Amalie Seidel: Unterschied zwischen den Versionen

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Amalie Seidel,  * 21. Februar 1876 Wien, † 11. Mai 1952 Wien, sozialdemokratische Politikerin.
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Amalie Seidel,  * 21. Februar 1876 Wien, † 11. Mai 1952 Wien, Politikerin.
  
 
==Biografie==
 
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Amalie Seidel war eines der vier überlebenden Kinder des Ehepaares Jakob und Anna Ryba; zwölf der 16 Kinder starben früh. Amalie Ryba wurde von ihrem Vater, einem Schlosser, der sich in der Gewerkschaftsbewegung engagiert hatte, schon in jungen Jahren politisiert. Bereits als Schülerin erledigte sie Näharbeiten in Heimarbeit. 1888 musste sie die Bürgerschule abbrechen und trat eine Stelle als Dienstmädchen an. Später arbeitete sie in einer Gumpendorfer Appreturfabrik.
  
Amalie Seidel war eines der vier überlebenden Kinder des Ehepaares Jakob und Anna Ryba; zwölf der 16 Kinder starben früh. Amalie Ryba wurde von ihrem Vater, einem Schlosser, der sich in der Gewerkschaftsbewegung engagiert hatte, schon in jungen Jahren politisiert. Bereits als Schülerin erledigte sie Näharbeiten in Heimarbeit. 1888 musste sie die Bürgerschule abbrechen und trat eine Stelle als Dienstmädchen an.  
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1892 schloss sie sich als Mitglied dem Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein an. 1893 war sie eine der Mitinitiatorinnen des ersten Frauenstreiks ("Streik der 700") in der Geschichte der [[Frauenbewegung]]. Die Forderungen waren die Verminderung der täglichen Arbeitszeit von 13 auf zehn Stunden und ein arbeitsfreier [[Erster Mai]]. Während des Streiks wurde auch [[Viktor Adler]] auf sie aufmerksam. Wegen ihres temperamentvollen öffentlichen Auftretens als Rednerin wurde sie zu drei Wochen Haft verurteilt. 1895 heiratete Amalie Ryba den Techniker und sozialdemokratischen Aktivisten [[Richard Seidel]]. Die Ehe zerbrach, sodass sie ihre beiden Töchter alleine aufzog.  
  
1892 schloss sie sich als Mitglied dem Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein an. 1893 war sie eine der Mitinitiatorinnen des ersten Frauenstreiks ("Streik der 700") in der Geschichte der [[Frauenbewegung]]. Forderungen waren die Verminderung der täglichen Arbeitszeit von 13 auf zehn Stunden und ein arbeitsfreier [[Erster Mai]]. Während des Streiks wurde auch [[Viktor Adler]] auf sie aufmerksam. Wegen ihres allzu temperamentvollen öffentlichen Auftretens als Rednerin wurde sie zu drei Wochen Haft verurteilt. 1895 heiratete Amalie Ryba den Techniker und sozialdemokratischen Aktivisten [[Richard Seidel]]. Die Ehe zerbrach, sodass sie ihre beiden Töchter allein aufziehen musste.  
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1897 war Amalie Seidel Mitbegründerin und Vorstandsmitglied einer [[Konsumgenossenschaft]]. Zudem war sie Schriftführerin des Lese-und Debattierclubs "Libertas". Sie trat 1900 wieder als Rednerin bei Parteiveranstaltungen auf. Sie wurde Vorsitzende des Frauenbezirkskomitees von [[Margareten]] und war Vorsitzende der sozialdemokratischen Frauenreichskonferenzen von 1903 bis 1932. An den Parteitagen 1903 und 1907 bis 1913 nahm sie als Delegierte teil. 1912 war Amalie Seidel Mitgründerin der Genossenschaftlichen Frauenorganisation, Mitglied des Aufsichtsrates der Niederösterreichischen Konsumvereine und des Vorstandes der Konsumgenossenschaft Wien.  
  
