Bretteldorf: Unterschied zwischen den Versionen

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Bretteldorf (22; begrenzt von [[Wagramer Straße]], [[Hubertusdamm]], Warhanek- und [[Schießstattgasse (21)|Schießstatt-, seit 1956 Walkergasse]], etwa 1,2 km² großes Gelände), ehem. Besitz des Stifts Klosterneuburg. 1850 bis 1938 zählte es zum 2. Bezirk, dann bis 1954 zum 21. Bezirk.
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Bretteldorf ([[22]].; begrenzt von [[Wagramer Straße]], [[Hubertusdamm]], Warhanek- und [[Schießstattgasse (21)|Schießstatt-, seit 1956 Walkergasse]], etwa 1,2 km² großes Gelände), ehem. Besitz des Stifts Klosterneuburg. 1850 bis 1938 zählte es zum [[2|2. Bezirk]], dann bis 1954 zum [[21|21. Bezirk]].
  
Am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden am „[[Großer Säulenhaufen|Großen Säulenhäufen]]" (Name aus der Zeit vor der [[Donauregulierung]] bis 1875) Bretterhütten mit kleinen Gärten, die während des Ersten Weltkriegs dem Gemüsebau dienten; allmählich entstanden Ziegelbauten.  
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Am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden am „[[Großer Säulenhaufen|Großen Säulenhäufen]]" (Name aus der Zeit vor der [[Donauregulierung]] bis 1875) im Auwald Bretterhütten mit kleinen Gärten, die während des [[Erster Weltkrieg|Ersten Weltkriegs]] dem Gemüsebau dienten; allmählich entstanden Ziegelbauten.  
  
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Areal parzelliert und verpachtet; entgegen den Pachtverträgen und ohne baubehördliche Genehmigung errichteten die Pächter vielfach Notunterkünfte.  
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Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Areal erweitert, parzelliert und verpachtet; entgegen den Pachtverträgen und ohne baubehördliche Genehmigung errichteten die Pächter vielfach Notunterkünfte. Eine baupolizeiliche Räumung der wiederholt von Hochwässern der Donau bedrohten Siedlung konnten die Bretteldorfer 1925 durch kollektive Aktionen und wirkungsvolle mediale Auftritte verhindern ("Bretteldorfer Krieg").
  
1935 ging das Areal in das Eigentum des [[Schwarzes Wien|schwarzen Wien]] über. Die [[Wiener Bürgerschaft]] unter [[Richard Schmitz]] forcierte einen systematischen Umbau der "wilden Siedlung" zur Eigenheimsiedlung. Dazu wurden eine Anschüttung des [[Hubertusdamm|Hubertusdammes]] durchgeführt. Der [[Wiener Assanierungsfonds]] unterstützte den Kanalbau.
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1935 wurden die Liegenschaften [[Bruckhaufen (Siedlung)|Bruckhaufen]] und Bretteldorf vom Stift Klosterneuburg verkauft und gingen in das Eigentum des [[Schwarzes Wien|schwarzen Wien]] über. Die [[Wiener Bürgerschaft]] unter [[Richard Schmitz]] forcierte einen systematischen Umbau der "wilden Siedlung" zur Eigenheimsiedlung. Das Bretteldorf bestand zu diesem Zeitpunkt aus 374 Parzellen und wurde von etwa 1.000 Personen bewohnt. Im Unterschied zur benachbarten, ebenfalls "wild" entstandenen [[Bruckhaufen (Siedlung)|Siedlung Bruckhaufen]] wurde es allerdings nicht legalisiert. Die Stadt Wien widmete das Gelände des Bretteldorfes 1936 als ‚Anschüttungsfläche – Zukünftiges Grünland’.
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[[Datei:Bruckhaufen und Bretteldorf FW.jpg|390px|thumb|right|Flächenwidmungsplan Bruckhaufen und Bretteldorf (1936)]]
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Bereits in den 1930er Jahren waren die bestehenden Deponieflächen im Bereich des heutigen Donauturms voll. Daher kündigte die Stadt Wien Pächterinnen und Pächtern im Bretteldorf den Pachtvertrag mit der Begründung, die Flächen für eine Ausdehnung der Mülldeponie Richtung Wagramer Straße zu benötigen. Trotz eines Rechtsstreits mit den Pächterinnen und Pächtern konnte die Stadt Wien bis 1937 rund 100 Siedlerfamilien absiedeln. Dies betraf in erster Linie Pachtstellen im Anschluss an die alten Ablagerungsflächen.
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[[Datei:Bretteldorf.jpg|390px|thumb|right|Müllablage am Bretteldorf (1953)]]
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[[Datei:Bretteldorf 1959.jpg|390px|thumb|right|Reste des Bretteldorfs bei der Wagramer Straße (1959)]]
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Eine erneute Kündigungswelle erfolgte in den 1950er Jahren, als die Deponie weiter Richtung [[Wagramer Straße]] ausgedehnt werden sollte. In den 1950er und frühen 1960er Jahren stellte die MA 48 im Fachausschuss der Stadtbaudirektion Anträge zur Auflösung von insgesamt 118 Pachtverträgen. Dies betraf in erster Linie Pachtstellen im Südosten des Bretteldorfs. Stadtrat [[Franz Koci]] berichtete am 23. Juli 1963 von der Absiedlung des letzten Bretteldorfer Bewohners.
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Damit war der Weg frei für die anlässlich der „[[Wiener Internationale Gartenschau|Wiener Internationalen Gartenschau]]“ (WIG 1964) vorgenommene Umgestaltung in den [[Donaupark]]. Auf dem Areal des einstigen Bretteldorfes erhebt sich seither das Wiener Wahrzeichen [[Donauturm]]. Später wurden auch die [[Vienna International Centre|UNO-City]] und das [[Austria Center Vienna]] dort gebaut.  
  
