Naschmarkt

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Der Naschmarkt vom Osten aus gesehen (1973)
Daten zum Objekt
Art des Objekts Markt
Datum von 1902
Datum bis
Name seit
Andere Bezeichnung Aschenmarkt
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Bezirk 4, 5, 6
Prominente Bewohner
Besondere Bauwerke
PageID 15153
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Bildname Naschmarkt.jpg
Bildunterschrift Der Naschmarkt vom Osten aus gesehen (1973)
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48° 11' 52.63" N, 16° 21' 44.54" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Der Begriff

Die frühe Namensform "Aschenmarkt" leitet sich vielleicht von einem Aschen- und Müllplatz ab, der sich vor dem Freihaus befunden hatte, vielleicht aber auch vom Begriff "Asch" für einen hölzernen Milcheimer. Ab 1820 ist die verballhornte Namensform "Naschmarkt" belegt, wohl inspiriert durch die dort erhältlichen Süßigkeiten. 1905 erhielt der Markt offiziell seinen heutigen Namen.

Der Ort

Der Wiener Naschmarkt lag bis um 1900 direkt vor dem Freihaus auf der Wieden und stadtwärts stand das Heiligengeistspital. Die Gegend blieb lange verödet, da sie in den späteren Fortifikationsrayon fiel, also außerhalb der Stadtmauern lag und dort noch wenig gebaut wurde. Seit 1902 besteht der gegenwärtige Naschmarkt zwischen dem Verkehrsbüro und dem Marktamt an der Kettenbrückengasse (heutige Station U4). Der samstägliche Flohmarkt befindet sich am Areal hinter der Kettenbrückengasse direkt über dem Wienfluss, der an dieser Stelle vollständig überwölbt wurde. Früher gab es an dieser Stelle den Großmarkt, der mittlerweile nach Inzersdorf übersiedelt ist.

Naschmarkt bis 1902

Der Vorläufer des Naschmarkts war ein auf der Freyung in der Stadt eingerichteter Obst- und Gemüsemarkt. Dieser wurde wegen anhaltender Auseinandersetzungen zwischen dem Magistrat und dem Schottenkloster 1780 vor das fürstlich Starhembergische Freyhaus, dem heutigen Bereich Wiedner Hauptstraße - Resselgasse - Operngasse, verlegt.

1774 wird an der Stelle des heutigen Naschmarkts ein Kleinmarkt erwähnt, am dem hauptsächlich Milch gehandelt wird. Später kommen zunehmend auch andere Marktstände hinzu. Beispielsweise die Bratelbrater und Knödelköchinnen, in ihren sogenannten Knödelhütten. Im Zuge der 1786-1790 erfolgten Renovierung des Freihauses und der Regulierung des Mühlbachs wurde der Platz dort eingeebnet.

Ab 1793 musste alles auf Wagen nach Wien zugeführte Obst und Gemüse auf dem Naschmarkt verkauft werden, wohingegen das über die Donauschiffe einlangende Obst auf den Markt beim Schanzel kam. Die "Verkaufsstände" waren sehr begehrt und seitens der Händler oft teuer erworben. Daher blieben sie oft über mehrere Generationen innerhalb einer Familie. Mit seiner Rolle als Approvisionierungsmarkt (Approvisionierung) (Versorgungsmarkt) erhielt der Naschmarkt ab 1819 eine Aufwertung.

Im Verlauf der Wienflussregulierung wurde der Naschmarkt um die Jahrhundertwende "provisorisch" verlegt. Die Regulierung des Wienflusses um 1895 endete flussaufwärts am nördlichen Ende des Karlsplatzes (Karlsplatz) auf der Höhe des Schikanedersteges. Später wurde die Überwölbung bis zur Schleifmühlgasse weitergebaut. Der neue Standort des Naschmarktes befand sich ab jetzt auf dem überwölbten Wienfluss zwischen der Linken Wienzeile und Rechten Wienzeile . Die erste Etappe der Verlegung erfolgte zwischen 1895-1901. Das Teilstück zwischen Rüdiger (Rüdigergasse)– und Schleifmühlgasse wurde erst 1915/1916 fertig gestellt.

