Nationalversammlung

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Die drei Präsidenten der provisorischen Nationalversammlung.
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PageID 15728
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Objektbezug Zwischenkriegszeit
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Bildunterschrift Die drei Präsidenten der provisorischen Nationalversammlung.

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Amalie Seidel, Therese Schlesinger, Adelheid Popp, Anna Boschek, Emmy Freundlich und Maria Tusch bei einer Sitzung der konstituierenden Nationalversammlung, 1919

Provisorische und Konstituierende Nationalversammlung

Die Einberufung

Als sich die totale militärische Niederlage der k. u. k. Armee im Oktober 1918 abzeichnete, versuchte Kaiser Karl I. mit dem "Völkermanifest" vom 16. Oktober, die Monarchie durch Umgestaltung in einen Bundesstaat zu retten. (Das Manifest bezog sich nur auf Cisleithanien, zuletzt die österreichischen Länder genannt). Aufgrund des kaiserlichen Manifests vom 16. Oktober 1918, in dem die Mitwirkung an der Umgestaltung der Monarchie durch Nationalräte (gebildet aus den Reichsratsabgeordneten jeder Nation Cisleithaniens) verkündet wurde, wurden die 208 deutschen Abgeordneten für den 21. Oktober ins Niederösterreichische Landhaus zu einer Vollversammlung eingeladen. Sie wurde vom Präsidenten des Verbandsausschusses der deutschnationalen Parteien, Dr. Viktor Waldner, eröffnet und erklärte sich zur Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich.

Da es seit 1911 keine Wahlen gegeben hatte, setzte sich die Provisorische Nationalversammlung aus den (ausschließlich männlichen) Abgeordneten der deutschsprachigen Gebiete Cisleithaniens, die 1911 in den Reichsrat gewählt worden waren, zusammen. Es waren dies 101 Deutschnationale, 70 Christlichsoziale und 39 Sozialdemokraten. Diese Abgeordneten formulierten als Ziel die Errichtung eines neuen Staates, der alle Siedlungsgebiete der deutschsprachigen Bevölkerung des österreichischen Teils der Habsburgermonarchie umfassen sollte (das spätere Burgenland als Teil Ungarns blieb vorerst ausgeklammert). Ein zwanzigköpfiger "Staatsrat" wurde gewählt, der sich aus Abgeordneten der drei Parteien zusammensetzte, ferner ein "Ernährungsausschuss". Der Staatsrat entsprach im Prinzip einer Allparteienkoalition. Der deutschnationale Franz Dinghofer, der christlichsoziale Jodok Fink und der Sozialdemokrat Karl Seitz wurden gleichberechtigte Präsidenten.[1] Die sozialdemokratischen Abgeordneten stellten zwar nur eine relative kleine Gruppe, aber die aktuelle politische Situation gab ihnen großes politisches Gewicht. Nicht zufällig ergriff nun Karl Renner, der über eine leidliche Gesprächsbasis zu den Vertretern der bürgerlichen Parteien verfügte und von diesen respektiert wurde, die Initiative. Er wurde vom Staatsrat am 30. Oktober 1918 zum Staatskanzler gewählt.

Konstituierung des Staates "Deutschösterreich"

Der Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung "Über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt" vom 30. Oktober 1918, der die Konstituierung des Staates "Deutschösterreich" abschloss, trug Renners Handschrift.[2] Die Provisorische Nationalversammlung beauftragte den Staatsrat, die gesamte Regierungs- und Vollzugsgewalt in Deutschösterreich zu übernehmen.[3] Die Verfassung des 30. Oktobers 1918 stellte einen revolutionären Bruch der Rechtskontinuität dar.[4] Das Herrenhaus, das sich zu einer letzten Sitzung versammelte, war damit aufgelöst; am nächsten Tag übergab der letzte Ministerpräsident der kaiserlichen Regierung, Heinrich Lammasch, der deutschösterreichischen Regierung die Regierungsgewalt der Länder von Vorarlberg bis Niederösterreich.[5]
Der Provisorischen Nationalversammlung gehörten auch 85 Abgeordnete aus Gebieten an, die realpolitisch nicht am republikanischen Österreich teilnehmen durften, weil das die Kriegssieger unterbanden: Deutschböhmische Abgeordnete waren ab 1919 ebenso ausgeschlossen wie Südtiroler und untersteirische Abgeordnete. Das spätere Burgenland war damals Teil Ungarns und blieb daher außer Betracht. Mitglieder des Herrenhauses waren von der Teilnahme an der Provisorischen Nationalversammlung ausgeschlossen, da das Herrenhaus nicht aus demokratisch gewählten Mitgliedern bestand.
In der Provisorischen Nationalversammlung waren neun Parteien vertreten (die stärksten waren die Christlichsozialen mit 67, die deutschen Sozialdemokraten mit 42, die Deutschnationalen mit 35 und die Deutschradikalen mit 23 Mitgliedern). Mit dem Gesetz über die Staats- und Regierungsform (Staatsgesetzblatt Nummer 5/1918) wurde die Wahl der Konstituierenden Nationalversammlung (170 Mandate) festgesetzt, die am 16. Februar 1919 stattfand. Die Wahl sollten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Stimmrechts aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts stattfinden; gleichzeitig wurde die Durchführung der Wahlen in die Landes- und Gemeindevertretungen nach denselben Grundsätzen angeordnet (die Wahl für den Wiener Gemeinderat erfolgte am 4. Mai 1919). Damit wurde in Österreich das Frauenwahlrecht etabliert.
Die im Staatsgesetzblatt Nummer 115/1919 verlautbarte Wahlordnung sah 38 Wahlkreise vor; zwölf davon entfielen auf Niederösterreich, sieben von diesen auf Wien. Ihrem Namen entsprechend befasste sich die Konstituierende Nationalversammlung mit dem Entwurf der österreichischen Bundesverfassung, die am 1. Oktober 1920 beschlossen wurde und am 10. November 1920 in Kraft trat. Der Begriff Deutschösterreich musste wegen des Widerstandes der Kriegssieger aufgegeben werden: Die Bundesverfassung begründet die Republik Österreich.

