinand und der Burgbau bis zum Ende der Monarchie (1907-1918). In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 329-359, 366-371

Aktuelle Version vom 23. April 2024, 10:06 Uhr

Die Neue Burg, um 1930
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1869
Datum bis
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Einlagezahl
Architekt Ludwig Baumann, Gottfried Semper, Carl von Hasenauer, Bruno Gruber, Otto Hofer, Emil von Förster, Friedrich Ohmann
Prominente Bewohner
PageID 17262
GND
WikidataID
Objektbezug Hofburg, Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 23.04.2024 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Neue Burg 1930.jpg
Bildunterschrift Die Neue Burg, um 1930
  • 1., Heldenplatz

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48° 12' 19.41" N, 16° 21' 53.78" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Neue Burg (1., Hofburg), Trakt zwischen Heldenplatz und Burggarten.

Visualisierung des geplanten Kaiserforums für die Wiener Weltausstellung, 1873

Dieser Trakt der Hofburg ist Teil des von Gottfried Semper und Carl Hasenauer zwischen 1869 und 1871 entworfenen "Kaiserforums", des riesenhaften Ausbauprojekts der kaiserlichen Residenz, das die Hofburg zur Ringstraße hin in Szene setzen sollte, aber nur teilweise realisiert wurde: Fertiggestellt wurden die beiden Hofmuseen (Kunsthistorisches Museum, Naturhistorisches Museum) und die Neue Burg (zwischen Heldenplatz und Kaisergarten). Nicht ausgeführt wurden der Flügel gegen den Volksgarten, der als symmetrisches Pendant zur Neuen Burg vier große Appartements für höchste Gäste hätte aufnehmen sollen, der Thronsaaltrakt vor dem Leopoldinischen Trakt, der diese beiden Flügel hätte verbinden sollen, sowie die beiden Triumphbögen über die Ringstraße, die die Burgflügel mit den Hofmuseen verbunden hätten. Das Hofburgtheater, das als Teil des "Kaiserforums" ursprünglich im Volksgarten stehen sollte und über eine brückenartige Galerie mit dem benachbarten Flügel baulich verbunden gewesen wäre, wurde an anderer Stelle errichtet, nämlich als Gegenüber des Neuen Rathauses am Ende des Volksgartens und damit (wie sein Pendant, die Hofoper) am äußersten Rand des Hofburgareals.

Funktion

Der Zweck der Neuen Burg und ihres Pendants, des Volksgartenflügels, war es, die notorische Raumknappheit der alten Hofburg zu beseitigen: Es mangelte zum einen an ausreichend großen und repräsentativen Appartements, um Staatsgäste und Familienmitglieder adäquat zu beherbergen; zum anderen musste man Vorkehrungen treffen, da sich der Raumbedarf der kaiserlichen Familie vermehren würde, wenn die Kinder des Kaiserpaares dereinst ihren eigenen Hofstaat und dementsprechend große Appartements mit allen erforderlichen Nebenräumen benötigten. Daher sollte die Neue Burg Wohnungen für die kaiserliche Familie und ihren engsten Hofstaat enthalten, neue Audienzzimmer und Räume für intime Feste der Kaiserfamilie. Von der zentralen Vorhalle im Erdgeschoß sollten zwei getrennte Stiegenhäuser als Zugang zu den beiden Appartements des Kaisers und der Kaiserin in der Beletage mit Blick auf den Burggarten führen. So großartig und riesenhaft diese Stiegen heute wirken, stellten sie eigentlich nebengeordnete Treppen dar, denn zu den eigentlichen Staatsgemächern im nie in Angriff genommenen Thronsaaltrakt sollte ein abermals prächtigeres Stiegenhaus führen. Die Planung für die Wohnung Franz Josephs und die Elisabeths entsprach weitgehend habsburgischen Usancen mit einem gemeinsamen Raum dort, wo das Appartement des Kaisers auf das der Kaiserin traf: Dieser Raum war zwar nicht das traditionelle gemeinsame Schlafzimmer, das etwas abseits der Gebäudemitte lag, aber immerhin ein Morgensalon. Auf beiden Seiten schlossen sich dann die getrennten Schlafzimmer des Kaisers und der Kaiserin mit ihren Badezimmern an – eine sehr spezifisch auf Franz Joseph und Elisabeth zugeschnittene Planung, die für habsburgische Kaiserpaare unüblich war, aber sehr passgenau der individuellen Beziehung zwischen den Eheleuten entsprach. Darauf folgten Arbeits- und Audienzzimmer bis hin zum Audienzwartesaal und dessen Vorraum auf der Kaiserseite. Zum Äußeren Burgplatz hin, wo heute der Kuppelraum des Baumann-Stiegenhauses liegt, hätte sich in der Tradition habsburgischer Kammerkapellen eine private Kapelle befinden sollen. Das Corps de Logis, der rechteckige Baublock gegen die Ringstraße, sollte Festräume und das Empfangsappartement der Kaiserin aufnehmen, in dem kleinere zeremonielle Veranstaltungen und private Feste für einen kleineren und dementsprechend elitären Personenkreis stattfinden sollten.

