Bürgerspitalzinshaus: Unterschied zwischen den Versionen

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Die Mieter kamen aus allen Bevölkerungsschichten, auch prominente Namen fehlen nicht (Raimunds Vater Jakob Raimann, [[Emanuel Schikaneder|Johann Emanuel Schikaneder]] mit seiner Gattin Eleonore, Friedrich Treitschke, Schuberts Freund [[Franz Xaver Schlechta|Franz Freiherr von Schlechta]], 1830/1831 vorübergehend [[Franz Grillparzer]], weiters der Historiker Johann Kaltenböck, der Hofbibliothekskustos Adam Ritter von Barsch, der Hofkammerarchivsdirektor [[Johann Georg Megerle von Mühlfeld]]; weiters viele Sänger, Musiker und Komponisten des nahegelegenen Kärntnertortheaters, wie [[Konradin Kreutzer]] und andere). In der Wohnung des Hofkonzipisten der königlich-ungarischen Hofkanzlei Nikolaus Zmeskall von Domanovecz wurden über lange Jahre hinweg "Privatmorgenkonzerte" veranstaltet. Zmeskall war laut [[Leopold von Sonnleithner]] ein begabter Cellist, außerdem komponierte er (seine Kompositionen, die er nie veröffentlichte, vermachte er dem [[Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde]]). Bei diesen Konzerten traten nur die besten (Kammer-)Musiker vor sehr wenigen Zuhörern auf. Auch [[Ludwig van Beethoven|Beethoven]] ließ hier nach seinem Bruch mit dem Fürsten [[Karl Lichnowsky|Lichnowsky]] seine neuesten Werke versuchsweise aufführen.  
 
Die Mieter kamen aus allen Bevölkerungsschichten, auch prominente Namen fehlen nicht (Raimunds Vater Jakob Raimann, [[Emanuel Schikaneder|Johann Emanuel Schikaneder]] mit seiner Gattin Eleonore, Friedrich Treitschke, Schuberts Freund [[Franz Xaver Schlechta|Franz Freiherr von Schlechta]], 1830/1831 vorübergehend [[Franz Grillparzer]], weiters der Historiker Johann Kaltenböck, der Hofbibliothekskustos Adam Ritter von Barsch, der Hofkammerarchivsdirektor [[Johann Georg Megerle von Mühlfeld]]; weiters viele Sänger, Musiker und Komponisten des nahegelegenen Kärntnertortheaters, wie [[Konradin Kreutzer]] und andere). In der Wohnung des Hofkonzipisten der königlich-ungarischen Hofkanzlei Nikolaus Zmeskall von Domanovecz wurden über lange Jahre hinweg "Privatmorgenkonzerte" veranstaltet. Zmeskall war laut [[Leopold von Sonnleithner]] ein begabter Cellist, außerdem komponierte er (seine Kompositionen, die er nie veröffentlichte, vermachte er dem [[Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde]]). Bei diesen Konzerten traten nur die besten (Kammer-)Musiker vor sehr wenigen Zuhörern auf. Auch [[Ludwig van Beethoven|Beethoven]] ließ hier nach seinem Bruch mit dem Fürsten [[Karl Lichnowsky|Lichnowsky]] seine neuesten Werke versuchsweise aufführen.  
  
