Therese Schlesinger

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Therese Schlesinger
Daten zur Person
Personenname Schlesinger, Therese
Abweichende Namensform Eckstein, Therese
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 8557
GND 101843305
Wikidata Q2419615
Geburtsdatum 6. Juni 1863
Geburtsort Wien
Sterbedatum 5. Juni 1940
Sterbeort Blois, Frankreich
Beruf Politikerin
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratische Arbeiterpartei
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug Vom Rathaus zum Maria-Theresien-Platz. Wege der Frauen an der Ringstraße, Teil 1
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 30.11.2023 durch WIEN1.lanm09krs
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Thereseschlesinger.jpg
Bildunterschrift Therese Schlesinger
  • 5., Siebenbrunnengasse 15 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung (04.03.1919 bis 09.11.1920)
  • Abgeordnete zum Nationalrat (10.11.1920 bis 20.11.1923)
  • Mitglied des Bundesrates (20.11.1923 bis 05.12.1930)

Therese Schlesinger (2. Reihe, rechts) mit Amalie Seidel, Adelheid Popp, Anna Boschek, Emmy Freundlich und Maria Tusch bei einer Sitzung der konstituierenden Nationalversammlung, 1919

Therese Schlesinger, * 6. Juni 1863 Wien, † 5. Juni 1940 Blois (Frankreich), Schriftstellerin und Politikerin.

Biografie

Therese Schlesinger wurde am 6. Juni 1863 als Tochter des freisinnigen jüdischen Papierfabrikanten und Erfinders Albert Eckstein und seiner Frau Amalie geboren. Amalie Eckstein stammte aus einer Prager jüdischen Familie und erzog ihre Kinder im Geist eines auch im religiösen Sinn liberalen, kultivierten Bürgertums. Nach dem Tod ihres Mannes übernahm sie die Leitung der Fabrik im fünften Bezirk. In ihrem Betrieb richtete sie eine der ersten Schulküchen Wiens ein. Therese wechselte sich mit ihren fünf Schwestern beim Küchendienst ab. Die Nähe zur Fabrik gewährte ihr Einblick in soziale Missstände. Nach dem Besuch der Volks- und Bürgerschule in Wien erhielt sie zunächst Privatunterricht und besuchte Vorlesungen an der Wiener Universität, bevor sie 1888 den Bankbeamten Viktor Schlesinger heiratete. Eine Infektion bei der Geburt ihrer Tochter Anna (1889–1920) führte zu einer lebenslangen Körperbehinderung. Ihr Mann starb 1891 an Tuberkulose.

Durch ihre Freundinnen Auguste Fickert und Marie Lang fand sie Zugang zur bürgerlichen Frauenbewegung. Ab 1894 engagierte sie sich im Allgemeinen Österreichischen Frauenverein (AF), in dessen Vorstand sie auch gewählt wurde. Therese Schlesinger begann publizistisch zu arbeiten: In der "Volksstimme" forderte sie die Zulassung von Frauen zum Hochschulstudium ein, die Verbesserung des Arbeitsschutzes für Frauen, vor allem aber die Einführung des Frauenwahlrechts. Als Mitglied der Enquetekommission "Zur Lage der Wiener Arbeiterinnen" lernte sie 1896 Adelheid Popp, Anna Boschek und Viktor Adler kennen, dem sie zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb. 1897 wurde sie Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei. Als Mitglied der Frauensektion der Gewerkschaft der Buchbinder engagierte sie sich führend im Buchbinderstreik von 1898. Im gleichen Jahr wurde sie zur ersten sozialdemokratischen Frauenreichskonferenz delegiert, 1899 wurde sie Mitglied des Frauenreichskomitees. 1901 war sie auch bei der Gründung des "Vereines sozialdemokratischer Frauen und Mädchen" beteiligt. Therese Schlesinger trat auf Parteitagen und Frauenkonferenzen vehement für die Gleichberechtigung der Geschlechter, speziell für das Frauenwahlrecht, ein und wurde zur unbequemen Kritikerin einschlägiger Vorurteile auch innerhalb der österreichischen Arbeiterbewegung. Neben der politischen Emanzipation der Frau galt ihre besondere Aufmerksamkeit dem Mutter- und Kinderschutz, der sozialen Akzeptanz der Hauswirtschaft und sozialpsychologischen Themen. Während des Ersten Weltkriegs war sie maßgeblich in der pazifistischen Linksopposition um Friedrich Adler engagiert. 1917 nahm sie als deren Delegierte an der 3. Zimmerwalder Konferenz teil. Im Rahmen ihrer politischen Tätigkeit hielt sie zahlreiche Vorträge und publiziert Artikel und Aufsätze in der "Volksstimme", der "Arbeiterzeitung", in "Die Unzufriedene", "Der Kampf" und der Berliner "Neuen Zeit".

