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|Frühere Bezeichnung=Biercabaret Simplicissimus
 
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==Vorgeschichte==
 
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Am 4. Mai 1910 schloss die [[Urania]] ihre bisherigen Räume an der Wollzeile 34.
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Am 4. Mai 1910 schloss die [[Urania]] ihre bisherigen Räume an der Wollzeile 34. Bereits Ende März dieses Jahres lag ein Antrag der [[Schauspieler]]in und [[Sänger]]in Friederike Gutmann-Umlauft um die "Erteilung der Konzession zum Betrieb einer [[Singspielhalle]] im Lokale der Urania I. Wollzeile 34 bezw. das Projekt für die aus diesem Anlasse erforderlichen baulichen Umgestaltungen" beim Wiener [[Magistrat]] vor. Die Umbauarbeiten zogen sich bis in den Oktober, erst am 3. Oktober 1910 wurde der Betrieb bei einer abschließenden Revision zur Eröffnung freigegebenen. Die wenigen erhaltenen Akten des Wiener Magistrats zur nunmehrigen "Kleinen Bühne" in der Wollzeile enden mit dem Jahr 1911.
Bereits Ende März dieses Jahres lag ein Antrag der Schauspielerin und Sängerin Friederike Gutmann-Umlauft um die "Erteilung der Konzession zum Betrieb einer Singspielhalle im Lokale der Urania I. Wollzeile 34 bezw. das Projekt für die aus diesem Anlasse erforderlichen baulichen Umgestaltungen" beim Wiener Magistrat vor. Die Umbauarbeiten zogen sich bis in den Oktober, erst am 3. Oktober 1910 wurde der Betrieb bei einer abschließenden Revision zur Eröffnung freigegebenen. Die wenigen erhaltenen Akten des Wiener Magistrats zur nunmehrigen "Kleinen Bühne" in der Wollzeile enden mit dem Jahr 1911.
 
  
 
==Neueröffnung als Simplicissimus==
 
==Neueröffnung als Simplicissimus==
 
Als "Biercabaret Simplicissimus" wurde das Etablissement am 25. Oktober 1912 von Egon Dorn, der kurzfristig die [[Fledermaus (1, Kärntner Straße 33)|Fledermaus]] geleitet und auch an der [[Die Hölle|Hölle]] Regie geführt hatte, wiedereröffnet. Rasch entwickelte sich der Simplicissimus zu einem der beliebtesten und langlebigsten Kleinkunsttheater Wiens. Mit seinem Münchner Vorläufer hat es wenig gemeinsam; das Münchner Wappentier, eine zähnefletschende Bulldogge, wandelte sich (nach einem Entwurf von [[Kolo Moser]]) in Wien zum gezähmten "Bulli", für den es nach [[Rudolf Weys]] charakteristisch war, dass er "raunzend bellte, aber niemanden ins Wadl biss".
 
Als "Biercabaret Simplicissimus" wurde das Etablissement am 25. Oktober 1912 von Egon Dorn, der kurzfristig die [[Fledermaus (1, Kärntner Straße 33)|Fledermaus]] geleitet und auch an der [[Die Hölle|Hölle]] Regie geführt hatte, wiedereröffnet. Rasch entwickelte sich der Simplicissimus zu einem der beliebtesten und langlebigsten Kleinkunsttheater Wiens. Mit seinem Münchner Vorläufer hat es wenig gemeinsam; das Münchner Wappentier, eine zähnefletschende Bulldogge, wandelte sich (nach einem Entwurf von [[Kolo Moser]]) in Wien zum gezähmten "Bulli", für den es nach [[Rudolf Weys]] charakteristisch war, dass er "raunzend bellte, aber niemanden ins Wadl biss".
Zu den Stars der Frühzeit gehörten Josma Selim, Richard Hutter und [[Fritz Grünbaum]] (ab 1914); 1915 gastierte im nunmehrigen "Simplizissismus-Bierkabarett" eine polnische Fürstin. 1921 stieß [[Karl Farkas]] dazu; die von Grünbaum und Farkas ab 1922 entwickelten Doppelconférencen wurden bald schon zu einem Fixstarter in den Programmen des Vergnügungsunternehmens.
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Zu den Stars der Frühzeit gehörten Josma Selim, Richard Hutter und [[Fritz Grünbaum]] (ab 1914); 1915 gastierte im nunmehrigen "Simplizissismus-Bierkabarett" eine polnische Fürstin. 1921 stieß [[Karl Farkas]] dazu; die von Grünbaum und Farkas ab 1922 entwickelten Doppelconférencen wurden schon bald zu einem Fixstarter in den Programmen des Vergnügungsunternehmens.
  