Ab 1794 bestand im Bürgerspitalzinshaus ein Kaffeehaus. Simon Corra, der es 1821 übernahm, richtete erstmals in Wien einen Kaffeehausvorgarten ("Schanigarten") ein. 1846 wurde das Café einer umfassenden Umgestaltung durch den Architekten Martinetti unterzogen, der es mit viel Carrarramarmor und Mahagoni ausstattete und mit rotem und grünem Samt tapezierte. Auch dieses Lokal stand mit Künstlern in enger Verbindung: es entwickelte sich zum Treffpunkt von Schauspielern und Schriftstellern (unter anderen [[Adolf Bäuerle|Bäuerle]], [[Eduard von Bauernfeld|Bauernfeind]], [[Ignaz Franz Castelli|Castelli]], [[Johann Josef La Roche|Laroche]] und [[Johann Gabriel Seidl|Seidl]]).  
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Ab 1794 bestand im Bürgerspitalzinshaus ein Kaffeehaus, das [[Café Corra]]. Simon Corra, der es 1821 übernahm, richtete erstmals in Wien einen Kaffeehausvorgarten ("Schanigarten") ein. 1846 wurde das Café einer umfassenden Umgestaltung durch den Architekten Martinetti unterzogen, der es mit viel Carrarramarmor und Mahagoni ausstattete und mit rotem und grünem Samt tapezierte. Auch dieses Lokal stand mit Künstlern in enger Verbindung: es entwickelte sich zum Treffpunkt von Schauspielern und Schriftstellern (unter anderen [[Adolf Bäuerle|Bäuerle]], [[Eduard von Bauernfeld|Bauernfeind]], [[Ignaz Franz Castelli|Castelli]], [[Johann Josef La Roche|Laroche]] und [[Johann Gabriel Seidl|Seidl]]).  
  
 
Der Komplex wurde 1873 bis 1875 ([[Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien]]) beziehungsweise stückweise zwischen 1874 und 1883 ([[Paul Harrer: Wien, seine Häuser]]) abgebrochen. Die Parzellierung erfolgte durch die [[Allgemeine Österreichische Baugesellschaft]] (gegründet 1869 von der Creditanstalt). Bei dieser Gelegenheit entstanden die Tegetthoffstraße, die Mayseder- und die Führichgasse. Die Neubauten bewirkten eine enorme Veränderung des Stadtbilds (siehe [[Kärntner Hof]] und [[Philipphof]]).  
 
Der Komplex wurde 1873 bis 1875 ([[Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien]]) beziehungsweise stückweise zwischen 1874 und 1883 ([[Paul Harrer: Wien, seine Häuser]]) abgebrochen. Die Parzellierung erfolgte durch die [[Allgemeine Österreichische Baugesellschaft]] (gegründet 1869 von der Creditanstalt). Bei dieser Gelegenheit entstanden die Tegetthoffstraße, die Mayseder- und die Führichgasse. Die Neubauten bewirkten eine enorme Veränderung des Stadtbilds (siehe [[Kärntner Hof]] und [[Philipphof]]).  

Version vom 18. August 2016, 09:20 Uhr

Bürgerspitalszinshaus (Anonymes Aquarell, 19. Jahrhundert)
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von
Datum bis
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Bürgerspital
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner Jakob Raimann, Emanuel Schikaneder, Friedrich Treitschke, Franz Xaver Schlechta, Franz Grillparzer, Johann Kaltenböck, Adam Barsch, Johann Georg Megerle von Mühlfeld, Konradin Kreutzer, Nikolaus Zmeskall von Domanovecz
PageID 13344
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser
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Recherche
Letzte Änderung am 18.08.2016 durch WIEN1.lanm08mic
Bildname Buergerliches Wien 100 Bürgerspitalzinshaus.jpg
Bildunterschrift Bürgerspitalszinshaus (Anonymes Aquarell, 19. Jahrhundert)
  • 1., Maysedergasse 2-8
  • 1., Tegetthoffstraße 5-9
  • 1., Lobkowitzplatz 1
  • 1., Gluckgasse 1-5
  • 1., Augustinerstraße 8
  • 1., Führichgasse 5
  • 1., Albertinaplatz 1
  • 1., Tegetthoffstraße 6-10
  • Nr.: 1100 (Bezirk: Innere Stadt, 1821, bis: 1862)
  • Nr.: 1123 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1124 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1125 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1126 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1166 (Bezirk: Innere Stadt, 1795, bis: 1821)

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48° 12' 17.19" N, 16° 22' 8.20" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Kartenausschnitt aus Wien Kulturgut

Bürgerspitalzinshaus (Areal 1, Maysedergasse 2-8, Tegetthoffstraße 5-9, 6-10, Lobkowitzplatz 1, Gluckgasse 1-5, Augustinerstraße 8, Führichgasse 5, Albertinaplatz 1; Konskriptionsnummer 1100), entstanden durch Um- beziehungsweise Neubau des Bürgerspitals am Schweinemarkt.