Der Detailmarkt für überwiegend Obst und Gemüse war zwischen dem Getreidemarkt und der Kettenbrückengasse zu finden. Der Großmarkt war westlich der Kettenbrückengasse angesiedelt worden.

Naschmarkt (1900)

Naschmarkt ab 1902

Die geplante Errichtung eines Prachtboulevards bis nach Schönbrunn hätte allerdings seine Absiedlung erfordert. Die Diskussion um einen neuen Standort des Marktes wurde durch den Beginn des Ersten Weltkrieges beendet.

Ab 1902 wurden drei Zeilen mit Marktpavillons errichtet, die jeweils parallel zueinander standen. Sie gaben dem Markt das einheitliche Erscheinungsbild, das ihn heute noch prägt. Die mittlere Zeile wurde blockweise durchgängig überdacht und erhielt runde Bogendurchgänge. Den Abschluss des Naschmarktes an der Kettenbrückengasse bildeten das Marktamtsgebäude, von Friedrich Jäckel, der auch den gesamten neuen Naschmarkt konzipierte, und die Naschmarktkapelle (ehemals Johannes-Nepomuk-Kapelle von etwa 1817, war Vorbau der Rosalienkapelle im Freihaus auf der Wieden; Maria geweiht). 1919 kam es zu einer "Marktregulierung". Der innere, ursprüngliche Teil des Marktes wurde aufgelassen. Der Naschmarkt war damit auf den heutigen Standort entlang der Wienzeile beschränkt. Im Zuge der Marktregulierung wurde die Magdalenenbrücke entfernt (Pilgrambrücke). Das Verkehrsaufkommen (Verkehrsgeschichte) um den Naschmarkt nahm besonders nach 1945 stark zu.

Marienstatue im Marktamtsgebäude

Im neu errichteten Mrktamtsgebäude wurde dem Wunsch der Naschmarktfrauen/Standlerinnen entsprechend die bereits am alten Standort des markts verhrte Marienstatue in einer Nische beim Eingang wieder aufgestellt. Der Kultgegenstand ist eine stehende, bemalte Marienstatue in einem bis auf die Füße reichenden Mantel, die Hände zum Gebet gefaltet, das Haupt von einem schleierartigen Tuch bedeckt (Ende 17. Jahrhundert), die ursprünglich die 1414 errichtete Bäckersäule auf der steinernen Brücke über den Wienfluss zierte. das Datum der Anbringung ist unbekannt (nachweislich befand sie sich dort erst 1729). Als die Säule 1772 abgebrochen wurde, kam die Statue (oder deren Kopie?) zunächst in eine Mauernische nächst der Brücke, 1916 in den Flur des Marktamtsgebäudes. Vielleicht wurde die Statue ursprünglich von den Bäckern verehrt, denn die Bäckerinnung hat sich immer um die Erhaltung der Statue gekümmert (mehrfache Renovierungen). Siehe dazu auch Bäckerkreuze.

Ab 1916 wurde am stadtauswärtigen Ende des Marktes provisorisch ein Obst-, Gemüse- und Blumengroßmarkt eingerichtet.

Im November 1945 wurde ein Ideenwettbewerb der Stadt Wien ausgeschrieben. Ziel war Ideen zur Gestaltung des Karlsplatzes und seiner Umgebung aus einer städtebaulichen und verkehrstechnischen Perspektive zu sammeln. Der Naschmarkt und das in den 1920er Jahre errichtete Verkehrsbüro durften laut den Ausschreibungsunterlagen "wegfallen". Hier zeichneten sich die Pläne der sechsspurigen Wientalstraße entlang einer vollständigen Überwölbung des Wienflusses ab. Diese Straße, sollte den zunehmenden Verkehr aus dem Westen aufnehmen können. Doch trotz der steigenden Debatte über Verkehrs- und Stadtplanung, wurden einstige Pläne eines Boulevards, einer Prachtstraße (Avenuen) entlang des Wienflusses nach 1945 nicht mehr ernst genommen. Auch wurden Überlegungen zur Errichtung einer Schnellstraße in den 1970er Jahren eingestellt. Die Wientalstraße existiert neben dem Wienfluss und führt in die Stadt, wo sie ab Auhof in die linke und rechte Wienzeile geteilt wird.

