Leopold Jacobson

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Leopold Jacobson
Daten zur Person
Personenname Jacobson, Leopold
Abweichende Namensform Jacobson, Leopoldo; Jacobsohn, Leopold; Jakobson, Leopold
Titel
Geschlecht männlich
PageID 368711
GND 117047880
Wikidata Q51319371
Geburtsdatum 30. Juni 1873
Geburtsort Czernowitz, Bukowina 63628-9
Sterbedatum 23. Februar 1943
Sterbeort Ghetto Theresienstadt
Beruf Redakteur, Schriftsteller, Librettist
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass Wienbibliothek im Rathaus
Objektbezug Karl Kraus (Portal)
Quelle
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Recherche
Letzte Änderung am 3.04.2024 durch WIEN1.lanm09fri
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle
Bildname Leopold Jacobson.jpeg
Bildunterschrift Leopold Jacobson
  • 2., Ferdinandstraße 4 (Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

Leopold Jacobson, * 30. Juni 1873 Czernowitz, † 23. Februar 1943 Ghetto Theresienstadt, Librettist, Journalist, Schriftsteller.

Biografie

Leopold Jacobson wurde in Czernowitz – während der Habsburger-Monarchie Hauptstadt der Bukowina – geboren. Er ging wohl zu Beginn der 1890er Jahre nach Wien (die "Bukowinaer Rundschau" nennt ihn im Jänner 1892 als Mitarbeiter des Jahrbuchs "Wiener Residenz-Kalender") und arbeitete sich hier zum gefragten Theaterkritiker hoch. Bereits 1896 wird der 23-Jährige sommers in der Bad Ischler "Fremden-Liste" als "Redacteur" geführt. Er war zu dem Zeitpunkt bereits Mitarbeiter des Neuen Wiener Journal, ab 1901 war er in Berlin als Korrespondent der Zeitung tätig. Vermutlich machte er in Berlin Bekanntschaft mit dem Operettenkomponisten Oscar Straus. Nach wenigen Jahren dürfte er wieder nach Wien zurückgekehrt (bzw. von der Redaktion zurückbeordert worden) sein. Jacobson war mit der Schauspielerin und Sängerin Annemarie Hegner (die 1942 den Verleger Alfred Schlee heiratete) liiert, die er zu seiner Erbin und Rechtsnachfolgerin bestimmte. Jacobson blieb nach dem "Anschluss" 1938 in Wien. Er verstand sich nicht als bekennender Jude, er war bereits 1896 aus dem Judentum ausgetreten. 1941 wurde er in eine "Sammelwohnung" in der 2., Ferdinandstraße 4 verbracht. Gemeinsam mit seiner Schwester Sofie wurde er im August 1942 ins Ghetto Theresienstadt deportiert und dort am 23. Februar 1943 ermordet (offizielle Todesursache laut Totenschein: Sepsis).

Werk

Neben seinem journalistischen Tun war Jacobson als Librettist tätig, ständig auf der Suche nach neuen Sujets, Bearbeitungs- oder Adaptionsmöglichkeiten. Sein größter Erfolg wurde das gemeinsam mit Felix Dörmann verfasste Libretto zur Operette "Ein Walzertraum" (Musik: Oscar Straus, die Wienbibliothek im Rathaus verwahrt die Original-Partitur der Operette). Die Inszenierung am Carl-Theater erlebte über 500 Aufführungen. Das Stück wurde mehrmals verfilmt, das erste Mal bereits 1907 als "Tonbilder" der Bühnenfassung (Film mit Synchronton im Nadeltonverfahren), 1925 als Stummfilm, 1959 und 1969 als Fernsehfilm. Ernst Lubitschs Film "The Smiling Lieutenant" (1931) basiert auf Jacobson/Dörmanns "Walzertraum". Jacobson selbst versuchte sich auch als Drehbuchautor: 1922 schrieb er gemeinsam mit dem Regisseur Friedrich Fehér das Drehbuch zu "Die Memoiren eines Mönchs" (nach Grillparzers Novelle "Das Kloster bei Sendomir"). Weitere Filmprojekte trugen keine Früchte. Der Erfolg des "Walzertraums" führte zur Zusammenarbeit mit vielen Operettenkomponisten und -librettisten Wiens, etwa Bruno Granichstaedten, Robert Stolz oder Robert Bodanzky, die Operetten wurden u.a. im Theater an der Wien, im Raimundtheater oder im Ronacher uraufgeführt.