Planungs- und Baugeschichte

Die Schrägluftaufnahme des Baukomplexes zeigt den Torso des Kaiserforums sowie die Größenverhältnisse zwischen dem alten Baubestand und der Neuen Burg. Um 1930

Da der zur Finanzierung des "Kaiserforums" vorgesehene Stadterweiterungsfonds Mitte der 1860er Jahre noch nicht ausreichend befüllt war, entschied man, mit dem Ausbau des kaiserlichen Wohnflügels solange zu warten, bis die beiden Hofmuseen weitgehend fertiggestellt sein würden. Daher begannen die konkreten Planungen für den Bau der Neuen Burg erst 1879, der eigentliche Baubeginn war 1881. Da Semper, der Wien bereits 1876 verlassen hatte, im Mai 1879 in Rom verstorben war, führte Hasenauer den Bau der Neuen Burg alleine. Nach Hasenauers Tod (1894) wurde die Bauleitung seinen Mitarbeitern Bruno Gruber und Otto Hofer (1894–1896) übertragen. Von 1896 bis 1899 war Emil von Förster für den Bau verantwortlich. Friedrich Ohmann, der den Bau von 1899 bis 1907 leitete, wurde von Ludwig Baumann abgelöst, der noch in den frühen Jahren der Ersten Republik für die Neue Burg zuständig war. Trotz jahrzehntelanger Bautätigkeit konnte die Neue Burg bis zum Ende der Monarchie nicht vollendet werden, sodass beim Zusammenbruch der Monarchie (1918) das Innere der Neuen Burg teilweise nur im Rohbau fertiggestellt war.

Umsetzungsschwierigkeiten

Baustelle der Neuen Burg bei Baubeginn, 1882

Dass die Neue Burg mit dem Ende der Monarchie noch immer unvollendet war, lag nicht – wie oft fälschlich behauptet – am mangelnden Baubudget, das tatsächlich in vollkommen ausreichendem Ausmaß zur Verfügung stand. Sondern bereits unter Hasenauers Bauleitung verschleppten etwa umständliche Fundamentierungsarbeiten und verzögerte Lieferungen des Steinmaterials aus Istrien den Baufortschritt. Weil das ursprüngliche Raumprogramm nur in groben Zügen festgelegt war, konnte es nach dem Tod Hasenauers 1894 zu regelmäßigen Nutzungsänderungen und Umplanungen etwa der prunkvollen Stiegenhäuser kommen. Ab 1896 entwarfen alle Architekten der Neuen Burg gerade zum Thema dieser Stiegenhäuser nicht nur höchst aufwendige Lösungen, sondern auch eine schier unglaubliche Zahl an Varianten dafür. Die Veränderungen im Inneren der Neuen Burg, die ab 1897 möglich waren, etwa der nachträgliche Einbau eines Mezzaningeschoßes, zwangen zur Neuanfertigung von Fassaden, die eigentlich bereits fertiggestellt waren. Mit dem Tod Kronprinz Rudolfs 1889 und dem der Kaiserin Elisabeth 1898 reduzierte sich auch die Zahl der potentiellen Bewohnerinnen und Bewohner der Neuen Burg auf Franz Joseph I. alleine. Die zeremoniellen Schwierigkeiten, die der Wiener Hof dem Thronfolger Franz Ferdinand in Folge seiner 1900 geschlossenen morganatischen Ehe mit Sophie Chotek bereitete, sodass das Thronfolgerpaar im Oberen Belvedere residierte, dürften mit verantwortlich gewesen sein, dass die Neue Burg als künftige Kaiserresidenz durch Umplanungen infrage gestellt wurde und sich allmählich zu einem Ort für die Sammlungen Franz Ferdinands entwickelte. Die Unterbringung der Fideikommißbibliothek im Erdgeschoß des Corps de logis (1901–1903) bildete den Auftakt zur Musealisierung der Neuen Burg, der die Weltreisesammlung des Thronfolgers und die Estensische Kunstsammlung folgten (siehe Weltmuseum Wien).

