Bürgerspital (Haupthaus): Unterschied zwischen den Versionen

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|Frühere Bezeichnung=Clarakloster
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|Quelle=Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien; Paul Harrer: Wien, seine Häuser;
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|Andere Bezeichnung=Bürgerspital zu St. Klara
|Bildname=Barockes Wien 96 Klarakirche 1724.jpg
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|Frühere Bezeichnung=Klarakloster
|Bildunterschrift=Bürgerspitalskirche St. Clara 1724
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|Stadtplan Text=Das Bürgerspital am Schweinemarkt auf dem [[Nagelplan (1773)]]
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|Stadtplan Text=Das Bürgerspital am Schweinemarkt auf dem [[Stadtplan, Joseph Anton Nagel (1780/1781)|Nagelplan (1770/73)]]
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|Bildunterschrift=Das Bürgerspital mit der [[Bürgerspitalkirche]] auf dem 1778 erschienenen [[Vogelschauplan, Joseph Daniel Huber (1778)|Huber-Plan]]. Vorne gegen die [[Kärntner Straße]] das [[Chaossches Stiftungshaus|Chaossche Stiftungshaus]].
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|Bildquelle=Wiener Stadt- und Landesarchiv
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Bürgerspital am Schweinemarkt ([[1]], Bereich zwischen [[Kärntner Straße]] 32-34, [[Schweinemarkt (1)|Schweinemarkt]] [heute [[Lobkowitzplatz]]], [[Stadtmauer]] und [[Gluckgasse]]; [[Konskriptionsnummer]] 1100).
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[[Bürgerspital]] in der Stadt ([[1]]., Bereich zwischen [[Kärntner Straße]] 28–30, [[Stadtmauer]], [[Schweinemarkt (1)|Schweinemarkt]] [heute [[Lobkowitzplatz]]] und [[Klostergasse (1)]] [heute [[Gluckgasse]]]; [[Häusernummerierung|Konskriptionsnummer]] 1100).
  
== Übersiedlung des Bürgerspitals an den Schweinemarkt ==
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== Übersiedlung des Bürgerspitals in die Stadt ==
Als 1529 beschlossen wurde, die riesigen Gebäude des [[Bürgerspital vor dem Kärntnertor|Bürgerspitals vor dem Kärntnertor]] ebenso wie alle anderen Vorstadtbauten wegen der herannahenden Osmanen niederzubrennen, wurden die Insassen des [[Bürgerspital|Bürgerspitals]] sowie die wichtigsten Gerätschaften und Urkunden ins [[Clarakloster]] am Schweinemarkt gebracht. Die wenigen verbliebenen Nonnen des im Verfall begriffenen Klosters waren nach Judenburg geflohen. 1530 schenkte Erzherzog Ferdinand das Klostergebäude der Stadt, die Nonnen erhielten dafür das [[Pilgrimhaus]] bei St. Anna (siehe [[Annakloster]]) als Entschädigung. Die zerstörten Gebäude vor dem Kärntnertor wurden nicht wieder aufgebaut ([[Glacis]]).
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Im Vorfeld der [[Erste Türkenbelagerung (1529)|Ersten Osmanischen Belagerung]] von 1529 wurde der gesamte Gebäudekomplex des [[Bürgerspital vor dem Kärntnertor|Bürgerspitals vor dem Kärntnertor]] samt Kirche und Friedhof niedergebrannt. Die Spitalinsassinnen und -insassen fanden zunächst wahrscheinlich im [[Himmelpfortkloster]] und spätestens Anfang 1530 im verlassenen [[Klarakloster]] eine neue Unterkunft. Am 20. Dezember 1539 überließ [[Ferdinand I. (Heiliges Römisches Reich)|Ferdinand I.]] der Stadt das Kloster offiziell zur Nutzung als Bürgerspital<ref>Wiener Stadt- und Landesarchiv, Hauptarchiv-Urkunden, U3: Privilegien: 59</ref>. Die bisherige Klosterkirche wurde damit zur [[Bürgerspitalkirche]]. Die Baugeschichte des Gebäudekomplexes ist für die [[Frühe Neuzeit]] nur in Ansätzen untersucht.
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[[Datei:WStLA HA Priv 59 r.jpg|390px|thumb|right|[[Ferdinand I. (Heiliges Römisches Reich)|Ferdinand I.]] übergab am 20. Dezember 1539 der Stadt Wien das ehemalige Klarakloster für die Nutzung als Bürgerspital.]]
  
