Silbernes Kaffeehaus

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"Die Kassierin vom silbernen Kaffeehaus", Kreidelithographie Vinzenz Katzler, 1871. 1871
Daten zur Organisation
Art der Organisation Kaffeehaus
Datum von 1808
Datum bis 1855
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 22869
GND
WikidataID
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 3.03.2023 durch WIEN1.lanm08uns
Bildname HMW 108977.jpg
Bildunterschrift "Die Kassierin vom silbernen Kaffeehaus", Kreidelithographie Vinzenz Katzler, 1871. 1871
  • 1., Seilergasse 18
  • Café Neuner

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48° 12' 23.32" N, 16° 22' 12.39" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Silbernes Kaffeehaus, (1., Seilergasse 18, identisch mit Spiegelgasse 17 und Plankengasse 4)

Die Kaffeehausgründungen im und nach dem Vormärz waren für ihre besonders üppige und ausladende prunkvolle Ausstattung bekannt. Ignaz Neuner gründete zu Beginn des 19. Jahrhunderts das sogenannte Silberne Kaffeehaus, in dem sich vor allem Gelehrte und Literaten trafen. Zunächst eröffnete Neuner das Café am Spitalplatz oder Lobkowitzplatz, 1808 übersiedelte er aber an die Ecke Spiegelgasse/Plankengasse (oder Seilergasse), wo das Kaffeehaus ebenerdig und im Ersten Stock eingerichtet wurde. In den 1820er Jahren entwickelte sich das Café zu den meistbesuchtesten und überragendensten der Stadt. Das Lokal soll das Stammcafé des spätromantischen Schriftstellers Nikolaus Lenau gewesen sein. Um 1824 wurde das Etablissement aufwändig restauriert, wodurch dem Kaffeehaus der Name des "Silbernen Kaffeehauses" zugeteilt wurde. In dem Prunkzimmer im ersten Stock sei alles aus Silber gewesen, etwa die Garderobe, das Geschirr, die Tablette oder die Türklinken. Am 18. September 1826 starb Ignaz Neuner im Alter von 59 Jahren. Sein Sohn übernahm das Kaffeehaus an seiner Stelle. Neben dem silbernen Zimmer gab es im oberen Stockwerk auch das sogenannte Damenzimmer, in dem nicht geraucht werden durfte.

1833 wurde das Kaffeehaus neuerdings renoviert. Ins Damenzimmer wurden Tapeten mit Blumenmustern aus der Hoftapetenfabrik "Spörlin und Rahn" gehängt. Sofas, Sessel und Vorhänge waren in Gelb gehalten, während Vorhangringe und andere Details in Gold auftraten. Im unteren Stock wies das Kaffeehaus vier Fenster gegen die Spiegelgasse und sieben Fenster und den Eingang gegen die Plankengasse auf. Im oberen Stock waren zwei Zimmer – das silberne- und das Damenzimmer – mit einmal drei, einmal vier Fenstern gegen die Plankengasse, sowie ein Billardzimmer mit vier Fenstern auf die Spiegelgasse und zweien auf die Plankengasse hin, eingerichtet. Auch ebenerdig waren zwei Billardtische untergebracht. Die Wände wurden durch Spiegel in Goldrahmen geschmückt und zwei Öfen erwärmten den großen Salon, in dem immerhin 28 Tische Platz fanden. Im ersten Stock waren ein Billardtisch im Billardzimmer zu finden, insgesamt 26 Tische und wieder Spiegel an den Wänden. Die silberne Ausstattung wurde bei der Renovierung um 1833 stark zurückgenommen und nur noch im silbernen Zimmer fanden sich einzelne Stücke.

Wie schon erwähnt trafen sich im Silbernen Kaffeehaus vor allem Gelehrte, Literaten und Dichter. Lenau wurde schon genannt. Des Weiteren kamen die Schriftsteller Joseph Christian Zedlitz, Eduard von Bauernfeld, Franz Grillparzer oder der Maler Moritz von Schwind regelmäßig in das Café der Familie Neuner. Andere berühmte Gäste waren der Lyriker Anastasius Grün, der Dichter Ignaz Franz Castelli, der Schriftsteller Heinrich von Levitschnigg, der Philosoph Ernst von Feuchtersleben, der Geschichtsforscher Johann Paul Kaltenbäck und viele andere. Ähnlich wie ein knappes Jahrhundert zuvor im Café Kramer wurden auch im Silbernen Kaffeehaus politische und philosophische Debatten, vor allem mit kritischem Blick auf den Absolutismus Metternichs, geführt. Der Däne Martensen besuchte das Café und schrieb daraufhin: "Dieser Ton (des politischen Liberalismus) fand Anklang und Widerhall bei Neuner, wo der Metternichsche Absolutismus als jede freiere Regung unterdrückend angesehen wurde. Jedoch wurde dergleichen nur in gedämpften Tönen ausgesprochen; denn das Neunersche Café selbst war von der Regierung nicht wohl angesehen, weil man ein Gefühl davon hatte, hier rege sich ein Geist, welcher für das Bestehende bedrohlich werden könne. Und man darf allerdings auch sagen, daß das Neunersche Café in ziemlich starkem Grade beigetragen hat, die Begebenheiten des Jahres 1848 vorzubereiten." [1]

Die Blütezeit des Lokals erstreckte sich vor allem über die Jahre 1825 bis 1845. In dieser Zeit verschaffte es sich auch Berühmtheit als hohe Schule des Billardspiels. Der professionelle Spieler Baron Natorp spielte häufig im Silbernen Kaffeehaus. Auch Schach wurde viel gespielt. Im Kaffeehaus wurde ein eigener Schachclub gegründet, der bis 1853 im Silbernen Café Bestand haben sollte und dann in andere Etablissements wechselte. Ignaz Neuner der Jüngere verstarb am 4. Juni 1846 im Alter von nur 40 Jahren. Nach seinem Tod verlor das Lokal schnell seinen guten Ruf. Neuner hinterließ seine Frau und seine minderjährigen Kinder, die möglicherweise nicht in der Lage dazu waren, das Café alleine weiterzuführen. Im Jahr 1855 verschwand das Silberne Kaffeehaus für immer.

Literatur

  • August Schmidl: Das Silberne Kaffeehaus. In: Neues Wiener Tagblatt, 04.01.1889
  • Gustav Gugitz: Bibliographie zur Geschichte und Stadtkunde von Wien. Hg. vom Verein für Landeskunde von Niederösterreich und Wien. Band 3: Allgemeine und besondere Topographie von Wien. Wien: Jugend & Volk 1956, S. 399
  • Gustav Gugitz: Das Wiener Kaffeehaus. Ein Stück Kultur- und Lokalgeschichte. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1940, S. 162-168
  • Paul Harrer-Lucienfeld: Wien, seine Häuser, Menschen und Kultur. Band 6, 2. Teil. Wien ²1957 (Manuskript im WStLA), S. 263
  • Adolf Scherpe: Die Entwicklung des Wiener Kaffeehauses. Eine lokalhistorische Studie. Wien: Verlag des illustrierten unabhängigen Tagblattes "Die Neue Zeitung" 1919, S. 23-25
  • Das Wiener Kaffeehaus. Von den Anfängen bis zur Zwischenkriegszeit (Katalog zur 66. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien), Wien: Eigenverlag der Museen der Stadt Wien 1980, S. 79

Einzelnachweise

  1. Gustav Gugitz: Das Wiener Kaffeehaus. Ein Stück Kultur- und Lokalgeschichte. Wien: Deutscher Verlag für Jugend und Volk 1940, S. 165