 
Aus dem Jahr 1930 ist ein Bescheid der nun an diesem Standort befindlichen Kabarettbühne Simplizissismus erhalten, der sich auf die damalige Prüfung der elektrischen Anlage des von Josef Czech geführten Betriebs bezieht. 1932 hieß der neue Konzessionär Kommerzialrat Alexander Goldfarb, dem sich als weiterer Leiter Josef Czech anschloss. 1938 musste die Kabarettbühne schließen.
 
Aus dem Jahr 1930 ist ein Bescheid der nun an diesem Standort befindlichen Kabarettbühne Simplizissismus erhalten, der sich auf die damalige Prüfung der elektrischen Anlage des von Josef Czech geführten Betriebs bezieht. 1932 hieß der neue Konzessionär Kommerzialrat Alexander Goldfarb, dem sich als weiterer Leiter Josef Czech anschloss. 1938 musste die Kabarettbühne schließen.
  
 
==Nachkriegszeit==
 
==Nachkriegszeit==
Der "Simpl" wird "arisiert" und während der NS-Zeit von Felix Bernard geleitet. Zu den Ensemble-Mitgliedern gehören Fritz Muliar, Helly Gassner und Friedl Buchar; in den letzten Kriegstagen werden das Büro und das Archiv zerbombt. "Alle guten Texte wurden ohnehin schon davor zerstört", erinnerte sich Muliar später. Am 3. April 1945 findet die letzte Vorstellung in der Direktion Bernard statt, der bald darauf spurlos verschwindet.
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Das "[[Arisierung|arisierte]]" "Simpl" wurde während der [[NS-Zeit]] von Felix Bernard geleitet. Zu den Ensemble-Mitgliedern gehörten [[Fritz Muliar]], Helly Gassner und Friedl Buchar; in den letzten Kriegstagen wurden das Büro und das Archiv zerbombt. "Alle guten Texte wurden ohnehin schon davor zerstört", erinnerte sich Muliar später. Am 3. April 1945 fand die letzte Vorstellung in der Direktion Bernard statt, der bald darauf spurlos verschwand.
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Erster Direktor der Nachkriegszeit wurde Otto Grünhaus Oegyn, erster Conférencier [[Ernst Waldbrunn]] - Grünbaum wurde im [[Konzentrationslager]] ermordet, Farkas kehrt 1946 nach Wien zurück. Ende 1945 stieß [[Heinz Conrads]] dazu, ein Jahr später feierten Pirron und Knapp hier ihr Debüt, es folgten [[Max Böhm|Maxi Böhm]] und [[Gerhard Bronner]].
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1948 gab Oegyn das [[Kabarett]] mit 800.000 Schilling Schulden auf, der aus der Emigration zurückgekehrte Goldfarb klagte Oegyn, das "Simpl" wurde aus der Konkursmasse ausgeschieden, sollte neu eröffnet werden, doch als sich keine Geldgeber fanden, übergab Goldfarb den Betrieb an Karl Schmidt, den Inhaber des Royal Verlages, der ebenfalls wenig Glück in der Leitung des Kabaretts hatte und den Betrieb bald schon an den ebenfalls aus dem Exil zurückgekehrten Spengler Baruch Picker verkaufte.
  