Das Hauptgebäude des [[Bürgerspital|Bürgerspitals]] im ehemaligen Clarakloster war ein riesiger Komplex mit mehreren Höfen. Er reichte von der Kärntner Straße (heute 32-34) bis zum Lobkowitzplatz (frühere Bezeichnung Schweinemarkt), im Süden bis nahe an die Stadtmauer und im Norden bis in die Gegend der (heutigen) Gluckgasse. Hier war der Sitz des [[Bürgerspitalmeister|Bürgerspitalmeisters]] und der Verwaltung der [[Grundherrschaft Bürgerspital|Grundherrschaft]], die durch die so genannte Grundstube erfolgte.  
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==Bauliche Adaptierungen und Veränderungen im 16. und 17. Jahrhundert==
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Aus der Übergabeurkunde von 1539 geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits bauliche Adaptierungen durchgeführt worden waren, teilweise unter Verwendung von Ziegeln und Steinen des alten Spitals. Unter anderem dürften eine „Pfisterei“ (Backhaus) eingerichtet und Räumlichkeiten für die Grundstube (Verwaltung der [[Bürgerspital (Grundherrschaft)|Grundherrschaft Bürgerspital]]) und den [[Bürgerspitalmeister]] hergerichtet worden sein. Eine große Veränderung war 1537 die Erbauung eines Trakts neben der Kirche für das Brauhaus, der das ebenfalls 1529 zerstörte [[Brauhaus des Bürgerspitals|Brauhaus]] vor dem [[Widmertor]] ersetzte (1548 nochmaliger Umbau). Bereits kurz nach 1530 war in einem ehemaligen Teil des Klostergartens Richtung [[Schweinemarkt (1)|Schweinemarkt]] die von [[Wolfgang Treu]] erbaute [[Pauluskapelle]] entstanden, die 1543 an das Bürgerspital kam und bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts für andere Zwecken genützt worden sein dürfte.  
  
Der Spitalskomplex beinhaltete auch eine Apotheke (Bürgerspitalapotheke "[[Zum heiligen Geist (Apotheke)|Zum heiligen Geist]]"), ein [[Brauhaus des Bürgerspitals|Brauhaus]], eine Mühle und ein Backhaus. Über die zum Bürgerspital gehörende Schule sind nur wenige Informationen geblieben. Wahrscheinlich diente sie der Ausbildung von Waisen und wurde im Laufe des 16. Jahrhunderts in eine deutsche verwandelt. Die Aufzählung der Schulmeister ist fast der einzige Hinweis, den es auf diese Schule gibt. Als Spitalskirche diente die ehemalige Klosterkirche der Clarissen (etwa 1, [[Maysedergasse]] 5, [[Albertinaplatz]] 2; siehe [[Clarakloster]]). Die Pfarrkirche war dem Heiligen Geist geweiht ([[Zum Heiligen Geist|Heiligen-Geist-Kirche]]), wurde aber weiterhin als "St.-Clara-Kirche" bezeichnet.  
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Dass die vorhandenen Räumlichkeiten teilweise zur Nutzung als Spital wenig geeignet waren, zeigt eine Quelle aus dem Jahr 1539, die die Schaffung von „etlich Stübl unnd Zymer für die armen“ anregte, damit Kranke und Gesunde voneinander getrennt werden könnten.<ref>Zit. nach Karl Weiß: Geschichte der öffentlichen Anstalten, Fonde und Stiftungen für die Armenversorgung in Wien. Wien: Selbstverlage des Gemeinderathes 1867, S. VIII (Anhang)</ref> Im weiteren Verlauf fanden bis in die 1660er Jahre immer wieder kleinere Bauarbeiten statt, jedoch scheint es zu keinen weiteren größeren Veränderungen gekommen zu sein. Um 1640 gab es Pläne, im Bürgerspital zur Verhütung von Kindsmord nach dem Vorbild italienischer Spitäler eine Art Babyklappe („Winde“) einzurichten, wozu es jedoch nicht kam. 1652 wurde die Spitalapotheke „[[Zum heiligen Geist (Apotheke)]]“ in den Gebäudeteil in Bereich der Kärntner Straße verlegt und startete den öffentlichen Verkauf.
Zum Komplex gehörte auch die [[Pauluskapelle]].  
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[[Datei:1547_WStLA_KS_Sammelbestand_P1_00236G_Ausschnitt_Buergerspital.jpg|390px|thumb|right|Der Spitalskomplex wird 1547 auf dem [[Stadtplan, Bonifaz Wolmuet (1547)|Stadtplan von Wolmut]] als St. Clarakloster bezeichnet. Vor der [[Bürgerspitalkirche]] lag damals der [[Roßmarkt]]. Links oben die von [[Bürgermeister]] [[Wolfgang Treu]] gestiftete [[Pauluskapelle]].]]
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[[Datei:Suttinger 1683 Buergerspital.jpg|390px|thumb|right|Das Haupthaus des [[Bürgerspital]]s mit der [[Bürgerspitalkirche]] 1683 auf einem [[Vogelschauplan]] von [[Daniel Suttinger]]. Einige Trakte sind erst 2 Stockwerke hoch. Der Vierflügelige Bau am [[Lobkowitzplatz]] wurde erst nach dieser Vogelschau errichtet. ]]
  
