Nationalrat: Unterschied zwischen den Versionen

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Aufgrund des kaiserlichen Manifests vom 16. Oktober 1918, in dem die Mitwirkung an der Umgestaltung der Monarchie durch Nationalräte (gebildet aus den [[Reichsrat]]sabgeordneten jeder Nation [[Cisleithanien]]s) verkündet wurde, wurden die 208 deutschen Abgeordneten für den 21. Oktober ins [[Niederösterreichisches Landhaus|Niederösterreichische Landhaus]] zu einer Vollversammlung eingeladen. Sie wurde vom Präsidenten des Verbandsausschusses der deutschnationalen Parteien, Dr. Viktor Waldner, eröffnet und erklärte sich zur [[Provisorische Nationalversammlung|Provisorischen Nationalversammlung]] für Deutschösterreich.  
  

Version vom 2. Februar 2017, 20:14 Uhr

Daten zur Organisation
Art der Organisation Institution
Datum von 1918
Datum bis
Benannt nach
Prominente Personen Karl Seitz, Richard Weiskirchner, Wilhelm Miklas, Matthias Eldersch, Karl Renner, Leopold Kunschak, Felix Hurdes, Leopold Figl, Alfred Maleta, Anton Benya, Rudolf Pöder, Heinz Fischer, Andreas Khol, Barbara Prammer
PageID 15301
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  • 1., Dr.-Karl-Renner-Ring 3

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48° 12' 28.76" N, 16° 21' 33.00" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Provisorische und Konstituierende Nationalversammlung

Aufgrund des kaiserlichen Manifests vom 16. Oktober 1918, in dem die Mitwirkung an der Umgestaltung der Monarchie durch Nationalräte (gebildet aus den Reichsratsabgeordneten jeder Nation Cisleithaniens) verkündet wurde, wurden die 208 deutschen Abgeordneten für den 21. Oktober ins Niederösterreichische Landhaus zu einer Vollversammlung eingeladen. Sie wurde vom Präsidenten des Verbandsausschusses der deutschnationalen Parteien, Dr. Viktor Waldner, eröffnet und erklärte sich zur Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich.

Am 30. Oktober 1918 wurden die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt beschlossen; die Frage, ob die Monarchie weiter bestehen solle, ließ man offen, da noch keine Einigkeit erzielbar war. Der einstimmige Beschluss zur Republikgründung fiel am 12. November 1918, nachdem Kaiser Karl I. tags zuvor auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften verzichtet hatte.

Der Provisorischen Nationalversammlung gehörten auch 85 Abgeordnete aus Gebieten an, die realpolitisch nicht am republikanischen Österreich teilnehmen durften, weil das die Kriegssieger unterbanden: Deutschböhmische Abgeordnete waren ab 1919 ebenso ausgeschlossen wie Südtiroler und untersteirische Abgeordnete. Das spätere Burgenland war damals Teil Ungarns und blieb daher außer Betracht. Mitglieder des Herrenhauses waren von der Teilnahme an der Provisorischen Nationalversammlung ausgeschlossen, da das Herrenhaus nicht aus demokratisch gewählten Mitgliedern bestand.

In der Provisorischen Nationalversammlung waren neun Parteien vertreten (die stärksten waren die Christlichsozialen mit 67, die deutschen Sozialdemokraten mit 42, die Deutschnationalen mit 35 und die Deutschradikalen mit 23 Mitgliedern). Mit dem Gesetz über die Staats- und Regierungsform (Staatsgesetzblatt Nummer 5/1918) wurde die Wahl der Konstituierenden Nationalversammlung (170 Mandate) für Jänner 1919 festgesetzt. Die Wahlen sollten nach den Grundsätzen der Verhältniswahl und des allgemeinen, gleichen, direkten und geheimen Stimmrechts aller Staatsbürger ohne Unterschied des Geschlechts stattfinden; gleichzeitig wurde die Durchführung der Wahlen in die Landes- und Gemeindevertretungen nach denselben Grundsätzen angeordnet (die Wahl für den Wiener Gemeinderat erfolgte am 4. Mai 1919). Damit wurde in Österreich das Frauenwahlrecht etabliert.

Die in Staatsgesetzblatt Nummer 115/1919 verlautbarte Wahlordnung sah 38 Wahlkreise vor; zwölf davon entfielen auf Niederösterreich, sieben von diesen auf Wien. Ihrem Namen entsprechend befasste sich die Konstituierende Nationalversammlung mit dem Entwurf der österreichischen Bundesverfassung, die am 1. Oktober 1920 beschlossen wurde und am 10. November 1920 in Kraft trat. Der Begriff Deutschösterreich musste wegen des Widerstandes der Kriegssieger aufgegeben werden: Die Bundesverfassung begründet die Republik Österreich.