Die "Hundspeitsche": Auseinandersetzung mit Karl Kraus

Jacobson wurde zweimal zur Zielscheibe einer scharfen Polemik von Karl Kraus. Kraus bezeichnete ihn ohne Namensnennung im Sommer 1902 in der "Fackel" als einen Schreiber, der "gehirnschwache Kalauer" in seinem pikanten Lokaltratsch aus dem Salzkammergut verwende und darin den "Ton eines rüstigen Mädchenhändlers in mittleren Jahren" anschlage (Kraus 1902a, 27). Sechs "Fackel"-Nummern später berichtet Kraus über die Folgen dieser Schmähung. Er sehe in diesem Text keine persönliche Polemik, er sei vielmehr seiner "perspectivischen Taktik" treu gewesen, der (weiterhin namentlich nicht genannte) Journalist sei einfach ein weiterer "Coulissenplauderer" (Kraus 1902b, 20); dieser habe sich aber persönlich angesprochen gefühlt und ihm einen Brief geschrieben, indem er eine Klage wegen Ehrbeleidigung angekündigt und Kraus mitgeteilt habe, "im Falle der Wiederholung solcher Angriffe auf meine Person mir mit der Reitpeitsche Satisfaction" zu verschaffen (ebd., 21). Kraus sah darin den Tatbestand der Erpressung erfüllt und erstattete Anzeige, im Oktober 1902 wurde er in dieser Causa vom Landesgericht für Strafsachen als Zeuge geladen. Die Staatsanwaltschaft schreibt, wie dem Karl-Kraus-Bestand der Wienbibliothek im Rathaus zu entnehmen ist, am 6. Oktober 1902 an Kraus, dass sie keinen Grund "zur strafgerichtlichen Verfolgung des Leopold Jakobson" sehe. Kraus lässt sich in seinem "Fackel"-Beitrag lange über diese juristische Interpretation aus und wundert sich über die "amtliche Schutzloserklärung" seiner Person. Zugleich führt er aus, dass er Jacobson nicht die Aufmerksamkeit eines Prozesses vergönne, er klage ihn nicht (ebd., 28).

Am 16. Oktober schreibt Jacobson im "Neuen Wiener Journal", dass er von Kraus in seinem "schamrothen Organ infam geschimpft" worden sei, was in ihm das Bedürfnis nach Züchtigung ausgelöst und er mit der "Hundspeitsche" (nicht mit der Reitpeitsche) gedroht habe. Aber Kraus sei "ein jämmerlicher Feigling", eine "Memme", die nicht, wie es sich für einen Ehrenmann gehöre, mit Leib und Leben für alles einstehe. Am 8. November widmet sich Jacobson in seinem Blatt ein weiteres Mal seiner Auseinandersetzung mit Kraus und berichtet nicht ohne Genugtuung von einem kurzen Aufeinandertreffen im Café Central, wo er durch sein bloßes Ansprechen Kraus in Angst und Schrecken versetzt habe. Da Kraus ihn nicht klage, versuche er mit einer Verschärfung der Vorwürfe eine gerichtliche Auseinandersetzung zu erreichen, Jacobson nannte Kraus einen "Feigling", "gewerbsmäßigen Verleumder", "gewohnheitsmäßigen Ehrabschneider" und den "infamsten Halunken, der je die verleumderische Feder geführt hat". Kraus ging offensichtlich darauf nicht ein.

Die zweite Polemik folgt 1908 nach dem Erfolg des "Walzertraums", als Kraus dem Librettisten Jacobson (samt Leon Stein, dem Textdichter der "Lustigen Witwe") vorhält, dass sie mehr verdienen würden "als alle Dichter, die heute leben" (Die Fackel, Nr. 241, 15.1.1908, 15). Sarkastisches Resümee Krausʼ: "Wer bedeutender ist, Stein oder Jacobson? Freuen wir uns, daß die deutsche Nation zwei solche Kerle hat!" (Ebd., 16)

Ein "Teilnachlass Leopold Jacobson", der Werke, Korrespondenzen, Lebensdokumente und Sammelstücke enthält, wurde 2022 von der Wienbibliothek im Rathaus erworben.

Werke (Auswahl)

  • Leopold Jacobson und Rudolph Bernauer: Die einsame Insel. Schwank in 3 Akten. Berlin, Dessau: Francke 1905
  • Leopold Jacobson und Rudolph Bernauer: Der tapfere Soldat. Operette in 3 Akten. Wien: Doblinger 1908
  • Leopold Jacobson und Rudolph Bernauer: Die keusche Barbara. Operette in 3 Akten. Leipzig, Wien: Ludwig Doblinger 1910
  • Leopold Jacobson, Leo Stein und Hans Hauptmann: Lady Hamilton. Komödie in 4 Akten. München: Drei Masken Verlag 1913
  • Leopold Jacobson: Der lachende Dreibund. Operette in drei Akten. Musik von Ralph Benatzky. München: Drei Masken-Verlag 1913
  • Leopold Jacobson und Leo Walther Stein: Die schöne Unbekannte. Operette in 2 Akten und einem Nachspiel. Wien: Eibenschütz & Berté 1915
  • Leopold Jacobson und Robert Bodanzky: Auf Befehl der Kaiserin! Ein Operetten-Idyll aus alten gemütlichen Zeiten in drei Akten. Musik von Bruno Granichstaedten. Leipzig, Wien: Karczag o.J.
  • Leopold Jacobson und Robert Bodanzky: Nachtfalter. Operette in 3 Akten. Wien: Karczag o.J. [1917]
  • Leopold Jacobson und Robert Bodanzky: Was Mädchen träumen. Operette in drei Akten. Musik von Leo Ascher. Leipzig, Wien: Karczag 1919
  • Leopold Jacobson und Robert Bodanzky: Der Liebesteufel. Operette in 3 Akten. Musik von Julius Bistron. Wien: Strache 1920
  • Leopold Jacobson und Robert Bodanzky: Warum geht‘s jetzt? Operette in drei Akten. Musik von Edmund Eysler. Wien, Leipzig: Ludwig Doblinger o.J.
  • Leopold Jacobson und Rudolf Österreicher: Eine einzige Nacht. Operette in drei Akten. Berlin: Drei Masken Verlag 1928
  • Leopold Jacobson und Bruno Hardt: Hochzeit in Hollywood. Operette in vier Bildern. Musik von Oscar Straus. Wien, Leipzig: Ludwig Doblinger 1929

Quellen

Literatur


Leopold Jacobson im Katalog der Wienbibliothek im Rathaus.

Weblinks