== 1550-1600 ==
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==Große Umbauphase zwischen den 1660er und 1690er Jahren==
Als im Jahr 1550 die Stadt klagte, dass die Spitalsarmen gar nicht mehr besucht würden und sich bereit erklärte, einen Arzt zu besolden, antwortete die Fakultät, dass sie gerne die Armen besuchen würde, doch kein Ordinationsraum zur Verfügung stände. Der Arzt müsse sich demnach - umringt von Leuten - in einer feuchten Stube aufhalten, was für Leute, die einen so üblen Geruch nicht gewohnt seien, einfach unerträglich sei. Der Vorwurf, dass die Armen keine Medikamente erhalten würden, träfe nicht die Universität, da nicht geschehe, was der Arzt anordne. Außerdem würde Schwer- und Leichtkranken dieselbe Kost gereicht.  
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Die größte Umbauphase des Spitals in der Frühen Neuzeit fällt in die Zeit zwischen den 1660er und den 1690er Jahren. In diesem Zeitraum wurde in zwei Bauphasen auf Spitalgrund in der Kärntner Straße das [[Chaossches Stiftungshaus|Chaossche Stiftungshaus]] erbaut. Die Spitalapotheke und auch die dortige Trinkstube (später Bierhaus) blieben an ihrem Platz. Zwischen 1677 und 1697 wurden zudem umfangreiche Bauarbeiten am Spital selbst durchgeführt. Die bisher vermutlich nur ein- bis zwei Stockwerke hohen Gebäudeteile dürften erweitert (vor allem im Bereich Richtung Schweinmarkt und [[Klostergasse (1)|Klostergasse]]) und um einen dritten Stock erhöht worden sein. Im Zug der Umbauarbeiten erhielten die meisten Stuben neue Bezeichnungen, indem sie nun nach [[Heilige]]n benannt wurden. In der Folge scheint es wiederum nur zu kleineren baulichen Veränderungen gekommen zu sein.
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[[Datei:1710_KS_P1_234G_Steinhausen_buergerspital.jpg|390px|thumb|right|Auf dem [[Stadtplan, Steinhausen (1710)|Steinhausen-Plan]] (1710) ist das Bürgerspital als riesige Gebäudegruppe zu erkennen. Das [[Chaossches Stiftungshaus|Chaossche Stiftungshaus]] an der [[Kärntner Straße]] ist nicht gesondert ausgewiesen. Rechts oben die Ochsenmühle diente dem [[Brauhaus des Bürgerspitals|Brauhaus]] zum Mahlen der Gerste.]]
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[[Datei:Klarakirche 1724.jpg|390px|thumb|right|Die [[Bürgerspitalkirche]] mit dem links anschließenden Trakt des [[Brauhaus des Bürgerspitals|Brauhauses]]. (Zeichnung von [[Salomon Kleiner]], 1724).]]
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[[Datei:Barockes_Wien_85_Canaletto_1764_Ausschnitt.jpg|390px|thumb|right|Rechts die Fassade des Bürgerspitals zum [[Schweinemarkt (1)|Schweinemarkt]] hin, links das [[Lobkowitzpalais]], im Hintergrund der Garten des [[Kapuzinerkloster (1)|Kapuzinerklosters]] und [[Stephansdom|St. Stephan]] (Ausschnitt aus einem Gemälde von [[Bernardo Bellotto]], genannt Canaletto, 1759/1760).]]
  
Als Joachim Herzog am 6. Februar 1552 das Spitalsmeisteramt übernahm, wurde das gesamte Inventar des Bürgerspitals aufgenommen und in das Inventarbuch der Stadt eingetragen. Zuerst werden die Gegenstände im Zimmer des Spitalsmeisters aufgezählt, besonders das Zinn- und Messinggeschirr, Waffen und ein Kräuterbuch, dann die in seinem Schlafzimmer (Betten, Decken, zinnerne Flaschen,''"ainundfunfzig leinenstürz, so zu den Armen, wenn sie gespeist, gebraucht werden"'', ein großer Gewandkasten, in dem 54 alte Schleier hängen, welche die Armen an ''"hochzeitlichen tagen"'' tragen durften. In der Küche des Spitalsmeisters gab es 21 eiserne Pfannen. Dann folgt ein Rundgang durch die ''"manns- und frauenstuben"'', die ''"frauensiechstuben"'', die zwei Kinderstuben und sehr viele andere Kammern, die verschiedenen anderen Zwecken dienten (zum Beispiel Unterbringung des Personals). Insgesamt waren 89 Spannbetten, 171 Federbetten, vier Himmelbetten und ungefähr 670 Leintücher (''"leilachen"'') vorhanden. Danach werden die ''"speisgaden"'' (Feldfrüchte), die Küchengeräte und das Inventar in den ''"mairstuben und den wagenställen"'' aufgezählt. Im Kuhstall verzeichnete man unter anderem 32 Kühe und zwei Stiere sowie im Schweinestall 46 Schweine. An Wein waren aus dem Vorjahr noch 1132 Eimer in 84 Gebinden vorhanden. Zuletzt folgt die Aufzählung der Kirchengeräte, darunter eine große Anzahl an silbernen und goldenen Monstranzen, Kelchen und Kreuzen, die häufig die Wappen der Spender tragen, damastene, häufig mit Perlen gestickte Ornate, Chorröcke und so weiter. Für die einzelnen Stuben waren Witwen verantwortlich, die ''"Mannsmutter, Frauenmutter, Kindsmutter"'' genannt wurden. Die Einrichtung der Apotheke war zu dieser Zeit armselig. Hier werden unter anderem 20 silberne Kannen, eine zinnerne Mensur und mehrere Mörser erwähnt. Dagegen befanden sich im Pfarrhof 180 lateinische Bücher.
+
==Umgestaltung in das Bürgerspitalzinshaus==
 
