Exerzier- und Paradeplatz

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Parade auf dem Josefstädter Glacis, mittig das Militärgeographische Institut, dahinter die Kirche Maria Treu (1860)
Daten zum Objekt
Art des Objekts Sonstiges Topografisches Objekt
Datum von 1783
Datum bis 1870
Name seit
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Bezirk 1
Prominente Bewohner
Besondere Bauwerke
PageID 6416
GND
WikidataID
Objektbezug Glacis, Josefstadt, Ringstraße, Ringstraßenzone, Josefstädter Glacis (1), Rathaus, Langes 19. Jahrhundert
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 15.04.2024 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Josefstädter Glacis.jpg
Bildunterschrift Parade auf dem Josefstädter Glacis, mittig das Militärgeographische Institut, dahinter die Kirche Maria Treu (1860)

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48° 12' 38.65" N, 16° 21' 29.17" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Josefstädter Glacis am Stadtplan 1858

Exerzier- und Paradeplatz (1., begrenzt von Ringstraße, Universitätsstraße, Landesgerichtsstraße, Friedrich-Schmidt-Platz, Auerspergstraße und Schmerlingplatz; "Exerzier- und Paradeplatz auf dem Josefstädter Glacis").

1783 wurde hier ein Exerzierplatz angelegt (noch 1848 so genannt). Der Paradeplatz befand sich ursprünglich vor der Hofburg; als es nach dem Abzug der Franzosen 1809 zur Neugestaltung des Terrains kam (Burggarten, Heldenplatz, Volksgarten), übersiedelte man auch mit diesem hieher. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts wurde für das Josefstädter Glacis, das aus der Ringstraßenzonenplanung ausgeklammert und weiterhin militärischem Nutzung vorbehalten geblieben war, die Bezeichnung "Exerzier- und Paradeplatz" gebräuchlich. Der Exerzier- und Paradeplatz durfte von keiner Fahrstraße durchquert und nicht bepflanzt werden, sodass sich vor allem für die Verbindung der Vorstadt (beziehungsweise des Bezirks) Josefstadt mit dem Stadtzentrum für die Bevölkerung schwere Behinderungen ergaben; außerdem war der Exerzier- und Paradeplatz wegen seiner Staubentwicklung gefürchtet und verwandelte sich bei Regenfällen in einen Morast (der wegen des zur Ringstraße hin leicht abfallenden Terrains auch diese in Mitleidenschaft zog, wie zeitgenössische satirische Zeichnungen immer wieder aufzeigten). Vorstellungen der Vertreter der Gemeinde Wien blieben 1862 ohne Erfolg; 1863/1864 wurden, nachdem wenigstens die Auflassung des militärischen Übungsplatzes zugestanden worden war, Abgrabungen und Planierungen vorgenommen (das Gelände blieb aber weiterhin der Militärverwaltung unterstellt und wurde für Paraden verwendet).

Es wurden Grasflächen und Feldwege angelegt, die begrünten Flächen mit Schranken abgegrenzt; außerdem wurden Laternen zur Beleuchtung angebracht, um die Sicherheit in den Nachtstunden zu verbessern. Vor Paraden mussten alle "Einbauten" (Schranken, Laternen) wieder entfernt werden. Die Gespräche um eine Auflassung des Paradeplatzes kamen erst in ein entscheidendes Stadium, als sich Bürgermeister-Stellvertreter Dr. Cajetan Felder einschaltete (der übrigens in der Josefstadt wohnte und in einer Rechtsanwaltskanzlei in der Teinfaltstraße beschäftigt war, sodass er von den Unzukömmlichkeiten persönlich betroffen war). Ihm kam der Gedanke, das Gebiet repräsentativ zu verbauen, wobei er ins Zentrum das (neue) Rathaus setzen wollte (zu dessen "endgültigem" Standort man ein Areal an der Ringstraße gegenüber dem Stadtpark bestimmt hatte [das man, als die Verbauung nicht zustande kam, im Volksmund "Kommunalloch" nannte]). Da selbst in den eigenen Reihen (Mitglieder seiner Mittelpartei im Gemeinderat, anfangs auch Architekt Friedrich von Schmidt, der aus der Ausschreibung für das Rathaus als Sieger hervorgegangen war und den gegenüberliegenden Stadtpark als Vorfeld schätzte) die Opposition gegen seinen Plan beträchtlich war, konnte Felder nur sehr vorsichtig zu Werke gehen; er entschied sich dafür, zuerst bei Franz Joseph I. zu sondieren, bevor er entscheidende Schritte in die Wege leitete.

Wohl genehmigte der Kaiser 1868 grundsätzlich die Auflassung des Paradeplatzes, doch machte er die Realisierung unter dem Druck der Militärs von der Auffindung eines geeigneten Ersatzplatzes abhängig (der letztlich auf der Schmelz (15) gefunden wurde). Inzwischen hatte Felder auch Schmidt für seinen Plan gewonnen und dem Gemeinderat ein Projekt vorgelegt, das bereits den Bau von Reichsratsgebäude, Rathaus und Universität im heutigen Ensemble vorsah. Der Gemeinderat gab (dem inzwischen [1868] zum Bürgermeister gewählten) Felder zwar die Genehmigung, beim Kaiser vorstellig zu werden, glaubte aber nicht an einen Erfolg. Als Felder schließlich dem Gemeinderat die positive Entscheidung zur Kenntnis brachte (die er ja bereits diplomatisch vorbereitet gehabt hatte), brach ein ungeheurer Tumult los; die Mehrzahl der Gemeinderäte hatte ganz offensichtlich ihre Zustimmung nur deshalb gegeben, weil sie an keinen Erfolg geglaubt hatte. Am 11. Juni 1870 wurde der Exerzier- und Paradeplatz zugleich mit der Genehmigung des Verbauungsplans aufgelassen, am 1. Juli erfolgte die Übergabe der Grundfläche an den Stadterweiterungsfonds, am 23. Mai 1872 der erste Spatenstich für das Rathaus.

Auf dem Gelände entstanden im Sinne des Schmidtschen Konzepts neben dem Rathaus das Reichsratsgebäude (Parlament), die Universität Wien, das Rathausviertel und der Rathauspark, außerdem unter anderem das Korpskommando (Universitätsstraße 7; heute Neues Institutsgebäude der Universität Wien) und am südlichen Rand der Justizpalast.

Literatur

  • Felix Czeike: Das Rathaus. Wien [u.a.]: Zsolnay 1972 (Wiener Geschichtsbücher, 12), S. 44 ff.
  • Cajetan Felder: Erinnerungen eines Wiener Bürgermeisters. [Die Auswahl und Bearb. des handschriftlichen Manuskriptes besorgte Felix Czeike]. Wien: Forum-Verl. 1964, S. 344 ff.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 473
  • Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des VIII. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag 1918, S. 260
  • Wien 1848-1888. Denkschrift zum 2. December 1888. Band 1. Hg. vom Gemeinderathe der Stadt Wien. Wien: Konegen 1888, S. 264 f.