1897 war Amalie Seidel Mitbegründerin einer [[Konsumgenossenschaft]] und trat 1900 wieder als Rednerin bei Parteiveranstaltungen auf. Sie wurde Vorsitzende des Frauenbezirkskomitees von [[Margareten]]. An den Parteitagen 1903 und 1907 bis 1913 nahm sie als Delegierte teil. 1912 war Amalie Seidel Mitgründerin der Genossenschaftlichen Frauenorganisation, Mitglied des Aufsichtsrates der Niederösterreichischen Konsumvereine und des Vorstandes der Konsumgenossenschaft Wien.  
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Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte sie zu den ersten [[Politikerinnen in der Ersten Republik]]. Sie gehörte dem Provisorischen [[Gemeinderat]] der Stadt Wien an und kandidierte für die [[Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP)|Sozialdemokratische Arbeiterpartei]] im [[Margareten|5. Bezirk]]. Sie war von 1919 bis 1920 Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien, von 1920 bis 1923 Abgeordneter zum [[Wiener Landtag]] und Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien. Zudem fungierte sie von 1919 bis 1920 als Stadträtin und war von 1920 bis 1923 Vorsitzende des Gemeinderates der Stadt Wien. Auf nationaler Ebene war sie Mitglied [[Provisorische Nationalversammlung|Konstituierenden Nationalversammlung]] und zog ab 1920 als Abgeordnete in den [[Nationalrat]], dem sie bis 1934 angehörte.
  
Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte sie dem [[Politikerinnen in der Ersten Republik|provisorischen Gemeinderat der Stadt Wien]] an, war als Abgeordnete von [[Margareten]] 1919 bis 1923 Gemeinderätin und von 1919 bis 1934 Abgeordnete zum Nationalrat, wobei sie sich auf Jugendfürsorge und das Gesundheitswesen konzentrierte. Sie kämpfte gegen das "Pflegeelternsystem" (die Aufnahme von Pflegekindern erfolgte vielfach nur aus finanziellen Gründen und weil eine kostenlose Arbeitskraft zur Verfügung stand). 1920 begründete Seidel das [[Wiener Jugendhilfswerk]]. Im [[Februar 1934]] wurde sie verhaftet. Nach ihrer Entlassung am 30. März stellte sie ihre Wohnung für illegale Treffen sozialistischer Frauen zur Verfügung.
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Seidel war von 1919 bis 1920 Leiterin des Fürsorgereferats und später in der Verwaltungsgruppe III "Wohlfahrtseinrichtungen, Jugendfürsorge und Gesundheitswesen" des Wiener Stadtsenats beschäftigt. In ihrer politischen Tätigkeit konzentrierte sie sich auf Jugendfürsorge und das Gesundheitswesen. Sie kämpfte gegen das "Pflegeelternsystem" und prangerte die Aufnahme von Pflegekindern nur aus finanziellen Gründen oder als kostenlose Arbeitskraft an. 1920 begründete Seidel das [[Wiener Jugendhilfswerk]]. Im [[Februar 1934]] wurde sie durch das [[Ständestaat|Dollfuß-Schuschnigg-Regime]] verhaftet. Nach ihrer Entlassung am 30. März stellte sie ihre Wohnung für illegale Treffen sozialistischer Frauen zur Verfügung.
  
1942 heiratete sie den jüdischen Wiener Kommunalpolitiker [[Sigmund Rausnitz]], um ihn durch diese Ehe zu schützen. Dieser nahm sich allerdings das Leben, was Amalie Seidel schwer traf. 1944, nach dem Attentat auf Hitler, wurde sie einige Tage im Landesgericht Wien inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Amalie Seidel schließlich bei ihrer Tochter Emma und deren Ehemann [[Karl Seitz]], dem einstigen Bürgermeister von Wien.
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1942 heiratete sie den jüdischen Wiener Kommunalpolitiker [[Siegmund Rausnitz]], um ihn durch diese Ehe zu schützen. Dieser nahm sich allerdings das Leben, was Amalie Seidel schwer traf. 1944, nach dem Attentat auf Hitler, wurde sie einige Tage im Landesgericht Wien inhaftiert. Nach dem [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieg]] lebte Amalie Seidel schließlich bei ihrer Tochter Emma und deren Ehemann [[Karl Seitz]], dem einstigen Bürgermeister von Wien.
  
 
2006 wurde der [[Amalie-Seidel-Weg]] nach der Politikerin benannt.  
 
2006 wurde der [[Amalie-Seidel-Weg]] nach der Politikerin benannt.  
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==Quelle==
 
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*Wienbibliothek im Rathaus / Tagblattarchiv: Amalie Seidel [Signatur: TP-044614]  
 
*Wienbibliothek im Rathaus / Tagblattarchiv: Amalie Seidel [Signatur: TP-044614]  
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Stueck++af006b7a-ddeb-4787-8619-68702c556689VERA#Stueck__af006b7a-ddeb-4787-8619-68702c556689VERA Wiener Stadt- und Landesarchiv, Gestapo, K1 - Gestapo-Kartei: Erkennungsdienstliche Kartei von Amalie Rausnitz]
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
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* Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 29
 
* Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 29
 
*Edith Leisch-Prost: "Die Partei hat mich nie enttäuscht ..." : österreichische Sozialdemokratinnen. Wien : Verlag für Gesellschaftskritik 1989
 
*Edith Leisch-Prost: "Die Partei hat mich nie enttäuscht ..." : österreichische Sozialdemokratinnen. Wien : Verlag für Gesellschaftskritik 1989
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*[https://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/structure/1811455 Wienbibliothek Digital: Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1926. In: Handbuch der Stadt Wien. Band 77. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1963]
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* Wolfgang Solt: Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Wien (Wiener Landtages) und des Stadtsenates der Stadt Wien (der Wiener Landesregierung) 1918-1934. Wien: 1995
  
 
== Links ==
 
== Links ==
 
* [https://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=politiker&Type=K&PERSONCD=2014093009500896&POLLAY=histpolsuche&HP=Y&RF=01&ICD=2011021810214075 POLAR - Wiener Politikerinnen und Politiker Archiv - Gemeinderätinnen 1918-1934: Amalie Seidel]
 
* [https://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=politiker&Type=K&PERSONCD=2014093009500896&POLLAY=histpolsuche&HP=Y&RF=01&ICD=2011021810214075 POLAR - Wiener Politikerinnen und Politiker Archiv - Gemeinderätinnen 1918-1934: Amalie Seidel]
 
*[https://www.wien.gv.at/mariahilf/geschichte-kultur/grossetoechter-lebenslaeufe.html "Große Töchter Mariahilfs" – Die Lebensläufe: Amalie Seidel]
 
*[https://www.wien.gv.at/mariahilf/geschichte-kultur/grossetoechter-lebenslaeufe.html "Große Töchter Mariahilfs" – Die Lebensläufe: Amalie Seidel]
*[http://www.dasrotewien.at/seite/seidel-amalie-geb-ryba Das rote Wien – Weblexkon der Wiener Sozialdemokratie: Amalie Seidel]
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*[http://www.dasrotewien.at/seite/seidel-amalie-geb-ryba Das rote Wien – Weblexkon der Wiener Sozialdemokratie: Seidel, Amalie]

Version vom 22. September 2019, 03:09 Uhr

Daten zur Person
Personenname Seidel, Amalie
Abweichende Namensform Ryba, Amalie; Rausnitz, Amalie
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 15595
GND 117454990
Wikidata
Geburtsdatum 21. Februar 1876
Geburtsort Wien
Sterbedatum 11. Mai 1952
Sterbeort Wien
Beruf Politikerin, Dienstmädchen, Arbeiterin, Angestellte
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP)
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 22.09.2019 durch DYN.elisb
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Abgeordnete zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderates (10.11.1920 bis 13.11.1923)
  • Mitglied der Konstituierende Nationalversammlung (04.03.1919 bis 31.05.1919)
  • Abgeordnete zum Nationalrat (10.11.1920 bis 17.02.1934)
  • Stadträtin (22.05.1919 bis 01.06.1920)
  • Vorsitzende des Gemeinderates der Stadt Wien (01.06.1920 bis 12.11.1923)
  • Mitglied des Provisorischen Gemeinderates der Stadt Wien (03.12.1918 bis 22.05.1919)
  • Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien (22.5.1919 bis 10.11.1920)
  • Vorsitzende des Frauenbezirkskomitees (1900)
  • Vorsitzende der sozialdemokratischen Frauenreichskonferenzen (1903 bis 1932)

Amalie Seidel, * 21. Februar 1876 Wien, † 11. Mai 1952 Wien, Politikerin.

Biografie

Amalie Seidel war eines der vier überlebenden Kinder des Ehepaares Jakob und Anna Ryba; zwölf der 16 Kinder starben früh. Amalie Ryba wurde von ihrem Vater, einem Schlosser, der sich in der Gewerkschaftsbewegung engagiert hatte, schon in jungen Jahren politisiert. Bereits als Schülerin erledigte sie Näharbeiten in Heimarbeit. 1888 musste sie die Bürgerschule abbrechen und trat eine Stelle als Dienstmädchen an. Später arbeitete sie in einer Gumpendorfer Appreturfabrik.

