Wieden
48° 11' 28.90" N, 16° 22' 11.27" E zur Karte im Wien Kulturgut
Der vierte und der fünfte Bezirk (Margareten) bilden siedlungsmäßig und landschaftlich eine Einheit, die von der Wientalfurche und dem flachen Nordhang des Wienerbergs bestimmt ist. Die Wiedner Hauptstraße ist bis heute die wichtigste Ausfallstraße nach dem Süden geblieben, ihre Anlage ist für die zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts urkundlich gesichert. Die (namengebende) Vorstadt Wieden wurde 1861 mit den übrigen seinerzeit auf dem Gebiet des heutigen vierten und fünften Bezirks gelegenen Vorstädten als vierter Bezirk nach Wien eingemeindet, der heutige fünfte Bezirk Margareten jedoch 1861/1862 als selbständiger Bezirk abgetrennt; weiterhin reichte jedoch die Wieden in Richtung Favoriten über den Linienwall (seit 1873 Gürtelstraße) hinaus; erst in diesem Jahr wurden die südlich des Gürtels gelegenen Teile des dritten bis fünften Bezirks Bestandteile des neugegründeten zehnten Bezirks Favoriten.
Bezirkswappen
Weidenbaum (Wieden), mit Pfauenfedern besteckte Krone, aus der sich der Südturm der Stephanskirche erhebt (Schaumburgergrund), vom heiligen Florian und heiligen Petrus beseiteter Ziehbrunnen, überhöht von der Figur des heiligen Leopold (Hungelbrunn).
Bezirksgrenzen
Im Jahr 1850 wurden Vorstädte Wieden, Schaumburgergrund, Hungelbrunn, Matzleinsdorf und Nikolsdorf zum Bezirk Wieden vereint, die drei letztgenannten jedoch 1862 abgetrennt und zum eigenständigen Bezirk Margareten.
Bezirksgeschichte
Die Wieden(Vorstadt) gilt als die älteste Vorstadt Wiens. Ein Besiedlung ist seit 1137 gesichert, bestand aber wohl schon einige Zeit zuvor. Die Vorstadt wurde während der Ersten Türkenbelagerung(1529) und der Zweiten Türkenbelagerung(1683) völlig zerstört. Im 18. Und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kam es zu einem rasanten Siedlungs- und Bevölkerungswachstum. Während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etablierte sich der Bezirk als typisch bürgerlich, mit zahlreichen Botschaften, Bildungs- und Kulturinstitutionen. Aber auch zahlreiche Adelspalais prägten seinen Charakter. Nach Ende des Ersten Weltkriegs blieb zwar die Bevölkerungsstruktur erhalten, doch zeitigten die Vermögensverluste infolge des Ersten Weltkrieges ihre Wirkung. In die Adelspalais zogen zum Teil Kriegsgewinner wie der Spekulant Camillo Castiglioni. In der NS-Zeit wurde das Rothschildpalais vom Regime „arisiert“ und diente Adolf Eichmann bei der Organisation der Verfolgung und Ermordung der österreichischen Juden als Zentrale. Der Bezirk war während des Luftkrieges massiven Zerstörungen ausgesetzt. 21% der Häuser wurden komplett zerstört. Nach dem Ende der Besatzungszeit kam es zu einer raschen Neuaufwertung des in der sowjetischen Zone gelegenen Bezirks der bis in die Gegenwart zu den gehobenen bürgerlichen Bezirken Wiens mit überdurchschnittlicher Kaufkraft seiner Bewohner zählt. Die Gründung der Diplomatischen Akademie im Jahr 1964, der Bau des Neuen Institutsgebäudes der Technischen Universität und deren Bibliothek im Jahr 1980 verstärkten den Universitätsstandort, ebenso wie jene von Theatern (Freie Bühne Wieden: 1977, Akzent: 1989, Radiokulturhaus: 1997) den Kulturbezirk Wieden.
Wirtschaftsgeschichte
Die Errichtung des Südbahnhofes 1873 ließ zahlreiche metallverarbeitende Betriebe in dessen Nähe entstehen. Die Einwölbung des Wienflusses im Jahr 1899 ermöglichte die 1902 erfolgte Verlegung des Naschmarktes vom Freihausviertel in die freie Gewölbefläche. Nach Ende der Besatzungszeit kam es zur Neuansiedlung der Arbeiterkammer für Wien nach Abriss des ehemaligen Rotschildpalais im Jahr 1960 in einem Neubau in der Prinz Eugen Straße. In der Wiedner Hauptstraße wurde das Semperithaus errichtet, welches in weiterer Folge umgebaut die Wirtschaftskammer Österreich beheimatet.
