Wiental Kanal

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Der Wiental Kanal vor der Inbetriebnahme
Daten zum Bauwerk
Art des Bauwerks Kanalisation
Datum von 1997
Datum bis 2006
Andere Bezeichnung Wiental Sammler Entlastungs Kanal (WSEK)
Frühere Bezeichnung
Benannt nach Wiental
Einlagezahl
Architekt
Prominente Bewohner
PageID 41576
GND
WikidataID
Objektbezug Kanalisation, Kanal, 1945 bis heute
Quelle
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Letzte Änderung am 8.04.2024 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname Wiental-kanal-gr.jpg
Bildunterschrift Der Wiental Kanal vor der Inbetriebnahme

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48° 11' 39.16" N, 16° 21' 17.89" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Wiental-Kanal (1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 12, 13, 14, 15, 16).

Der Wiental Kanal ist ein unmittelbar unter dem Wienfluss verlaufender Speicherkanal, der das Gewässer bei Regenereignissen vor Verunreinigungen schützt. Der Tiefspeicher ist 3,5 Kilometer lang, verfügt über ein Fassungsvermögen von 110 Millionen Liter und wurde in zwei Bauabschnitten (1997-2001 und 2003-2006) errichtet. Er schließt beim Ernst-Arnold-Park am rechten Wienfluss-Sammelkanal an und verläuft unterhalb des Wienflusses in bis zu 38 Meter Tiefe bis zur Urania, wo er in den im Jahr 2000 fertiggestellten rechten Hauptsammelkanal-Entlastungskanal mündet. Die Baukosten beliefen sich auf 98,8 Millionen Euro.

Entwicklung der Kanalisation im Wiental

Bereits 1739 war Wien innerhalb seiner Stadtmauern vollständig kanalisiert. Das innerstädtische Abwassersystem endete jedoch unmittelbar vor den Stadtmauern - im Wienfluss und im Donaukanal. Außerhalb der Stadtmauern übernahmen die Wienerwaldbäche die Funktion der Unrats- und Fäkalienabfuhr. Die immer wiederkehrenden Hochwässer dieser stark verschmutzen Flüsse führten zu großflächigen Verunreinigungen der damals üblichen Hausbrunnen und verursachten die großen Seuchen der Wiener Stadtgeschichte. Auf die größte Choleraepedemie regierte die Stadt 1831 mit der Errichtung der beiden Wienfluss-Sammelkanäle, auch "Cholerakanäle" genannt. Die nach wie vor in Betrieb stehenden Kanäle sind eine der Hauptschlagadern des Wiener Kanalnetzes und entsorgen ein ca. 50 Hektar großes Einzugsgebiet der Bezirke 1, 3, 4, 5, 6, 7, 12, 13, 14, 15 und 16.

Mit dem nunmehr begonnenen Ausbau des Kanalsystems außerhalb der Stadtmauern setzte auch die Regulierung der unzähligen Bäche aus dem Wienerwald-Gebiet ein. Als größte Regulierungsmaßnahme wurde Ende des 19. Jahrhunderts mit der Einwölbung des Wienflusses begonnen. Damit war der Grundstein für die Entwicklung der Stadt bis zu ihrem heutigen Erscheinungsbild gelegt. Für die beiden „Cholerakanäle" links- und rechtsufrig der Wien war durch die Stadtentwicklung der letzten Jahrhunderte allerdings die Grenze der Belastbarkeit erreicht. Mischwasser, das bei Regenereignissen nicht in den Kanälen abgeführt werden konnte, wurde in den Wienfluss entlastet. Zusätzliche Belastung für dessen Gewässergüte waren auch die für Wartungsarbeiten erforderlichen Ausleitungen des Trockenwetterabflusses. Mit Beginn der Planungsarbeiten zum Abwasser- und Gewässerschutzprogramm in den 1980er-Jahren entstand die Idee zu einem zusätzlichen tiefliegenden Entlastungskanal im Wiental.

Das Projekt

Der erste Bauabschnitt des Wiental Kanals mit einer Länge von 800 Metern wurde 1997 begonnen und 2001 fertig gestellt. Die Trasse verläuft vom Donaukanal auf der Höhe Urania dem Wienfluss folgend bis zum Stadtpark. Bei der Urania schließt der Bauabschnitt 1 an den so genannten Wienfluss-Düker des Rechten Hauptsammelkanal-Entlastungskanals (RHSK-E) an. Den beiden Dükerrohren mit einer Leistungsfähigkeit von zwölf Kubikmetern pro Sekunde vorgeschaltet ist das Entlastungsbauwerk Urania. Dessen drei Auslauföffnungen sind unter dem Niederwasserpegel des Donaukanals situiert und dienen der Entlastung von Mischwassermengen bei Regenereignissen vor dem Wienfluss-Düker. Die Bauarbeiten erfolgten in offener Bauweise.