Die zeitweise auch als Müllablagerungsplatz verwendete Fläche mit ihren Schrebergärten wurde schließlich anlässlich der „[[Wiener Internationale Gartenschau|Wiener Internationalen Gartenschau]]“ (WIG 1964) in den [[Donaupark]] umgestaltet. Auf dem Areal des einstigen Bretteldorfes erhebt sich seither das Wiener Wahrzeichen [[Donauturm]]. Später wurden auch die [[Vienna International Centre|UNO-City]] und das [[Austria Center Vienna]] dort gebaut.
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==Siehe auch==
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* [[Siedlungsbau im schwarzen Wien]]
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* [[Bautätigkeit im schwarzen Wien]]
  
 
==Quellen==
 
==Quellen==
*WStLA, Bürgerschaft, B9 – Kommissionen: 3. Kuratorium für den Assanierungsfonds
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* [http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Ser+++++00004533ma8Invent#Ser_____00004533ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, Bürgerschaft, B9 – Kommissionen: 3. Kuratorium für den Assanierungsfonds]
  
 
==Literatur==  
 
==Literatur==  
*Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 343
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* Die Leopoldstadt. Ein Heimatbuch. Wien: Lehrer-Arbeitsgemeinschaft 1937, S. 343
*Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer in vier Bänden. Bd.III/3: Wien. 19.–23. Bezirk. St. Pölten – Salzburg: Residenz 2010, S. 362
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* Friedrich Achleitner: Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert. Ein Führer in vier Bänden. Bd.III/3: Wien. 19.–23. Bezirk. St. Pölten – Salzburg: Residenz 2010, S. 362
*[http://www.boehlau-verlag.com/download/164743/978-3-205-20292-9_OpenAccess.pdf Andreas Suttner: Das schwarze Wien. Bautätigkeit im Ständestaat. Wien: Böhlau 2017]
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* [https://www.vr-elibrary.de/doi/pdf/10.7767/9783205205852 Andreas Suttner: Das schwarze Wien. Bautätigkeit im Ständestaat. Wien: Böhlau 2017]
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* [https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/studien/pdf/b008227.pdf Lilli Licka, Ulrike Krippner: 50 Jahre Donaupark: stadtplanerische Vision und Dimension. Studie zu den stadtplanerischen Visionen und Strategien, die zur Realisierung der Wiener Internationalen Gartenschau WIG 64 und zur Errichtung des Donauparks führten. Endbericht. Wien: BOKU ILA 2011]
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[[Stadtplanung::Siedlungen| ]]