Erster Direktor der Nachkriegszeit wird Otto Grünhaus Oegyn, erster Conférencier Ernst Waldbrunn - Gründbaum wurde im Konzentrationslager ermordet, Farkas kehrt 1946 nach Wien zurück. Ende 1945 stößt Heinz Conrads dazu, ein Jahr später feiern Pirron und Knapp hier ihr Debüt, es folgen Maxi Böhm und Gerhard Bronner.
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Ab 17. Oktober 1950 leitete Karl Farkas das Simpl als künstlerischer Direktor und tat dies mit großem Erfolg bis wenige Tage vor seinem Tod im Jahr 1971.
1948 gibt Oegyn das Kabarett mit 800.000 Schilling Schulden auf, der aus der Emigration zurückgekehrte Goldfarb klagt Oegyn, der "Simpl" wird aus der Konkursmasse ausgeschieden soll neu eröffnet werden, doch als sich keine Geldgeber finden, übergibt Goldfarb den Betrieb an Karl Schmidt, den Inhaber des Royal Verlages, der ebenfalls wenig Glück in der Leitung des Kabaretts hat und den Betrieb bald schon an den ebenfalls aus dem Exil zurückgekehrten Spengler Baruch Picker verkauft.
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Zum Kern des immer wieder neu zusammengesetzten Ensembles gehörten unter anderem Maxi Böhm (1949/1950 sowie ab 1957), Heinz Conrads, [[Karl Hruschka]], Elly Naschold und Ernst Waldbrunn, mit dem Farkas die berühmt gewordenen Doppelconférencen nun präsentierte, sowie [[Cissy Kraner]], [[Ossy Kolmann]] und Fritz Muliar; Co-Autor war (bis 1965) [[Hugo Wiener]], Regie führte oftmals [[Peter Hey]].
  
Ab 17. Oktober 1950 leitet Karl Farkas den Simpl als künstlerischer Direktor und tut dies mit großem Erfolg bis wenige Tage vor seinem Tod im Jahr 1971.
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Nach Farkas' Tod gelang es Maxi Böhm, mit dem Ensemble, in das Hugo Wiener als Autor zurückkehrte, nochmals an die große Tradition des Hauses anzuschließen; mit dem Programm ''60 Jahre jung'' beging man 1972 das sechzigjährige Gründungsjubiläum des "Simpl".
Zum Kern des immer wieder neu zusammengesetzten Ensembles gehörten unter anderem [[Max Böhm|Maxi Böhm]] (1949/1950 sowie ab 1957), [[Heinz Conrads]], [[Karl Hruschka]], Elly Naschold und [[Ernst Waldbrunn]], mit dem Farkas die berühmt gewordenen Doppelconférencen nun präsentierte, sowie [[Cissy Kraner]], [[Ossy Kolmann]] und [[Fritz Muliar]]; Co-Autor war (bis 1965) [[Hugo Wiener]], Regie führte oftmals [[Peter Hey]].
 
Nach Farkas' Tod gelang es Maxi Böhm mit dem Ensemble, in das Hugo Wiener als Autor zurückkehrte, nochmals an die große Tradition des Hauses anzuschließen; mit dem Programm ''60 Jahre jung'' beging man 1972 das sechzigjährige Gründungsjubiläum des "Simpl".
 
  
 
1974 verkaufte der damalige Besitzer des Unternehmens, Baruch Picker, das Etablissement an Dr. [[Martin Flossmann]]; das letzte Böhm-Wiener-Programm hieß ''Öl ins Feuer'', die letzte Vorstellung fand am 25. Mai 1974 statt. Flossmann zog mit seinem "Bunten Wagen" in die Wollzeile ein, gab ihm nunmehr den Namen "Bunter Wagen im Simpl" und eröffnete im Herbst 1974 die Bühne. Die Übernahme wurde von einem Konflikt begleitet, der bei Gericht endete.  
 