Anton Weber eröffnete 1946 die Diskussion über einen Zentralgroßmarkt. Für ihn erklärt sich die Struktur des Naschmarktes aus der Entwicklung Wiens aus einer Dorfstruktur, welche sich in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts in eine Großstadt formte. Aufgrund der veränderten Nutzung und transformierenden Entwicklung der Bereiche rund um die Ringstraße müsse an eine Umgestaltung des Naschmarktes gedacht werden.

1951 legte der Leiter der Stadtplanung Karl H. Brunner dem Gemeinderat seinen Bericht "Stadtplanung für Wien" vor, in dem er eine Zwischenlösung präsentierte. Hauptziel sollte eine Reform der Verkehrsabwicklung sein. Die Standreihe an der Rechten Wienzeile im Bereich Schleifmühlgasse und Kettenbrückengasse sollte entfernt werden. Die Straße könnte so verbreitert werden und Parkplätze gewonnen werden. Die abgetragenen Stände sollten an der Stelle des heutigen Alfred-Grünwald-Park wieder angesiedelt werden. Sollte der Naschmarkt später aufgrund der Wientalstraße weichen müssen, wäre hier schon vorsorglich geplant. Die Planungskommission des Gemeinderats nahm seinen Vorschlag zur Kenntnis und empfahl der Stadtverwaltung die Umsetzung. Sie wollte weiterhin die bereits bestehende Wientalstraße von der Magdalenenstraße bis Schönbrunn ausbauen.

Die Kritik am Naschmarkt spitzte sich zu, es wurde von einem "Schandfleck", und "Rattenplagen" gesprochen, und ein neuer Standort für den Obst- und Gemüsegroßmarkt gesucht. Immer öfter wurde erwähnt, dass der Naschmarkt auf der Überwölbung des Wienflusses schon immer als Provisorium geplant war. Die Situierung des Naschmarkts auf der Einwölbung bis zur Schleifmühlgasse war 1902 wirklich als Provisorium gedacht. Die Verlegung des gesamten Marktes 1916 aber nicht.

Roland Rainer war ab 1958 Stadtplaner von Wien. Seine Vision war die einer gegliederten und aufgelockerten Stadt. Das Bild einer Stadt die sich durch Stadterweiterung definierte war für ihn nicht interessant. Vielmehr verstand er sein Tun als Stadterneuerung, Umgruppierung und "zeitgemäße[n] Neuordnung des gesamten Lebensraumes".

In den 1980er Jahren wurde der Naschmarkt modernisiert. Dies betraf vor allem die Infrastruktur innerhalb des Marktes. Außerdem wurden auch Geschäfte abseits von Gemüse und Obstständen eröffnet. Inzwischen ist der Naschmarkt auch zu einem abendlichen Treffpunkt für Feinschmecker geworden. Mit frischen Zutaten vom Markt und hippen lokalen zieht er nicht nur Touristen zum Ausklang des Tages an, sondern auch Wienerinnen und Wiener. Im Anschluss an den weiterhin bestehenden Detailmarkt wird außerdem samstags auf dem Areal des aufgelassenen Großmarktes ein Flohmarkt abgehalten. Der Großmarkt wurde nach Inzersdorf übersiedelt.
Weiteres gibt es am Naschmarkt das Ateliertheater.

Sanierung 2010 bis 2015

Die fixen Marktstände am Naschmarkt wurden zwischen 1910 und 1916 errichtet. Nach rund 100 Jahren war eine grundlegende infrastrukturelle Sanierung und Revitalisierung notwendig. Alle Wasser- und Stromleitungen sowie Kanalisation und Regenwasserabfluss wurden komplett erneuert. Die abgeschlossene Oberflächensanierung macht den Naschmarkt weitgehend barrierefrei. Das äußere Erscheinungsbild des Marktes wurde durch die Sanierungsarbeiten nicht verändert. Die Stände des "Bauches von Wien" stehen unter Denkmalschutz.

