Rathaus

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Hauptfassade des Rathauses (Heliogravüre, 1883)
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von
Datum bis
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung Neues Rathaus
Benannt nach
Einlagezahl
Architekt Friedrich Schmidt
Prominente Bewohner
PageID 22180
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 3.06.2017 durch DYN.krabina
Bildname Rathaus_Turm.jpg
Bildunterschrift Hauptfassade des Rathauses (Heliogravüre, 1883)
  • 1., Rathausplatz 1
  • 1., Felderstraße 1
  • 1., Friedrich-Schmidt-Platz 1
  • 1., Lichtenfelsgasse 2

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48° 12' 39.08" N, 16° 21' 26.37" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Rathaus (1, Rathausplatz 1, Felderstraße 1, Friedrich-Schmidt-Platz 1, Lichtenfelsgasse 2), erbaut 1872-1883 in historistischen Bauformen nach Plänen und unter Leitung des k. k. Oberbaurats Friedrich Schmidt.

Das heutige Rathaus trug von 1883 bis 1960 offiziell die Bezeichnung "Neues Rathaus", im Gegensatz zum Alten Rathaus, dem vorigen Standort des Rathauses in der Wipplingerstraße. Die Umbenennung erfolgte zum 14. Juni 1960 (MD-Erlass 2134/60).

Baugeschichte

Als das (alte) Rathaus trotz Heranziehung anderer Gebäude in der Stadt infolge der Verwaltungsausdehnung und der Eingemeindung der Vorstädte (1850) zu klein geworden war, wurde nach dem Fall der Basteibefestigungen ein Neubau ins Auge gefasst. Nachdem fast zwei Dutzend verschiedene Standorte zur Diskussion gestellt worden waren und letztliche ein vom Stadterweiterungsfonds angebotenes Areal hinter der heutigen Börse abgelehnt worden war, bot dieser der Gemeinde einen Bauplatz an der Ringstraße zwischen Johannesgasse und Weihburggasse (1, Parkring 14-20) gegenüber dem Stadtpark an, für welchen 1868 auch die Bauausschreibung (Rathaus-Wettbewerb) erfolgte. Da sich der Baubeginn verzögerte und die Umgebung längst verbaut war, wurde die Baulücke im Volksmund Communalloch genannt. Im Oktober 1869 wurden die eingelangten Konkurrenzentwürfe im Künstlerhaus ausgestellt, am 12. Oktober 1869 entschied sich die Jury für das von Schmidt eingereichte Projekt „Saxa loquuntur". Cajetan Felder, der nach dem überraschenden Tod Andreas Zelinkas Ende 1868 zum Bürgermeister gewählt worden war, konnte sich mit der Lage des künftigen Rathauses nicht identifizieren, weil sie ihm nicht repräsentativ genug erschien. So kam er schließlich auf den Gedanken, für das Rathaus einen Bauplatz im Zentrum des (damals noch militärisch genutzten) Josefstädter Glacis (Exerzier- und Paradeplatz) ins Auge zu fassen und bemühte sich um dessen Realisierung. Dabei stieß er zunächst nicht nur beim Hof und bei den Militärs, sondern auch im Lager der Gemeinderäte und bei seinem Freund Schmidt (der die Lage gegenüber dem Stadtpark reizvoll fand) auf energischen Widerspruch. Wenn am 18. März 1870 der Plan der Verbauung des Paradeplatzes (mit den Monumentalbauten Rathaus, Reichsratsgebäude und Universität) und die Wahl des Bauplatzes für das Neue Rathaus im Gemeinderat beschlossen wurden, geschah dies zweifellos nur deshalb, weil die dem Projekt reserviert gegenüberstehenden Gemeinderäte der Meinung waren, der Kaiser würde den Plan ohnedies ablehnen. Am 11. April überreichte Bürgermeister Felder dem Kaiser den vom Gemeinderat genehmigten Plan, und am 11. Juni erteilte Franz Joseph I., von Felder schon seit langem über dessen Pläne informiert, die für den Gemeinderat unerwartete Genehmigung zur Verbauung des Paradeplatzes, was einen Tumult in der Gemeinderats-Sitzung vom 14. Juni auslöste. Am 23. Mai 1872 wurde der 1. Spatenstich getan, bereits 1873 waren die inneren und äußeren Umfassungsmauern bis zur Höhe des Straßenpflasters fertiggestellt, sodass am 14. Juni 1873 die feierliche Grundsteinlegung vorgenommen werden konnte. Am 12. September 1883 konnte zugleich mit der 2. Säkularfeier des Sieges über die Osmanen 1683 nach äußerer Vollendung des Neuen Rathauses die Schlusssteinlegung erfolgen. Nach den magistratischen Dienststellen bezog am 23. Juni 1885 auch der Gemeinderat das neue Haus.