Der Nationalrat

Der seit 10. November 1920 (ausgenommen 1934-1945) bestehende Nationalrat ist als Nachfolger des Hauses der Abgeordneten der Monarchie bzw. der 1918-1920 tätigen Nationalversammlung das wesentliche gesetzgebende Organ Österreichs und hält seine Sitzungen im Parlamentsgebäude, 1., Dr.-Karl-Renner-Ring 3, ab. Als zweite Kammer ist der Bundesrat als Vertretung der Bundesländer tätig: Gemeinsam bilden Nationalrat und Bundesrat die Bundesversammlung, die den Bundespräsidenten angelobt und Kriege erklärt. In der Ersten Republik hat die Bundesversammlung den Bundespräsidenten gewählt; diese Kompetenz wurde mit der Verfassungsnovelle von 1929 durch die Volkswahl des Bundespräsidenten ersetzt, die aber erst 1951 zum ersten Mal stattfand.

De facto ist der Nationalrat das entscheidende Organ der Republik. Er kann vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung aufgelöst werden. Die Bundesregierung muss vom Bundespräsidenten entlassen werden, wenn ihr der Nationalrat das Misstrauen ausspricht. Die Zahl der Abgeordneten betrug 1920 183 und ab 1923 165. 1945 wurde diese Zahl beibehalten, 1971 jedoch aufgrund einer Wahlrechtsreform wieder auf 183 erhöht. Die Legislaturperiode betrug bis 2007 vier Jahre; in jenem Jahr wurde sie auf fünf Jahre verlängert.

Der Nationalrat wird seit 1929 vom Bundespräsidenten pro Jahr zu zwei Sessionen (Frühjahrs- und Herbstsession) einberufen. Die Verteilung der Mandate auf die einzelnen Bundesländer wird aufgrund der Volkszählungsergebnisse festgelegt. Der Nationalrat wählt aus seiner Mitte seinen Präsidenten sowie den zweiten und dritten Präsidenten und bestellt aus der Reihe seiner Mitglieder Ausschüsse. Zu wichtigen Themen bestehen ständige Ausschüsse.

Wahlergebnisse (Mandate)

  • 1919: 72 SDAP, 69 CSP, 27 Deutschnationale, 1 Jüdisch Nationale Partei, 1 Sonstige
  • 1920: 85 CSP, 69 SDAP, 28 Deutschnationale, 1 Sonstige
  • 1923: 82 CSP, 68 SDAP, 10 GDVP, 5 Landbund
  • 1927: 73 CSP, 71 SDAP, 12 GDVP, 9 Landbund
  • 1930: 72 SDAP, 66 CSP, 19 GDVP/Landbund, 8 Heimatblock
  • 1945: 85 ÖVP, 76 SPÖ, 4 KPÖ
  • 1949: 77 ÖVP, 67 SPÖ, 16 WdU, 5 KPÖ
  • 1953: 74 ÖVP, 73 SPÖ, 14 WdU, 4 KPÖ
  • 1956: 82 ÖVP, 74 SPÖ, 6 FPÖ, 3 KPÖ
  • 1959: 79 ÖVP, 78 SPÖ, 8 FPÖ
  • 1962: 81 ÖVP, 76 SPÖ, 8 FPÖ
  • 1966: 85 ÖVP, 74 SPÖ, 6 FPÖ
  • 1970: 81 SPÖ, 78 ÖVP, 6 FPÖ
  • 1971 (183 Abgeordnete): 93 SPÖ, 80 ÖVP, 10 FPÖ
  • 1975; 93 SPÖ, 80 ÖVP, 10 FPÖ
  • 1979: 95 SPÖ, 77 ÖVP, 11 FPÖ
  • 1983: 90 SPÖ, 81 ÖVP, 12 FPÖ
  • 1986: 80 SPÖ, 77 ÖVP, 18 FPÖ, 8 Grüne
  • 1990: 80 SPÖ, 60 ÖVP, 33 FPÖ (ab 1993: 28 FPÖ, 5 LIF), 10 Grüne
  • 1994: 65 SPÖ, 52 ÖVP, 42 FPÖ, 13 Grüne, 11 LIF
  • 1995: 71 SPÖ, 53 ÖVP, 40 FPÖ, 10 LIF, 9 Grüne; aufgrund von Einsprüchen der FPÖ kam es 1996 zur Wahlwiederholung in Reutte/Tirol und Donnerskirchen/Burgenland (danach: 52 ÖVP, 41 FPÖ)
  • 1999: 65 SPÖ, 52 FPÖ (einige hundert Stimmen Vorsprung), 52 ÖVP, Grüne 14
  • 2002: 79 ÖVP, 69 SPÖ, 18 FPÖ (2005 Abspaltung der meisten Mandatare zum neu gegründeten BZÖ), 17 Grüne
  • 2006: 68 SPÖ, 66 ÖVP, 21 Grüne, 21 FPÖ, 7 BZÖ
  • 2008: 57 SPÖ, 51 ÖVP, 34 FPÖ, 21 BZÖ, 20 Grüne
  • 2013: 52 SPÖ, 47 ÖVP, 40 FPÖ, 24 Grüne, 11 Team Stronach, 9 NEOS (nach diversen Fraktionsaus- und -übertritten 2016: 52 SPÖ, 50 ÖVP, 38 FPÖ, 24 Grüne, 9 NEOS, 6 Team Stronach, 4 fraktionslos)

