Thomas Bernhard: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 11. August 2020, 08:54 Uhr

Daten zur Person
Personenname Bernhard, Thomas
Abweichende Namensform
Titel
Geschlecht männlich
PageID 9873
GND 118509861
Wikidata
Geburtsdatum 9. Februar 1931
Geburtsort Kloster bei Heerlen, Maastricht, Niederlande
Sterbedatum 12. Februar 1989
Sterbeort Gmunden
Beruf Schriftsteller, Dramatiker
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 11.08.2020 durch WIEN1.lanm09mur
Begräbnisdatum 16. Februar 1989
Friedhof Friedhof Grinzing
Grabstelle Gruppe 21, Reihe 6, Nummer 1
  • 19., Obkirchergasse 3
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Österreichischer Förderungspreis für Literatur (Übernahme: 4. März 1968)
  • Anton-Wildgans-Preis (Verleihung: 1968)
  • Georg-Büchner-Preis (Übernahme: 17. Oktober 1970)
  • Franz-Theodor-Csokor-Preis (Verleihung: 1972)
  • Grillparzer-Preis (Verleihung: 1972)
  • Adolf-Grimme-Preis (Verleihung: 1972)
  • Literaturpreis der Österreichischen Bundeswirtschaftskammer (Übernahme: 5. November 1976)
  • Premio Letterario Internazionale Mondello (Verleihung: 1983)
  • Prix Medicis (Verleihung: 1988)


Thomas Bernhard, * 9. Februar 1931 Kloster bei Heerlen, Maastricht, Niederlande, † 12. Februar 1989 Gmunden, Schriftsteller.

Biografie

Als Sohn der Dienstbotin Herta Bernhard und des Tischlers Alois Zuckerstätter aus Henndorf bei Salzburg in Holland geboren, verbrachte Bernhard seine Kindheit in Wien (bis 1932: 16., Wernhardtstraße 6) ), Seekirchen am Wallersee (1935 bis 1937) und Traunstein (Bayern, 1938-1943), bevor er 1941 in ein NS-Erziehungsheim ins thüringische Saalfeld geschickt wurde. Von 1944 bis 1946 besuchte Bernhard das Salzburger “Johanneum“. Diese Zeit steht im Mittelpunkt seines autobiographischen Buches “Die Ursache. Eine Andeutung“ (1975). 1946 übersiedelte die Familie von Traunstein nach Salzburg. Bernhard hatte zwei Halbschwestern (Susanne und Hilda Fabjan) und einen Halbbruder, den Arzt Peter Fabjan, der auch sein Hausarzt war. Im Jahr 1949 verlor Bernhard zuerst den geliebten Großvater Johannes Freumbichler, im Herbst 1950 starb seine Mutter an Krebs.

Thomas Bernhard absolvierte eine kaufmännische Lehre in einem Gemischtwarengeschäft in der Salzburger Scherzhauserfeldsiedlung, einem sozialen Brennpunkt der Region, erhielt aber auf Drängen seines Großvaters Musik- und Gesangsunterricht bei Maria Keldorfer und ihrem Mann Theodor Werner. Früh an schwerer Lungentuberkulose erkrankt, suchte er in diversen Sanatorien Genesung. Während des Aufenthalts in der Lungenheilstätte Grafenhof bei St. Veit im Pongau, als Thomas Bernhard am 27. Juli 1950 in der St. Veiter Pfarrkirche ein Solo singt, lernte er Hedwig Stavianicek kennen, seinen “Lebensmenschen“. Mit ihr sollte Bernhard bis zu Stavianiceks Tod 1984 aufs engste verbunden bleiben und auch ab den späten 1950er Jahren immer wieder in Stavianiceks Wohnung in der Obkirchergasse 3 leben, um in Wien gesellschaftlichen Anschluss zu finden. Seine Salzburger Lehrzeit thematisierte Thomas Bernhard in dem autobiografischen Roman "Der Keller. Eine Entziehung" (1976) , seine Sanatoriumsaufenthalte fanden eine ausführliche Schilderung in "Der Atem. Eine Entscheidung" (1978).

