Rathaus-Wettbewerb

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Siegerentwurf von Friedrich Schmidt für den Rathauswettbewerb (1868/69)
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Wettbewerb
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Datum bis
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PageID 32821
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Objektbezug Rathaus, Langes 19. Jahrhundert
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Letzte Änderung am 15.04.2024 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Rathaus Schmidt.jpg
Bildunterschrift Siegerentwurf von Friedrich Schmidt für den Rathauswettbewerb (1868/69)
Beteiligte Personen

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Katalog zur Ausstellung der Wettbewerbsbeiträge im Künstlerhaus, 1869

Die Ausweitung der Kompetenzen der Stadtverwaltung, das andauernde Bevölkerungswachstum und das flächenmäßige Wachstum Wiens führten zu einem erhöhten Platzbedarf der Verwaltungsorgane. Wiewohl das damalige Rathaus in der Wipplingerstraße immer wieder um- und ausgebaut wurde, waren die Platznöte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts untragbar geworden. Dazu kam freilich auch der Wunsch nach einem repräsentativen Gebäude. Im Zuge der Schleifung der Befestigungen und der Anlage der Ringstraße ab 1857 wurden die Pläne für den Bau eines neuen Rathauses konkreter.

Eine wesentliche Frage war die des Bauplatzes. Ein vom Stadterweiterungsfonds angebotenes Areal hinter der Börse wurde abgelehnt. 1863 wurde der Gemeinde ein Bauplatz am Parkring gegenüber dem heutigen Stadtpark, eingeschlossen von Johannesgasse und Weihburggasse. Die Gemeinde musste sich im Gegenzug dazu verpflichten, bis 1869 mit der Errichtung des "Stadthauses" zu beginnen. Da sich der Bau lange verzögerte, wurde die Baulücke Communalloch genannt.

Inhalt:
  1. Ausschreibung und Ablauf
  2. Die Projekte
    1. 1. Preis: Friedrich Schmidt: "Saxa loquuntur"
    2. 2. Preis: Ambroise Baudry: "Ojala"
    3. 3. Preis: Ernest Chardon und Marcel Lambert: "L’art unit les peuples"
    4. 4. Preis: Gustav Ebe und Julius Benda: "Zelinka"
    5. 5. Preis: Eugène Demangeat: "À l’alliance des nations"
    6. 6. Preis: Otto Thienemann: "Bürgersinn"
    7. 7. Preis: Alfred Friedrich Bluntschli: "Saluti publicae"
    8. 8. Preis: Alois Wurm: "Concordia"
    9. 9. Preis: Karl König: "Was er kann, schafft ein Mann"
    10. 10. Preis: Ludwig Lang: Monogramm "BB LL"
    11. 11. Preis: Ignaz Ullmann: "Liberi cives optimum rei publicae fundamentum"
    12. 12. Preis: Hilger Hertel: "Nach Art der Alten, neu gestalten"
  3. Quellen
  4. Literatur

Ausschreibung und Ablauf

Bis 1868 wurde ein Raumprogramm für das neue Rathaus erstellt, bei dem alle Abteilungen der Stadtverwaltung ihren Platzbedarf anmeldeten. Das Programm lässt aber auch erkennen, dass für den Bau zahlreiche Repräsentationsräume vorgesehen waren. Die Wettbewerbsausschreibung zur Errichtung eines Rathauses wurde am 22. Mai 1868 vom Gemeinderat verabschiedet und im Anschluss veröffentlicht. Bis am 1. September 1869 waren Wettbewerbspläne beim Präsidium des Gemeinderates anonymisiert (mit einem Motto versehene Pläne und die Auflösung in beiliegenden, verschlossenen Kuverts) einzureichen.

Insgesamt langten bei hoher internationaler Beteiligung 64 Entwürfe ein. Es wurden von einem Schiedsgericht die besten zwölf Entwürfe prämiert. Als Sieger ging das Projekt Friedrich Schmidts aus dem Wettbewerb hervor. Der Gemeinderat wurde am 12. Oktober 1869 vom Ergebnis informiert.

Auf Initiative des neuen Bürgermeisters Cajetan Felder wurde der Bauplatz beim Stadtpark gegen ein wesentlich größeres und besser gelegenes Areal getauscht. Das Siegerprojekt wurde für den neuen Bauplatz adaptiert und 1872 bis 1883 umgesetzt (siehe Rathaus).

