Magistratsreform 1783

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Schreiben des niederösterreichischen Appellationsgerichts über die Einführung der Magistratsreform vom 21. August 1783
Daten zum Eintrag
Datum von 1783
Datum bis
Objektbezug Stadtverfassung, Joseph II., Magistrat, Politisch-ökonomischer Senat, Kriminaljustizsenat, Ziviljustizsenat, Magistratsreform
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 17.08.2023 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname WStLA_Hauptarchiv_Akten_A1_1_1783_01_1r.jpg
Bildunterschrift Schreiben des niederösterreichischen Appellationsgerichts über die Einführung der Magistratsreform vom 21. August 1783

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In der Zeit des aufgeklärten Absolutismus unter Joseph II. kam es zu einer Reihe wichtiger Reformen in fast allen Aspekten des menschlichen Zusammenlebens, darunter auch zu einer Verwaltungsreform, die sich in Wechselwirkung mit der Justizreform bis auf die städtische Ebene auswirkte und als Verfassungs- und Verwaltungsreform unter dem Begriff Magistratsreform bekannt wurde. Ziel war es, althergebrachte Traditionen, die auf den Prinzipien des Gottgnadentums beruhten, durch eine auf Vernunft basierende Staatsordnung abzulösen. Wichtige Prinzipien dieser Reformbewegung von oben waren die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und die Toleranz gegenüber anderen Konfessionen, aber auch ein modernes Beamtentum. Von entscheidendem Einfluss war dabei der Staatsmann, Jurist und Illuminat Joseph von Sonnenfels, der als Motor hinter einigen bedeutenden josephinischen Reformen stand.

Durch den Bruch mit althergebrachten Traditionen, vor allem aber durch eine radikale Reform von oben versuchte Joseph II., die Behördenstrukturen innerhalb des Habsburgerreichs auf allen Ebenen zu straffen. In Wien sollte auch der letzte Rest an bürgerlicher Selbstverwaltung, die als ineffizient und Selbstzweck einiger weniger einflussreicher Familien gesehen wurde, abgeschafft werden.

Einrichtung des Wiener Magistrats als bürgerliche Behörde 1783

Die Magistratsreform wurde der Stadt Wien am Behördenweg zur Kenntnis gebracht. Rückseite des Schreibens der übergeordneten Behörde (Appellationsgericht) mit Adresse ("An die von Wien") und Siegel des Absenders, 21. August 1783
Instruktion für den Wiener Magistrat, 1783

Mit den Hofkanzleidekreten vom 16. und 20. August 1783 wurde der "Magistrat der kaiserlichen Residenz-Stadt Wien" im Zuge der Verwaltungsreformen Josephs II. als bürgerliche Behörde geschaffen, an deren Spitze der Bürgermeister stand. Der damalige Bürgermeister Josef Georg Hörl war in die Vorberatungen eingebunden gewesen und trug die Entscheidung mit. Die Neuordnung der Organisation und der Geschäftsführung der Stadtverwaltung wurde der Stadt Wien sowohl in einem Schreiben des Präsidenten des niederösterreichischen Appellationsgerichts, Franz Wenzel Graf Sinzendorf, vom 21. August 1783 mitgeteilt, als auch in einem der niederösterreichischen Regierung vom 25. August dieses Jahres.[1] Die doppelte Information war notwendig, weil die in Verwaltungssachen vorgeordnete Stelle die niederösterreichische Regierung, in Justizsachen aber das niederösterreichische Appellationsgericht war. Die Magistratsreform trat am 1. November 1783 in Kraft.