Schon 1952 veröffentlichte Bernhard unter Pseudonym einige Gedichte und Kurzgeschichten, arbeitete als Journalist für das “Demokratische Volksblatt“ (1952–1955), für die Salzburger Nachrichten sowie die katholische Wiener Wochenzeitung Die Furche und studierte von 1955 bis 1957 am Salzburger Mozarteum Dramaturgie (mit einer Abschlussarbeit über Thomas Wolfe) sowie Schauspielkunst. Sein Debüt feierte Bernhard als Lyriker: 1957 erfolgte die Veröffentlichung des Bandes “Auf der Erde und in der Hölle“, dem 1958 die Bände “In hora mortis“ und “Unter dem Eisen des Mondes“ folgten. Der literarische Durchbruch sollte ihm jedoch erst mit seinem Roman “Frost“ (1963) gelingen, der zahlreiche prominente Fürsprecher fand, so etwa Carl Zuckmayer. Für seinen Prosaerstling erhielt Bernhard den Bremer Literaturpreis. Als Romancier tätig blieb Bernhard trotz seines ungleich größeren Erfolgs als Dramatiker bis zum Lebensende. Dafür stehen die Romane “Amras“ (1964), “Verstörung“ (1967), “Das Kalkwerk“ (1970), “Korrektur “ (1975), “Der Untergeher“ (1983), “Alte Meister“ (1985) und “Auslöschung“ (1986). Viel gelesen ist auch Bernhards Autobiographie, die er zwischen 1975 und 1982 in fünf Prosabänden vorlegte.

Bekannt war spätestens seit “Ein Fest für Boris“ (1970) der Dramatiker Bernhard, der mit dem deutschen Regisseur Claus Peymann ein kongeniales Duo abgab. Peymann war für die meisten Premieren der Bernhardschen Stücke zuständig, so auch für jene Inszenierung des Stücks “Heldenplatz“, das am 4. November 1988 am Burgtheater uraufgeführt wurde. In diesem Stück, das Bernhard anlässlich des 50. Jahrestages des “Anschlusses“ Österreichs an das Deutsche Reich geschrieben hatte, übte er heftigste Kritik am Charakter der Österreicher im Allgemeinen und an ihren Politikern im Besonderen. Das Stück, das Bernhards letztes sein sollte, wurde in der österreichischen Öffentlichkeit skandalisiert.

Das erzählerische und dramatische Werk Thomas Bernhards beinhaltet eine schonungslose, bewusst übersteigerte und angriffige Auseinandersetzung mit dem österreichischen Staat (Österreichschelten), seiner politischen und kulturellen Geschichte (Nationalsozialismus und Katholizismus; Sozialismus), Kindheitsorten von Thomas Bernhard (Salzburg) oder mit Einzelpersonen aus Politik und Gesellschaft.

Die Protagonisten des erzählerischen Werkes sind vielfach gesellschaftliche Außenseiter, Künstler, Intellektuelle („Geistesmenschen“), die auf der Suche nach der Vollkommenheit ihres Werkes sich mit einer dieses Werk desavouierenden und mit Unverständnis darauf reagierenden äußeren Umwelt konfrontiert sehen. Diese österreichische Gesellschaft fasst Bernhard als kulturfeindlich, unmusisch, „katholisch-nationalsozialistisch“ auf, die an der permanenten Vernichtung des Geistesmenschen arbeitet.

Gleichzeitig verbindet das Personal von Bernhards Dramen und Prosa eine ambivalente Liebe zur österreichischen Heimat, da sie- was auch für Thomas Bernhard selbst galt- ihre künstlerische und geistige Schaffenskraft aus dem permanenten Kampf gegen eine feindselige und verständnislose Umwelt beziehen.