Die Projekte

1. Preis: Friedrich Schmidt: "Saxa loquuntur"

Projekt Friedrich Schmidt (1. Preis): Grundriß erster Stock. Die Grunddisposition der Räumlichkeiten wurde beim Bau noch verändert. Der an der Nordseite des Arkadenhofes erkennbare Gemeinderatssitzungssaal wurde schließlich westlich davon hinter dem Kappellenerker (Polygonausbau) verwirklicht.

Friedrich Schmidt (1825–1891, 1886 geadelt) war zur Zeit des Rathauswettweberbes bereits ein arrivierter Architekt: Er war 1868 Oberbaurat, Professor an der k. k. Akademie der bildenden Künste und Dombaumeister zu St. Stephan in Wien. Seine praktische Ausbildung hat er in der Dombauhütte Köln absolviert, dem wichtigsten Zentrum der neugotischen Bewegung in Deutschland (1848 Meisterprüfung Maurer und Steinmetz), an der Berliner Bauakademie absolvierte er eine akademische Ausbildung (Abschluss 1856). Schmidt hatte als Architekt sehr viele Sakralbauten geschaffen, aber auch im säkularen Bereich gearbeitet.

In Bezug auf öffentliche Bauten war im Zusammenhang mit dem Rathauswettbewerb der Bau des Akademischen Gymnasiums in Wien (1863–1866) bis dahin wohl sein relevantestes Werk. 1865 legte er einen Konkurrenzentwurf für das Wiener Reichsratsgebäude vor (das heutige Parlamentsgebäude), der sich nicht durchsetzen konnte. Hier war ein riesiger gotischer Bau über kompliziertem Grundriss von einer monumentalen Kuppel bekrönt. Die Bannerträgerfigur an der Spitze erinnert stark an den späteren Rathausmann. Schmidt galt als Experte für gotische Baukunst, der auch im Bereich der Denkmalpflege tätig war (Mitglied der k. k. Zentralkommission 1860).

Die Wahl des Baustiles wurde den Architekten in der Ausschreibung zum Rathauswettbewerb freigestellt. Die Wahl jener Stilepoche, die für einen Bau zum Vorbild genommen wurde, war freilich nicht willkürlich. Einerseits hing die Wahl von der Bauaufgabe ab, andererseits war damit mitunter auch eine politische Aussage verbunden. Nahm man im Fall des Reichsratsgebäudes griechische Tempelarchitektur zum Vorbild, um die Wiege der Demokratie zu würdigen, konnte man im Falle des Rathauses die Gotik insofern rechtfertigen, als dass man eine "bürgerliche städtische Autonomie" im Spätmittelalter vor Augen führen beziehungsweise daran anknüpfen wollte. Andererseits war die (Kathedral-)Gotik mit katholischer Religion verknüpft. Daher stand das liberale Bürgertum dem neugotischen Stil zwiespältig gegenüber.

Das Rathausprojekt von Friedrich Schmidt bekam den ersten Preis in erster Linie wegen seiner überragenden architektonischen Qualität, also trotz der Stilwahl Schmidts. Beim Rathausbau wurde allerdings ein Stil verwendet, der nur auf den ersten Blick als gotisch erscheint. Tatsächlich entsprach er in vielem nicht Grundsätzen gotischen Stilempfindens. Schmidt selbst hatte den Stil nicht als gotisch eingestuft. Besser sollte man von einem Hybridstil sprechen. Technisch gesehen setzte man – wie das übrigens auch bei der Vollendung des Kölner Doms im 19. Jahrhundert der Fall war – die alten Stilvorbilder mit modernsten Mitteln um.

2. Preis: Ambroise Baudry: "Ojala"

Projekt Ambroise Baudry (2. Preis): Seitenfassade

Amboise Baudry (1838–1906) hat von allen ausländischen Einreichungen mit seinem Projekt die beste Platzierung erreicht. Der Wettbewerb für das Wiener Rathaus ist insbesondere in Frankreich auf großes Interesse gestoßen. Mit Unterstützung des österreichischen Generalkonsuls in Paris und des österreichischen Botschafters in Brüssel war in der Architekturzeitschrift "Le Moniteur des Architectes" eine französische Übersetzung der Ausschreibung erschienen.