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Da das Haupthaus des Bürgerspitals in der Stadt nach den Reformen [[Joseph II.|Josephs II.]] ab 1785 nicht mehr als Spital genutzt wurde, erfolgten bereits ab dem Frühjahr 1783 Erwägungen, es zu verkaufen oder in ein Zinshaus umzuwandeln. Noch im selben Jahr fiel die Entscheidung für Letzteres und wahrscheinlich auch der Startschuss für die Umbauarbeiten. Die Bürgerspitalkirche wurde 1784 entweiht. Im Zug des Umbaus erfolgte eine erneute Erhöhung der Gebäude. Das Chaossche Stiftungshaus dürfte erst in den 1790er Jahren in das nun entstandene [[Bürgerspitalzinshaus]] einbezogen worden sein.
In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts kam es zu argen Missständen: Das Spital war für 900-1000 Personen zu klein, das Brot ungenießbar, und die armen Knaben ''"grindig"''. Auch wurden die in den Gassen liegenden Kranken nicht ins Spital gebracht. Ein Visitationsbefund der niederösterreichischen Regierung beschreibt außerdem, dass der Pfarrer alt und krank gewesen sei und keine Kapläne vorhanden waren. Da die Stadt dem Pfarrer keinen Administrator zur Seite stellen wollte, mussten die Kranken ohne den Empfang der Sakramente sterben.
 
 
 
 
 
== 17. Jahrhundert ==
 
Im 17. Jahrhundert kam es zu Verbesserungen: Nachdem das Spital 1602 schon lange kein Arzt mehr besucht hatte, entschloss man sich, wieder einen Arzt einzustellen. 1606 war auch die Kirche wieder mit einem Pfarrer und zwei Kaplänen versehen und erhielt noch im selben Jahr das pfarrliche Recht eines Taufsteines. 1639 entstand der Plan, dem Bürgerspital ein Haus für Findelkinder anzuschließen. Als nach fünf Jahren noch immer nichts geschehen war, teilte die niederösterreichische Regierung im Dekret vom 29. Juli 1644 ''"in Sachen diejenigen Weibsbilder, welche ihre Kinder ermorden betreffend"'' ihren Entschluss mit, dass zur Verhütung von Kindstötungen ein ''"Findelhaus mit der Winden"'', wie es in Italien und mehr Orten bestehe, im Bürgerspital errichtet werden müsse. Deshalb wird ''"ihnen von Wien"'' (Stadtrat) hiermit befohlen, diesen Plan in ''"reiffliche Erwägung"'' zu nehmen und der Regierung hierüber zu berichten. Der Befehl wurde an den Superintendenten und Spitalsmeister des Bürgerspitals weitergereicht. Diese antworteten am 9. August, dass die ''"guet- und wohlmeinenden Intention"'' der Regierung sehr zu begrüßen sei, im Bürgerspital aber kein Platz dafür sei, da es mit armen Leuten derart ausgefüllt sei, dass man schon jetzt zwei Personen in ein Bett legen müsse. Das Findelhaus solle daher im kaiserlichen [[Hofspital]] oder an einem anderen Ort eingerichtet werden. Erst vier Jahrzehnte später wird von einer Kindbettstube im Kinderspital berichtet, die aber möglicherweise schon länger bestand.
 
 
 
Im Zuge der zweiten Belagerung Wiens durch die Osmanen im Jahr 1683 (sogenannte [[Zweite Türkenbelagerung (1683)|Zweite Türkenbelagerung]]) mussten in 16 Stuben (einschließlich der Angestellten und Diener) 728 Menschen verköstigt werden, von denen 79 wegen Bettenmangels auf Strohsäcken auf der Erde lagen.
 
 
 
Ein Bericht dieser Zeit zählt folgende Abteilungen auf:
 
* '''Väter- und Bürgerstube''' (14 Betten).
 
* '''Große Mannsstube''', in der ''"Mannspersohnen allerley nation"'' wohnten (90 Betten).
 
* '''Neue Mannsstube''' für kranke und betagte Männer (32 Betten).
 