Der literarische Umgang mit Österreich bzw. mit einigen konkreten Personen, neben dem Komponisten Gerhard Lampersberg im Roman „Holzfällen. Eine Erregung“ unter anderem auch mit dem katholischen Geistlichen Franz Wesenauer, der das in „Die Ursache. Eine Andeutung“ beschriebene Salzburger Internat Johanneum mit Erziehungsmethoden leitete, die noch aus der NS-Zeit stammen, bescherte Bernhard immer wieder juristische Verfolgung seiner Person bzw. seines Werkes. So durfte „Die Ursache“ nur in einer zensierten Fassung erscheinen, die den gekränkten Salzburger Pfarrer in ein besseres Licht stellte. “Holzfällen“ wurde 1984 auf Betreiben von Gerhard Lampersberg, dessen Tonhof bei Maria Saal (Kärnten) Bernhard über Jahre besucht und dort Schriftstellerkollegen wie Artmann, Turrini, Christina Lavant, Bauer, Handke und Jonke getroffen hatte, eingezogen. Bernhard reagierte darauf mit einem an den Suhrkamp-Verlag gerichteten Verbot, seine Werke weiter nach Österreich auszuliefern.

Selbst dort, wo der Staat Österreich seine Künstler zu fördern versuchte, enthielt sich Thomas Bernhard nicht der Polemik. Als er 1968 den Staatspreis aus den Händen des Unterrichtsministers Theodor Piffl-Perčević empfing, brüskierte er durch eine in seiner Dankesrede enthaltene Österreichschelte den Minister derart, dass dieser noch vor Abschluss der Feier den Saal erbost verließ.

Bernhards bevorzugter politischer Reibebaum war die österreichische Sozialdemokratie, allen voran der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky. Eine literarische Abrechnung mit dem langgedienten Berufspolitiker lieferte Thomas Bernhard anlässlich seiner im Nachrichtenmagazin Profil als Gastkommentar erschienen Besprechung eines dem Kanzler zum 70. Geburtstag gewidmeten Bildbandes, der von Peter Turrini und Gerhard Roth herausgeben wurde. Bernhard, der in Kreisky eine Mitursache für aus seiner Sicht voranschreitende Kleingeisterei und kulturellen Abbau sah, bezeichnet den noch amtierenden Kanzler als „Kleinbürger“ „pensionierten Salonsozialisten“, „Halbseidensozialist“, „Höhensonnenkönig“, und „rosaroten Beschwichtigungsonkel“. In den Reihen der Sozialdemokratischen Partei löste der Text empörende Reaktionen aus, lediglich Bruno Kreisky selbst nahm die Sache gelassen.

Die Protagonisten seiner erzählerischen und dramatischen Werke bevölkern zahlreiche bekannte Wiener Schauplätze, die im Rahmen der Handlung eine wichtige Rolle spielen:

"Gehen" (Erzählung, 1971): Klosterneuburger Straße, Friedensbrücke; "Die Billigesser" (Erzählung, 1980): Wertheimsteinpark, WÖK, Auge Gottes, Casino Zögernitz; "Wittgensteins Neffe. Eine Freundschaft" (Erzählung, 1982): Am Steinhof; "Holzfällen. Eine Erregung" (Roman, 1984): Gentzgasse; "Alte Meister" (Roman, 1985): Kunsthistorisches Museum; "Elisabeth II. -Keine Komödie" (Drama, 1987): Opernring; "Heldenplatz" (Drama, 1988): Heldenplatz, Meierei im Volksgarten; Volksgarten, Sluka

Darüber hinaus spielte Thomas Bernhard in mehreren Werken direkt oder indirekt auf historische oder damals sogar noch lebende Personen an.