Baudry war nicht nur Architekt, sondern auch Maler mit einem starken Interesse für Archäologie. 1867 gestaltete er den rumänischen Teil auf der Pariser Weltausstellung. Am Wiener Wettbewerbsprojekt arbeitete er von April bis August 1869. Im Mai 1870 präsentierte er es im Pariser Salon. Dem Wiener Projekt wurde eine gute Grunddisposition bescheinigt, die effiziente Publikumsströme und Kommunikationswege miteinschloss. Allerdings fehlte dem an französischen Renaissanceformen orientierten Entwurf ein großer Innenhof, da die Repräsentationsräume die Anlage von Längs- und Quertrakt notwendig machte. Was ebenfalls als Manko betrachtet wurde, war der für ein Rathaus als zu klein empfundene Turm. Es gab an der Ringstraßenfront kein Hauptportal, sondern zwei symmetrisch angeordnete Portale.

3. Preis: Ernest Chardon und Marcel Lambert: "L’art unit les peuples"

Projekt Chardon/Lambert (3. Preis): Gebäudeschnitt mit Feststiege, Ausschnitt. Gut erkennbar ist die prächtige Ausstattung im Stil Napoleons III.

Der Pariser Architekt Ernest Chardon de Thermeau (1836–nach 1896) hat zusammen mit dem jüngeren Marcel Lambert (1847–1928) von der École impériale et speciale des Beaux-Arts in Paris, ein Projekt eingereicht, das knapp nach jenem von Baudry den dritten Platz erringen konnte. Ihre Pläne zeigen ein Rathaus, das vorbildlich das französische Ideal verkörpert: Eine sehr eng an das Pariser Rathaus angelehnte Fassade in prächtigen Formen der französischen Renaissance mit betonten Eckpavillons, einem verhältnismäßig schwach ausgebildeten Mittelrisalit mit Uhr und Turmkonstruktion.

Im Inneren prunkvolle Empfangsräume im damals gängigen Stil Napoleons III. Diese Art von Rathausarchitektur wurde in Wien zwiespältig aufgenommen. Einerseits bewunderte man die Pracht und Eleganz, andererseits war die aus der Palastarchitektur stammende Bautradition mit den Idealen des Wiener liberalen Bürgertums für die konkrete Bauaufgabe schlecht vereinbar. Der Interpretation des französischen Rathauses durch Chardon/Lambert wurde insofern ein gutes Zeugnis ausgestellt, als dass der Baugedanke in der Außengestaltung als vorbildlich verwirklicht angesehen wurde.

4. Preis: Gustav Ebe und Julius Benda: "Zelinka"

Projekt Ebe/Benda (4. Preis): Gebäudeschnitt mit Turm, Ausschnitt

Gustav Ebe (1834–1916) und Julius Benda (1838–1897) haben ihr Projekt nach dem bis zu seinem plötzlichen Tod am 21. November 1868 amtierenden Wiener Bürgermeister Andreas Zelinka (1802–1868) benannt. Zelinka starb mitten in der Zeit des Wettbewerbs, der mit dem Gemeinderatsbeschluss am 22. Mai 1868 begann. Die Einreichfrist endete am 1. September 1869. Ebe und Benda waren beide Schüler der Berliner Bauakademie, wobei der in Rauden (Regierungsbezirk Oppeln/Schlesien, heute Opole in Polen) geborene Benda zuerst auch an der Akademie in München studierte. Die beiden Architekten gründeten nach Abschluss von Studienreisen in Italien und Frankreich gemeinsam in Berlin ein Atelier. Der Wettbewerb zum Wiener Rathaus war eines ihrer ersten großen Projekte.

Ebe und Benda haben bei der Grunddisposition einen anderen Zugang gewählt als die meisten anderen Einreicher: an der Ringstraßenseite liegen nicht die repräsentativen Festräumlichkeiten, sondern Büros und der Magistratssaal. Damit wollten die beiden Architekten wohl die Bedeutung der Verwaltung in den Vordergrund rücken. Dieses Kalkül ging nicht auf. Die Festräume können nicht mit dem Prunk der französischen Entwürfe mithalten. Stilistisch gesehen ist das Projekt in einem Mischstil zwischen Gotik und Renaissance zu verorten, wobei die runden Fensterbögen sehr dominant sind. Der Bau orientiert sich aber an nördlichen Vorbildern, was aus politischen und kulturellen Gründen für Wien als unpassend angesehen wurde. Zumindest macht der riesige Turm deutlich, dass der Bau ein Rathaus ist.