Grundsteinlegung im Fundament des Turmes am 14. Juni 1873
Vermauerung der Schlußsteinurkunde in der Turmnische des Festsaales am 12. September 1883.

Äußeres

Großer Innenhof des Rathauses (1883)

Das Neue Rathaus ist ein monumentales freistehendes neugotisches Gebäude mit einzelnen Renaissanceelementen, besitzt eine Hauptfassade mit Mittelrisalit, großem Mittelturm und vier kleineren Nebentürmen sowie offenen Arkaden im Erdgeschoss, im Hauptgeschoss Loggien. Die Seitenfronten und die Rückfront sind gleichfalls durch Risalite gegliedert. Die Spitze des großen Turms, über dessen Zugängen sich drei Hochreliefs mit Reiterfiguren (Franz Joseph I. von Caspar von Zumbusch [Mitte], Rudolf von Habsburg von Carl Kundmann [rechts] und Rudolf IV. von Josef Gasser [links]) sowie beiderseits des Haupteingangs zwei Statuen von Franz Gastell (Stärke, Gerechtigkeit) und im Schlussstein vorne der Porträtkopf Friedrich Schmidts (flankiert von seinen Mitarbeitern Franz von Neumann und Viktor Luntz) befinden, krönt der Rathausmann. Auf der Brüstung steht vorne in der Mitte eine „Vindobona", flankiert von Bannerträgern mit den Wappen Wiens und der Monarchie; zu beiden Seiten je 18 Statuen von Bürgersoldaten aus verschiedenen Jahrhunderten (1529-1859) beziehungsweise Schildträgerinnen und Schildträger mit den Wappen von Vorstädten beziehungsweise Kronländern. An der Rückfront steht in der Mitte ebenfalls eine „Vindobona" (von Edmund Hellmer), beiderseits je vier allegorische Figuren (rechts Gerechtigkeit, Stärke, Kunst, Wissenschaft, links Weisheit, Treue, Erziehung und Wohltätigkeit). Die Standbilder an den Seitenfassaden stellen bürgerliche Berufe dar (an der Lichtenfelsgasse Tischler, Mechaniker, Goldschmied, Musiker, Bildhauer, Baumeister, Maler, Waffenschmied, Schmied und Schuhmacher, an der Felderstraße Schneider, Tuchmacher, Kaufmann, Buchdrucker, Rechtsgelehrter, Arzt, Wirt, Brauer, Bäcker und Fleischhauer). Die Skulpturen im ersten Stock stammen von Josef Bayer, Anton Břenek, Karl Costenoble, Johann Dorer, Josef Fritsch, Heinrich Fuß, Ludwig Gloß, Edmund Hofmann, Josef Lax, Alexander Mailler, Franz Mitterlechner, Josef Probst, Johann Jakob Silbernagl, Anton Schmiedgruber und Anton Paul Wagner. An der Zufahrtsstraße vom Burgtheater her (heute Fußgeherbereich) stehen seit 1902 entlang der beiden Seiten des Rathausparks (der sich vor dem Rathaus und den Arkadenhäusern erstreckt) die Elisabethbrückenstatuen.

Inneres

Festsaal des Rathauses (Heliogravüre 1883)

