Wiener Frauenverein zum Schutz armer verlassener Kinder

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Grundbuchsauszug des ehemaligen Kinderheims des "Wiener Frauenvereins zum Schutz armer verlassener Kinder," KG Hacking, EZ 66, 13., Auhofstraße 222 mit Datum 17.Juni 1948
Daten zur Organisation
Art der Organisation Verein
Datum von 1921
Datum bis 1938
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 358511
GND
WikidataID
Objektbezug jüdische Geschichte, Frauenbewegung, Jüdische Frauenvereine
Quelle
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Letzte Änderung am 2.11.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname Wiener_Frauenverein_zum_Schutz_armer_verlassener_Kinder.jpg
Bildunterschrift Grundbuchsauszug des ehemaligen Kinderheims des "Wiener Frauenvereins zum Schutz armer verlassener Kinder," KG Hacking, EZ 66, 13., Auhofstraße 222 mit Datum 17.Juni 1948
  • 9., Frankgasse 4

Frühere Adressierung

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48° 12' 56.12" N, 16° 21' 25.34" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Vereinsgeschichte

Der „Wiener Frauenverein zum Schutze armer, verlassener Kinder“ wurde ca. 1921 in Wien gegründet und unterhielt bis 1938 in dem ihm gehörigen Haus in 13., Auhofstraße 222 ein jüdisches Kinderheim. Der Vereinszweck war „die Versorgung und Unterstützung verlassener Kinder jüdischer Konfession mit besonderer Berücksichtigung der im Schutz der Israelitischen Kultusgemeinde Wien stehenden Pflegekinder“[1] Der Sitz des Vereins befand sich 1921 in 3., Esteplatz 3 und 1938 in 9., Frankgasse 4[2] Von Beginn an bis in das Jahr 1925 hatte Sabine Löwy die alleinige Leitung im Kinderheim inne und betreute täglich ca. 30 Kinder. Um 1924 wurde ihr Emma Krenberger, die Tochter des Direktors des Taubstummeninstitutes, zur Seite gestellt. Im November 1925 verübte Sabine Löwy aus Kummer über den Tod ihrer Freundin einen Selbstmordversuch. Im Jahr 1938 hatte der Verein 73 Mitglieder. Der Mitgliedsbeitrag belief sich auf 5 bis 10 Schilling monatlich. Zuletzt vor dem Anschluss hatte der Verein eine sehr schwierige finanzielle Lage zu bewältigen, die Präsidentin Fanny Kopperl steuerte aus ihrem Privatvermögen 5000 Schilling als Spende bei[3] Der Verein wurde nach 1945 nicht wieder begründet.

Baulicher Zustand des Kinderheims 1938

Ein Gutachten von Alfred Mörl im Auftrag der Behörde Stillhaltekommissar am 30. Juni 1938 ergab, dass das einstöckige ca. 650m2 große Haus in einem schlechten baulichen Zustand war. An das Haus schloss ein ebenerdiger Hof und ein „Hofgarten“ von etwa 550m2. Das Haus war 20 Meter lang, hatte zwei Balkone und zwei offene Veranden. Die Bewertung des Zustandes wurde mit 10.000 bis 13.000 Reichsmark angegeben, notwendige Reparaturen wurden auf 6000 bis 7000 Reichsmark geschätzt. Es wurde noch angemerkt, dass die Parterreräume „gegenwärtig von der Ortsgruppe 13 der NSV benutzt werden“ [4] Das Kinderheim bestand aus einem „großen Speiseraum, drei Schlafräumen, zwei Waschräumen und einem Tagraum“[5]


Arisierung des Kinderheims und Übernahme durch die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) 1938