5. Preis: Eugène Demangeat: "À l’alliance des nations"

Projekt Eugène Demangeat (5. Preis): Hauptfassade

Den fünften Preis erreichte das Projekt von Eugène Demangeat (1818–1890) aus Paris. Demangeat war aus Nantes gebürtig und entstammte einer Architektenfamilie. Er studierte an der Académie des Beaux-Arts in Paris. 1844 konnte er den dritten Platz beim Prix de Rome erlangen, dem traditionellen Romstipendium der französischen Akademie. Demangeat arbeitete an verschiedenen Projekten sowohl in Paris als auch in den französischen Provinzen und entwickelte sich zu einem der wichtigen Architekten der Haussmann-Ära. Das Projekt für das Wiener Rathaus hatte wohl vor allem wegen seiner Grunddisposition der wichtigsten Lokalitäten Erfolg. So ist die Aufteilung ähnlich wie beim zweitgereihten Projekt von Baudry. Der Stil wurde als konventionell charakterisiert und die Ausstattung hatte wenig von dem prunkvollen Reiz, den man von den Franzosen erwartet hatte. Was beim Entwurf Demangeats außergewöhnlich ist, ist ein große Saal unter der Erde, den der Architekt für Konzerte und Veranstaltungen vorgesehen hat.

Der Außenbau ist wie auch jener der Entwürfe der anderen Franzosen dem Pariser Vorbild angelehnt. Der heutige Bau des Pariser Rathauses entspricht dabei nicht exakt jenem, der zur Zeit des Wiener Wettbewerbes bestanden hatte. Das Pariser Hôtel de Ville wurde im 16. Jahrhundert neu gebaut. Die ersten Pläne gehen auf einen italienischen Architekten aus dem Kreis um Franz I. zurück, nämlich Domenico da Cortona, genannt Boccador, einem Schüler von Giuliano da Sangallo. Im 19. Jahrhundert fanden große Erweiterungen statt. Das Hôtel de Ville wurde im Zuge des Aufstandes der Pariser Kommunarden 1871 zerstört, aber bald darauf in ähnlichen Formen wiedererrichtet.

6. Preis: Otto Thienemann: "Bürgersinn"

Projekt Otto Thienemann (6. Preis): Perspektivansicht. Die umliegenden Häuser und der Stephansdom im Hintergrund zeigen die städtebauliche Einbindung am geplanten Standort beim Stadtpark.

Otto Thienemann (1827–1905) stammte zwar aus Gotha, hatte aber seine Ausbildung vornehmlich in Wien absolviert. Er arbeitete in den Ateliers von Sicardsburg und van der Nüll, später bei Ludwig Förster, bevor er Mitarbeiter der Kaiserin-Elisabeth-Westbahn wurde. Um 1865 ließ er sich als selbständiger Architekt in Wien nieder. 1868 wurde er schließlich Chefarchitekt für den Bau der Kronprinz-Rudolf-Bahn. Neben seiner Tätigkeit beim Bahnbau lieferte Thienemann aber auch Entwürfe für Mietshäuser und andere wichtige Bauten der Ringstraßenära. Bis zum Zeitpunkt des Entwurfes für das Wiener Rathaus hatte Thienemann die neugotische Villa Warrens im Raxgebiet, Mietshäuser in Linz und Wien sowie 1858 den Hauptbahnhof Linz gebaut.

Thienemanns Entwurf für das Rathausprojekt war – außer seinen Bahnbauten – der erste für ein derartiges Großprojekt. Bei der Außengestaltung fällt auf, dass kein hoher Turm vorgesehen ist. Die Fassade ist durch eigenwillige Dachkonstruktionen gestaltet. Der Grundriss ist innerhalb der Straßentrakte von einem sehr breiten Längstrakt dominiert. Daher kommt kein großer Innenhof zustande. Dafür bietet der Entwurf im Längstrakt großzügige Vestibüle und Treppenhäuser zu den Festräumen. An der Perspektivansicht wird die Situierung des Bauplatzes deutlich, über den die Gemeinde 1863 mit dem Stadterweiterungsfonds einen Vertrag abgeschlossen hatte.