Zahl der Wiener Mandate und der auf Parteien entfallenden Direktmandate

  • 1945: 46 (28 SPÖ, 16 ÖVP, 2 KPÖ)
  • 1949: 40 (24 SPÖ, 17 ÖVP, 3 KPÖ, 2 WdU)
  • 1953-1959: 40
  • 1962-1970: 38
  • 1971: 42
  • 1975-1979: 39
  • 1983-1994: 36
  • 1995: 34 (14 SPÖ, 6 ÖVP, 6 FPÖ, 2 Grüne, 2 LIF)
  • 1999: 34 (12 SPÖ, 8 FPÖ, 5 ÖVP, 3 Grüne)
  • 2002: 33 (14 SPÖ, 10 ÖVP, 4 Grüne, 2 FPÖ)
  • 2006: 33 (13 SPÖ, 7 ÖVP, 5 Grüne, 4 FPÖ)
  • 2008: 33 (11 SPÖ, 6 FPÖ, 5 ÖVP, 5 Grüne, 1 BZÖ)
  • 2013: 33 (10 SPÖ, 6 FPÖ, 5 Grüne, 4 ÖVP, 2 NEOS, 1 Team Stronach)

Regierungen

  • 1945-1947: Allparteienregierung
  • 1947-1966: Koalitionsregierungen ÖVP-SPÖ
  • 1966-1970: Alleinregierung ÖVP
  • 1970-1971: Minderheitsregierung SPÖ
  • 1971-1983: Alleinregierung SPÖ
  • 1983-1986: Koalitionsregierung SPÖ-FPÖ
  • 1986-2000: Koalitionsregierungen SPÖ-ÖVP
  • 2000-2006: Koalitionsregierungen ÖVP-FPÖ (ab 2005: ÖVP-BZÖ)
  • 2006-: Koalitionsregierungen SPÖ-ÖVP

Abkürzungen

  • BZÖ: Bündnis Zukunft Österreich
  • CSP: Christlichsoziale Partei
  • FPÖ: Freiheitliche Partei Österreichs
  • GDVP: Großdeutsche Volkspartei
  • KPÖ: Kommunistische Partei Österreichs
  • LIF: Liberales Forum
  • NEOS: Das Neue Österreich und Liberales Forum
  • ÖVP: Österreichische Volkspartei
  • SDAP: Sozialdemokratische Arbeiterpartei
  • SPÖ: Sozialistische Partei (ab 1991: Sozialdemokratische Partei)
  • WdU: Wahlpartei der Unabhängigen

(Erste) Präsidenten

In der Bundesverfassung wird der Begriff Erster nicht verwendet.

Sprachgebrauch

In der Zweiten Republik wurde bis in die 1970er Jahre auch der einzelne Nationalratsabgeordnete als Nationalrat bezeichnet, so wie Abgeordnete zum Wiener Gemeinderat bis heute als Gemeinderat tituliert werden.

Literatur

  • Friedrich Brunner: Bezirksvertretungen in Wien. Historische Entwicklung, Rechtsgrundlagen, Aufgaben, Dezentralisierung, Wahlergebnisse, Personenindex, Rückblick und Zukunft. Hg. von Josef Rauchenberger. Wien: PR-Verlag 1990

Links