Leopold Gratz: Unterschied zwischen den Versionen
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− | + | Leopold Gratz, * 4. November 1929 Wien, † 2. März 2006 Wien, Politiker, [[Bürgermeister]] Wiens vom 5. Juli 1973 bis zum 10. September 1984. | |
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+ | ==Biographie== | ||
+ | Leopold Gratz wurde als Sohn eines [[Banken|Bankbeamten]] geboren. Nach dem Besuch unter anderem der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt ([[Napola]]) studierte er an der [[Universität Wien (Institution)|Universität Wien]] Rechtswissenschaften und schloss das Studium mit der dritten Staatsprüfung ab. 1952/1953 war er vorerst als Vertragsbediensteter beim [[Arbeitsamt|Landesarbeitsamt Wien]] tätig und arbeitete von Mai 1953 bis Dezember 1954 als Angestellter des Klubs der Sozialistischen [[Nationalrat|Abgeordneten]] und [[Bundesrat|Bundesräte]], ab Jänner 1955 als [[Parlament|Parlamentsbediensteter]]. Als solcher erreichte er den Rang eines Parlamentsrates. | ||
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+ | Parallel zum beruflichen Werdegang entwickelte sich die politische Karriere des Juristen: Aus einer traditionell [[Sozialdemokratie|sozialdemokratischen]] Familie stammend, trat er schon während seines Studiums dem Verband Sozialistischer Studenten bei, wechselte dann zur Sozialistischen Jugend über und wurde dort Auslandssekretär. | ||
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+ | 1963 wurde Leopold Gratz Zentralsekretär der [[SPÖ]] und im Oktober des gleichen Jahres wurde er in den Bundesrat entsandt, dem er bis 6. März 1966 angehörte. Als Zentralsekretär arbeitete er an der Statutenreform der SPÖ mit und widmete sich als Obmann der Jungen Generation intensiv deren Ausbau. | ||
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+ | Als Nachfolger [[Franz Olah]]s zum Bezirksparteiobmann von Wien-[[Hernals]] gewählt, zog er am 30. März 1966 als Abgeordneter in den [[Nationalrat]] ein, dem er vorerst bis zum 15. Juni 1973 angehören sollte. Nach der Etablierung der Minderheitsregierung [[Bruno Kreisky|Kreisky]] I gehörte ihr Leopold Gratz ab dem 21. April 1970 bis zum 4. November 1971 als Bundesminister für Unterricht und Kunst an. In diese Zeit fallen vor allem die [[Bundestheater|Bundestheaterreform]], die Sistierung der Aufnahmeprüfung an den [[Allgemeinbildende Höhere Schule|Allgemeinbildenden Höheren Schulen]] und die wesentliche Ausweitung der Schulversuche. | ||
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+ | Im Zeitraum vom 4. November 1971 bis zum 18. Juni 1973 fungierte Leopold Gratz als Geschäftsführender Klubobmann des Klubs der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte, bis er als Nachfolger des wegen einer nicht wunschgemäß ausgegangenen Volksbefragung über die Verbauung des [[Sternwartepark]]s zurückgetretenen [[Felix Slavik]] zum neuen Wiener [[Bürgermeister]] gewählt wurde. Der mit 44 Jahren für einen Politiker damals relativ junge und telegene Gratz konnte bei der kurz darauf stattfindenden Gemeinderatswahl 1973 mit 60,2 Prozent das bis heute beste Ergebnis für seine Partei in Wien erzielen. | ||
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+ | Als Bürgermeister setzte er sich für eine Rationalisierung und Dezentralisierung der Stadtverwaltung ein und legte den Hauptakzent seines Regierungsprogramms auf die Sektoren Gesundheit, Verkehr und Wohnungswesen. Während seiner mehr als elf Jahre dauernden Ära als Stadtoberhaupt nahmen die die [[Donauinsel]] und die [[Vienna International Centre|UNO-City]] Gestalt an, wurde das Freizeitzentrum [[Kurpark Oberlaa|Oberlaa]] eröffnet und mit dem Bau der [[Entsorgungsbetriebe Simmering]] sowie einer neuen [[Hauptkläranlage]] begonnen. In der [[Innere Stadt|Inneren Stadt]] wurden zahlreiche [[Fußgängerzonen]] eingerichtet. Nach den Ereignissen um den Einsturz der [[Reichsbrücke]] am 1. August 1976 wurden das Technische Sicherheitskontrollamt sowie fünf Bereichsleiter geschaffen. | ||