Das Bürgerspitalzinshaus reichte von der Kärntner Straße bis zum Lobkowitzplatz und von der Augustinerstraße bis zur Gluckgasse, hatte zehn Höfe, 20 Stiegen, 220 Wohnungen und zahlreiche Geschäftslokale. Es besaß sechs Eingänge: Ein Fahrtor von der Kärntner Straße, zwei vom Spitalplatz, eines gegenüber dem Lobkowitzpalais, sowie eine einfache Tür und ein für den Wagenverkehr gesperrtes Fahrtor in der Klostergasse. Laut Moritz Bermann, der allerdings elf Höfe angibt, besaß das Haus 4000 Fenster und 3000 Türen. Die Mietzinseinnahmen in Höhe von 90.000 Gulden kamen dem Bürgerspitalfonds zugute, dem das Gebäude gehörte. Dieser hatte die Altenversorgung in Wien zu finanzieren.

Die Mieter kamen aus allen Bevölkerungsschichten, auch prominente Namen fehlen nicht (Raimunds Vater Jakob Raimann, Johann Emanuel Schikaneder mit seiner Gattin Eleonore, Friedrich Treitschke, Schuberts Freund Franz Freiherr von Schlechta, 1830/1831 vorübergehend Franz Grillparzer, weiters der Historiker Johann Kaltenböck, der Hofbibliothekskustos Adam Ritter von Barsch, der Hofkammerarchivsdirektor Johann Georg Megerle von Mühlfeld; weiters viele Sänger, Musiker und Komponisten des nahegelegenen Kärntnertortheaters, wie Konradin Kreutzer und andere). In der Wohnung des Hofkonzipisten der königlich-ungarischen Hofkanzlei Nikolaus Zmeskall von Domanovecz wurden über lange Jahre hinweg "Privatmorgenkonzerte" veranstaltet. Zmeskall war laut Leopold von Sonnleithner ein begabter Cellist, außerdem komponierte er (seine Kompositionen, die er nie veröffentlichte, vermachte er dem Archiv der Gesellschaft der Musikfreunde). Bei diesen Konzerten traten nur die besten (Kammer-)Musiker vor sehr wenigen Zuhörern auf. Auch Beethoven ließ hier nach seinem Bruch mit dem Fürsten Lichnowsky seine neuesten Werke versuchsweise aufführen.

Ab 1794 bestand im Bürgerspitalzinshaus ein Kaffeehaus, das Café Corra. Simon Corra, der es 1821 übernahm, richtete erstmals in Wien einen Kaffeehausvorgarten ("Schanigarten") ein. 1846 wurde das Café einer umfassenden Umgestaltung durch den Architekten Martinetti unterzogen, der es mit viel Carrarramarmor und Mahagoni ausstattete und mit rotem und grünem Samt tapezierte. Auch dieses Lokal stand mit Künstlern in enger Verbindung: es entwickelte sich zum Treffpunkt von Schauspielern und Schriftstellern (unter anderen Bäuerle, Bauernfeind, Castelli, Laroche und Seidl).

Der Komplex wurde 1873 bis 1875 (Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien) beziehungsweise stückweise zwischen 1874 und 1883 (Paul Harrer: Wien, seine Häuser) abgebrochen. Die Parzellierung erfolgte durch die Allgemeine Österreichische Baugesellschaft (gegründet 1869 von der Creditanstalt). Bei dieser Gelegenheit entstanden die Tegetthoffstraße, die Mayseder- und die Führichgasse. Die Neubauten bewirkten eine enorme Veränderung des Stadtbilds (siehe Kärntner Hof und Philipphof).


Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre


Literatur

  • Felix Czeike: Die Kärntner Straße. Wien [u.a.]: Zsolnay 1975 (Wiener Geschichtsbücher, 16), S. 69 ff.
  • Hans Pemmer: Das Bürgerspitalzinshaus und seine Bewohner im Vormärz. In: Wiener Geschichtsblätter 12 (1957), S. 73 ff.
  • Robert Messner: Wien vor dem Fall der Basteien. 1958, S. 157
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 323 f. (Bürgerspital)
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 1. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 90 f.