Die ersten Frauen im Parlament

Der Konstituierenden Nationalversammlung, die von 4. März 1919 bis 9. November 1920 zusammentrat, gehörten erstmals weibliche Mandatare an. Bei der Eröffnungssitzung am 4. März 1919 zogen acht Frauen in das Parlament ein: Anna Boschek, Emmy Freundlich, Adelheid Popp, Gabriele Proft, Therese Schlesinger, Amalie Seidel und Maria Tusch als Vertreterinnen der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei, Hildegard Burjan als Mandatarin für die Christlichsoziale Partei. Im Verlauf der Sitzungsperiode sollten noch drei weitere Frauen nachrücken: Die Sozialdemokratinnen Julie Rauscha und Irene Sponner waren ab dem 5. Juni 1919 im Parlament vertreten. Wenngleich nur kurz, ab dem 27. August 1920, war auch Lotte Furreg für die Großdeutsche Partei Mitglied der Konstituierenden Nationalversammlung.

Verfassungsbeschluss

Die Konstituierende Nationalversammlung beschloss am 1. Oktober 1920 die großteils bis heute geltende Bundesverfassung der Republik Österreich. Sie trat am 10. November 1920 in Kraft. An diesem Tag wurde die Nationalversammlung in Nationalrat umbenannt.

Nachfolger: Nationalrat

Literatur

  • Website des österreichischen Parlaments: Die ParlamentarierInnen seit 1918 [Stand: 21.01.2019]
  • Edgar Haider: Wien 1918. Agonie der Kaiserstadt. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2018
  • Siegfried Nasko: Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1982
  • Rudolf Neck [Hg.]: Österreich im Jahre 1918. Berichte und Dokumente. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1968
  • Reinhard Owerdieck: Parteien und Verfassungsfrage in Österreich. Die Entstehung des Verfassungsprovisoriums der Ersten Republik 1918–1920. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1987
  • Georg Schmitz: Demokratisierung und Landesverfassung in Niederösterreich 1918-1922. In: Österreichische Forschungsgemeinschaft [Hg.]: Demokratisierung und Verfassung in den Ländern 1918-1920. St. Pölten / Wien: Niederösterreichisches Pressehaus 1983 (Studien zur Zeitgeschichte der österreichischen Länder, 1), S. 162-177
  • Karl Stadler: Die Gründung der Republik. In: Erika Weinzierl / Kurt Skalnik [Hg.]: Österreich 1918-1938. Geschichte der Ersten Republik. Graz / Wien / Köln: Styria 1983, S. 55-84
  • Karl Ucakar: Demokratie und Wahlrecht in Österreich. Zur Entwicklung von politischer Partizipation und staatlicher Legitimationspolitik. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1985

Weblinks

Siehe auch

Wien 1918

Einzelnachweise

  1. Rudolf Neck [Hg.]: Österreich im Jahre 1918. Berichte und Dokumente. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1968, S. 75.
  2. Siegfried Nasko: Karl Renner in Dokumenten und Erinnerungen. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1982, S. 216.
  3. Karl Ucakar: Demokratie und Wahlrecht in Österreich. Zur Entwicklung von politischer Partizipation und staatlicher Legitimationspolitik. Wien: Verlag für Gesellschaftskritik 1985, S. 387.
  4. Reinhard Owerdieck: Parteien und Verfassungsfrage in Österreich. Die Entstehung des Verfassungsprovisoriums der Ersten Republik 1918–1920. Wien: Verlag für Geschichte und Politik 1987, S. 37.
  5. Karl Stadler: Die Gründung der Republik. In: Erika Weinzierl / Kurt Skalnik [Hg.]: Österreich 1918-1938. Geschichte der Ersten Republik. Graz / Wien / Köln: Styria 1983, S. 68-75; Georg Schmitz: Demokratisierung und Landesverfassung in Niederösterreich 1918-1922. In: Österreichische Forschungsgemeinschaft [Hg.]: Demokratisierung und Verfassung in den Ländern 1918-1920. St. Pölten / Wien: Niederösterreichisches Pressehaus 1983 (Studien zur Zeitgeschichte der österreichischen Länder, 1), S. 165.