Anschluss

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Propaganda für die Volksabstimmung im April 1938
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Politisches Ereignis
Datum von 1938
Datum bis 1938
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 47627
GND
WikidataID
Objektbezug Anschlussbewegung, Zwischenkriegszeit, NS-Zeit
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Bildname Anschlussbewegung.jpg
Bildunterschrift Propaganda für die Volksabstimmung im April 1938
Beteiligte Personen

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Monumentale Bauten beherrschten das Stadtbild
Im Stil eines Heiligenbildes umranktes Porträt von Adolf Hitler

Vorgeschichte

Während des Zerfalls von Österreich-Ungarn wollte die überwiegende Mehrheit der politischen Vertreter der deutschsprachigen Bevölkerung den Anschluss Deutschösterreichs an das demokratische Deutschland. Der einstimmige Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung vom 12. November 1918 über die Republik als Staatsform enthielt diesen Anschluss als Staatsziel. Protagonisten dafür waren Karl Renner und Otto Bauer. Da die Kriegssieger dies nicht zuließen, mussten die Anschlussbestrebungen 1919 aufgegeben werden; der Staatsname wurde von Deutschösterreich auf Republik Österreich geändert. In Würdigung der damals nicht realisierbaren Wünsche wurde in Wien 1926 der Eberthof nach Friedrich Ebert benannt. Die Sozialdemokratische Partei Deutschösterreichs strich den Anschlusswunsch erst 1933 aus ihrem Programm, als im Deutschen Reich Adolf Hitler an die Macht kam.

In Hinblick auf den Unterschied zwischen diesen demokratischen Anschlussbestrebungen und dem 1938 vom nationalsozialistischen Regime erzwungenen "Anschluss" wird dieser Vorgang etwa seit dem Jahr 1988 in Österreich meist mit Anführungszeichen geschrieben.

Auf Basis des Juli-Abkommen des Deutschen Reiches mit Österreich aus dem Jahr 1936, welches eine Amnestie für tausende Vertreter der "nationalen Opposition" vorsah, erhöhte ab dem Sommer 1937 das nationalsozialistische Regime den Druck auf das semifaschistische Schuschnigg-Regime. Während Hitler aufgrund außenpolitischer Bedenken noch zögerte, betrieb vor allem der "Bevollmächtigte für den Vierjahresplan" Hermann Göring aus rüstungspolitischen Gründen den baldigen Anschluss. In einem als "Aktionsprogramm 1938" bezeichneten Übernahmeplan ging es darum, das österreichische Regime durch Aktionen heimischer Nationalsozialisten offen zu provozieren. Da die österreichische Exekutive bereits stark unterwandert war, sollte der daraus resultierende Wirbel als Vorwand dienen, um einzumarschieren. Im Jänner 1938 wurde der Plan jedoch im Zuge einer Hausdurchsuchung entdeckt, jedoch von Bundeskanzler Kurt von Schuschnigg der Weltöffentlichkeit nicht bekannt gemacht. Vielmehr versuchte dieser durch ein Treffen mit Hitler weiter Zeit zu gewinnen.

Die wirtschaftlichen Hintergründe des Anschluss

Im Zuge der rasanten Aufrüstung von NS-Deutschland fehlte es zunehmend an Rohstoffen, Devisen und an Facharbeitskräften. Österreich verfügte über preisgünstig abzubauendes Eisenerz, Holz, Blei, Antimon, Magnesit und Graphit. Mittel- und langfristig versprachen auch der Ausbau der Wasserkraft und die Förderung der eben erst entdeckten Gasfelder einiges. Während der Barschatz der Reichsbank zur Jahreswende 1937/1938 90 Millionen Reichsmark betrug, verfügte die Oesterreichische Nationalbank über Gold- und Devisenreserven von 230 Millionen. Im März 1938 war das Reich bei Österreich mit 60 Millionen Reichsmark im Clearingverkehr im Minus. Österreich hatte de facto die deutsche Aufrüstung bereits geraume Zeit mitfinanziert.