1974 verkaufte der damalige Besitzer des Unternehmens, Baruch Picker, das Etablissement an Dr. [[Martin Flossmann]]; das letzte Böhm-Wiener-Programm hieß ''Öl ins Feuer'', die letzte Vorstellung fand am 25. Mai 1974 statt. Flossmann zog mit seinem "Bunten Wagen" in die Wollzeile ein, gab ihm nunmehr den Namen "Bunter Wagen im Simpl" und eröffnete im Herbst 1974 die Bühne. Die Übernahme wurde von einem Konflikt begleitet, der bei Gericht endete.  
  
1981 wird Albert Schmidleitner Geschäftsführer. 1992/1993 zieht sich Flossmann zurück, Schmidleitner wird Besitzer, und der erst 25-jährige Michael Niavarani wird künstlerischer Leiter.
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1981 wurde Albert Schmidleitner Geschäftsführer. 1992/1993 zog sich Flossmann zurück, Schmidleitner wurde Besitzer, und der erst 25-jährige [[Michael Niavarani]] wurd ekünstlerischer Leiter.
  
 
==Quelle==
 
==Quelle==
Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8–26: Kleine Bühne, Komödie, Konzerthaus
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Akt+++++9b7828ee-c869-4d94-b4e2-a33173d054e6VERA#Akt_____9b7828ee-c869-4d94-b4e2-a33173d054e6VERA Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 104, A8: 23 - Kleine Bühne; Simplicissimus | 1910, 1911, 1930-1933]
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Akt+++++00465d23-ba6a-4c41-a79a-254338608ad3VERA#Akt_____00465d23-ba6a-4c41-a79a-254338608ad3VERA Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 471, A2: Simplicissimus]
  
 
== Literatur ==
 
== Literatur ==
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* Christian Brandstätter: Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien [u.a.]: Brandstätter 1986, S. 430
 
* Eva Maria Haybäck: Der Wiener "Simplicissimus" 1912-1974. Versuch einer Analyse des Kabaretts mit längster Bestandzeit im deutschen Sprachraum. Diss., Univ. Wien. Wien 1977
 
* Eva Maria Haybäck: Der Wiener "Simplicissimus" 1912-1974. Versuch einer Analyse des Kabaretts mit längster Bestandzeit im deutschen Sprachraum. Diss., Univ. Wien. Wien 1977
 
* Theodor Ottawa: Nachts, wenn der rote Bulli erwacht. In: Neues Österreich, Artikelserie 16.10.1963-15.02.1964  
 
* Theodor Ottawa: Nachts, wenn der rote Bulli erwacht. In: Neues Österreich, Artikelserie 16.10.1963-15.02.1964  
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* Hans Veigl: Lachen im Keller. Von den Budapestern zum Wiener Werkel. Kabarett und Kleinkunst in Wien. Wien: Löcker 1986, S. 42 ff.
 
* Hans Veigl: Lachen im Keller. Von den Budapestern zum Wiener Werkel. Kabarett und Kleinkunst in Wien. Wien: Löcker 1986, S. 42 ff.
 
* Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien. Wien [u.a.]: Jugend-u.-Volk-Verlagsges. 1970
 
* Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien. Wien [u.a.]: Jugend-u.-Volk-Verlagsges. 1970
* Christian Brandstätter: Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien [u.a.]: Brandstätter 1986, S. 430
 
 
* [https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/buehne/486086_Der-alte-Hund-beisst-noch-immer.html?em_cnt_page=2 Mathias Ziegler: Der alte Hund beißt noch immer. In: Wiener Zeitung, 11.09.2012]
 
* [https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/buehne/486086_Der-alte-Hund-beisst-noch-immer.html?em_cnt_page=2 Mathias Ziegler: Der alte Hund beißt noch immer. In: Wiener Zeitung, 11.09.2012]

Version vom 24. Januar 2023, 11:03 Uhr

Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1912
Datum bis
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung Biercabaret Simplicissimus
Benannt nach
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner
PageID 20365
GND
WikidataID
Objektbezug Theater
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 24.01.2023 durch WIEN1.lanm08trj
  • 1., Wollzeile 34

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48° 12' 27.77" N, 16° 22' 41.33" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Simpl (eigentlich Simplicissimus) existiert seit 1912 an der Adresse 1., Wollzeile 34.

