Februarkämpfe 1934

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Reisepass des Schutzbundführers Julius Deutsch und Armbinde
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Februarkämpfe„Februarkämpfe“ befindet sich nicht in der Liste (Anschlag, Besetzung, Brand, Bürgerinitiative, Demonstration, Krieg, Schlacht, Epidemie, Epoche, Expedition, ...) zulässiger Werte für das Attribut „Art des Ereignisses“.
Datum von 12. Februar 1934
Datum bis 14. Februar 1934
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 15091
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 5.12.2016 durch WIEN1.lanm08mic
Bildname Februarpass.jpg
Bildunterschrift Reisepass des Schutzbundführers Julius Deutsch und Armbinde

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  • Februaraufstand 1934
  • Österreichischer Bürgerkrieg


Am 12. Februar 1934 um 11:46 Uhr blieben in Wien die Straßenbahnen stehen; es war dies das äußere Zeichen zum Beginn des Aufstands der letzten kampfbereiten Reste des Republikanischen Schutzbunds, des militärischen Arms der Sozialdemokratischen Partei, gegen ein autoritäres Regime (Ständestaat).

Notizkalender von Karl Renner mit den Eintragungen: 12. Februar "nachts Landhaus", 13. Februar "früh Rossauerlände" (dort befand sich das Polizeigebäude).
Schutzbund-Instruktion für den Häuserkampf.

In Linz beginnt's

In den frühen Morgenstunden war es in Linz zu Schießereien im Zuge einer der in letzter Zeit üblich gewordenen „Waffensuchen" in sozialdemokratischen Parteiheimen gekommen. Wien antwortete mit der Ausrufung des Generalstreiks, der von einer in langen Jahren der Arbeitslosigkeit und des materiellen Elends zermürbten Arbeiterschaft nicht durchgehalten werden konnte und binnen weniger Stunden zusammenbrach. Entscheidender als die zahlenmäßige Unterlegenheit des Schutzbunds, die frühzeitige Verhaftung des militärischen Leiters (Alexander Eifler) und einiger Bezirkskommandanten sowie des verfehlten militärischen Vorgehens (das auch von Theodor Körner kritisiert wurde) war das Ausbleiben einer allgemeinen Erhebung der Arbeiterschaft. Die 1929 mit aller Vehemenz einsetzende Weltwirtschaftskrise und die damit verbundene Massenarbeitslosigkeit hatten die gesellschaftliche und politische Machtpositionen der Arbeiterschaft und ihrer Organisationen entscheidend geschwächt. Deren politische Entmachtung, die Gleichschaltung der Gewerkschaften und der weitgehende Sozialabbau wurden zu einer immer deutlicheren, erfolgversprechenden Perspektive der Krisenlösungsstrategie der Regierung.

Ständestaat

Bundeskanzler Engelbert Dollfuß bildete eine Regierungskoalition mit den Heimwehren; er lieferte das Sicherheitsministerium an Emil Fey aus und kooperierte mit dem faschistischen Italien Benito Mussolinis. Am 5. März 1933 entschloss sich Dollfuß zum Staatsstreich; eine Unregelmäßigkeit im Abstimmungsbetrieb des Parlaments nützte er zu dessen Ausschaltung. Ab diesem Zeitpunkt regierte er mit Hilfe des Kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes des Jahres 1917. Dies bedeutete einen Zustand des permanenten Verfassungsbruchs und eine Abschaffung verfassungsmäßig garantierter Freiheitsrechte (Aufhebung der Pressefreiheit, Einschränkung des Versammlungsrechts, De-facto-Abschaffung der Schwurgerichtsbarkeit, Streikverbot für viele Industriezweige, Strafandrohung für Streik, Verschlechterung der Arbeiterschutzgesetze, Eingriffsmöglichkeit in bestehende Kollektiwerträge, Reduzierung von Löhnen und Arbeitslosengeldern auf dem Verordnungsweg, Übertragung der Rechtsprechung für politische Delikte an die Polizei, im Jänner 1934 schließlich Auflösung der Arbeiterkammern und der Betriebsräte in Staatsbetrieben). Noch im Jänner 1934 bot Otto Bauer weitestgehende Konzessionen an, und die Niederösterreicher um Karl Renner versuchten bis zuletzt, mit Regierungsvertretern zu verhandeln. Der linke Parteiflügel war allerdings nicht mehr bereit, weiterhin abzuwarten.