Februar 1938

Während Adolf Hitler ein Treffen mit Schuschnigg zuvor abgelehnt hatte, veranlasste die Aufdeckung des "Aktionsprogramms" und die Anfang Februar vorgenommenen personellen Veränderungen an der Spitze der Reichswehr ein Umdenken. Bei diesem am 12. Februar 1938 stattgefundenen Treffen wurde unter massivem Druck Hitlers das "Berchtesgadener Abkommen" zwischen dem Deutschen Reich und Österreich geschlossen. Das Abkommen machte Österreich zu einem außenpolitischen, militärischen, wirtschaftlichen und pressepolitischen Satelliten Deutschlands. Arthur Seyß-Inquart, ein österreichischer Nationalsozialist, übernahm das Ressort Inneres und Sicherheit. Die Nationalsozialisten traten ab Ende Februar 1938 in Kundgebungen in der Steiermark, in Kärnten und in Oberösterreich immer offener in Erscheinung.

Die geplante Volksbefragung

Als Schuschnigg erkannte, dass die NS-Führung und die österreichischen Nationalsozialisten mit immer neuen Forderungen den Anschluss erzwingen wollten, gab er am 9. März 1938 im Rahmen einer Versammlung der " Vaterländischen Front" in Innsbruck die Abhaltung einer Volksbefragung am 13. März unter dem Motto "Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich" offiziell bekannt. Die Bevölkerung wurde aufgefordert mit "Ja" zu stimmen. Nach Ansicht von Schuschnigg war ein Viertel für ihn, ein Viertel gegen ihn und der Rest würde sich richten "wie der Hase läuft". Nach einem nach dem Anschluss erstellten Gestapo-Bericht wären in Wien nur etwa ein Drittel der Wahlberechtigten für den Anschluss an NS-Deutschland gewesen. Die Linke hatte in der Nacht von 10. auf den 11. März in einer stürmischen Sitzung trotz ihrer Gegnerschaft zu Schuschnigg beschlossen, die Arbeiter aufzurufen mit Ja zu stimmen. Doch zu geplanten Arbeiterdemonstrationen kam es nicht mehr. Im Lauf des 11. März beugte sich Schuschnigg dem deutschen Ultimatum, sagte die Volksbefragung ab und trat abends zurück. Bundespräsident Wilhelm Miklas widersetzte sich zunächst noch der Ernennung einer nationalsozialistischen Regierung, ernannte aber nach Mitternacht Seyß-Inquart zum Bundeskanzler. Die ernannte Regierung blieb jedoch ohne Bedeutung, denn Hitler gab, nachdem der italienische Diktator Benito Mussolini Zustimmung signalisiert hatte, den Einmarschbefehl für den 12. März.

11. März 1938

Am 11. März 1938 um 18.15 Uhr wurde der Rücktritt von Bundeskanzler Kurt Schuschnigg bekannt, der kurz vor 20 Uhr im Rundfunk seine denkwürdige Abschiedsrede hielt, wonach die Regierung der "Gewalt weiche". Er beschloss die Rede mit dem "Herzenswunsch" "Gott schütze Österreich". Auf den Straßen der Innenstadt formierten sich parallel auf Befehl Görings die Anhänger des Nationalsozialismus; sie trugen Armschleifen, dekorierten private PKWs mit Wimpeln, riefen den Namen des Führers. Der englische Journalist George E. R. Gedye beschrieb die Stimmung auf Wiens Straßen als "Hexensabbat". Besonders vor dem Bundeskanzleramt stauten sich die Menschenmassen: Etwa 6.000 Personen konnte die offiziell immer noch verbotene SA mobilisieren, um den Druck auf Bundespräsident Wilhelm Miklas zu erhöhen. SS-Führer Dr. Ernst Kaltenbrunner steuerte weitere 700 SS-Männer bei. Das Innere des Bundeskanzleramtes wurde noch durch Polizei – darunter auch viele Nationalsozialisten – geschützt, doch gegen 22 Uhr setzte der designierte Bundeskanzler Seyss-Inquart den Einlass eines Trupps der 89. SS Standarte Kaltenbrunners durch, womit das Bundeskanzleramt fiel. Schuschnigg verließ spät nachts das Ministerratszimmer und schritt durch ein Spalier, gebildet von Nationalsozialisten in Zivil; dekoriert mit Hakenkreuzbinden, grüßten sie ihn mit erhobenem Arm. Dieser Transfer von der ständestaatlichen Diktatur zur nationalsozialistischen ging ohne Parlament und ohne kritische Medien vor sich. Schon am Abend des 11. März fanden erste Übergriffe auf Regimegegner statt.