* '''Rädlstube''', ''"alldorten befinden sich 15 gemachte beth und werden die unnützen Bueben, welche Sommerszeit in den Gärten und Wirtshäusern herumbfahren undt keinen Herrn dienen wollen, erzogen."''
 
* '''Burgerinstube''' (15 Betten).
 
* '''Schwarze Stube''' für unterschiedliche arme und kranke Frauen (50 Betten) .
 
* '''Mariastube''', ebenfalls für unterschiedliche arme und kranke Frauen (19 Betten).
 
* '''Neustube''' für ''alte und presthafte"'' Frauen (21 Betten).
 
* '''Eisenstube''' für dieselben (19 Betten).
 
* '''Mühlstube''' für kranke ledige Dienstmädchen (35 Betten).
 
* '''Kindlbethstube''' mit 54 Betten, ''"so zuweylen gleichwohl noch zu wenig, allhier befinden sich die ledigen, schwachen Menscher, so von allen Orthen fast der ganzen Welt herkommen, und wenn selbige niederkommen, werden sie darinnen vier Wochen lang im Kindlbeth erhalten, nachmals aber mit ihren Kindern wiederumb abgeschaffet."''
 
* '''Extraweiberstube''' für 19 unterschiedliche arme alte Frauen .
 
* '''Kleine Kinderstube''', ''"allda werden die armen waysen, so bissweilen in der Zahl von 60 bis 71 seynd und deren wenigste Eltern man weiss, wie auch die gefundenen Kinder, welche in und vor der Stadt ausgesetzet werden"'' untergebracht
 
* '''Grünröckhlstube''' (auch '''Grünrockhschuel''') für 40 oder mehr Waisenknaben zwischen sieben und zehn Jahren. Die wegen ihrer Tracht "Grünröckler" genannten Waisenknaben wurde aus Bürgerspitalsgeldern erhalten und hatten einen Lehrer, der sie ''"das Teutsche lesen, schreiben und rechnen"'' lehrte. Sie sind nicht zu verwechseln mit den Knaben der Chaosschen Stiftung, die ihr Haus in der Kärntner Straße hatten ([[Chaossches Stiftungshaus]]).
 
* '''Nikolaistube''' für 12 Mädchen. Diese wurden "Nikolaimädchen" genannt, da sie von 1589 bis 1624 im [[Nikolaikloster]] in der [[Singerstraße]] untergebracht gewesen waren.
 
 
 
Außerdem gehörten auch eine Ochsenmühle und das Brauhaus, das 1537 und 1548 erweitert worden war (das Braurecht des Spitals geht auf das Jahr 1432 zurück), zum Bürgerspital.
 
 
 
 
 
== Umstrukturierungen ==
 
1697 wurde eine Reihe baulicher Veränderungen vorgenommen, um eine bessere Raumausnutzung zu erzielen. Schon im Jahr zuvor waren die beiden Spitäler von [[Spital zu St. Marx|St. Marx]] und [[Zum Klagbaum]] dem Bürgerspital inkorporiert worden, damit nun alle Kranken und werdenden Mütter nach St. Marx, Aussätzige in das Klagbaumspital und Personen mit ansteckenden Krankheiten in das [[Bäckenhäusel]] gebracht werden konnten, während das Lazareth ([[Johannes in der Siechenals]]) als Pestspital diente. Das Bürgerspital wurde nun hauptsächlich als Bürgerversorgungs- und Armenhaus verwendet.
 
 
 
Noch 1777 wurde im Bürgerspital die "Versuchsanstalt für Taubstumme" eröffnet, da [[Joseph II.]] in Paris das dortige Taubstummeninstitut kennen gelernt hatte und davon so beeindruckt war, dass er den Weltpriester Johann Storck nach Paris schickte, um die Lehrmethode zu studieren. Nach dessen Rückkehr wurde im Bürgerspital die "Versuchsanstalt für Taubstumme" eröffnet, die erfolgrich arbeitete. Danach schritt man an die Eröffnung eines eigenen Taubstummeninstituts. Da jedoch keine passenen Räumlichkeiten vorhanden waren, musste dieses mehrfach übersiedeln, bis schließlich in [[Wieden (Vorstadt)|Wieden]] ein eigenes Gebäude dafür errichtet wurde.
 
 
 
 
 
== Auflösung des Bürgerspitals ==
 
Mit den Umwälzungen der Reformen Josefs II. verlor das Bürgerspital auch seine Funktion der Altenversorgung. Außerdem stand der wiederholt erweiterte und ausgestaltete Komplex, in dem letztlich 3000 arme Bürger versorgt wurden, mit seinen ausgedehnten Wirtschaftsräumen wie dem Brauhaus, der Mühle und dem Backhaus dem steigenden Verkehr im Weg. Darüber hinaus musste dringend Platz für Wohnraum innerhalb der Stadt geschaffen werden. Daher wurden die Armen ins Spital zu St. Marx, die Kranken ins neu eröffnete [[Allgemeines Krankenhaus]] in der [[Alser Straße]] und die Waisen und Findelkinder ins [[Waisenhaus (9)|Waisen- und Findelhaus]] im [[Strudelhof]] in der [[Boltzmanngasse]] gebracht.
 