Bauliche Gestalt
Im Jahr 1850 wurde die Elisabethbrücke an Stelle der alten steinernen Brücke errichtet. Auf Grund der Einwölbung des Wienflusses wurde sie 1897 wieder abgebrochen. Schon 1855 erfolgte der Bau der Kommunal Oberrealschule Waltergasse. Das Schleifen der Stadtmauern führte ab 1858 zu einem Bauboom im historistischen Baustil. Dazu kamen nach der Jahrhundertwende zahlreiche Jugendstilbauten. 1860 wurde die Evangelische Schule am Karlsplatz durch Theophil Hansen errichtet, 1862 entstand der Resselpark mit zahlreichen Denkmälern. Der Bau der St. Elisabeth-Kirche erfolgte 1867. Die Errichtung desw Städtischen Volksbades in der Klagbaumgasse 1893 stand im Zeichen der Bemühungen zur Hebung der Volksgesundheit. Im Jahr 1913 wurde mit der völligen Demolierung des Freihauses begonnen. In der Zwischenkriegszeit bildeten die Errichtung des Funkhauses in der Argentinierstraße und die Anlegung der Operngasse wichtige bauliche Veränderungen. Am Karlsplatz wurde 1954-1958 das Historische Museum der Stadt Wien errichtet. Der Abbruch des Wiedner Krankenhauses 1956 ermöglichte den Bau des Bertha von Suttner-Hofes. Es folgten 1959 der Abbruch des Johann-Strauß-Theaters Scala Kino und des Palais Erzherzog Rainer auf dessen Gelände das Semperithaus errichtet wurde. 1967 wurde das Bestattungsmuseum eröffnet, 1969 der Neubau des Amtshauses für den 4. Bezirk, 1997 das Bezirksmuseum und Rauchfangkehrermuseum, welches im ehemaligen städtischen Volksbad angesiedelt wurde. Im Zuge des U-Bahn-Baus erfuhr der Karlsplatz 1970 einschließlich des Resselparks eine grundlegende Umgestaltung. Dies war 1978 mit der Eröffnung der U1 abgeschlossen.
Statistik
Häuser (heutiges Gebiet)
- 1783: 430 (Pfarren)
- 1864: 876
- 1880: 956
- 1890: 1.028
- 1901: 1.104
- 1910: 1.179
- 1920: 1.189
- 1923: 1.226
- 1934: 1.236
- 1951: 979
- 1961: 1.148
- 1971: 1.325
- 1981: 1.479
- 1991: 1.589
- 2001: 1.583
+ Bis 1864 Summe Wieden,Hungelbrunn, Schaumburgergrund (soweit bereits existierend).
Einwohner (heutiges Gebiet)
- 1777: 10.367
- 1783: 12.117
- 1796: 14.691
- 1830: 27.841
- 1840: 34.695
- 1851: 47.054
- 1857: 52.099
- 1869 alt: 69.505 +
- 1869: 55.682
- 1880: 58.336
- 1890: 59.464
- 1900: 60.359
- 1910: 62.938
- 1923: 57.635
- 1934: 53.063
- 1939: 47.610
- 1951: 45.132
- 1961: 46.441
- 1971: 39.619
- 1981: 31.800
- 1991: 31.410
- 2001: 28.357
- 2011: 30.700
+ Bis 1869 Summe Wieden (Teile),Hungelbrunn (Teile), Schaumburgergrund (soweit bereits existierend).
Häuserschematismen
Verlinkungen zu Häuserschematismen sind in den jeweiligen Artikeln zu den Vorstädten beziehungsweise Vororten zu finden.