Ebenerdig befinden sich im mittleren Teil der Hauptfront die Volkshalle (mit Gewölben und Maßwerkfenstern, Schlusssteine teilweise mit Porträtreliefs der Mitglied der Rathausbaukommission), bei den Seiteneingängen zwei Vestibüle beziehungsweise zwei Innenvestibüle (von denen die beiden Feststiegen [mit interessanter architektonischer Gestaltung] zu den Repräsentationsräumen des ersten Stocks ausgehen) und an der Rückfront die Schmidthalle (dreischiffige Halle mit zwölf schlanken Säulen; ursprünglich Gemeinderats-Vestibül mit Wageneinfahrt für die Gemeinderäte, heute Informationszentrum). Im ersten Stock liegt über der Volkshalle der Festsaal (mit 71 x 20 Meter der größte historische Saal Österreichs) mit einem (der Renaissance entsprechenden) tonnenartigen Gewölbe (Schmidt wollte den Eindruck eines Kirchenraums vermeiden), vorgelagerter Loggia, drei Galerien und apsidenartigen Orchesternischen (in den Bogenwinkeln Reliefbilder von Mozart, Haydn, Gluck und Schubert). Der Saal ist mit zehn monumentalen Statuen historischer Persönlichkeiten (Konrad Vorlauf und Wolfgang Treu [von Johannes Benk], Niklas Graf Salm und Ernst Rüdiger Graf Starhemberg [von Franz Erler], Johann Andreas von Liebenberg und Johann Konrad Richthausen Freiherr von Chaos [von Anton Paul Wagner], Johann Peter Frank und Josef Georg Hörl [von Werner David], Herzog Albert von Sachsen-Teschen und Stefan Edler von Wohlleben [von Viktor Tilgner]) geschmückt. Vor dem Festsaal Marmorbüsten Cajetan Felders und Friedrich Schmidts (von Carl Kundmann) sowie Ehrentafeln mit den eingravierten Namen der Ehrenbürger der Stadt Wien. Zu beiden Seiten des Festsaals schließen dessen ehemalige Büffeträume an (das Südbüffet [in seiner ursprünglichen Form 1971 wiederhergestellt] ist seit 1973 das Arbeitszimmer des Bürgermeisters, das Nordbüffet wird für kleinere Veranstaltungen genutzt). In den den Arkadenhof flankierenden Trakten (mit den Innenvestibülen und Feststiegen) befinden sich im ersten Stock der Stadtsenats-Sitzungssaal (im Süden) und die Wappensäle (im Norden), im Hintertrakt der Gemeinedrats-Sitzungssaal. Der Stadtsenatssitzungssaal besitzt eine reich vergoldete, künstlerische gestaltete Holzkassettendecke und einen Majolikakamin (1885); die Wände schmückt ein Teil der Bürgermeistergalerie. Vor dem Raum liegt der Steinerne Saal (mit großem Gemälde „Blick auf Wien" von Anton HIavacek [1890] und Gobelin mit Stadtwappen).

Sitzungssaal des Gemeinderates (Heliogravüre 1883)

Die Wappensäle wurden nach der Übersiedlung des Historischen Museums der Stadt Wien (das hier die Schausammlung des Waffenmuseums untergebracht hatte) ins neue Haus am Karlsplatz (1959) Anfang der 60er Jahre restauriert (der größere Saal ist mit Fahnentüchern der Bundesländer, der kleinere mit denen der Landeshauptstädte geschmückt) und werden für Veranstaltungen, Ehrungen und Empfänge verwendet. Der (1964 renovierte) Gemeinderatssitzungssaal besitzt eine rosettengeschmückte, reichvergoldete Edelholzkassettendecke, einen großen Luster (nach Entwurf von Friedrich Schmidt; er wurde auf der Weltausstellung in Paris 1878 gezeigt) sowie auf den Galerien Freskenzyklen von Ludwig Mayer (auf den seitlichen Galerien Glanzpunkte aus der Geschichte Wiens, auf der mittleren Galerie allegorische Darstellungen der Aufgaben der Gemeindeverwaltung). Am Gang vor dem Saal Gedenktafeln zur Erinnerung an die Ereignisse von 1805 beziehungsweise 1945 sowie eine Ehrentafel für die in nationalsozialistischen Konzentrationlagern umgekommenen Wiener Gemeinderäte. Im Grünen Saal (neben dem Amtsraum des Magistratsdirektors) befinden sich an der Decke die beiden aus dem Alten Rathaus stammenden Gemälde von Johann Michael Rottmayr, im Roten Salon ältere Gemälde der Bürgermeistergalerie (hier trafen im April 1945 die Sozialdemokraten unter Adolf Schärf zur Wiederherstellung der demokratischen Ordnung in Wien zusammen [Gedenktafel]). An der Lichtenfelsgasse befindet sich die Bürgermeisterwohnung (die beispielsweise von Karl Lueger und Jakob Reumann auch tatsächlich benutzt wurde). – Das Rathaus besitzt sieben Innenhöfe, von denen der zentrale Arkadenhof der bedeutendste ist. Er wurde schon in der Ersten Republik und in der nationalsozialistischen Ära für Veranstaltungen verwendet (beispielsweise Aufführung von „Dantons Tod" durch Max Reinhardt, 1929; 100-Jahr-Feier des Wiener Männergesang-Vereins, 1943), in der Zweiten Republik für die Arkadenhofkonzerte (seit 12. Juli 1952) und Veranstaltungen der Wiener Festwochen. 1989 wurde der Arkadenhof ganzjährig für parkierende Autos gesperrt, danach auf seiner nördlichen Hälfte gärtnerisch gestaltet und 1989-1994 mit Skulpturen von Rudolf Kedl geschmückt (in der Folge wechselnde künstlerische Gestaltung, darunter Skulpturen von Alfred Hrdlicka); 1992 wurde ein Sommerkaffeehaus („Arkaden-Cafe") eingerichtet. Seit den 1990er Jahren entwickelte sich das Rathaus zur Ball-Hochburg. Die Palette reicht vom die Wiener Ballsaison eröffnenden Almdudler Trachtenpärchenball über den Krankenpflege- und Flüchtlingsball bis zu den traditionellen Concordia- und Blumenball. Die größte internationale Bedeutung erlangte der seit 1993 stattfindende Life Ball, der sich zum größten Charity-Event Europas im Rahmen der AIDS-Hilfe entwickelte.