12. März 1938

Am Morgen des 12. März 1938 marschierte die deutsche Wehrmacht in Österreich ein. Der militärische Einmarsch begann in Wien um rund 10.15 Uhr als Staffeln der deutschen Luftwaffe auf dem Flughafen Aspern landeten. Er verlief ohne Gegenwehr unter dem Jubel des nazitreuen beziehungswei mit den Nazis sympathisierenden Teils der Bevölkerung. Gleichzeitig starteten Himmlers Polizei und SS zur Ausschaltung politischer Gegnerinnen und Gegner und zur Terrorisierung der jüdischen Bevölkerung eine brutale Verhaftungswelle. Die Österreich-patriotische Stimmung kippte rasch. Angesichts der in der Bevölkerung weit verbreiteten Hoffnung, durch den "Anschluss" den Folgen der immer noch spürbaren Wirtschaftskrise zu entkommen, wurde über Verfolgungen von politischen, religiösen und nationalen Minderheiten sowie politische Einschränkungen hinweggesehen.

Am 12. März gegen fünf Uhr früh landeten von Berlin kommend am Flugplatz Aspern zwei Flugzeuge mit Heinrich Himmler und fünfzig seiner engsten Mitarbeiter, darunter Reinhard Heydrich. Sie sollten die erste Verhaftungswelle leiten und die österreichische Polizei "säubern", damit sie zu einem NS-Machtinstrument würde. Verhaftungen und Terror setzen sofort ein: Jüdinnen und Juden aller sozialen Schichten, Mitglieder der gestürzten Regierung, Mitglieder der Linksopposition, Beamte (zum Beispiel des Bundespressedienstes), Funktionäre der "Vaterländischen Front", Legitimisten und ehemals christlichsoziale Politiker wurden zu Tausenden inhaftiert. Viele versuchten, sich ins Ausland zu retten, andere wählten den Freitod. Ziel war die Beseitigung der politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Führungsschichten, unter anderem durch einen radikalen Kahlschlag in den Redaktionen der Presse. In den folgenden Tagen fand eine von SA, SS und Gestapo durchgeführte Massenverhaftungswelle statt. Etwa 10.000 bis 20.000 Juden, "Vaterländische", Monarchisten, Sozialdemokraten und Kommunisten wurden sofort verhaftet, bis zu 70.000 zumindest kurzfristig festgenommen, manche Personen sogar mehrmals. Die Exekutive konnte durch die vom österreichischen Sicherheitsdienst der SS geführte "Gegnerkartei" und durch die "Schoberkartei" gezielt auf Amtsträger des ehemaligen Regimes sowie Sozialdemokraten und Kommunisten zugreifen. Schon am 1. April 1938 fand der erste "Prominententransport" in das Konzentrationslager Dachau statt.

13. März 1938

Bundespräsident Miklas gelobte einen Großteil der neuen Regierungsmitglieder auf die österreichische Verfassung an, "auf die kaum noch jemand achtete".[1] Am 13. März trat er zurück, wodurch Bundeskanzler Seyss-Inquart, der allerdings nur mehr ein Vollstrecker war, für wenige Stunden auch die Funktion des österreichischen Staatsoberhauptes übernahm. Die Macht lag bei Adolf Hitler. Er erließ am 13. März das "Wiedervereinigungsgesetz", das noch am gleichen Tag in Kraft trat: Österreich war nun Teil des Deutschen Reiches, die bisherige österreichische Bundesregierung eine Landesregierung, das österreichische Bundesheer wurde in die deutsche Wehrmacht eingegliedert.

