Schlittenfahrten

Aus Wien Geschichte Wiki
Wechseln zu:Navigation, Suche
Die Schlittenfahrt nach Schönbrunn für König Ferdinand IV. von Sizilien, 1791
Daten zum Eintrag
Datum von
Datum bis
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
Export RDF-Export (Resource Description Framework) RDF
Recherche
Letzte Änderung am 9.11.2022 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname HMW 169908.jpg
Bildunterschrift Die Schlittenfahrt nach Schönbrunn für König Ferdinand IV. von Sizilien, 1791

Es wurden noch keine Bezeichnungen erfasst!


Schlittenfahrt am Neuen Markt im Jahre 1719.

Als Fahrzeug zur Fortbewegung bei Schneelage reicht der Schlitten in die Urzeit europäischer Kulturgeschichte. An seiner Größe und Ausführung maß man den Rang des Besitzers. Gruppenweise Schlittenfahrten mit Schellengeklingel zählten schon im Mittelalter zu Lustbarkeiten und zur Repräsentation. In Wien gehörten sie beispielsweise anlässlich des Staatsbesuchs des ungarischen Königs Matthias Corvinus bei Friedrich III. (11. Februar - 11. März 1470) zum Festprogramm. Die Feierlichkeiten anlässlich der ersten und dritten Eheschließung Leopolds I. bezogen jeweils Schlittenfahrten mit anschließendem Ball ein (10. Jänner 1667, 21. Jänner 1677). Zur Zeit Karls VI. (1711-1740) waren repräsentative Schlittenfahrten auf dem Neuen Markt (in dreifacher Schlangenlinie mit sechsmaliger Umkreisung) besonders beliebt; bis zu 30 von Pferden gezogene Schlitten nahmen mit Musikbegleitung daran teil. Der Hof selbst zog Veranstaltungen des Nachts (mit Fackelträgern) vor, der Adel veranstaltete seine Schlittenfahrten bei Tag. Auch unter Maria Theresia waren spektakuläre Schlittenfahrten sehr beliebt; sie endeten meist mit einem Abstecher nach Schönbrunn.

Ausführlich unterrichtet sind wir über "Schlittage" am 22. Jänner 1815 während des Wiener Kongresses; in jedem der 35 Schlitten saß ein "Kavalier" mit einer ihm zugewiesenen Dame (im ersten Schlitten Franz I. mit der Zarin, im zweiten der Zar mit Prinzessin Auersperg, im dritten der König von Preußen mit Gräfin Zichy, im vierten der König von Dänemark mit der Großherzogin von Sachsen-Weimar, im fünften der Großherzog von Baden mit Gräfin Lazansky, in einem der späteren Erzherzog Carl mit Gräfin Esterházy). Der Start war auf dem Platz In der Burg, die Route verlief Kohlmarkt-Tuchlauben-Wipplingerstraße-Judenplatz-Am Hof-Freyung-Herrengasse-Michaelerplatz-Josefsplatz-Kärntner Straße-Stock-im-Eisen-Platz-Graben-Kohlmarkt, dann durch das Burgtor hinaus nach Schönbrunn, wohin die Kaiserin und das bayerische Königspaar aus gesundheitlichen Gründen vorausgefahren waren. Auf dem zugefrorenen Schönbrunner Schlossteich präsentierten sich Schlittschuhläufer aus verschiedenen Nationen (Eislauf), dann folgten Bankett, Schauspiel und Tanz. In älteren Berichten wird des öfteren die unzulängliche Schneelage bemängelt, weshalb man manchmal die Route mit herangeführtem Schnee präparieren musste. Nach 1815 kamen die aufwendigen offiziellen Schlittenfahrten allmählich ab.

Für das Bürgertum war das "Gasselfahren" (sportliche Variante der Schlittenfahrten) auf der Schmelz beliebt.

Literatur

  • Beatrix Bastl / Gernot Heiss: Tafeln bei Hof. Die Hochzeitsbankette Kaiser Leopolds I. In: Wiener Geschichtsblätter. Wien: Verein für Geschichte der Stadt Wien 1946 - lfd. Band 50,1995, S. 181 ff., 191, 196
  • Felix Czeike: Der Neue Markt. Wien [u.a.]: Zsolnay 1970 (Wiener Geschichtsbücher, 4), S. 64 ff.
  • Wilhelm Fráknoi: Mathias Corvinus, König von Ungarn 1458-1490. Auf Grund archivalischer Forschungen. Freiburg i. B.: Herder 1891, S. 149 ff.
  • Johann Basilius Küchelbecker: [Johann Basilii Kuchelbeckers] Allerneueste Nachricht vom Römisch-Käyserlichen Hofe. Nebst einer ausführlichen historischen Beschreibung der kayserlichen Residentz-Stadt Wien, und der umliegenden Oerter, theils aus den Geschichten, theils aus eigener Erfahrung zusammen getragen und mit saubern Kupffern ans Licht gegeben. Hanover: Förster 1730, S. 264 ff.
  • Auguste de La Garde: Gemälde des Wiener Kongresses 1814-1815. Erinnerungen, Feste, Sittenschilderungen, Anekdoten. Eingel. und erl. von Gustav Gugitz. 2 Bände. München: Müller 1914 (Denkwürdigkeiten aus Altösterreich, 1 u. 2), S. 169 ff.
  • Stefan Seitschek: Karussell und Schlittenfahrten im Spiegel der Zeremonialprotokolle – nur eine höfische Belustigung? In: Irmgard Pangerl – Martin Scheutz – Thomas Winkelbauer (Hrsg.), Der Wiener Hof im Spiegel der Zeremonialprotokolle (1652−1800). Eine Annäherung. Innsbruck & Wien & Bozen 2007 (Forschungen und Beiträge zur Wiener Stadtgeschichte 47 zugleich Forschungen zur Landeskunde von Niederösterreich 31), S. 357–434
  • Stefan Seitschek: Karussell und Schlittenfahrt: Sport und Prunk am Wiener Hof. Wiener Geschichtsblätter 66/Heft 4 (2011), S. 299-312
  • Edgar Weyrich: Rudolfsheim und Fünfhaus. Ein Heimatbuch. Wien: Selbstverlag 1922, S. 16, 119
  • Der Wiener Kongreß, 1. September 1814 bis 9. Juni 1815. Ausstellung, 1. Juni bis 15. Oktober 1965, Schauräume der Hofburg, Kaiserappartements, Wien. Wien: Bundesminist. f. Unterricht / Wien : Verein d. Museumsfreunde 1965, S. 261