Die Linienführung des Entlastungskanals des zweiten und dritten Bauabschnitts wurde durch die bestehenden Wienfluss-Sammelkanäle und durch die bestehenden U-Bahn-Röhren der Linien U1, U2 und U4 bestimmt. Die Trassenführung erfolgt weit gehend unter dem Wienfluss. Fixpunkte ergaben sich durch den Anschluss an den Bauabschnitt 1 bei der Stubenbrücke sowie durch die Notwendigkeit mindestens drei von der Oberfläche gut bedienbare Transportschächte (Betreuungsschächte) für Wartung und Reinigung anzulegen. Die drei Schachtbauwerke mit Aufzug, Stiegenhaus und Materialschacht befinden sich im Stadtpark, im Esperantopark am Karlsplatz und am Zielschacht im Ernst-Arnold-Park. Neben der parallel zum Wienfluss verlaufenden U4 mussten die U-Bahn-Röhre der U3 (Bereich Stubenbrücke) und der U1 (Bereich Karlsplatz) in der Planung berücksichtigt werden.

Die Arbeiten am zweiten und dritten Bauabschnitt des Wiental Kanals zwischen dem Stadtpark (Startschacht) und dem Ernst-Arnold-Park (Zielschacht) im fünften Wiener Gemeindebezirk begannen im Mai 2003. Der 2.689,7 Meter lange Abschnitt wurde fast zur Gänze in geschlossener Bauweise in bis zu 38 Meter Tiefe errichtet. Lediglich 90 Meter wurden in offener Bauweise hergestellt. Für den Tunnelbau wurde im Stadtpark ein kreisrunder, 38 Meter tiefer Startschacht mit einem Durchmesser von 22 Metern für den Einbau der 136 Meter langen Tunnelbohrmaschine errichtet. Um zusätzlich Platz zu schaffen wurde für die Bauarbeiten der Wienfluss mit einer 61 Meter langen und 22,5 Meter breiten Betonfläche überplattet. Diese mehr als 1.300 Quadratmeter große Plattform diente als Lagerfläche und zum Betrieb einer Trafostation und eines Notstromaggregates. Die Bohrarbeiten fanden von September 2004 bis April 2005 statt. Der Zielschacht des befand sich im Ernst-Arnold-Park, wo die Tunnelbohrmaschine nach Beendigung der Bauarbeiten ausgebaut wurde.

Aus den 14 bestehenden Beileitungen, welche bei starkem Regen die Wienfluss-Sammelkanäle in den Wienfluss entlasten, wurden fünf (LWSK Magdalenenstraße, Ottakringer Bach und der RWSK Kettenbrückengasse, Resselpark, Schwarzenbergplatz), die über Absturzschächte an den Wiental Kanal angeschlossen sind.

Erddruckschild und Tübbingbauweise

Der zum Einsatz kommende Erddruck-Schild dient dem vom Schneidrad gelösten Boden zur Stützung vor Ortsbrust. Über eine Gleisanlage wird das Material aus dem Tunnel befördert und mittels Portalkran aus dem Startschacht transportiert. Die Verarbeitungsmethode des abgebauten Erdmaterials - es wird hinter dem Schneidrad zu einem Erdbrei zerkleinert - gibt der Maschine ihren Namen. Am Kopf der Erddruck-Schildmaschine arbeitete ein fünfteiliges Schneidrad mit insgesamt 141 Schälmessern, 24 Schneiderollen und 16 Räumzeugen. Das Gesamtgewicht des Schildes und des 136 Meter langen Nachläufers betrug 1.090 Tonnen, wobei alleine der zehn Meter lange Schild ein Gewicht von 720 Tonnen hatte. Die Vortriebsleistung im Durchlaufbetrieb betrug durchschnittlich 20 Meter pro Tag. Die Kanalröhre wurde mit Stahlbetonfertigteilen, sogenannten Tübbingen ausgekleidet. Der Innendurchmesser der Stahlbetonröhre des Wiental Kanals beträgt 7,50 Meter, der Außendurchmesser 8,64 Meter. Mit Vakuumsaugplatten wurden die Fertigteile von einem fernbedienten Kran angehoben, passgenau versetzt und miteinander verschraubt. Mit den Vortriebspressen wurde der Erddruck-Schild so weit vorwärts bewegt, dass ein weiterer Tunnelring eingebaut werden konnte. Die Ring- und Längsfugen des einschaligen Tunnelausbaus wurden gegen das Eindringen von Grundwasser abgedichtet. Die vorherrschenden Druckbedingungen lagen bei 3,5 bar und wurden auf das anfallende Abwasser ausgerichtet. Die Dichtung geschah durch das Zusammenpressen des Abdichtungsprofils. Die Verpressung des 17 Zentimeter breiten Ringspalts zwischen den Tübbingen und dem Boden erfolgte kraftschlüssig und raumbeständig durch einen speziellen Zementmörtel. Diese Bauweise verhindert nicht nur das Eindringen von Grundwasser und Erde, sondern stabilisiert auch den Boden über dem Tunnel. Die Fertigung über Tübbinge erfolgte in einer beheizten Werkshalle. Die Tübbinge sind 40 Zentimeter dick und haben eine Betonüberdeckung von 40 Millimeter. Insgesamt wurden für dieses Bauwerk 48 Tübbingen pro Tag - das sind 10.000 Tübbingen in zehn Monaten - hergestellt.