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+ | Gratz’ Amtszeit war aber auch von Problemen und negativen Entwicklungen überschattet, so etwa der Bauring- und der [[Neues Allgemeines Krankenhaus|AKH]]-Skandal sowie die Misere um das [[Rinterzelt]] in Wien-[[Donaustadt]]. | ||
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+ | Im September 1984 folgte Leopold Gratz als Nachfolger von [[Erwin Lanc]] einer Berufung als Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten in die SPÖ-[[FPÖ]]-Regierung unter Bundeskanzler [[Fred Sinowatz]]. Diesem Kabinett gehörte er bis 16. Juni 1986 an. In dieser Funktion unternahm er zahlreiche Auslandsreisen, wobei der arabische Raum die traditionelle Mittlerfunktion Österreichs für die Länder des Ostblocks sowie Vorbereitungen für den Eintritt Österreichs in die [[EU|Europäische Gemeinschaft]] als besondere Schwerpunkte galten. | ||
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+ | Nach der Wahl 1986 gehörte Leopold Gratz wieder dem Nationalrat an, zu dessen Präsidenten er im Zuge der Konstituierung im Dezember 1986 gewählt wurde. Im Gefolge der so genannten “Lucona-Affäre“, die schließlich zur Verurteilung seines langjährigen Freundes [[Udo Proksch]] wegen mehrfachen Mordes endete, trat der Wiener Politiker im Februar 1989 von allen politischen Funktionen zurück. In der Noricum-Waffenaffäre wurde er 1990 angeklagt, vom Gericht jedoch in allen Punkten freigesprochen. | ||
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+ | Von 1973 bis 1989 bekleidete der Jurist außerdem die Funktion des Präsidenten des Bundes Sozialistischer Akademiker (BSA), aus dem er 2005 nach einem Historikerbericht über die “braunen Flecken“ dieser Organisation austrat. | ||
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+ | Leopold Gratz verstarb am 2. März 2006 im [[Klinik Landstraße|Krankenhaus Rudolfstiftung]] in Wien an den Folgen eines Herzinfarkts. Er wurde am 16. März unter großer Anteilnahme der politischen Prominenz in einem Ehrengrab auf dem Wiener [[Zentralfriedhof]] beigesetzt. | ||
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+ | Leopold Gratz hat im Laufe seiner zahlreichen politischen Funktionen eine Fülle von Auszeichnungen erhalten. Anlässlich seines 50. Geburtstages wurde von der [[Zentralsparkasse der Gemeinde Wien (Institut)|Zentralsparkasse]] eine “Leopold Gratz-Stiftung“ mit einem Fonds-Vermögen von 50 Millionen Schilling errichtet, aus der 1981 erstmals Preise verliehen wurden. 2010 wurde in der Inneren Stadt der [[Leopold-Gratz-Platz]] nach dem ehemaligen Bürgermeister benannt. | ||
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+ | ==Quellen== | ||
+ | *[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Akt+++++51bc2c48-a576-42d7-88f3-65b9eb980884VERA#Akt_____51bc2c48-a576-42d7-88f3-65b9eb980884VERA Meldezettel (WStLA, BPD Wien: Historische Meldeunterlagen, K11)] | ||
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+ | ==Literatur== | ||
+ | *Wienbibliothek im Rathaus/Sammlung Josef Treitl: Leopold Gratz [Sign: JT-420] | ||
+ | *[https://search.wienbibliothek.at/primo-explore/search?institution=WBR&vid=WBR&tab=defaul_tab&search_scope=default_scope&mode=basic&displayMode=full&bulkSize=10&highlight=true&dum=true&query=any,contains,TP-016115&displayField=all&pcAvailabiltyMode=true&x=0&y=0 Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Gratz, Leopold. 22 Bände [Sign: TP-016115<nowiki>]</nowiki>] | ||