Die Neue Burg nach 1918

Neue Burg, Treppenhaus, 1940

Mit der Ausrufung der Ersten Republik am 12. November 1918 verlor die Hofburg ihre über Jahrhunderte währende Bestimmung und Funktion als Kaiserresidenz und der junge Staat war vor die Frage der Neunutzung des riesigen innerstädtischen Baukomplexes gestellt. Es folgten turbulente Jahre der Suche nach einer neuen Zweckbestimmung und vor allem die Zukunft der Neuen Burg spielte in diesem Zusammenhang eine wesentliche Rolle. Verschiedene Museen, die Österreichische Nationalbibliothek, die Gemeinde Wien und auch Private begehrten die leerstehenden Räumlichkeiten, doch auch Konzepte für ein luxuriöses Burghotel, große Restaurationsbetriebe und ein internationales Spielkasino wurden präsentiert. Zum Zeitpunkt des politischen Umbruchs war ausschließlich das Corps de logis fertiggestellt, jener Trakt, der bereits während der Monarchie als Museum diente. Im Gegensatz dazu waren der Garten- und der Segmenttrakt nur im Äußeren vollendet, weite Teile des Inneren befanden sich noch im Rohbau und wurden erst im Laufe der folgenden Jahrzehnte ausgebaut. In die leerstehenden Räumlichkeiten zogen temporär verschiedene Vereine, Institutionen und Private ein, in den Sälen des Parterres und Mezzanin waren direkt nach dem Ersten Weltkrieg die Lebensmittelvorratslager ausländischer Hilfsorganisationen untergebracht. Bei einem der wichtigsten Mieter ab den frühen 1920er-Jahren handelte es sich um die Wiener Messe, die sämtliche Säle des Gartentrakts sowie die monumentale, über alle Geschoße reichende späthistoristische Prunkstiege im Segmenttrakt für ihre Frühjahrs- und Herbstpräsentationen nutzte. Im Jahr 1924 fiel schließlich die endgültige Entscheidung, den ursprünglich als Wohntrakt der Kaiserin und des Kaisers konzipierten Mitteltrakt der Neuen Burg für Museal- und Bibliothekszwecke zu widmen. Den Anfang machte das Museum für Völkerkunde (heute Weltmuseum Wien), das 1928 seine Pforten im Corps de logis öffnete und fünf Jahre später um die neu ausgebauten Terrassensäle im Gartentrakt erweitert wurde. 1936 bekam die Sammlung für Deutsche Religiöse Volkskunde vier Säle im Halbstock zugesprochen und auch die geplante Übersiedlung eines Teiles des Heeresmuseums in die Neue Burg fiel in die Jahre des Austrofaschismus. Den Vorbereitungsarbeiten für das Weltkriegsmuseum in sämtlichen Räumen des ersten Stocks sowie für die Darstellung des Wehrwesens von 1618 bis 1914 im Prunktreppenhaus wurde durch den politischen Umbruch 1938 ein abruptes Ende gesetzt. Am 15. März 1938 hielt Adolf Hitler seine "Anschluss"-Rede auf der Terrasse des Mittelrisalits gegen den Heldenplatz (sogenannter "Hitlerbalkon"), sechs Monate später erfolgte durch das Amt des Reichsstatthalters die Zuweisung der Räume des Heeresmuseums an das Kunsthistorische Museum. Noch bevor man in den Sälen ab 1940 die großen NS-Propagandaausstellungen präsentierte, wurde in der Neuen Burg 1938 das "Zentraldepot der beschlagnahmten Kunstgegenstände" eingerichtet. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Raumfluchten des Parterres und Mezzanin durch das Orthopädische Spital belegt (1945–1955), zudem beanspruchten die Interalliierte Kommission (bis 1955) sowie das Statistische Zentralamt (1927–1990er-Jahre) breite Raumgruppen. Bereits 1947 eröffnete das Kunsthistorische Museum wieder Schausäle in der Neuen Burg, unter anderem waren Objekte der Sammlung alter Musikinstrumente, der Hofjagd- und Rüstkammer und des neu gegründeten "Museums österreichischer Kultur“ (MÖK) zu sehen. Die beiden Sammlungen sind wie das 1978 eröffnete Ephesos Museum bis heute im Garten- und Segmenttrakt angesiedelt, im Jahr 1966 hat zudem die Österreichische Nationalbibliothek weite Teile der Neuen Burg bezogen und hier ihre großen Lesesäle eingerichtet. Mit der Eröffnung des Haus der Geschichte Österreich am 10. November 2018 findet der Wandel der Neuen Burg vom Residenzpalast zum Museumsbau seinen vorläufigen Abschluss.