7. Preis: Alfred Friedrich Bluntschli: "Saluti publicae"

Projekt Alfred Friedrich Bluntschli (7. Preis): Hauptfassade

Alfred Friedrich Blutschli (1842–1930) war am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich ein Schüler Gottfried Sempers. 1863 bis 1866 vervollständigte er in Florenz und Paris seine Ausbildung und ließ sich 1866 in Heidelberg als Architekt nieder. Am Beginn seiner Karriere stehend, beteiligte er sich am Wettbewerb zum Wiener Rathaus mit einem eigenen Entwurf. Zuvor hatte er schon 1866 beim Wettbewerb zum Bau des Münchner Rathauses teilgenommen. Dort hatte sein gemeinsam mit Otto Tafel eingereichtes Projekt den 3. Platz erreicht.

Für den Wiener Wettbewerb hat Bluntschli allein ein Projekt vorgelegt. Stilistisch kann der Entwurf der Renaissance zugeordnet werden, die auch in späteren Arbeiten von Bluntschli bevorzugt verwendet wurde. Dies entsprach auch seinem Leitspruch: "Mein Motto fürs Leben bleibt Renaissance". Allerdings ist seine Interpretation der Renaissance verglichen mit Entwürfen zu anderen Ringstraßenbauten sehr klassizistisch orientiert. An seinem Rathausentwurf fällt auf, dass zwar die Hauptfassade durch die Seitenbauten und den Mittelbau kräftig gegliedert, aber der Außenbau weder durch einen Turm noch durch eine Kuppel ausgezeichnet ist. Dies ist auch ein Unterschied zu seinen Rathausprojekten zuvor für München (1866) und später für Hamburg (1876).

Insgesamt entsprachen Formen und Stil in den Augen der Jury zu wenig dem Charakter eines Rathauses. Von den Zeitgenossen wurde auch kritisiert, dass die Disposition der Räumlichkeiten schlecht war, weil zu wenig auf den Publikumsverkehr Rücksicht genommen worden ist.

Alfred Blutschli hat übrigens 1870 gemeinsam mit Karl Mylius für den Wiener Zentralfriedhof ein Projekt vorgelegt, das im Wettbewerb den ersten Preis erhielt und auch umgesetzt wurde.

8. Preis: Alois Wurm: "Concordia"

Projekt Alois Wurm (8. Preis): Perspektivansicht

Dass der Wettbewerb zum Wiener Rathaus gerade auch für junge Architekten als Möglichkeit zur Profilierung interessant war, kann man auch daran ablesen, dass nicht wenige der Einreicher relativ jung waren. Alois Wurm (1843–1920), ein Schüler von Siccardsburgs und van der Nülls, hatte in Wien und München seine Ausbildung absolviert und sich erst 1868 in Wien als selbständiger Architekt niedergelassen. Wurm, 1909 schließlich mit dem Prädikat "von Arnkreuz" geadelt, wurde im Laufe seiner Karriere zu einem sehr gefragten Architekten, der zahlreiche Projekte realisieren konnte. Neben einer intensiven Phase von Bautätigkeit in Moskau 1870/1871 baute er zahlreiche Offizierskurhäuser in der gesamten Habsburger Monarchie. Alois Wurm war 1862 eines der Gründungsmitglieder der "Wiener Bauhütte", einem Architektenverein, der eine rege Publikationstätigkeit entfaltete. Wurm war selbst als Architekturschriftsteller tätig.

In seinem Beitrag zum Rathauswettbewerb zeigen sich im Grundriss Ähnlichkeiten zum Siegerprojekt Friedrich Schmidts: Es waren ein zentraler, großer Hof und vier kleinere Höfe vorgesehen. Der Festsaal ist ebenfalls zentral an der Ringstraßenfront situiert. Die beiden Prunkstiegen sind hier allerdings näher zum Festsaal. Die Kapelle ist in der Mitte der Rückfront gelegen. Gemeinderatssaal und der Sitzungssaal des Magistrates sind in beiden Entwürfen spiegelbildlich positioniert, bei Schmidt in der Mitte des Gebäudes, bei Wurm an den jeweiligen Ecken. Auf Grund dieser Ähnlichkeiten in der Disposition der einzelnen Lokalitäten ist es wenig verwunderlich, dass der Entwurf von Wurm von den Zeitgenossen für eben diese Eigenschaft gelobt wurde. Weniger zufrieden war man mit der Ausgestaltung, die nicht mit dem Anspruch des Entwurfes mithalten konnte. Darüber hinaus fehlte es an einem wichtigen äußeren Zeichen für ein Rathaus, nämlich an einem Turm.

