Wiener Interalliierte Kommandantur

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Daten zur Organisation
Art der Organisation Behörde
Datum von 1945
Datum bis 1955
Benannt nach Alliierte Besatzung
Prominente Personen
PageID 13939
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 27.09.2017 durch DYN.krabina

Frühere Adressierung
  • Interalliierten Regierungsbehörde (1945, bis: 1955)
  • Komendatura (1945, bis: 1955)

Es wurden noch keine Personen erfasst.


Die Wiener Interalliierte Kommandantur wurde nach Verabschiedung des Ersten Alliierten Kontrollabkommens und des Abkommens betreffend die Besatzungszonen und die Verwaltung der Stadt Wien in der Alliierten Besatzungszeit (1945-1955) errichtet und war Bestandteil der Alliierten Kommission. Die Kommandantur stellte ebenso wie die ihr unterstellte Interalliierte Militärpatrouille eine Einrichtung dar, die speziell für Wien bestand. Sie wurde nach dem Vorschlag der britischen Besatzungsmacht im April 1945, eine "Interalliierte Regierungsbehörde" mit der Bezeichnung "Komendatura" aufzustellen, nach Vorbild des Kontrollabkommens für Deutschland vom 14. November 1944 gebildet. Sie unterstand dem Alliierten Rat und erhielt Weisungen über das Exekutivkomitee.

Die Aufgabe der Kommandantur war die Kontrolle und Verwaltung der Stadt Wien. Von ihr musste die Zustimmung zu allen Gesetzen und Verordnungen des Wiener Stadtsenats gegeben werden.

Geleitet wurde die Kommandantur von vier Stadtkommandanten der Alliierten, die von Militär- beziehungsweise Hochkommissaren ernannt wurden. Die Stadtkommandanten hatten zwei wesentliche Aufgaben: Erstens waren sie dem Alliierten Rat beziehungsweise dessen Exekutivkomitee verantwortlich und mussten für diese Gremien Aufgaben übernehmen, zweitens hatten sie die Verwaltung Wiens zu kontrollieren. Ihr Vorsitz wechselte turnusmäßig und wurde von einer militärischen Zeremonie begleitet, welche die alliierte Präsenz besonders augenfällig machte. Dem Vorsitzenden oblag die Möglichkeit, Sondersitzungen einzuberufen.

Die vier Stadtkommandanten hatten Stellvertreter, die wöchentlich in einem Vierergremium zusammentrafen und die Sitzungen der Kommandanten vorbereiteten. Die ersten Stadtkommandanten waren die Generäle Thomas Edward Lewis (USA), George V. Palmer (Großbritannien), Noel du Payrat (Frankreich) und Alexej W. Blagodatow (Sowjetunion); 21 Kommandanten sollten ihnen folgen. Die erste Sitzung der Kommandantur fand am 28. Juli 1945 statt, formell begann die Regierung erst ab dem 11. September zu funktionieren; die erste offizielle Sitzung wurde deshalb am 17. September abgehalten.

Zur Unterstützung der Arbeit der Kommandantur wurden viergliedrige Subkomitees geschaffen, die den Zuständigkeiten von Magistratsabteilungen entsprachen. So bestanden im Februar 1946 Unterabteilungen für die Bereiche Bezirksverwaltung, Lebensmittel, Flüchtlinge und sogenannte versetzte Personen ("displaced persons"), Erziehung und Religion, Finanz, Wohnungsangelegenheiten, Arbeit, Gesetzgebung, Brenn- und Treibstoffe, Post, Eigentumskontrolle, Gesundheit, öffentliche Sicherheit, Wohlfahrt, öffentliche Arbeiten und Einrichtungen beziehungsweise Transport. Diese Subkomitees forderten Berichte und Stellungnahmen und gaben Weisungen und Verhaltensmaßregeln. Einem starren System unterworfen waren sie jedoch nicht.