"Korrektur" (Roman, 1975): Ludwig Wittgenstein, "Holzfällen. Eine Erregung" (Roman, 1984): Walther Reyer, Anton Lehmden, Friederike Mayröcker, Ernst Jandl, Jeannie Ebner, Fritz Riedl, "Ritter, Dene, Voss" (Drama, 1986) Gert Voss, Kirsten Dene und Ilse Ritter, "Elisabeth II. -Keine Komödie": Elisabeth II., "Gehen": Ferdinand Ebner, Ludwig Wittgenstein

Nur kurze Zeit nach der Aufregung um sein Stück "Heldenplatz" erlitt Bernhard einen Lungeninfarkt, am 12. Februar 1989 starb er in seiner Gmundner Wohnung an Herzversagen. Die Öffentlichkeit wurde von seinem Tod erst am Tag der Beerdigung (Bernhard wurde am 16. Februar 1989 in Wien auf dem Grinzinger Friedhof im Grab von Hedwig Stavianicek beigesetzt) informiert. Testamentarisch verbot er die Veröffentlichung seiner Werke in jeder Form sowie die Aufführung seiner Dramen in Österreich. Sein Universalerbe Peter Fabjan ermöglichte jedoch, dass es ab 1999 wieder Neuinszenierungen von Bernhards Dramen in Österreich geben konnte. Das Aufführungsverbot wurde dann mit der Gründung der Thomas Bernhard-Privatstiftung endgültig aufgehoben.

Der Briefwechsel zwischen Thomas Bernhard und Gerhard Fritsch, der sich größtenteils aus dem in der Wienbibliothek befindlichen Nachlass von Fritsch speist, wurde am 16. Oktober 2013 in der Wienbibliothek vorgestellt.

Literatur

  • Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Eine Biografie. Residenz Verlag Wien-Salzburg 2015
  • André Heller [Hg.]: Thomas Bernhard. Hab und Gut. Das Refugium des Dichters. Wien: Brandstätter Verlag 2019
  • Alfred Pfabigan: Thomas Bernhard. Ein österreichisches Weltexperiment. Wien: Sonderzahl 2009
  • Christa Fleischmann: Thomas Bernhard. Eine Begegnung. Gespräche mit Christa Fleischmann. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006
  • Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. Leben, Werk, Wirkung. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006
  • Manfred Mittermayer: Thomas Bernhard. (Sammlung Metzler, Bd. 291, Realien zur Literatur), Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler 1995
  • Murray G. Hall / Gerhard Renner: Handbuch der Nachlässe und Sammlungen österreichischer Autoren. Wien [ u.a.]: Böhlau 1992 (Literatur in der Geschichte, Geschichte in der Literatur, 23)
  • Herbert Gamper: Thomas Bernhard. München: Deutscher Taschenbuch-Verlag 1977
  • Bernhard Sorg: Thomas Bernhard. München: Beck 1977
  • Jens Dittmar: Thomas Bernhard. Werkgeschichte. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1981
  • Thomas Bernhard: Der pensionierte Salonsozialist. In: Profil, 26. Jänner 1981, S. 52 f.
  • Meyers Handbuch über die Literatur. Ein Lexikon der Dichter und Schriftsteller aller Literaturen. Hg. von der Lexikonredaktion des Bibliographischen Instituts. Mannheim / Wien [u.a.]: Bibliographisches Institut, Meyers Lexikonverlag ²1970
  • Peter Ernst: Wiener Literaturgedenkstätten. Hg. von Felix Czeike. Wien: J & V-Edition Wien-Verlag 1990
  • Wochenpresse Nr. 8/1989
  • Augustin Baumgartner: Auf den Spuren von Thomas Bernhard. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1992
  • Hans Höller: Thomas Bernhard. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt 1993
  • Thomas Bernhard und seine Lebensmenschen – Der Nachlaß. Ausstellungskatalog. Linz: StifterHaus 2001.
  • Thomas Bernhard: Meine Preise. Frankfurt am Main.: Suhrkamp 2009.
  • Thomas Bernhard / Gerhard Fritsch: Der Briefwechsel. Hg. von Raimund Fellinger und Martin Huber. Mattighofen: Korrektur-Verlag 2013

Links