+ | *Rathauskorrespondenz, 02.03.2006 | ||
+ | *Rathauskorrespondenz, 22.06.1995 | ||
+ | *Rathauskorrespondenz, 31.10.1994 | ||
+ | *Wien bekommt einen Leopold-Gratz-Platz. In: Die Presse, 04.12.2009 | ||
+ | *[http://www.dokumentationsarchiv.at/SPOE/Braune_Flecken_SPOE.htm Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes: Die SPÖ und ihre braunen Wurzeln] [Stand: 02.01.2017] | ||
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+ | ==Weblinks== | ||
+ | *[http://www.dasrotewien.at/seite/gratz-leopold.html Lexikon Rotes Wien: Leopold Gratz] | ||
+ | *[http://www.parlament.gv.at/WWER/PAD_00466/ Parlament: Leopold Gratz] | ||
+ | *[http://austria-forum.org/af/AEIOU/Gratz%2C_Leopold Austria-Forum: Leopold Gratz] | ||
+ | *[http://de.wikipedia.org/wiki/Leopold_Gratz Wikipedia: Leopold Gratz] | ||
+ | *[https://www.wien.gv.at/advuew/internet/AdvPrSrv.asp?Layout=politiker&Type=K&POLLAY=histpolsuche&PERSONCD=2012050909041355&SUCHNAME=Gratz%20Leopold&HP=Y&PERIODE=&RF=02&ICD=2011021810192827 POLAR - Wiener Politikerinnen und Politiker Archiv: Leopold Gratz] |
Aktuelle Version vom 15. März 2024, 11:37 Uhr
Leopold Gratz, * 4. November 1929 Wien, † 2. März 2006 Wien, Politiker, Bürgermeister Wiens vom 5. Juli 1973 bis zum 10. September 1984.
Biographie
Leopold Gratz wurde als Sohn eines Bankbeamten geboren. Nach dem Besuch unter anderem der Nationalpolitischen Erziehungsanstalt (Napola) studierte er an der Universität Wien Rechtswissenschaften und schloss das Studium mit der dritten Staatsprüfung ab. 1952/1953 war er vorerst als Vertragsbediensteter beim Landesarbeitsamt Wien tätig und arbeitete von Mai 1953 bis Dezember 1954 als Angestellter des Klubs der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte, ab Jänner 1955 als Parlamentsbediensteter. Als solcher erreichte er den Rang eines Parlamentsrates.
Parallel zum beruflichen Werdegang entwickelte sich die politische Karriere des Juristen: Aus einer traditionell sozialdemokratischen Familie stammend, trat er schon während seines Studiums dem Verband Sozialistischer Studenten bei, wechselte dann zur Sozialistischen Jugend über und wurde dort Auslandssekretär.
1963 wurde Leopold Gratz Zentralsekretär der SPÖ und im Oktober des gleichen Jahres wurde er in den Bundesrat entsandt, dem er bis 6. März 1966 angehörte. Als Zentralsekretär arbeitete er an der Statutenreform der SPÖ mit und widmete sich als Obmann der Jungen Generation intensiv deren Ausbau.
Als Nachfolger Franz Olahs zum Bezirksparteiobmann von Wien-Hernals gewählt, zog er am 30. März 1966 als Abgeordneter in den Nationalrat ein, dem er vorerst bis zum 15. Juni 1973 angehören sollte. Nach der Etablierung der Minderheitsregierung Kreisky I gehörte ihr Leopold Gratz ab dem 21. April 1970 bis zum 4. November 1971 als Bundesminister für Unterricht und Kunst an. In diese Zeit fallen vor allem die Bundestheaterreform, die Sistierung der Aufnahmeprüfung an den Allgemeinbildenden Höheren Schulen und die wesentliche Ausweitung der Schulversuche.
Im Zeitraum vom 4. November 1971 bis zum 18. Juni 1973 fungierte Leopold Gratz als Geschäftsführender Klubobmann des Klubs der Sozialistischen Abgeordneten und Bundesräte, bis er als Nachfolger des wegen einer nicht wunschgemäß ausgegangenen Volksbefragung über die Verbauung des Sternwarteparks zurückgetretenen Felix Slavik zum neuen Wiener Bürgermeister gewählt wurde. Der mit 44 Jahren für einen Politiker damals relativ junge und telegene Gratz konnte bei der kurz darauf stattfindenden Gemeinderatswahl 1973 mit 60,2 Prozent das bis heute beste Ergebnis für seine Partei in Wien erzielen.