Rathaus, um 1885
Friedrich-Schmidt-Platz 1, um 1893

Das Rathaus wurde während des Zweiten Weltkriegs durch Bomben schwer beschädigt, die architektonische Renovierung war Mitte der 50er Jahre, die Innenrestaurierung Anfang der 70er Jahre weitgehend abgeschlossen. Der Rathausturm wurde 1958/1959 renoviert (am 31. Mai 1958 ertönte erstmals ein im Turm installiertes Glockenspiel, das später wieder außer Betrieb kam). 1979-1984 erfolgte die Fassadenreinigung nach Sanierung der vier Nebentürme, 1984-1988 jene des Hauptturms. Am 14. Dezember 1999 wurde die Generalsanierung des Festsaals abgeschlossen. Von Herbst 2012 bis Herbst 2014 wurde eine neue Fassendenreinigung und -restaurierung durchgeführt. Dabei wurden 40.000 Quadratmeter Naturstein sowie Türen, Tore, Fenstergitter und Bleiverglasungen erneuert. Im Zuge dieser Renovierungsarbeiten wurde auch die Rathausbeleuchtung auf energieeffiziente Lampen umgerüstet.

Umgebung

Dem Rathaus vorgelagert ist der Rathauspark, der bereits 1872/73 errichtet wurde. Die Verkehrsflächen rund um das Rathaus erhielten passende Namen:

Rathaus, 1941
Rathaus, 1941

Das Rathaus und der "Anschluss"

11. März 1938

Mehr als hundert schwer bewaffnete Männer der Rathauswache bewachten am Abend des 11. März 1938 das abgeriegelte Wiener Rathaus. Bürgermeister Richard Schmitz, noch von Dollfuß ernannt, ließ die Miliz der städtischen Betriebe bewaffnen. Die Wiener ‚Frontmiliz’ wurde in den Ausnahmezustand versetzt. Schmitz war vorerst fest entschlossen, in Zusammenarbeit mit der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung den Nationalsozialisten Widerstand entgegen zu bringen. Bereits in den Tagen davor hatte er gemeinsam mit führenden Funktionären der Kanzlerdiktatur (Oliver Rathkolb) versucht, in Kollaboration mit Funktionären der verbotenen Revolutionären Sozialisten, der Gewerkschaften und der KPÖ eine Abwehr des „Anschlusses“ zu organisieren, doch die raschen Ereignisabfolgen zwischen Wien und Berlin sowie die Ultimaten Hitlers und Görings hatten diesen Versuch des Widerstandes überholt. Am Nachmittag des 11. März war Schmitz noch im Bundeskanzleramt gewesen. Die Kapitulation der österreichische Bundesregierung hatte allerdings den Widerstand des Wiener Rathauses perspektivlos werden lassen: Schmitz kehrte ins Rathaus zurück und begann mit der Vernichtung von Akten. Am Abend skandierten in den vollen Gassen rund um das Rathaus Nationalsozialisten die Übergabe des Amtsgebäudes. Der Kommandant der Rathauswache und der bisherige Erste Vizebürgermeister, Major a.D.Fritz Lahr, telefonierten. Lahr gab Befehl, eine Hakenkreuzfahne zu hissen und keinesfalls von der Schusswaffe Gebrauch zu machen. Eine Stunde später stand Lahr mit einigen SA-Leuten vor den verschlossenen Gittertoren des Rathauses und fordert Einlass. Den Bewachungsmannschaften und dem Bürgermeister erklärte er, er handle im Auftrag der (noch gar nicht ernannten) Regierung, er habe von Dr. Hugo Jury, dem künftigen Minister in der Regierung Seyss-Inquart, die Weisung, als kommissarischer Leiter die Führung der Geschäfte des Bürgermeisters zu übernehmen. Schmitz lehnte diese Rücktrittsaufforderung zwei Mal ab. Gemeinsam mit anderen Nationalsozialisten, darunter Karl Gratzenberger, Karl Sobolak und Thomas Kozich, kehrte Lahr kurz vor Mitternacht noch einmal zum Rathaus zurück. Die Hakenkreuzfahne wurde gehisst und etwa 160 Bewaffnete des SA-Sturmbanns I/99 „Oberland“ – vielen von ihnen Ehemalige des „Deutschen Turnvereins“ – besetzten das Rathaus. Im Arkadenhof versammelte sich die Rathauswache und legte die Waffen nieder. Schriftliche Quellen zu diesen dramatischen Stunden gibt es kaum. Gesichert ist nur, dass die Rathausbesetzer im Rathauskeller auf Kosten der Stadt 166 Paar Frankfurter Würstchen verzehrten. Um 20 Minuten nach Mitternacht verlautbarte die österreichische Radiostation RAVAG eine der ersten Amtshandlungen des eben erst ernannten Bundeskanzlers Seyss-Inquart: Er betraue Vizebürgermeister Lahr mit der Führung der Geschäfte des Bürgermeisters von Wien. Schmitz stand ab sofort unter Hausarrest, wurde am nächsten Tag verhaftet und im Gefangenenhaus am Donaukanal interniert. Gemeinsam mit 150 anderen Prominenten wurde er am 1. April 1938 im Zuge des ersten Gefangenentransport in das Konzentrationslager Dachau überstellt.