Vorgeschichte

Am 4. Mai 1910 schloss die Urania ihre bisherigen Räume an der Wollzeile 34. Bereits Ende März dieses Jahres lag ein Antrag der Schauspielerin und Sängerin Friederike Gutmann-Umlauft um die "Erteilung der Konzession zum Betrieb einer Singspielhalle im Lokale der Urania I. Wollzeile 34 bezw. das Projekt für die aus diesem Anlasse erforderlichen baulichen Umgestaltungen" beim Wiener Magistrat vor. Die Umbauarbeiten zogen sich bis in den Oktober, erst am 3. Oktober 1910 wurde der Betrieb bei einer abschließenden Revision zur Eröffnung freigegebenen. Die wenigen erhaltenen Akten des Wiener Magistrats zur nunmehrigen "Kleinen Bühne" in der Wollzeile enden mit dem Jahr 1911.

Neueröffnung als Simplicissimus

Als "Biercabaret Simplicissimus" wurde das Etablissement am 25. Oktober 1912 von Egon Dorn, der kurzfristig die Fledermaus geleitet und auch an der Hölle Regie geführt hatte, wiedereröffnet. Rasch entwickelte sich der Simplicissimus zu einem der beliebtesten und langlebigsten Kleinkunsttheater Wiens. Mit seinem Münchner Vorläufer hat es wenig gemeinsam; das Münchner Wappentier, eine zähnefletschende Bulldogge, wandelte sich (nach einem Entwurf von Kolo Moser) in Wien zum gezähmten "Bulli", für den es nach Rudolf Weys charakteristisch war, dass er "raunzend bellte, aber niemanden ins Wadl biss".

Zu den Stars der Frühzeit gehörten Josma Selim, Richard Hutter und Fritz Grünbaum (ab 1914); 1915 gastierte im nunmehrigen "Simplizissismus-Bierkabarett" eine polnische Fürstin. 1921 stieß Karl Farkas dazu; die von Grünbaum und Farkas ab 1922 entwickelten Doppelconférencen wurden schon bald zu einem Fixstarter in den Programmen des Vergnügungsunternehmens.

Aus dem Jahr 1930 ist ein Bescheid der nun an diesem Standort befindlichen Kabarettbühne Simplizissismus erhalten, der sich auf die damalige Prüfung der elektrischen Anlage des von Josef Czech geführten Betriebs bezieht. 1932 hieß der neue Konzessionär Kommerzialrat Alexander Goldfarb, dem sich als weiterer Leiter Josef Czech anschloss. 1938 musste die Kabarettbühne schließen.

Nachkriegszeit

Das "arisierte" "Simpl" wurde während der NS-Zeit von Felix Bernard geleitet. Zu den Ensemble-Mitgliedern gehörten Fritz Muliar, Helly Gassner und Friedl Buchar; in den letzten Kriegstagen wurden das Büro und das Archiv zerbombt. "Alle guten Texte wurden ohnehin schon davor zerstört", erinnerte sich Muliar später. Am 3. April 1945 fand die letzte Vorstellung in der Direktion Bernard statt, der bald darauf spurlos verschwand.