Bezirksvorsteher
- Anton Burg (1862-1869)
- Johann Pichler (1870-1971)
- Franz Winkler-Forazest (1871-1885)
- August Falk (1885-1889)
- Matthäus Bayer (1889-1897)
- Franz Rienößl (1897-1915; Rienößlgasse)
- Maximilian Charwat (1915-1932; Christlichsozial)
- Gottfried Albrecht (1932-1934; Sozdemokrat)
- Otto Höß (1934-1938)
- G. Albrecht (circa 20.Juni 1945-16. April 1946; Sozialdemokratische Partei Österreichs)
- Franz Stöger (16. April 1946-19. April 1952; * 18. Juni 1881, † 9. September 1956; Österreichische Volkspartei)
- Franz Ramel (19. April 1952-31. Oktober 1969; * 28. Juni 1905, † 17. Juli 1979; Österreichische Volkspartei)
- Herbert Walkerstorfer (6. November 1969-15. November 1973; * 10. Mai 1914; Österreichische Volkspartei)
- Herta Haider (15. November 1973-17. Dezember 1987; * 27. September 1930; Österreichische Volkspartei)
- DDr. Karl Lengheimer (seit 17. Dezember 1987; * 24. August 1946; Österreichische Volkspartei)
Siehe auch
Literatur
- Felix Czipek: Bezirksmuseum Wieden (Wiener Geschichtsblätter Beiheft 6/2002), Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 2002
- Ferdinand Opll: Erstnennung von Siedlungsnamen im Wiener Raum. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Kommentare zum Historischen Atlas von Wien, 2), S. 51
- Adalbert Klaar: Die Siedlungsformen Wiens. Wien: Zsolnay 1971, S. 57
- Robert Messner: Die Wieden im Vormärz. Historisch-topographische Darstellung der südwestlichen Vorstädte und Vororte Wiens auf Grund der Katastralvermessung. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1982 (Topographie von Alt-Wien, 7)
- Anton Ziegler [Zusmst.]: Die kaiserlich-königlichen Polizei-Bezirke Wieden und Margarethen mit den Vorstadt-Gemeinden Alte und neue Wieden, Schaumburger-Grund, Hungelbrunn, Laurenzer-Grund, Matzleinsdorf, Nickolsdorf, Hundsthurm, Reinprechtsdorf und Margarethen. Wien: Haller [1860]
- Carl Hofbauer: Die Wieden mit den Edelsitzen Conradswerd, Mühlfeld, Schaumburgerhof und dem Freigrunde Hungerbrunn. Historisch-topograph. Skizzen zur Schilderung der Vorstädte Wiens. Wien: Gorischek 1864
- Franz G. Schaffer: Zur Geschichte der Wiener Stadtbezirke Wieden und Favoriten. Wien: Hauck 1891
- Die Wieden. Gerlach u. Wiedling 1913 (Wiener Heimatbücher, 4)
- Jacob Blümel: Die Geschichte der Entwicklung der Wiener Vorstädte. 3 Bände. Wien: Cornelius Vetter 1884-1886
- Felix Czeike: IV. Wieden. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1979 (Wiener Bezirkskulturführer, 4)
- Géza Hajós / Walther Brauneis: Die Profanbauten des III., IV. und V. Bezirkes. Wien: Schroll 1980 (Österreichische Kunsttopographie, 44.2), S. 199 ff.
- Bundesdenkmalamt [Hg.]: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Wien. II. bis IX. und XX. Bezirk. Wien 1993, S.140 ff.
- Renate Wagner-Rieger: Das Wiener Bürgerhaus des Barock und Klassizismus. Wien: Hollinek 1957 (Österreichische Heimat, 20), S. 150 ff.
- Hans Hautmann / Rudolf Hautmann: Die Gemeindebauten des Roten Wien 1919-1934. Wien: Schönbrunn-Verlag 1980, S. 284 ff.
- Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1. - 12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 146 ff.
- Wolfgang J. Bandion: Steinerne Zeugen des Glaubens. Die Heiligen Stätten der Stadt Wien. Wien: Herold 1989, S. 134 ff.
- Leopold Hochberger / Joseph Noggler: Geschichte der Wiener Apotheken. Wien: Verlag des Wiener Apotheker-Hauptgremiums 1917-1919, S. 102 ff.
- Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959, S.148 ff.
- Hans Markl: Die Gedenktafeln Wiens. Wien: ABZ-Verlag 1949, S. 91 ff.
- Emmerich Siegris: Alte Wiener Hauszeichen und Ladenschilder. Wien: Burgverlag 1924, S. 88 f.
- Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1895]). Cosenza: Brenner 1967, Band 3, S. 1 ff.
- Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 98 ff.
Bevölkerungsgeschichte
- Historisches Ortslexikon. Statistische Dokumentation zur Bevölkerungs- und Siedlungsgeschichte. Wien: http://www.oeaw.ac.at/fileadmin/subsites/Institute/VID/PDF/Publications/diverse_Publications/Historisches_Ortslexikon/Ortslexikon_Wien.pdf
- Andreas Weigl: Eine Neuberechnung der Bevölkerungsentwicklung Wiens nach Bezirken 1777-1869. In: Wiener Geschichtsblätter 50 (1995), S. 219-238.
- Statistik Austria, Volkszählung 2001. Wohnbevölkerung nach Gemeinden (mit der Bevölkerungsentwicklung seit 1869). Wien 2002, S. 98 f.
- Statistik Austria: Census 2011 Wien. Ergebnisse zur Bevölkerung aus der Registerzählung. Wien 2013, S. 32.
- Statistik Austria: Census 2011 Gebäude- und Wohnungszählung. Ergebnisse zu Gebäuden und Wohnungen aus der Registerzählung. Wien 2013, S.152.
- Statistisches Jahrbuch der Stadt Wien 2004. Wien 2004, S. 178.