Museen, Bibliotheken und Organisationen in der Neuen Burg

Literatur

  • Anna Stuhlpfarrer: Der ehemalige Residenzbezirk in der Ersten Republik und im Austrofaschismus. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 26-115
  • Anna Stuhlpfarrer: Hofburg und Heldenplatz als Bühne der politischen Machtdemonstration. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 134-145
  • Anna Stuhlpfarrer: Aufbruch in die Zweite Republik. Das Hofburgareal nach 1945. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 190-249.
  • Martin Fritz: Schritt für Schritt. Museumsnutzungen im Großraum Hofburg und Museumsreformen von 1936 bis 1978 unter besonderer Berücksichtigung der Neuen Burg. In: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. In: Maria Welzig [Hg.]: Die Wiener Hofburg seit 1918. Von der Residenz zum Museumsquartier. Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2018 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 5; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 16; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 447), S. 414-437
  • Renate Leggatt-Hofer / Reinhold Sahl [Hg.]: Die Wiener Hofburg. Sechs Jahrhunderte Machtzentrum in Europa. Wien: Brandstätter 2018
  • Richard Kurdiovsky: The Spatial and Architectural Presence of Heirs to the Throne: The Apartments of the Habsburg Crown Princes in the Viennese Hofburg in the Long 19th Century. In: Frank Lorenz Müller / Heidi Mehrkens [Hg.]: Sons and Heirs. Monarchical Succession and the Political Culture of 19th-Century Europe. Houndmills / New York: Palgrave Macmillan 2015, S. 109–126
  • Richard Kurdiovsky: Wettbewerbs- und Planungsgeschichte [des "Kaiserforums]. In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 156-183
  • Richard Kurdiovsky: Die neue Burg - Die Geschichte einer "Nicht-Vollendung" nach Plan (1879-1894). In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 229-239
  • Andreas Nierhaus: Die Erben und Nachfolger Hasenauers. Bau und Umbau der Neuen Burg zwischen 1894 und 1898. In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 286-298
  • Andreas Nierhaus: Bauphase Friedrich Ohmann (1899-1907). In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 299-301, 303-328
  • Andreas Nierhaus: Ludwig Baumann, Erzherzog Franz Ferdinand und der Burgbau bis zum Ende der Monarchie (1907-1918). In: Werner Telesko [Hg.]: Die Wiener Hofburg 1835-1918. Der Ausbau der Residenz vom Vormärz bis zum Ende des "Kaiserforums". Wien: Österreichische Akademie der Wissenschaften 2012 (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, 4; Veröffentlichungen zur Kunstgeschichte, 15; Denkschriften der philosophisch-historischen Klasse der ÖAW, 446), S. 329-359, 366-371