9. Preis: Karl König: "Was er kann, schafft ein Mann"

Projekt Karl König (9. Preis): Perspektivansicht

Der Entwurf Karl Königs (1841–1915) sticht durch zwei Dinge besonders aus den übrigen Projekten zum Rathausbau hervor: durch seine eigenwillige Kuppellösung beim Mittelrisalit an der Ringstraßenseite sowie durch die qualitätvolle zeichnerische Umsetzung der Ansichten und Pläne. Das Zeichnerische war eine Stärke von Karl König. Schon als Kind wurde sein Talent dazu erkannt und gefördert. Zwar hat der Wiener eine technisch orientierte Ausbildung erhalten, aber nach dem Abschluss am Polytechnikum ernsthaft überlegt, Maler zu werden. Schließlich entschloss er sich zu einer Karriere als Architekt und besuchte daher die Meisterklasse Friedrich Schmidts an der Akademie der Bildenden Künste in Wien. Nach Studienreisen quer durch Europa arbeitete er als junger Architekt am Bau der Wiener Zentralmarkthallen mit. Heinrich von Ferstel, der auf das besondere Talent Königs aufmerksam wurde, nahm diesen zu seinem Assistenten für die neu geschaffene Lehrkanzel am Polytechnikum auf. Dort unterrichtete er Zeichnen.

Der Entwurf Königs für den Rathauswettbewerb ist in den Formen der Renaissance gehalten. An den Ecken der Vierflügelanlage befindet sich jeweils ein quadratischer Eckturm, bekrönt von einem spitz zulaufenden Runddach. Der Mittelbau der Vorderfront ist durch seine Dachbekrönung besonders hervorgehoben. Er sollte wohl das Rathaus entsprechend nach außen als solches gleich erkennbar machen. Dazu dienen die Uhr und der zentrale Dachreiter, der als Kümmerform eines Turmes gelten kann. Der Mittelbau ragt zwei Geschoße über die restlichen Trakte hinaus, wobei das obere Geschoß von einer Bogengalerie gesäumt wird. Der Mittelbau beherbergt den großen Festsaal. Die Dachform erinnert an Renaissancevorbilder wie etwa das Belvedere in Prag, wenn auch die Dimensionen und die Proportionen andere sind.

Diese ins Monumentale übersteigerten Formen haben die Zeitgenossen nicht goutiert. Allerdings kann man anmerken, dass am Neubau der Universität Wien durch Heinrich von Ferstel, der ab 1877 erfolgte, eine prinzipiell ähnliche Lösung des Mittelrisalits verwirklicht wurde: Der zentrale Festsaal wird von einem Runddach bekrönt. Die Dimensionen des Daches sind freilich kleinere. Die Spitzform des Daches ist hier abgeschnitten.

10. Preis: Ludwig Lang: Monogramm "BB LL"

Projekt Ludwig Lang (10. Preis): Gebäudeschnitt mit Festsaal und Feststiege

Ludwig Lang (1828–1878), Architekt in Baden-Baden, versah seine Konkurrenzentwürfe nicht mit einem Motto, sondern mit einem Monogramm, dass wohl für seinen Namen und seine Herkunftsstadt Baden-Baden steht. Die Kurstadt wurde im Zuge des Rastatter Kongresses (1797–1799) von der internationalen Gesellschaft wiederentdeckt und gelangte im 19. Jahrhundert zu großer Berühmtheit. Sie wurde gar als "Sommerhauptstadt Europas" bezeichnet (im Gegensatz zu Paris als "Winterhauptstadt"). Dieser internationale Hintergrund ist für Ludwig Lang, der erste freiberuflich in Baden-Baden tätige Architekt, von großer Bedeutung. Als Beispiel für Kulturtransfer und internationaler Zusammenarbeit kann der Bau des Theaters Baden-Baden gelten, der einen zentralen Bau im Stadtgefüge darstellt. Der aus Frankreich stammende Pächter der Spielbank, Edouard Bénazet (sein Vater hatte die Lizenz 1838 erhalten), wollte für das Theater einen Bau nach Vorbild der Pariser Oper.