12./13. März 1938

Lahr’s Amtszeit als Bürgermeister von Wien dauerte nur zwei Tage. Der Nationalsozialist Karl Grazenberger war sein ständiger Begleiter. Gemeinsam starteten sie die Amtsenthebungen und personellen Um- bzw. Neubesetzungen in der Gemeindeverwaltung, andere Verwaltungstätigkeiten wurden in diesen Tagen quasi ausgesetzt. Den Sonntag, 13. März, und die Tage danach nutzten die neuen Machthaber, um Schaltstellen der Verwaltung mit ehemals illegalen Parteigenossen zu besetzen: Obersenatsrat Dr. Rudolf Hornek löste Dr. Rudolf Hießmanseder als Magistratsdirektor ab, Dr. Oswald Felkel wurde Magistratsvizedirektor und Magistratsrat Hermann Palme wurde zum Leiter des Personalamts bestellt. Magistratsrat Dr. Otto Schaufler leitete die Gruppe I (Landesbehördliche Angelegenheiten), Magistratsrat Dr. Heinrich Karasek übernahm die Gruppe II (Finanzverwaltung), Senatsrat Dr. Hans Pamperl übernahm die Leitung der Gruppe III (Wohlfahrt, Sozialfürsorge und Gesundheitswesen) und Magistratsrat Dr. Hans Helch wurde der Gruppe VI (Wirtschaftsamt) zugeteilt. Halten könnte sich Stadtbaudirektor Franz Musil, der bereits seit 13 Jahren im Amt ist. Versuche des gewaltsamen Widerstands (Sabotage) sind nur aus der Generalpostdirektion bekannt. Am 12. März sendete Lahr Adolf Hitler, der am Abend in Linz ankam, ein Telegramm indem er ihn über die Umbenennung des Rathausplatzes in „Adolf-Hitler-Platz“ informierte und unterzeichnete es mit „die neue nationalsozialistische Führung der zweitgrößten deutschen Stadt“ – womit er Hitler vermutlich selbst darauf aufmerksam machte, dass ein Mann an der Spitze Wiens stand, der nicht aus dem Kreis der Illegalen kam. Lahr musste noch am 13. März gemeinsam mit seinem Stellvertreter zurücktreten.

Dr. Dipl.Ing. Hermann Neubacher übernahm als Bürgermeister die Führung der Stadt Wien, der Wiener Gauleiter Franz Richter wurde sein Erster Vizebürgermeister, Zweiter Vizebürgermeister wurde SA-Führer Thomas Kozich. Drei Tage später folgte die Ernennung von Dipl.Ing. Hanns Blaschke zum Dritten Bürgermeister, wobei am 24. März die Reihenfolge richtiggestellt wurde: Blaschke wurde zum Ersten, Richter zum Dritten Bürgermeister – eine Einteilung bzw. Besetzung, die bis 1939 hält. Die Wiener Beamtenschaft wurde am 17. März auf den Führer vereidigt, ausgenommen waren Jüdinnen und Juden, sie galten sofort als suspendiert – so wie auch all jene, die den Eid verweigern.