Aktuelle Version vom 16. September 2022, 09:41 Uhr

Bretteldorf mit Resten des Auwaldes (um 1920)
Daten zum Objekt
Art des Objekts Grätzel
Datum von
Datum bis 1964
Name seit
Andere Bezeichnung
Frühere Bezeichnung
Benannt nach
Bezirk 22
Prominente Bewohner
Besondere Bauwerke
PageID 7227
GND
WikidataID
Objektbezug Stadtplanung, Siedlungsbau im schwarzen Wien, Bautätigkeit im schwarzen Wien
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Recherche
Letzte Änderung am 16.09.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname Bretteldorf um 1920.jpg
Bildunterschrift Bretteldorf mit Resten des Auwaldes (um 1920)

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48° 14' 33.98" N, 16° 24' 20.40" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Bretteldorf (22.; begrenzt von Wagramer Straße, Hubertusdamm, Warhanek- und Schießstatt-, seit 1956 Walkergasse, etwa 1,2 km² großes Gelände), ehem. Besitz des Stifts Klosterneuburg. 1850 bis 1938 zählte es zum 2. Bezirk, dann bis 1954 zum 21. Bezirk.

Am Ende des 19. Jahrhunderts entstanden am „Großen Säulenhäufen" (Name aus der Zeit vor der Donauregulierung bis 1875) im Auwald Bretterhütten mit kleinen Gärten, die während des Ersten Weltkriegs dem Gemüsebau dienten; allmählich entstanden Ziegelbauten.

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde das Areal erweitert, parzelliert und verpachtet; entgegen den Pachtverträgen und ohne baubehördliche Genehmigung errichteten die Pächter vielfach Notunterkünfte. Eine baupolizeiliche Räumung der wiederholt von Hochwässern der Donau bedrohten Siedlung konnten die Bretteldorfer 1925 durch kollektive Aktionen und wirkungsvolle mediale Auftritte verhindern ("Bretteldorfer Krieg").

1935 wurden die Liegenschaften Bruckhaufen und Bretteldorf vom Stift Klosterneuburg verkauft und gingen in das Eigentum des schwarzen Wien über. Die Wiener Bürgerschaft unter Richard Schmitz forcierte einen systematischen Umbau der "wilden Siedlung" zur Eigenheimsiedlung. Das Bretteldorf bestand zu diesem Zeitpunkt aus 374 Parzellen und wurde von etwa 1.000 Personen bewohnt. Im Unterschied zur benachbarten, ebenfalls "wild" entstandenen Siedlung Bruckhaufen wurde es allerdings nicht legalisiert. Die Stadt Wien widmete das Gelände des Bretteldorfes 1936 als ‚Anschüttungsfläche – Zukünftiges Grünland’.

Flächenwidmungsplan Bruckhaufen und Bretteldorf (1936)

Bereits in den 1930er Jahren waren die bestehenden Deponieflächen im Bereich des heutigen Donauturms voll. Daher kündigte die Stadt Wien Pächterinnen und Pächtern im Bretteldorf den Pachtvertrag mit der Begründung, die Flächen für eine Ausdehnung der Mülldeponie Richtung Wagramer Straße zu benötigen. Trotz eines Rechtsstreits mit den Pächterinnen und Pächtern konnte die Stadt Wien bis 1937 rund 100 Siedlerfamilien absiedeln. Dies betraf in erster Linie Pachtstellen im Anschluss an die alten Ablagerungsflächen.

Müllablage am Bretteldorf (1953)
Reste des Bretteldorfs bei der Wagramer Straße (1959)

Eine erneute Kündigungswelle erfolgte in den 1950er Jahren, als die Deponie weiter Richtung Wagramer Straße ausgedehnt werden sollte. In den 1950er und frühen 1960er Jahren stellte die MA 48 im Fachausschuss der Stadtbaudirektion Anträge zur Auflösung von insgesamt 118 Pachtverträgen. Dies betraf in erster Linie Pachtstellen im Südosten des Bretteldorfs. Stadtrat Franz Koci berichtete am 23. Juli 1963 von der Absiedlung des letzten Bretteldorfer Bewohners. Damit war der Weg frei für die anlässlich der „Wiener Internationalen Gartenschau“ (WIG 1964) vorgenommene Umgestaltung in den Donaupark. Auf dem Areal des einstigen Bretteldorfes erhebt sich seither das Wiener Wahrzeichen Donauturm. Später wurden auch die UNO-City und das Austria Center Vienna dort gebaut.

Siehe auch

Quellen

Literatur