 
 
Noch im Jahr 1784 wurde mit dem Abbruch des Bürgerspitalsgebäudes samt der Kirche begonnen. Die zahlreichen Grabsteine, die sich darin befunden hatten, wurden zur Pflasterung eines Seitenhofes verwendet. An seiner Stelle wurde bis 1790 das  große [[Bürgerspitalzinshaus|Zinshaus]] des [[Bürgerspitalfonds]] errichtet, das bis 1873/1875 bestand.  
 
  
 +
==Abriss in den 1870er und 1880er Jahren==
 +
In den 1870er und 1880er Jahren erfolgte der sukzessive Abbruch des gesamten Gebäudekomplexes, das Areal wurde parzelliert, wodurch die [[Tegetthoffstraße]], die [[Führichgasse]] und die [[Maysedergasse]] entstanden. Gemeinsam mit in der Folge errichteten Neubauten erhielt das Gelände des ehemaligen Bürgerspitals damit ein völlig neues Gepräge.
  
 
== Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre ==
 
== Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre ==
 
* Bürgerspitalapotheke "[[Zum heiligen Geist (Apotheke)|Zum heiligen Geist]]"
 
* Bürgerspitalapotheke "[[Zum heiligen Geist (Apotheke)|Zum heiligen Geist]]"
 
* [[Brauhaus des Bürgerspitals]]
 
* [[Brauhaus des Bürgerspitals]]
* Mühle
 
 
* Backhaus
 
* Backhaus
 +
* Trinkstube/Bierhaus
 +
<br>
 +
Zur Institution siehe: [[Bürgerspital]]
  
 +
==Quellen==
 +
*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Best++++00000345ma8Invent#Best____00000345ma8Invent Wiener Stadt- und Landesarchiv, Bürgerspital]
 +
*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Best++++00000043m08alt#Best____00000043m08alt Wiener Stadt- und Landesarchiv, Pläne aus dem Bestand Bürgerspital]
  
Zur Geschichte der Institution siehe: [[Bürgerspital]]
+
== Literatur ==
 +
*Felix Czeike: Die Kärntner Straße. Wien [u.a.]: Zsolnay 1975 (Wiener Geschichtsbücher, 16), S. 58 ff.
 +
*Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 323 f.
 +
*Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 1. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 79–90
 +
*Joseph Holzinger: Hausgeschichte des Bürgerspitals zu Wien. Unveröffentlichtes Manuskript 1857–1860 [WStLA, Handschriften: A 240], Teil 2/1, Bogen 9 f., 35 ff., 111 ff.
 +
* Sarah Pichlkastner: Eine Stadt in der Stadt. InsassInnen und Personal des frühneuzeitlichen Wiener Bürgerspitals – eine Studie anhand exemplarischer Untersuchungszeiträume. Wien 2020
 +
*Sarah Pichlkastner / Manuel Swatek: Fürsorge und Ökonomie. Das Wiener Bürgerspital um 1775. Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B: Ausstellungskataloge, Heft 97, Wien 2017
 +
*Barbara Schedl: Klosterleben und Stadtkultur im mittelalterlichen Wien. Zur Architektur religiöser Frauenkommunitäten. Innsbruck: Studienverlag 2009 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 51), S. 235 ff., 364 ff., 377, 400 f.
  
 
+
== Referenzen ==
== Literatur ==
+
<references />
* Leopold Sailer: Aus der Geschichte des Bürgerspitals und dessen Verhältnis zur Groß-Kommune Wien. 1865
 
* Lorenz Novag: Das Bürgerspital und das Versorgungshaus zu St. Marx in Wien von 1527 bis 1820. 1820
 
* Hans Pemmer: Das Bürgerspitalzinshaus und seine Bewohner im Vormärz. In: Wiener Geschichtsblätter 12 (1958), S. 73 ff.
 
* Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 323 f.
 
* Brigitte Resl: Bürger und Spital. Zur Entwicklung des Wiener Bürgerspitals bis zum ersten Drittel des 14. Jahrhunderts. In: Jahrbuch Verein für Geschichte Stadt Wien 47/48 (1991/1992), S. 173 ff.
 