15. März 1938

Die Ankunft Adolf Hitlers verzögerte sich, da dieser in Linz die Reaktion des Auslandes abwartete und die Sicherheitslage in Wien ungeklärt schien. Am 14. März traf Hitler schließlich in Wien ein. Am Balkon des Hotels Imperial hielt er zunächst nur eine kurze Rede. Am 15. März verkündete er auf dem Heldenplatz unter dem frenetischen Jubel von rund 250.000 Zuschauern, Anhängern und Opportunisten "den Eintritt seiner Heimat in das Deutsche Reich". Mit diesem Tag übergab Wilhelm Wolf die Agenden des österreichischen Außenamts an Joachim von Rippentropp, andere Ministerien folgten alsbald. Die Regierung wurde liquidiert. Durch die "Führererlässe" vom 15. und 17. März 1938 traten etwa das "Gesetz gegen die Neubildung von Parteien" und das "Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat" in Kraft. Sowohl in der Verwaltung als auch in der Privatwirtschaft brach eine hektische Postenjagd - begleitet von Denunziationen - aus, da Jüdinnen und Juden sofort fristlos entlassen wurden.

"Gleichschaltung"

Schon am 13. März begann die "Gleichschaltung", indem zentrale Positionen in Politik und Verwaltung von Nationalsozialisten eingenommen wurden. Josef Bürckel wurde zum kommissarischen Leiter der NSDAP ernannt. Heinrich Himmler setzte Ernst Kaltenbrunner zum Staatssekretär für das Sicherheitswesen und wenig später zum Chef des gesamten Polizeiapparats in der "Ostmark" ein. Im Wiener Rathaus hatte Bürgermeister Richard Schmitz versucht mittels der schwerbewaffneten Rathauswache Widerstand zu leisten, doch musste er schließlich der Übergabe tatenlos zusehen. Wiener Bürgermeister wurde, nachdem episodenhaft der Erste Vizebürgermeister und Heimwehrführer Fritz Lahr die Macht übernommen hatte, am 13. März Hermann Neubacher.

3. April 1938

Anfang April kam es zum sogenannten Versöhnungsspiel ("Anschlussspiel"), in dem Österreich Deutschland mit 2:0 schlug.

10. April 1938

Als Propagandainstrument des NS-Regimes wurde eine "freie und geheime Volksabstimmung" vorbereitet. Sie fand am 10. April 1938 statt; politische Gegner und Juden waren nicht stimmberechtigt. Der größte Teil der Stimmberechtigten gab seine Stimme ab, ohne eine Wahlzelle zu betreten. Man hatte schnell verstanden, dass Opposition gegen das NS-Regime lebensgefährlich werden konnte. Ein gesondertes Abstimmungsergebnis für Wien liegt nicht vor, doch lag es sicherlich im Bereich des offiziellen Gesamtergebnisses von 99 bis 100 Prozent für den Anschluss. Siehe: Volksabstimmung zum Anschluss

Opfer des Terrors

Terror und Plünderungen vor allem von der SA richteten sich in den ersten Tagen gegen jüdische Geschäfte und Privatpersonen, die ausgeraubt, verprügelt und zum Teil bereits in Konzentrationslager verschleppt wurden. Auch einzelne Morde an jüdischen Bürgern und nichtjüdischen Regimegegnern wurden verübt.

Videos

Märztage – Österreichische Schicksalstage (1963), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 736 (Ausschnitt)

Literatur

  • Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39. Wien: Mandelbaum 2008
  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hrsg.): "Anschluß" 1938. Eine Dokumentation. Mit Beiträgen von Rudolf Ardelt, Winfried M. Garscha, Wolfgang Häusler, Robert Holzbauer, Robert Kriechbaumer, Anton Pelinka, Norbert Schausberger, Reinhard Schhurawitzki, Herbert Steiner und Erika Weinzierl. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1988
  • Norbert Schausberger: Der Griff nach Österreich. Der Anschluß. Wien: Jugend und Volk 1978
  • Wien 1938. 110. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1988

Siehe auch

Anschlussbewegung; Volksabstimmung zum Anschluss

Einzelnachweise

  1. Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39. Wien: Mandelbaum 2008, S. 92.