Teilweise stellte sich die Zusammenarbeit zwischen der Wiener und der alliierten Verwaltung als kompliziert heraus, wenn etwa das Vorgehen der Wiener Verwaltung nicht den Vorstellungen der alliierten Besatzung entsprach. Zudem führte eine manchmal fehlende funktionierende Kommunikation zwischen den verschiedenen Stellen – beispielsweise zwischen den Abteilungen der Kommandantur und des Magistrats – zu Spannungen und Konflikten. Weiter verlangsamte die Notwendigkeit der Zustimmung der Besatzungsmacht zu Gesetzen den Gesetzgebungsprozess, da Gesetze so lange nicht als angenommen galten, bis sie offiziell anerkannt wurden. Das Gesetz, dessen Bestätigung durch die Alliierten am längsten brauchte, betraf die Grenzziehung zwischen Wien und Niederösterreich.

Die Wiener Interalliierte Kommandantur war im Justizpalast (1, Schmerlingplatz 10) untergebracht – dort wurde seit dem 20. September 1945 auch allmonatlich die zeremonielle Parade der Wachablöse beim Wechsel des Vorsitzes abgehalten. 1953 zog die Kommandantur wie die anderen Einrichtungen der Alliierten Kommission in das Haus der Industrie (3, Schwarzenbergplatz 4; April 1946-Juli 1956: Stalinplatz 1). Seither fand die Zeremonie der Kommandoübergabe vor dem Prinz-Eugen-Denkmal am Heldenplatz statt.

Um gegen Problemen, die in der Nachkriegszeit in Wien auftraten, vorzugehen, errichteten die Alliierten Unterabteilungen der Kommandantur. Beispielsweise bezog sich das Subkomitee für Gesundheit mit der Lieferung von Medikamenten nach Wien. Das Lebensmittelkomitee der Kommandantur kontrollierte die gleichmäßige Lebensmittelversorgung der Sektoren in Wien.

Längerdauernde Verhandlungen der Alliierten zur Übertragung der Verwaltungskompetenz an die Wiener Stadtverwaltung begannen im Juli 1946; Teilbereiche wurden 1947 dem Magistrat übertragen und die Überwachung langsam abgebaut. Ab Oktober 1950 wurden nur mehr die Zustimmungen zur Veröffentlichung von Landesgesetzen verlautbart (letztmals am 28. April 1955). Am 27. Juli 1955 stellte die Interalliierte Kommandantur ihre Tätigkeit ein.


Literatur

  • Gustav Bihl, Gerhard Meißl, Lutz Musner: Vom Kriegsende 1945 bis zur Gegenwart. In: Wien. Geschichte einer Stadt. Bd. 3: Von 1790 bis zur Gegenwart. Hg. Von Peter Csendes, Ferdinand Opll. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2006, S. 545-815, hier: 554 f., 572, 667.
  • Karl Fischer: Die Vier im Jeep. Die Besatzungszeit in Wien 1945-1955. Wien: Wiener Stadt- und Landesarchiv 1985 (Wiener Geschichtsblätter, Beiheft 1/1985), S. 5 f.
  • Harald Knoll, Barbara Stelzl-Marx: Der Sowjetische Teil der Alliierten Kommission für Österreich. Struktur und Organisation. In: Die Rote Armee in Österreich. Sowjetische Besatzung 1945-1955. Beiträge. Hg. von Stefan Karner, Barbara Stelzl-Marx (=Veröffentlichungen des Ludwig-Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung, Sonderband 4), S. 179-217, hier: 181 f.
  • Peter Fritz: Das alliierte Kontrollsystem in Österreich. In: "Österreich ist frei!" Der Österreichische Staatsvertrag 1955. Beitragsband zur Ausstellung auf Schloss Schallaburg 2005. Hg. von Stefan Karner, Gottfried Stangler. Wien: Verlag Berger 2005, S. 88-94, hier: 88 f.
  • Manfried Rauchensteiner: Der Sonderfall. Die Besatzungszeit in Österreich 1945 bis 1955. Graz: Styria-Reprint 1995, Anhang 1: Abkommen über die Alliierte Kontrolle in Österreich, 4. Juli 1945, S. 339 ff.
  • Manfried Rauchensteiner: Die Wiener Interalliierte Kommandantur 1945-1955. In: Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1939-1989. 34 (1978), S. 390 ff.
  • Manfried Rauchensteiner: Kriegsende und Besatzungszeit in Wien 1945-1955. In: Wiener Geschichtsblätter 30. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1975, S. 191 ff.