* Brigitte Pohl-Resl: Rechnen in der Ewigkeit. Das Wiener Bürgerspital im Mittelalter. In: MIÖG Erg.-Band 33 (1996)
 
* Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 1. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 79-90
 

Aktuelle Version vom 5. Dezember 2023, 11:06 Uhr

Das Bürgerspital mit der Bürgerspitalkirche auf dem 1778 erschienenen Huber-Plan. Vorne gegen die Kärntner Straße das Chaossche Stiftungshaus.
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Gebäude
Datum von 1539
Datum bis 1873
Andere Bezeichnung Bürgerspital zu St. Klara
Frühere Bezeichnung Klarakloster
Benannt nach Bürgerspital
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner
PageID 13269
GND
WikidataID
Objektbezug Frühe Neuzeit
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Paul Harrer: Wien, seine Häuser
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Letzte Änderung am 5.12.2023 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname Huber_Buergerspital_rot.jpg
Bildunterschrift Das Bürgerspital mit der Bürgerspitalkirche auf dem 1778 erschienenen Huber-Plan. Vorne gegen die Kärntner Straße das Chaossche Stiftungshaus.
  • 1., Kärntner Straße 32-34
  • 1., Lobkowitzplatz 1
  • Nr.: 1100 (Bezirk: Innere Stadt, 1821, bis: 1862)
  • Nr.: 1123 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1124 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1125 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1126 (Bezirk: Innere Stadt, 1770, bis: 1795)
  • Nr.: 1166 (Bezirk: Innere Stadt, 1795, bis: 1821)

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48° 12' 18.38" N, 16° 22' 13.07" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Bürgerspital am Schweinemarkt auf dem Nagelplan (1770/73)

Bürgerspital in der Stadt (1., Bereich zwischen Kärntner Straße 28–30, Stadtmauer, Schweinemarkt [heute Lobkowitzplatz] und Klostergasse (1) [heute Gluckgasse]; Konskriptionsnummer 1100).

Übersiedlung des Bürgerspitals in die Stadt

Im Vorfeld der Ersten Osmanischen Belagerung von 1529 wurde der gesamte Gebäudekomplex des Bürgerspitals vor dem Kärntnertor samt Kirche und Friedhof niedergebrannt. Die Spitalinsassinnen und -insassen fanden zunächst wahrscheinlich im Himmelpfortkloster und spätestens Anfang 1530 im verlassenen Klarakloster eine neue Unterkunft. Am 20. Dezember 1539 überließ Ferdinand I. der Stadt das Kloster offiziell zur Nutzung als Bürgerspital[1]. Die bisherige Klosterkirche wurde damit zur Bürgerspitalkirche. Die Baugeschichte des Gebäudekomplexes ist für die Frühe Neuzeit nur in Ansätzen untersucht.

Ferdinand I. übergab am 20. Dezember 1539 der Stadt Wien das ehemalige Klarakloster für die Nutzung als Bürgerspital.

Bauliche Adaptierungen und Veränderungen im 16. und 17. Jahrhundert

Aus der Übergabeurkunde von 1539 geht hervor, dass zu diesem Zeitpunkt bereits bauliche Adaptierungen durchgeführt worden waren, teilweise unter Verwendung von Ziegeln und Steinen des alten Spitals. Unter anderem dürften eine „Pfisterei“ (Backhaus) eingerichtet und Räumlichkeiten für die Grundstube (Verwaltung der Grundherrschaft Bürgerspital) und den Bürgerspitalmeister hergerichtet worden sein. Eine große Veränderung war 1537 die Erbauung eines Trakts neben der Kirche für das Brauhaus, der das ebenfalls 1529 zerstörte Brauhaus vor dem Widmertor ersetzte (1548 nochmaliger Umbau). Bereits kurz nach 1530 war in einem ehemaligen Teil des Klostergartens Richtung Schweinemarkt die von Wolfgang Treu erbaute Pauluskapelle entstanden, die 1543 an das Bürgerspital kam und bereits um die Mitte des 16. Jahrhunderts für andere Zwecken genützt worden sein dürfte.

Dass die vorhandenen Räumlichkeiten teilweise zur Nutzung als Spital wenig geeignet waren, zeigt eine Quelle aus dem Jahr 1539, die die Schaffung von „etlich Stübl unnd Zymer für die armen“ anregte, damit Kranke und Gesunde voneinander getrennt werden könnten.[2] Im weiteren Verlauf fanden bis in die 1660er Jahre immer wieder kleinere Bauarbeiten statt, jedoch scheint es zu keinen weiteren größeren Veränderungen gekommen zu sein. Um 1640 gab es Pläne, im Bürgerspital zur Verhütung von Kindsmord nach dem Vorbild italienischer Spitäler eine Art Babyklappe („Winde“) einzurichten, wozu es jedoch nicht kam. 1652 wurde die Spitalapotheke „Zum heiligen Geist (Apotheke)“ in den Gebäudeteil in Bereich der Kärntner Straße verlegt und startete den öffentlichen Verkauf.

Der Spitalskomplex wird 1547 auf dem Stadtplan von Wolmut als St. Clarakloster bezeichnet. Vor der Bürgerspitalkirche lag damals der Roßmarkt. Links oben die von Bürgermeister Wolfgang Treu gestiftete Pauluskapelle.
Das Haupthaus des Bürgerspitals mit der Bürgerspitalkirche 1683 auf einem Vogelschauplan von Daniel Suttinger. Einige Trakte sind erst 2 Stockwerke hoch. Der Vierflügelige Bau am Lobkowitzplatz wurde erst nach dieser Vogelschau errichtet.