Als Bürgermeister setzte er sich für eine Rationalisierung und Dezentralisierung der Stadtverwaltung ein und legte den Hauptakzent seines Regierungsprogramms auf die Sektoren Gesundheit, Verkehr und Wohnungswesen. Während seiner mehr als elf Jahre dauernden Ära als Stadtoberhaupt nahmen die die Donauinsel und die UNO-City Gestalt an, wurde das Freizeitzentrum Oberlaa eröffnet und mit dem Bau der Entsorgungsbetriebe Simmering sowie einer neuen Hauptkläranlage begonnen. In der Inneren Stadt wurden zahlreiche Fußgängerzonen eingerichtet. Nach den Ereignissen um den Einsturz der Reichsbrücke am 1. August 1976 wurden das Technische Sicherheitskontrollamt sowie fünf Bereichsleiter geschaffen.
Gratz’ Amtszeit war aber auch von Problemen und negativen Entwicklungen überschattet, so etwa der Bauring- und der AKH-Skandal sowie die Misere um das Rinterzelt in Wien-Donaustadt.
Im September 1984 folgte Leopold Gratz als Nachfolger von Erwin Lanc einer Berufung als Bundesminister für Auswärtige Angelegenheiten in die SPÖ-FPÖ-Regierung unter Bundeskanzler Fred Sinowatz. Diesem Kabinett gehörte er bis 16. Juni 1986 an. In dieser Funktion unternahm er zahlreiche Auslandsreisen, wobei der arabische Raum die traditionelle Mittlerfunktion Österreichs für die Länder des Ostblocks sowie Vorbereitungen für den Eintritt Österreichs in die Europäische Gemeinschaft als besondere Schwerpunkte galten.
Nach der Wahl 1986 gehörte Leopold Gratz wieder dem Nationalrat an, zu dessen Präsidenten er im Zuge der Konstituierung im Dezember 1986 gewählt wurde. Im Gefolge der so genannten “Lucona-Affäre“, die schließlich zur Verurteilung seines langjährigen Freundes Udo Proksch wegen mehrfachen Mordes endete, trat der Wiener Politiker im Februar 1989 von allen politischen Funktionen zurück. In der Noricum-Waffenaffäre wurde er 1990 angeklagt, vom Gericht jedoch in allen Punkten freigesprochen.
Von 1973 bis 1989 bekleidete der Jurist außerdem die Funktion des Präsidenten des Bundes Sozialistischer Akademiker (BSA), aus dem er 2005 nach einem Historikerbericht über die “braunen Flecken“ dieser Organisation austrat.
Leopold Gratz verstarb am 2. März 2006 im Krankenhaus Rudolfstiftung in Wien an den Folgen eines Herzinfarkts. Er wurde am 16. März unter großer Anteilnahme der politischen Prominenz in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
Leopold Gratz hat im Laufe seiner zahlreichen politischen Funktionen eine Fülle von Auszeichnungen erhalten. Anlässlich seines 50. Geburtstages wurde von der Zentralsparkasse eine “Leopold Gratz-Stiftung“ mit einem Fonds-Vermögen von 50 Millionen Schilling errichtet, aus der 1981 erstmals Preise verliehen wurden. 2010 wurde in der Inneren Stadt der Leopold-Gratz-Platz nach dem ehemaligen Bürgermeister benannt.
Quellen
Literatur
- Wienbibliothek im Rathaus/Sammlung Josef Treitl: Leopold Gratz [Sign: JT-420]
- Wienbibliothek im Rathaus/Tagblattarchiv: Gratz, Leopold. 22 Bände [Sign: TP-016115]
- Rathauskorrespondenz, 02.03.2006
- Rathauskorrespondenz, 22.06.1995
- Rathauskorrespondenz, 31.10.1994
- Wien bekommt einen Leopold-Gratz-Platz. In: Die Presse, 04.12.2009
- Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes: Die SPÖ und ihre braunen Wurzeln [Stand: 02.01.2017]