Der bereits seit Maximilian I. inhaltlich bedeutungslose Brauch, die Stadtrechtsprivilegien zu bestätigen, wurde endgültig abgeschafft und mit ihm viele andere althergebrachte Traditionen und Funktionen. Stadtanwalt, Stadtrat und Stadtgericht wurden durch den einen Organisationskörper Magistrat ersetzt. Die Eingliederung in den zentralisierten Behördenaufbau bedeutete bis 1848 eine starke Abhängigkeit der Stadtverwaltung von Niederösterreichischen Regierung sowie Appellationsgericht und Hofrechenkammer. Die Gehälter der städtischen Funktionsträger wurden zu großen Teilen vom Staat ausbezahlt, der wiederum Teile der vormals städtischen Einkünfte erhielt. Als Zwischenglied zwischen der Wiener Stadtverwaltung und der niederösterreichischen Landesregierung diente die Stadthauptmannschaft, die die Umsetzung kaiserlicher Anordnungen überwachte.

Einrichtung von drei Senaten

Der Magistrat gliederte sich nunmehr als Organ der städtischen Verwaltung in drei voneinander unabhängig amtierende Senate:

  • Der Politisch-ökonomische Senat (Senat in publico-politicis et oeconomicis) betraf die Verwaltung im engeren Sinn, auch "Policey" genannt. Zusätzlich war er auch für die Finanzgebarung zuständig. Der politisch-ökonomische Senat wurde unmittelbar vom Bürgermeister geleitet und hatte seinen Sitz im Alten Rathaus).
  • Der Ziviljustizsenat (Senat in judicialibus civilibus) war verantwortlich für die Zivilgerichtsbarkeit. Er stand unter der Leitung eines Vizebürgermeisters, der bis dahin das Amt des Stadtschreibers ausgeübt hatte. Sitz des neuen Ziviljustizsenats war die Schranne am Hohen Markt).
  • Der Kriminaljustizsenat (Senat in judicialibus criminalibus) war zuständig für die Strafgerichtsbarkeit und stand ebenfalls unter der Leitung eines Vizebürgermeisters. Sein Sitz befand sich in der Alservorstadt).

Durch die Magistratsreform wurden die bürgerlichen Freiheiten eingeschränkt. Die Wiener Bevölkerung hatte keinen Einfluss auf Politik und Verwaltung der Stadt, der Magistrat war eine administrative Behörde des Landesfürsten. Die Beibehaltung der Wahl des Bürgermeisters, der Vizebürgermeister und der Magistratsräte war ein Zeichen des Entgegenkommens seitens des Landesfürsten. Der Bürgermeister musste allerdings vom Kaiser bestätigt werden. Josef Georg Hörl blieb weiterhin Bürgermeister, der bereits seit 1773 als Stadtrichter tätige Vizebürgermeister Ignaz von Maurer stand dem Kriminalgericht vor, Vizebürgermeister Leopold Edler von Moßbach dem Zivilsenat.

Die Reform der Gerichtsbarkeit war Teil einer groß angelegten Justizreform im gesamten Habsburgerreich, betraf allerdings nur die bürgerliche Bevölkerung Wiens. Weiter unabhängig blieben der Reichshofrat, die Reichskanzlei, die Militärbehörden, das Berggericht sowie das Merkantil- und Wechselgericht. Auch die Grundherrschaften behielten ihre alte Gerichtsbarkeit noch bis 1848.

1784 wurden in einer Instruktion die Aufgabengebiete des Magistrats näher definiert. Eine Kernaufgabe war die Approvisionierung, also die Versorgung der Stadt und der Vorstädte, die Überwachung der Märkte, die Kontrolle der Maße, Gewichte und Lebensmittelpreise sowie die Instandhaltung der städtischen Magazine. Weitere Aufgaben waren das Gesundheitswesen und auch die Baupolizei mit ihrer Aufsicht über Brücken, Wege und Straßen, die Feuerpolizei, Straßensäuberung, Pflasterung und Beleuchtung. Auch die Konskription, also das Führen von Bevölkerungslisten, die Finanzverwaltung und die Lokal- und Gewerbepolizei, die die Einhaltung der Gesindeordnung, die Leitung der Jahrmärkte und die Beaufsichtigung der Polizei- und Kommerzialzünfte innehatte, fielen unter die Zuständigkeit des Magistrats.