1892 schloss sie sich als Mitglied dem Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein an. 1893 war sie eine der Mitinitiatorinnen des ersten Frauenstreiks ("Streik der 700") in der Geschichte der Frauenbewegung. Die Forderungen waren die Verminderung der täglichen Arbeitszeit von 13 auf zehn Stunden und ein arbeitsfreier Erster Mai. Während des Streiks wurde auch Viktor Adler auf sie aufmerksam. Wegen ihres temperamentvollen öffentlichen Auftretens als Rednerin wurde sie zu drei Wochen Haft verurteilt. 1895 heiratete Amalie Ryba den Techniker und sozialdemokratischen Aktivisten Richard Seidel. Die Ehe zerbrach, sodass sie ihre beiden Töchter alleine aufzog.

1897 war Amalie Seidel Mitbegründerin und Vorstandsmitglied einer Konsumgenossenschaft. Zudem war sie Schriftführerin des Lese-und Debattierclubs "Libertas". Sie trat 1900 wieder als Rednerin bei Parteiveranstaltungen auf. Sie wurde Vorsitzende des Frauenbezirkskomitees von Margareten und war Vorsitzende der sozialdemokratischen Frauenreichskonferenzen von 1903 bis 1932. An den Parteitagen 1903 und 1907 bis 1913 nahm sie als Delegierte teil. 1912 war Amalie Seidel Mitgründerin der Genossenschaftlichen Frauenorganisation, Mitglied des Aufsichtsrates der Niederösterreichischen Konsumvereine und des Vorstandes der Konsumgenossenschaft Wien.

Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte sie zu den ersten Politikerinnen in der Ersten Republik. Sie gehörte dem Provisorischen Gemeinderat der Stadt Wien an und kandidierte für die Sozialdemokratische Arbeiterpartei im 5. Bezirk. Sie war von 1919 bis 1920 Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien, von 1920 bis 1923 Abgeordneter zum Wiener Landtag und Mitglied des Gemeinderates der Stadt Wien. Zudem fungierte sie von 1919 bis 1920 als Stadträtin und war von 1920 bis 1923 Vorsitzende des Gemeinderates der Stadt Wien. Auf nationaler Ebene war sie Mitglied Konstituierenden Nationalversammlung und zog ab 1920 als Abgeordnete in den Nationalrat, dem sie bis 1934 angehörte.

Seidel war von 1919 bis 1920 Leiterin des Fürsorgereferats und später in der Verwaltungsgruppe III "Wohlfahrtseinrichtungen, Jugendfürsorge und Gesundheitswesen" des Wiener Stadtsenats beschäftigt. In ihrer politischen Tätigkeit konzentrierte sie sich auf Jugendfürsorge und das Gesundheitswesen. Sie kämpfte gegen das "Pflegeelternsystem" und prangerte die Aufnahme von Pflegekindern nur aus finanziellen Gründen oder als kostenlose Arbeitskraft an. 1920 begründete Seidel das Wiener Jugendhilfswerk. Im Februar 1934 wurde sie durch das Dollfuß-Schuschnigg-Regime verhaftet. Nach ihrer Entlassung am 30. März stellte sie ihre Wohnung für illegale Treffen sozialistischer Frauen zur Verfügung.

1942 heiratete sie den jüdischen Wiener Kommunalpolitiker Siegmund Rausnitz, um ihn durch diese Ehe zu schützen. Dieser nahm sich allerdings das Leben, was Amalie Seidel schwer traf. 1944, nach dem Attentat auf Hitler, wurde sie einige Tage im Landesgericht Wien inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Amalie Seidel schließlich bei ihrer Tochter Emma und deren Ehemann Karl Seitz, dem einstigen Bürgermeister von Wien.

2006 wurde der Amalie-Seidel-Weg nach der Politikerin benannt.

Quelle

Literatur

  • Ilse Korotin [Hrsg.]: biografiA.Lexikon österreichischer Frauen. Band 3 P - Z. Wien [u. a.]: Böhlau 2016
  • Jean Maitron / Georges Haupt [Hg.]: Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international. Band 1: Autriche. Paris: Éditions Ouvrières 1971
  • Archivalisches Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung. 1986, S. 136 ff.
  • Renate Wagner: Amalie Seidel. In: Frauenblatt, 20.10.1990, S. 8 f.
  • Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 29
  • Edith Leisch-Prost: "Die Partei hat mich nie enttäuscht ..." : österreichische Sozialdemokratinnen. Wien : Verlag für Gesellschaftskritik 1989
  • Wienbibliothek Digital: Oswald Knauer: Der Wiener Gemeinderat 1861-1926. In: Handbuch der Stadt Wien. Band 77. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1963
  • Wolfgang Solt: Mitglieder des Gemeinderates der Stadt Wien (Wiener Landtages) und des Stadtsenates der Stadt Wien (der Wiener Landesregierung) 1918-1934. Wien: 1995

Links