Da der Architekt Charles Derchy, der die Pläne geliefert hatte, verstarb, wurden die Architekten Charles Couteau und Ludwig Lang mit der Ausführung betraut, die 1860 bis 1862 erfolgte. Das Ergebnis war ein prächtiger, urbaner Bau im Stile des Pariser Neobarock. Lang hat sich für unterschiedliche Bauaufgaben interessiert: So baute er das städtische Krankenhaus (ab 1859) und hatte die Bauausführung der Englischen Kirche inne (1864/1867). Wohl wichtigstes Betätigungsfeld Langs war allerdings der Villenbau, wo er zahlreiche Projekte realisierte.

Entsprechend Langs Erfahrungen mit der zeitgenössischen Pariser Baukunst lieferte er für den Wiener Wettbewerb einen sehr repräsentativen Bau. Es waren nur zwei Höfe vorgesehen. Das riesige Stiegenhaus auf quadratischem Grundriss entsprach wohl den Vorstellungen bürgerlicher Repräsentation, wie er sie auch vom Theaterbau kannte. Zentrales Element für die Repräsentation war auch in der Pariser Oper das Stiegenhaus.

11. Preis: Ignaz Ullmann: "Liberi cives optimum rei publicae fundamentum"

Projekt Ignaz Ullmann (11. Preis): Hauptfassade

Ignaz Ullmann (1822–1897) war der einzige unter den prämierten österreichischen Wettbewerbsfinalisten, der nicht in Wien arbeitete. Allerdings hatte auch er seine Ausbildung in Wien genossen, und zwar an der Akademie der bildenden Künste bei Siccardsburg und van der Nüll. 1854 ließ sich Ullmann als selbständiger Architekt in Prag nieder. Ullmann wurde zu einem der wichtigsten Vertreter des Historismus in Prag.

Stilistisch war er keiner Epoche besonders verpflichtet. Zunächst war er an mittelalterlichen Stilvorbildern orientiert. Zusammen mit Karl Rösner baute er von 1854 bis 1863 die den heiligen Kyrill und Method geweihte Kirche in Karlín bei Prag (1922 eingemeindet), die in romanischem Stil gehalten ist. Ullmann baute die später sogenannte "Spanische Synagoge" in Prag, die ab 1868 genutzt wurde. Später wandte er sich sehr stark der Neorenaissance zu, wie sie in Wien sehr beliebt war.

Für den Rathauswettbewerb reichte Ullmann ein Projekt unter dem Motto "Liberi cives optimum reipublicae fundamentum" ein, das insofern wohl als politisches Statement zu verstehen war, als dass es den Wahlspruch von Kaiser Franz I. abwandelte ("Iustitia regnorum fundamentum"). Der Entwurf ist an Renaissanceformen orientiert. Der Baukörper besitzt keinen Dachaufbau, sondern ist mit einer Balustrade bekrönt. Hinter den fünf Eingangstoren an der Ringfront ist eine riesige Eingangshalle angelegt. Es war auch ein Turm vorgesehen, der allerdings nicht an der Ring-, sondern an der Seitenfront zum Gelände der Gartenbaugesellschaft hin ausgerichtet war. Am Gelände nördlich des Bauplatzes stand das 1864 vollendete Gartenbaugebäude, das nicht bis an die Grundstücksgrenze reichte, sondern von einem Garten umgeben war. Darüber hinaus war es niedrig angelegt. Es diente repräsentativen Veranstaltungen. Der Turm der Seitenfassade des Rathauses war gegenüber dem Ausgang des Gartenbaugeländes an der Weihburggasse geplant.