Der "vergessene" Wienfluss unter dem Naschmarkt

Heute werden täglich tausende Besucher und Besucherinnen vom Naschmarkt angelockt. Die wenigsten allerdings sind sich dessen bewusst, dass unter ihnen ein hochdynamischer Fluss (Wienfluss) fließt, der sogar der Stadt Wien ihren Namen gegeben hat. Ohne die städtebaulichen Maßnahmen und die Einwölbung des Wienflusses (Umfassende Regulierung des Wienflusses) an der Stelle des heutigen Naschmarktes würde heute vermutlich ein betoniertes, einsichtiges Flussbett das Stadtbild prägen.

Siehe auch: Magistratsabteilung 59 - Marktamt

Videos

Markt (1962), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 197A-C (Ausschnitt)
Ein Tag mit: Josef Schicketanz. Marktaufseher in Wien (1972), Zitat: WStLA, Filmarchiv der media wien, 328M (Ausschnitt)

Quellen

Literatur

  • Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer. Band 3/1: Wien. 1.-12. Bezirk. Salzburg: Residenz-Verlag 1990, S. 197
  • August Aichhorn [u.a.]: Die Wieden. Wien: Gerlach & Wiedling 1913, S. 48 ff.
  • Bundesdenkmalamt [Hg.]: Dehio-Handbuch. Die Kunstdenkmäler Österreichs. Wien. II. bis IX. und XX. Bezirk. Wien 1993, S. 249
  • Hermine Cloeter: Geist und Geister aus dem alten Wien. Bilder und Gestalten. Wien: Schroll 1922, S. 92 ff.
  • Felix Czeike: Naschmarkt oder Aschenmarkt? In: Wien aktuell 30/1973, S. 27 ff.
  • Felix Czeike: VI. Mariahilf. Wien [u.a.]: Jugend & Volk 1981 (Wiener Bezirkskulturführer, 6), S. 55 (Flohmarkt)
  • Karl Fajkmajer: Skizzen aus Alt-Wien. Wien [u.a.]: Gerlach & Wiedling 1914, S. 41 f.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 4: Profane Topographie nach den 21 Bezirken (2.-21. Bezirk). Wien: Jugend & Volk 1958, S. 127
  • Alexander Hengl: Festschrift 175 Jahre Marktamt. 2014.
  • Carl Hofbauer: Die Wieden mit den Edelsitzen Conradswerd, Mühlfeld, Schaumburgerhof und dem Freigrunde Hungerbrunn. Historisch-topographische Skizzen zur Schilderung der Vorstädte Wiens. Wien: Gorischek 1864, S. 252 ff.
  • Karlsplatz, Stadtlandschaft am Wienfluß. März - Juli 1970. Wien: Selbstverlag 1970 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 27)
  • Wilhelm Kisch: Die alten Straßen und Plätze von Wiens Vorstädten und ihre historisch interessanten Häuser. (Photomechan. Wiedergabe [d. Ausg. v. 1895]). Band 3. Cosenza: Brenner 1967, S. 37 ff.
  • Ferdinand Lettmayer [Hg.]: Wien um die Mitte des XX. Jahrhunderts - ein Querschnitt durch Landschaft, Geschichte, soziale und technische Einrichtungen, wirtschaftliche und politische Stellung und durch das kulturelle Leben. Wien: Verlag für Jugend und Volk 1958, S. 602
  • Mit großem Bauchweh. In: Faler, 18.03.2015, S. 39-43
  • Manfred Schenekl. Der Wiener Naschmarkt. Zur Geschichte eines Wiener Stadtraumes in den 1960er und 1970er Jahren. 2008. [1]
  • Der Wienfluß. Historisches Museum der Stadt Wien, Karlsplatz, 10. April bis 1. Juni 1980. Wien: Selbstverlag 1980 (Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien, 65)