Gliederung des Magistrats

Für die Reorganisation der städtischen Ämter waren langwierige Verhandlungen notwendig. Erst mit Regierungserlass vom 21. August 1785 wurde die Liste der Hilfs- und Nebenämtern des Magistrats finalisiert. Der Magistrat gliederte sich in folgende Stadtämter:

Magistratsräte als städtische Beamte

Mit insgesamt 42 Magistratsräten, nämlich je zwölf im Politisch-ökonomischen Senat und im Kriminaljustizsenat sowie 18 im stärker beanspruchten Ziviljustizsenat, wurde 1783 ein neuer Typ von städtischem Beamten geschaffen, der als Referent die Geschäfte des Magistrats besorgte. Besonderes Augenmerk wurde auf die fachliche Qualifikation gelegt. Die Besoldung erfolgte über den Ärar, also von Seite des Staates, wofür dieser aber die eingehobenen Magistratstaxen kassierte. Damit war der Übergang von der Stadtratsverfassung zur Magistratsverfassung vollzogen. Der Magistrat setzte sich nunmehr aus besoldeten Beamten zusammen.

Hauptregistratur

Die neu geschaffene Hauptregistratur verzeichnete und betreute die laufenden Geschäftsvorgänge des Magistrats. Bereits 1792 erfolgte eine räumliche, 1802 auch eine personelle Trennung der drei Senate. 1839 übersiedelte der Kriminalsenat mit einer eigenen Kanzlei ins heutige Landesgerichtsgebäude (8., Landesgerichtsstraße 9A-11). Ab 1850 fiel die Kompetenz (und mit ihr auch die Akten und Bücher) der Zivil- und Strafgerichtsbarkeit an die neu errichteten k. k. Bezirksgerichte und Landesgerichte für Zivilrechts- und Strafsachen, wodurch der Magistrat auf die politisch-ökonomischen Angelegenheiten beschränkt wurde.

Vorbildwirkung

Nach dem Vorbild Wiens wurden auch andere große Städten der Monarchie reguliert, so etwa noch im selben Jahr in Brünn. Im Jahr 1784 folgten entsprechende Schritte in Prag, Freiburg, Klagenfurt, Graz und Linz, 1785 in Laibach und 1786 in Bozen und Lemberg. Gewisse Details wurden den lokalen Erfordernissen angepasst, in den Grundstrukturen folgte man aber bei der Einführung der neuen Magistrate dem Wiener Muster.

Quellen

Literatur

  • Felix Czeike: Wien und seine Bürgermeister. Sieben Jahrhunderte Wiener Stadtgeschichte. Wien-München: Jugend & Volk 1973
  • Felix Czeike: Die Entwicklung des Magistrats seit 1783. Wien: Eigenverlag o.J.
  • Gerhard Marauschek, Die Grazer Magistratsreform Josephs II. von 1784. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte der Stadt Graz 1749-1850, in: Historisches Jahrbuch der Stadt Graz 13, Graz 1982
  • Josef Pauser: Verfassung und Verwaltung der Stadt Wien, in: Karl Vocelka / Anita Traninger [Hg.]: Die frühneuzeitliche Residenz (16. bis 18. Jahrhundert) (Peter Csendes / Ferdinand Opll [Hg.]: Wien. Geschichte einer Stadt. Band 2), Wien/Köln/Weimar: 2003, S. 80–86
  • Elfriede Sheriff: Die Ämter der Stadt Wien von 1783-1848 in verwaltungsgeschichtlicher und personeller Hinsicht, Diss. Wien 1977
  • Thomas Simon: Die verfassungsrechtliche Stellung Wiens in der Habsburgermonarchie. In: Wien wird Bundesland. Die Wiener Stadtverfassung 1920 und die Trennung von Niederösterreich. Hg. von Bernhard Hachleitner und Christian Mertens. Salzburg/Wien: Residenz Verlag 2020, S. 11–24
  • Rudolf Till: Geschichte der Wiener Stadtverwaltung in den letzten zweihundert Jahren, Wien: Jugend & Volk 1957

Einzelnachweise