Die Kämpfe

Die Ausrufung des Generalstreiks zog bürgerkriegsähnliche Kämpfe nach sich. In jenen Bezirken, die Kampfgebiet waren, wurden die Kämpfe mit äußerster Härte und Kompromisslosigkeit geführt. Nach Ansicht von Militärexperten stellen sie „für die damalige Zeit ein Optimum an Kriegskunst für den Kampf in einer Großstadt" dar. Heftig umkämpft waren insbesondere der Karl-Marx-Hof (Einsatz von Artillerie), der Reumannhof und die Anlage Sandleiten, außerdem das Arbeiterheim Ottakring; am heftigsten tobten die Kämpfe in Simmering, Meidling (Haydnhof, Indianerhof, Reismannhof) und Floridsdorf, das drei Tage lang umkämpft blieb (Schlingerhof, Goethehof [einziger Angriff eines Heeresflugzeugs]). Noch am 12. Februar wurde über Wien, Steiermark und Oberösterreich das Standrecht verhängt; die Sozialdemokratische Partei, die Freien Gewerkschaften und in rascher Folge sämtliche sozialdemokratische Kultur- und Vorfeldorganisationen wurden aufgelöst. Otto Bauer und Julius Deutsch flohen am 13. Februar in die Tschechoslowakei. Nationalrat Johann Schorsch war ebenso mit im Ahornhof und flüchtete schließlich in die Schweiz. Am 14. Februar traten die Standgerichte zusammen; zwei Angeklagte (der schwerverletzte Schutzbündler Münichreiter und der Feuerwehroffizier Weissel) wurden noch am selben Tag hingerichtet, sieben weitere Hinrichtungen folgten. Am 15. Februar gab die Regierung die Zahl der Opfer mit 118 Toten und 486 Verwundeten der Exekutive sowie 196 Toten und 319 Verwundeten des Schutzbunds an (Schätzungen des englischen Journalisten Gedye belaufen sich, nach Recherchen vor Ort, allerdings auf 1.500-2.000 Tote und 5.000 Verwundete).

Der Prozess

Ein im Wiener Stadt- und Landesarchiv im Bestand Landesgericht für Strafsachen befindlicher Akt mit der Bezeichnung "Otto Bauer und Genossen" umfasst sechs Kartons und gibt durch die enthaltenen Beschuldigtenverhöre, Zeugenaussagen und beschlagnahmten Unterlagen minutiös Aufschluss über die Situation all der verhafteten Parteivorstandsmitglieder der SDAP unmittelbar vor und während der Kampfhandlungen des Februar 1934. Nachdem am 21. Februar 1934 die Welle der Standgerichtsprozesse verebbt war - 140 Schutzbündler waren abgeurteilt und acht davon gehenkt worden - bestand die Absicht einer politisch tendenziösen Justiz darin, einen großen Schauprozess gegen die Führung der österreichischen Sozialdemokratie zu führen. Sie sollte dabei öffentlich als geistige Drahtzieherin des Aufstandes angeprangert werden. Ein solcher Prozess kam deshalb nicht zustande, weil es trotz all der umfangreichen gerichtlichen Erhebungen nicht gelang, ausreichend Indizien für das Verbrechen der Vorbereitung eines "hochverräterischen Umsturzes" zu finden. Vielmehr zeigte sich, wie sehr gerade der "rechte Flügel" der Parteiführung bis zuletzt beinahe unter Selbstaufgabe der eigenen Prinzipien die Verständigung mit dem Regierungslager angestrebt hatte. Dennoch kamen diese für den Aufbau der Republik und der Stadt Wien so verdienstvollen Frauen und Männer erst nach Monaten und unter Ausreiseverbot wieder frei. Renner, Seitz, Breitner, Sever und Helmer hatten Tage in Polizeihaft (Roßauer Lände) und mehrere Monate in der Strafanstalt der Justiz verbringen müssen. Danneberg, Körner und Helene Postranecky kamen erst 1935 von dort frei. Andere, wie die National-, Stadt- und Landesräte Weber, Speiser, Richter und Schneidmadl wurden nach ihrer Untersuchungshaft für mehrere Monate im Anhaltelager Wöllersdorf interniert. Obwohl es nie zu einem Gerichtsurteil gekommen war, es nicht einmal zu einer Anklage gereicht hatte, wurden alle Ansuchen um Haftentschädigung abgelehnt. Gegen Rosa Jochmann, die sich im Widerstand engagiert hatte, wurde ein eigenes Verfahren eröffnet, das zu einer einjährigen Kerkerhaft führte.

Quellen

Literatur

  • Otto Bauer: Der Aufstand der österreichischen Arbeiter. Seine Ursachen und seine Wirkungen. Prag: Deutsche Sozialdemokratische Arbeiterpartei 1934
  • Otto Leichter: Österreich 1934. Die Geschichte einer Konterrevolution. Zürich: Europa-Verlag 1935
  • George Eric Rowe Gedye: Fallen Bastions. The Central European Tragedy. London: Gollancz 1939
  • George Eric Rowe Gedye: Die Bastionen fielen. Wie der Faschismus Wien und Prag überrannte. Wien: Danubia-Verlag 1947
  • Kurt Peball: Die Kämpfe in Wien im Februar 1934. Wien: Österreichischer Bundesverlag 1974 (Militärhistorische Schriftenreihe, 25)
  • Ilona Duczynska: Der demokratische Bolschewik. Zu Theorie und Praxis der Gewalt. München: List 1975
  • Helene Maimann / Siegfried Mattl [Hg.]: Die Kälte des Februar. Österreich 1933-1938. Wien: Junius 1984
  • Werner Schubert: Favoriten. Wien: Mohl 1980, S. 102 ff.
  • Christine Klusacek / Kurt Stimmer: Meidling. Vom Wienfluß zum Wienerberg. Wien: Mohl 1992, S. 90 ff.
  • Floridsdorf - Februar 1934. In: Franz Polly: Floridsdorf. Heimatkundliche Spaziergänge. Wien: Selbstverl. 1989, S. 210 ff.