Querung der U-Bahn-Linie U1

Im Jänner 2005 erreichten die Bauarbeiten in 30 Meter Tiefe den Karlsplatz. Dort wurden die Techniker vor eine besondere Herausforderung gestellt: die Querung der U-Bahn-Linie U1. Der Wiental Kanal verläuft in diesem Abschnitt unter den beiden U-Bahn-Röhren der U1. Er quert die U1 nahezu im rechten Winkel. Der Abstand zwischen den U-Bahn-Röhren und dem Wiental Kanal beträgt zirka drei Meter. Die beiden U-Bahn-Röhren und der Verbindungsschacht (alle haben einen Durchmesser von 6,5 Metern) wurden im Bereich des Wiental Kanals um vier bis fünf Millimeter gehoben. Um etwaigen Setzungen vorzubeugen, führte man Injektionsbohrungen - auch Bodenverfestigungen genannt - im gesamten Bereich Karlsplatz durch. Es wurde das Soilfrac-Verfahren bei den Injektionsbohrungen angewendet, d.h. Rohre wurden mit einer Betonmischung ausgefüllt. Etwa 90 dieser Bohrungen wurden ins Erdreich eingebracht, um wie unterirdischen Bauarbeiten sicher fortsetzen zu können. Nach der Querung haben sich die beiden U-Bahn-Schächte erwartungsgemäß wieder ein bis zwei Millimeter gesenkt. Während der vier Tage, die für die vollständige Querung der U-Bahn benötigt wurden, konnte der U-Bahn-Betrieb ohne Störungen durchgeführt werden. Die Züge verlangsamten zwischen den Stationen Karlsplatz und Taubstummengasse nur geringfügig ihr Tempo, für die Fahrgäste war nichts zu bemerken. Während die Betonmischung in einer durchschnittlichen Tiefe von 20 Metern ins Erdreich injiziert wurde, kontrollierte ein automatisches Lasermesssystem die Bauarbeiten. Diese Arbeiten wurden zeitgerecht, im Vorlauf durchgeführt, damit beim „Unterfahren" der U-Bahn-Röhren die Betonmischung gehärtet und das Erdreich stabilisiert war. Nach erfolgreicher U-Bahn-Querung bewegte sich die Tunnelmaschine nun Richtung Zielschacht im Ernst-Arnold-Park.

Funktionsweise des Tiefspeicherkanals

Der Wiental Kanal wird vom Rechten bzw. Linken Wienfluss-Sammelkanal (RWSK bzw. LWSK) über deren Entlastungswehre befüllt. Das Bauwerk funktioniert nach dem Prinzp eines Dükers, die Weiterleitung der Wässer bei nachfolgendem Regen erfolgt ausschließlich durch Schwerkraftwirkung. Die Abflussleistung beträgt bis zum Anschluss an den Bauabschnitt 1 bei der Weiskirchnerstraße rund 175 Kubikmeter (175.000 Liter) pro Sekunde. Zur vollständigen Entleerung des tiefer liegenden Rohres ist ein Pumpwerk mit einer Leistung von 1.500 Litern pro Sekunde verfügbar, welches erlaubt, den Rohrinhalt von ca. 110.000 Kubikmetern, nach Maßgabe der freien Kapazität des nachfolgenden Kanalnetzes, über den Rechten Hauptsammelkanal RHSK bis zur Hauptkläranlage Simmering abzuleiten. Die Leistung des Pumpwerks entspricht etwa dem Trockenwetterabfluss in den beidseitigen Sammelkanälen links und rechts vom Wienfluss, sodass diese - zu Revisionszwecken - über den neuen Wiental Kanal ohne Rückstau und Vermeidung von Geruchsbildung abgeleitet werden können. Da der Wiental Kanal über Entlastungswehre des Rechten bzw. Linken Wienfluss-Sammelkanals (RWSK bzw. LWSK) beschickt wird, war nur in geringem Ausmaß mit einer Ablagerung von Kies und Sand zu rechnen. Bei der Entleerung nach jedem starken Regen wird der Schlamm und abgesetzte Schwebstoffe größtenteils mithilfe des Pumpwerks im Stadtpark (Startschacht) entfernt.

Siehe auch:

Literatur