Therese Schlesinger wurde als eine der ersten Sozialdemokratinnen am 4. März 1919 im österreichischen Parlament für die Konstituierende Nationalversammlung angelobt. Ihr erster Antrag, den sie im Ausschuss für Erziehung und Unterricht stellte, war die Zulassung weiblicher Schüler zu den Unterrichtsanstalten aller Kategorien. Am 10. November 1920 erfolgte ihre Angelobung als Mitglied des Nationalrats, in dem sie sich besonders für die Mädchenbildung und den Kinder- und Jugendschutz einsetzte. Sie wechselte 1923 in den Bundesrat, dem sie bis zum 5. Dezember 1930 angehörte. 1933 schied Therese Schlesinger aus Altersgründen aus dem Parteivorstand aus. Ihre jüdische Herkunft zwang Therese Schlesinger mit 76 Jahren nach Frankreich zu emigrieren. Ihr letztes Lebensjahr verbrachte sie in einem Sanatorium in Blois, wo sie am 5. Juni 1940 starb.

Schlesingerplatz

Quellen

Literatur

  • Ilse Korotin [Hg.]: biografiA. Lexikon österreichischer Frauen. Band 3. Wien / Köln / Weimar: Böhlau Verlag 2016, S. 2900 ff.
  • Gabriella Hauch: Vom Frauenstandpunkt aus. Frauen im Parlament 1919–1933. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1995, S. 82 f., S. 311-315
  • Jean Maitron / Georges Haupt [Hg.]: Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international. Band 1: Autriche. Paris: Éditions Ouvrières 1971
  • Werner Röder [Hg.]: Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. International biographical dictionary of Central European émigrés 1933 – 1945. München: Saur 1980
  • Das Jahrbuch der Wiener Gesellschaft. Biographische Beiträge zur Wiener Zeitgeschichte. Hg. von Franz Planer. Wien: F. Planer 1929
  • Österreichisches biographisches Lexikon 1815–1950. Hg. von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften / Wien/Graz: Böhlau 1954-lfd. (Literatur- und Werkverzeichnis)
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon der Ersten und Zweiten Republik. Wien: Ueberreuter 1992
  • Kurt Stimmer [Hg.]: Die Arbeiter von Wien. Ein sozialdemokratischer Stadtführer. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1988, S. 174 ff.
  • Norbert Leser [Hg.]: Werk und Widerhall. Große Gestalten des österreichischen Sozialismus. Wien: Verlag der Wiener Volksbuchhandlung 1964, S. 354 ff.
  • Alfred Magaziner: Die Wegbereiter. Aus der Geschichte der Arbeiterbewegung. Wien: Volksbuchverlag 1975, S. 216 ff.
  • Ernst Glaser: Im Umfeld des Austromarxismus. Wien: Europa-Verlag 1981, S. 163 ff., S. 488 f., Register
  • Rathaus-Korrespondenz, 04.06.1963
  • Frauen in Bewegung: 1848-1938: Schlesinger, Therese [Stand: 27.02.2019]

Weblinks