Die Auflösung des „Wiener Frauenvereins zum Schutze armer, verlassener Kinder“, die Aufhebung seiner Rechtspersönlichkeit, sowie dessen Löschung aus dem Vereinsregister durch den Stillhaltkommissar für Vereine, Organisationen und Verbände und seine Einweisung in die Nationalsozialistische Volkswohlfahrt (NSV) erfolgte im Verlauf des 6. bis 15. August 1938. Ein Vereinsvermögen von 14294,34 Reichsmark erging unter Abzug von 10% Aufbauumlage und 11/2% Verwaltungsgebühr (1643,84 Reichsmark) an die NSV, auf ein Konto „N.S. Volkswohlfahrt, Landesleitung Deutsche Ostmark bei der Creditanstalt-Bankverein“ Wien[6] Am 19. April 1938 befanden sich laut Bericht der kommissarischen Leiterin des Heimes Auguste Skarda, 1938 wohnhaft 5., Zentaplatz 7/32, noch 25 jüdische Kinder in diesem Kinderheim, für die die Israelitische Kultusgemeinde einen Verpflegungsbeitrag von 57 Schilling monatlich bezahlte. In den drei Tagen bis zum 22. April 1938 müssen sich dramatische Szenen abgespielt haben. Im Akt des Stillhaltekommissars befindet sich eine Auflistung der Ereignisse: Am 11. April 1938 besichtigen einige SA-Männer das Heim, während die Kinder schon im Bett waren. Am 12. April 1938 kam der Befehl, das Heim binnen 24 Stunden zu räumen. „Ein Gesuch an die Gauleitung“, diesen Befehl abzublasen, da es sich um verlassene Kinder handelte, war erfolgreich. Am 20. April 1938 begann Auguste Skarda ihre Funktion als kommissarische Leiterin und verlangte Einsicht in das Vereinsvermögen. Am 22. April erging an die noch jüdische Vereinsleitung wieder ein SA-Befehl, das Heim müsse in 24 Stunden geräumt sein. Wegen dieser drohenden Besetzung durch die SA-Standarte 14/IV wurden sieben Kinder ihren Eltern oder Verwandten übergeben, aber 18 verblieben im Heim. Obwohl Auguste Skarda die SA-Besetzung verhindern konnte, mussten die verbliebenen Kinder unter dem nationalsozialistischen Terror leben, da sich für sie niemand zuständig fühlte. Diese Kinder loszuwerden und sie gegen Kinder aus der Wiener Kinderübernahmsstelle auszutauschen, war nicht möglich, da sich das Wiener Jugendamt für ein privates Heim nicht einsetzen wollte. Am 16. Juni 1938 wurden „10 Kinder samt Wäsche, Kleider, ihrem im Heim erliegenden Dokumenten (sic!)“ von der kommissarischen Leiterin Auguste Skarda persönlich in das jüdische Waisenhaus 19., Bauernfeldgasse 40 gebracht. Acht Kinder und vier Angestellte verblieben vorerst im Heim. Es mussten Räume für die NSV Hacking freigemacht werden[7] Am 21. Juni 1938 bestätigte die kommissarische Leiterin die Übernahme des Kinderheims in einem Schreiben an die Vizepräsidentin des Vereins Fanny Kopperl. Sie übernahm „diverse Kästen, (…), Küchenmöbel samt div. Geschirr, Öfen, 35 Kinderbetten (…) alles in beschädigtem und stark abgenützten Zustand“. Am 26. Juni 1938 stellte sie eine Quittung für die Requirierung eines Sparbuchs der Zentralsparkasse der Gemeinde Wien, sowie eines Bargeldbetrages aus. Die NSV schrieb am 8. September 1938, dass „das eingezogene Inventarverzeichnis nicht mehr zurückgegeben werden kann, da es (…) Eigentum der NSV ist“ [8] Das gesamte Vermögen, das von der NSV außer der Liegenschaft arisiert wurde, betrug 4.249,02 Schilling (Sparbücher und “Handkassa im Heim”[9]


Eigentumsverhältnisse: Arisierung und Restitution der Liegenschaft

Der „Wiener Frauenverein zum Schutze armer, verlassener Kinder“ war bis zur Zwangsenteignung durch den Stillhaltekommissar 1938 Eigentümer der Liegenschaft 13., Aufhofstraße 222, KG Hacking, EZ 66[10] Der „Wiener Frauenverein zum Schutze armer, verlassener Kinder“ hatte diese Liegenschaft unter seiner Präsidentschaft Laura Krenberger am 21. Februar 1921 von dem Verein „Zion Verband der österreichischen Vereine zur Kolonisation Palästinas und Syriens“ mit dem Sitz in Wien 2., Zirkusgasse 33[11] um 40.000 Kronen erworben. Nach Auflösung des „Wiener Frauenvereins zum Schutze armer, verlassener Kinder“ und Einweisung in die NSV wurde die Liegenschaft am 30. August 1939 an Eleonore und Johann Hammerschmied um 22.000 Reichsmark verkauft. Johann Hammerschmied verstarb am 22. Juni 1949 und seine Witwe war nun die alleinige Eigentümerin. Im Jahr 1949 stellte die Israelitische Kultusgemeinde Wien als Rechtsnachfolgerin des nicht mehr wieder begründeten Vereins bei der Rückstellungskommission Wien beim Landesgericht für Zivilrechtssachen einen Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft (Zl. 59 Rk 259/49, Akt nicht mehr existent). Die Rückstellungskommission beschied 1948 über eine spätere Entschädigungssumme aber keine Rückstellung weil diese „infolge wirtschaftlicher Umgestaltung nicht tunlich sei“. Das Ehepaar Hammerschmied hatte das Haus in vier Wohnungen umgebaut und dafür 150.000 Schilling bezahlt. Daher war die Rückstellungskommission der Meinung, dass das Haus “in seiner gegenwärtigen Erscheinungsform zu dem früheren Zweck nicht gebraucht werden könne und die Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht vertretbar sei“. Die Antragstellerin Israelitische Kultusgemeinde berief dagegen. Die nächsthöhere Instanz, die Rückstellungsoberkommission, schloss sich der Rechtsmeinung der Rückstellungskommission nicht an, die Renovierungen und Umbauten seien nicht als „wirtschaftliche Umgestaltung anzusehen“ und verfügte 1952 über eine sofortige Rückstellung durch die Antragsgegnerin Eleonore Hammerschmied[12] Das Haus ist mit Stand 2021 ein Wohnhaus.