12. Preis: Hilger Hertel: "Nach Art der Alten, neu gestalten"

Projekt Hilger Hertel (12. Preis): Hauptfassade, Ausschnitt

Hilger Hertel (1831–1890) war seit 1857 Diözesanbaumeister in Münster/Westfalen. Er hatte wie Friedrich Schmidt seinen Schwerpunkt im Sakralbau und baute vorwiegend im Stil der Neugotik. Die Nähe zu Schmidt kam nicht von ungefähr: Schmidt war von 1843 bis 1856 an der Kölner Dombauhütte tätig; Hertel, der gebürtiger Kölner war, entschloss sich nach Abschluss des Abiturs als Lehrling in die Kölner Dombauhütte einzutreten. Köln war mit der Wiederaufnahme des gotischen Dombaus zu einem Zentrum der neugotischen Bewegung in Deutschland geworden. Hertel absolvierte eine Maurer- und Steinmetzlehre und war danach im Atelier seines Verwandten Vincenz Statz tätig. Dieser hatte gleichzeitig mit Schmidt an der Dombauhütte seine Ausbildung absolviert. Der erste große Bau nach seiner Berufung nach Münster war die Wallfahrtskirche Kevelaer am Niederrhein, den er 1858 bis 1864 nach Entwürfen von Vincenz Statz ausführte.

Für den Wettbewerb zum Wiener Rathaus lieferte Hertel eine eigene Interpretation eines gotischen Rathauses. Die Konzeption unterscheidet sich grundsätzlich von jener Schmidts: Hertel hat keinen blockhaften, sondern einen vielgliedrigen Baukörper konzipiert. Das zeigt sich sowohl im Grund- als auch im Aufriss. Die Fassaden haben aufgelöste Wandflächen mit einem reichen gotischen Bauschmuck. Insgesamt ist der Entwurf wohl mehr "gotisch" und weniger "hybrid" als jener Schmidts.

Die Kapelle ist im Bau nicht nur durch ihre Masse besonders hervorgehoben. Sie liegt zentral an der Rückseite des Baues und ist an drei Seiten freigestellt. Sie ragt aber nicht aus dem Grundriss hervor, sondern ist zwischen zwei Seitentrakten zurückversetzt. Das gibt der Rückseite des Gebäudes eine abwechslungsreiche Gliederung. Bekrönt wird die Kapelle von einem Dachreiter. Der Zugang zur Kapelle erfolgt vom großen Hof über ein prunkvolles Treppenhaus. Freilich musste auch Hertel das Gebäude mit einer modernen Infrastruktur ausstatten: Im Erdgeschoß direkt unter der Kapelle liegen Wagenremisen.

Quellen

Literatur

  • Felix Czeike: Das Rathaus. Wien / Hamburg 1972 (Wiener Geschichtsbücher 12).
  • Peter Haiko / Renata Kassal-Mikula [Hg.]: Friedrich von Schmidt (1825–1891). Ein gotischer Rationalist. Wien 1991 (148. Sonderausstellung Historisches Museum der Stadt Wien)
  • Ulrike Planner-Steiner: Friedrich von Schmidt. In: Renate Wagner-Rieger [Hg.]: Die Wiener Ringstrasse. Bild einer Epoche. Die Erweiterung der Inneren Stadt Wien unter Kaiser Franz Joseph. Band 8: Die Bauten und ihre Architekten. 2. Friedrich von Schmidt, Gottfried Semper, Carl von Hasenauer. Wiesbaden 1978, S. 1–71
  • Programm zur Erbauung eines Rathauses in der k. k. Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Wien [1868]
  • Rathauspläne. In: Neue Freie Presse, 15.10.1869, S. 7
  • Manuel Swatek / Jakob Wührer: "Der Würde der ersten Stadt des Reiches." Die Projekte zum Wettbewerb des Wiener Rathausbaues 1868/69. In: Susanne Claudine Pils / Martin Scheutz / Christoph Sonnlechner / Stefan Spevak [Hg.]: Rathäuser als multifunktionale Räume der Repräsentation, der Parteiungen und des Geheimnisses. Wien: Studienverlag 2012 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 55)
  • Das ungebaute Wien. Projekte für die Metropole 1800 bis 2000. Wien 1999 (256. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien)
  • Karl Weiß: Die Concurspläne für das Wiener Rathhaus. In: Neue Freie Presse, 16.10.1869, S. 1 ff.
  • Karl Weiß: Festschrift aus Anlass der Vollendung des neuen Rathauses. Wien 1883