Große Umbauphase zwischen den 1660er und 1690er Jahren

Die größte Umbauphase des Spitals in der Frühen Neuzeit fällt in die Zeit zwischen den 1660er und den 1690er Jahren. In diesem Zeitraum wurde in zwei Bauphasen auf Spitalgrund in der Kärntner Straße das Chaossche Stiftungshaus erbaut. Die Spitalapotheke und auch die dortige Trinkstube (später Bierhaus) blieben an ihrem Platz. Zwischen 1677 und 1697 wurden zudem umfangreiche Bauarbeiten am Spital selbst durchgeführt. Die bisher vermutlich nur ein- bis zwei Stockwerke hohen Gebäudeteile dürften erweitert (vor allem im Bereich Richtung Schweinmarkt und Klostergasse) und um einen dritten Stock erhöht worden sein. Im Zug der Umbauarbeiten erhielten die meisten Stuben neue Bezeichnungen, indem sie nun nach Heiligen benannt wurden. In der Folge scheint es wiederum nur zu kleineren baulichen Veränderungen gekommen zu sein.

Auf dem Steinhausen-Plan (1710) ist das Bürgerspital als riesige Gebäudegruppe zu erkennen. Das Chaossche Stiftungshaus an der Kärntner Straße ist nicht gesondert ausgewiesen. Rechts oben die Ochsenmühle diente dem Brauhaus zum Mahlen der Gerste.
Die Bürgerspitalkirche mit dem links anschließenden Trakt des Brauhauses. (Zeichnung von Salomon Kleiner, 1724).
Rechts die Fassade des Bürgerspitals zum Schweinemarkt hin, links das Lobkowitzpalais, im Hintergrund der Garten des Kapuzinerklosters und St. Stephan (Ausschnitt aus einem Gemälde von Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, 1759/1760).

Umgestaltung in das Bürgerspitalzinshaus

Da das Haupthaus des Bürgerspitals in der Stadt nach den Reformen Josephs II. ab 1785 nicht mehr als Spital genutzt wurde, erfolgten bereits ab dem Frühjahr 1783 Erwägungen, es zu verkaufen oder in ein Zinshaus umzuwandeln. Noch im selben Jahr fiel die Entscheidung für Letzteres und wahrscheinlich auch der Startschuss für die Umbauarbeiten. Die Bürgerspitalkirche wurde 1784 entweiht. Im Zug des Umbaus erfolgte eine erneute Erhöhung der Gebäude. Das Chaossche Stiftungshaus dürfte erst in den 1790er Jahren in das nun entstandene Bürgerspitalzinshaus einbezogen worden sein.

Abriss in den 1870er und 1880er Jahren

In den 1870er und 1880er Jahren erfolgte der sukzessive Abbruch des gesamten Gebäudekomplexes, das Areal wurde parzelliert, wodurch die Tegetthoffstraße, die Führichgasse und die Maysedergasse entstanden. Gemeinsam mit in der Folge errichteten Neubauten erhielt das Gelände des ehemaligen Bürgerspitals damit ein völlig neues Gepräge.

Gewerbe und Firmen innerhalb des Hauses im Laufe der Jahre


Zur Institution siehe: Bürgerspital

Quellen

Literatur

  • Felix Czeike: Die Kärntner Straße. Wien [u.a.]: Zsolnay 1975 (Wiener Geschichtsbücher, 16), S. 58 ff.
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 323 f.
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 1. Teil. Wien ²1956 (Manuskript im WStLA), S. 79–90
  • Joseph Holzinger: Hausgeschichte des Bürgerspitals zu Wien. Unveröffentlichtes Manuskript 1857–1860 [WStLA, Handschriften: A 240], Teil 2/1, Bogen 9 f., 35 ff., 111 ff.
  • Sarah Pichlkastner: Eine Stadt in der Stadt. InsassInnen und Personal des frühneuzeitlichen Wiener Bürgerspitals – eine Studie anhand exemplarischer Untersuchungszeiträume. Wien 2020
  • Sarah Pichlkastner / Manuel Swatek: Fürsorge und Ökonomie. Das Wiener Bürgerspital um 1775. Veröffentlichungen des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Reihe B: Ausstellungskataloge, Heft 97, Wien 2017
  • Barbara Schedl: Klosterleben und Stadtkultur im mittelalterlichen Wien. Zur Architektur religiöser Frauenkommunitäten. Innsbruck: Studienverlag 2009 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte, 51), S. 235 ff., 364 ff., 377, 400 f.

Referenzen

  1. Wiener Stadt- und Landesarchiv, Hauptarchiv-Urkunden, U3: Privilegien: 59
  2. Zit. nach Karl Weiß: Geschichte der öffentlichen Anstalten, Fonde und Stiftungen für die Armenversorgung in Wien. Wien: Selbstverlage des Gemeinderathes 1867, S. VIII (Anhang)