Erster Direktor der Nachkriegszeit wurde Otto Grünhaus Oegyn, erster Conférencier Ernst Waldbrunn - Grünbaum wurde im Konzentrationslager ermordet, Farkas kehrt 1946 nach Wien zurück. Ende 1945 stieß Heinz Conrads dazu, ein Jahr später feierten Pirron und Knapp hier ihr Debüt, es folgten Maxi Böhm und Gerhard Bronner.

1948 gab Oegyn das Kabarett mit 800.000 Schilling Schulden auf, der aus der Emigration zurückgekehrte Goldfarb klagte Oegyn, das "Simpl" wurde aus der Konkursmasse ausgeschieden, sollte neu eröffnet werden, doch als sich keine Geldgeber fanden, übergab Goldfarb den Betrieb an Karl Schmidt, den Inhaber des Royal Verlages, der ebenfalls wenig Glück in der Leitung des Kabaretts hatte und den Betrieb bald schon an den ebenfalls aus dem Exil zurückgekehrten Spengler Baruch Picker verkaufte.

Ab 17. Oktober 1950 leitete Karl Farkas das Simpl als künstlerischer Direktor und tat dies mit großem Erfolg bis wenige Tage vor seinem Tod im Jahr 1971. Zum Kern des immer wieder neu zusammengesetzten Ensembles gehörten unter anderem Maxi Böhm (1949/1950 sowie ab 1957), Heinz Conrads, Karl Hruschka, Elly Naschold und Ernst Waldbrunn, mit dem Farkas die berühmt gewordenen Doppelconférencen nun präsentierte, sowie Cissy Kraner, Ossy Kolmann und Fritz Muliar; Co-Autor war (bis 1965) Hugo Wiener, Regie führte oftmals Peter Hey.

Nach Farkas' Tod gelang es Maxi Böhm, mit dem Ensemble, in das Hugo Wiener als Autor zurückkehrte, nochmals an die große Tradition des Hauses anzuschließen; mit dem Programm 60 Jahre jung beging man 1972 das sechzigjährige Gründungsjubiläum des "Simpl".

1974 verkaufte der damalige Besitzer des Unternehmens, Baruch Picker, das Etablissement an Dr. Martin Flossmann; das letzte Böhm-Wiener-Programm hieß Öl ins Feuer, die letzte Vorstellung fand am 25. Mai 1974 statt. Flossmann zog mit seinem "Bunten Wagen" in die Wollzeile ein, gab ihm nunmehr den Namen "Bunter Wagen im Simpl" und eröffnete im Herbst 1974 die Bühne. Die Übernahme wurde von einem Konflikt begleitet, der bei Gericht endete.

1981 wurde Albert Schmidleitner Geschäftsführer. 1992/1993 zog sich Flossmann zurück, Schmidleitner wurde Besitzer, und der erst 25-jährige Michael Niavarani wurd ekünstlerischer Leiter.

Quelle

Literatur

  • Christian Brandstätter: Stadtchronik Wien. 2000 Jahre in Daten, Dokumenten und Bildern. Wien [u.a.]: Brandstätter 1986, S. 430
  • Eva Maria Haybäck: Der Wiener "Simplicissimus" 1912-1974. Versuch einer Analyse des Kabaretts mit längster Bestandzeit im deutschen Sprachraum. Diss., Univ. Wien. Wien 1977
  • Theodor Ottawa: Nachts, wenn der rote Bulli erwacht. In: Neues Österreich, Artikelserie 16.10.1963-15.02.1964
  • Lutz Eberhardt Seelig: Ronacher. Die Geschichte eines Hauses. Wien: Böhlau 1986
  • Hans Veigl: Lachen im Keller. Von den Budapestern zum Wiener Werkel. Kabarett und Kleinkunst in Wien. Wien: Löcker 1986, S. 42 ff.
  • Rudolf Weys: Cabaret und Kabarett in Wien. Wien [u.a.]: Jugend-u.-Volk-Verlagsges. 1970
  • Mathias Ziegler: Der alte Hund beißt noch immer. In: Wiener Zeitung, 11.09.2012