Vereinsvorstand 1921

  • Präsidentin: Laura Krenberger[13]


Vereinsvorstand 1938

  • Präsidentin: Fanny Kopperl, 1938 wohnhaft 9., Frankgasse 4/15.
  • Vizepräsidentin: Mathilde Cohn, 9., Porzellangasse 2
  • Schriftführerin: Frieda Schleifer, 8., Albertgasse 1
  • Buchhalterin: Franzi Lewitus, 14., Diefenbachgasse 14

Vorstandsmitglieder ohne Funktion:

  • Meta Blum 13., Steckhovengasse 7
  • Marie Dittel, 13., Hadikgasse 144
  • Elsa Klinger, 13., Neue Weltgasse 19
  • Flora Widrich, 13., Hadikgasse 152
  • Grete Zupnik, 13., Fichtnergasse 3
  • Laura Erben, 2., Dorfingergasse 4.
  • Rosa Königstein, 13., Erzbischofgasse
  • Martha Salamon, 13., Kuppelwiesergasse 56[14]


Personal des jüdischen Kinderheims 1925

  • Leiterin: Sabine Löwy.
  • Leiterinstellvertreterin: Emma Krenberger


Personal des jüdischen Kinderheims 1938

  • Leiterin: Theresie Babion
  • Kindermädchen: Juli Feuer
  • Köchin: Therese Schrammel
  • Stubenmädchen: Steffi Wirth


Quellen

  • Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, B 2, AD –GV, Rückstellungen, Wien I, Mappe Auhofstraße 22 (alte Signatur aus dem Jahr 2000).</ref>
  • Central Archives for the History of the Jewish people (CAHP): A/W 2199,4.</ref>
  • Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560.


Einzelnachweise

  1. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560 und Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, B 2, AD –GV, Rückstellungen, Wien I, Mappe Auhofstraße 22 (alte Signatur aus dem Jahr 2000).
  2. Central Archives for the History of the Jewish people (CAHP): A/W 2199,4.
  3. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560.
  4. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560.
  5. Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, B 2, AD –GV, Rückstellungen, Wien I, Mappe Auhofstraße 22 (alte Signatur aus dem Jahr 2000).
  6. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560.
  7. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560. Bericht Wiener Frauenverein zum Schutze armer, verlassener Kinder, gezeichnet unbekannt.
  8. Central Archives for the History of the Jewish people (CAHP): A/W 2199,4.
  9. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560.
  10. Central Archives for the History of the Jewish people (CAHP): A/W 2199,4.
  11. Der Verein „Zion Verband der österreichischen Vereine zur Kolonisation Palästinas und Syriens“ bestand in Wien zumindestens ab 1921. Die Vereinsfunktionäre 1921 waren: Präsident Ludwig Bato, Sekretär der Donaudampfschiffahrtsgesellschaft, wohnhaft 3., Dampfschiffgasse 14, Kassier Hugo Kohn, Bankbeamter, 2., Ferdinandstraße 15, Georg Weiner, Rechtsanwalt, 1., Wollzeile 16, siehe Central Archives for the History of the Jewish people (CAHP): A/W 2199,4.
  12. Archiv der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, B 2, AD –GV, Rückstellungen, Wien I, Mappe Auhofstraße 22 (alte Signatur aus dem Jahr 2000).
  13. Central Archives for the History of the Jewish people (CAHP): A/W 2199,4.
  14. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Stillhaltekommissar Wien: IV Ac 31 G 37, Schachtel 560.