Siehe auch:

Literatur

  • Gerhard Botz: Nationalsozialismus in Wien. Machtübernahme, Herrschaftssicherung, Radikalisierung 1938/39. Wien: Mandelbaum 2008.
  • Felix Czeike: Das Rathaus. Wien [u.a.]: Zsolnay 1972 (Wiener Geschichtsbücher, 12)
  • Felix Czeike: Das Wiener Rathaus. (Nachdruck in: 1918-1968. Wien, 50 Jahre Hauptstadt der Republik. Wien 1968 (Stadt Wien. Offizielles Organ der Bundeshauptstadt, 73) [1972, mit neuem Abbildungs-Teil])
  • Felix Czeike: Das Wiener Rathaus. Führer. 1973
  • Felix Czeike: Die Bürgermeister-Galerie im Wiener Rathaus. In: Stadt Wien. Offizielles Organ der Bundeshauptstadt, 38) 1972, S. 11 ff.
  • Felix Czeike: Die Bürgermeister-Galerie im Wiener Rathaus. In: Stadt Wien. Offizielles Organ der Bundeshauptstadt, 39) 1972, S. 12 ff.
  • Felix Czeike: Die Bürgermeister-Galerie im Wiener Rathaus. In: Stadt Wien. Offizielles Organ der Bundeshauptstadt, 40) 1972, S. 14 ff
  • Rathausjubiläum 1973. In: Wiener Geschichtsblätter 28. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1973. Sonderheft
  • Felix Czeike: Wien. Innere Stadt. Kunst- und Kulturführer. Wien: Jugend und Volk, Ed. Wien, Dachs-Verlag 1993, S. 135 ff.
  • Felix Czeike: Wien. Kunst und Kultur-Lexikon. Stadtführer und Handbuch. München: Süddeutscher Verlag 1976, S. 127 f.
  • Karl Weiß: Festschrift aus Anlaß der Vollendung des neuen Rathauses. 1883
  • Friedrich Schmidt: Das Neue Wiener Rathaus. 1884
  • Führer durch das Neue Rathaus der Stadt Wien. 1888
  • Emil Winkler: Technischer Führer durch Wien. Wien: Lehmann & Wentzel 1873, S. 178 ff.
  • Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 327 ff.
  • Paul Kortz: Wien am Anfang des 20. Jahrhunderts. Ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung. Hg. vom Oesterreichischen Ingenieur und Architekten-Verein. Wien: Gerlach & Wiedling 1906. Band 2, 1906, S. 160 ff.
  • Justus Schmidt / Hans Tietze: Dehio Wien. Wien: A. Schroll 1954 (Bundesdenkmalamt: Die Kunstdenkmäler Österreichs), S. 79
  • Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 1. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 159 ff. (und Register)
  • Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Ringstraße. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 4. Wiesbaden: Steiner 1969-1981, S. 200 ff.
  • Das Wiener Rathaus. In: Die Stadt Wien gibt Auskunft 44 (1964)
  • Hans Markl: Kennst du alle berühmten Gedenkstätten Wiens? Wien [u.a.]: Pechan 1959 (Perlenreihe, 1008), S. 63 ff.
  • Wolfgang Wieser, Das Wiener Rathaus. Geschichte & Gesellschaft, Architektur & Anekdoten. Wien: Bohmann Verlag 2011
  • Christine Klusacek, Kurt Stimmer: Die Wiener und ihr Rathaus. Ein Streifzug durch die Geschichte. Wien: Carl Gerold's Sohn Verlagsbuchhandlung 2003
  • Rudolf Schmidt, Das Wiener Künstlerhaus. Eine Chronik 1861-1951, Wien 1961, S. 84 f. (plastischer Fassadenschmuck)
  • Briefmarkenabhandlung der Postdirektion anläßlich des Erscheinens von österreichischen Briefmarken, 08.09.1983)
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 409 f.

„Innere Stadt“ ist keine Zahl.„Innere Stadt“ ist keine Zahl. „Innere Stadt“ ist keine Zahl.„Innere Stadt“ ist keine Zahl.