Ringstraßenwettbewerb Projekt Nr.70

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Plan zum Concursprojekt Nr. 70, 1858
Hochauflösendes Digitalisat: WStLA, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P15.111111.24 - Concursprojekt Nr. 70
Daten zum Ereignis
Art des Ereignisses Wettbewerb
Datum von 31. Jänner 1858
Datum bis 31. Juli 1858
Thema
Veranstalter
Teilnehmerzahl
Gewalt
PageID 43891
GND
WikidataID
Objektbezug Ringstraße, Glacis
Quelle
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Letzte Änderung am 6.12.2022 durch WIEN1.lanm08jan
Bildname Wettbewerbsprojekt Nr. 70.jpg
Bildunterschrift Plan zum Concursprojekt Nr. 70, 1858
Hochauflösendes Digitalisat: WStLA, Pläne der Plan- und Schriftenkammer, P15.111111.24 - Concursprojekt Nr. 70

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Verfasser: Alois Lissek


Alois Lisseks Projekt sticht nicht nur durch seinen Umfang, sondern vor allem durch die überaus detaillierte architektonische Ausarbeitung der Einzelbauten hervor. Lissek zeichnete in jener Zeit für die Planung der Pfarrkirche von Platt in Niederösterreich verantwortlich, er war wohl Anfang der 1850er Jahre in den Staatsdienst eingetreten und als Architekt für das Wiener Schottenstift tätig.


Städtebaulicher Entwurf

Lissek gehörte wohl zu den produktivsten Wettbewerbsteilnehmern. Er legte neben dem Übersichtsplan zwei Varianten des Situationsplanes sowie einen selbstverfassten Situationsplan im detaillierten Maßstab von 1 Zoll zu 10 Klaftern (M 1:720) vor. Lissek dachte seinen Stadterweiterungsentwurf im stadträumlichen Sinn überaus großzügig, denn er hob die Breite des Boulevards nicht nur teilweise auf 50 Klafter an, sondern fügte auch zwischen den Monumentalbauten im Süden der inneren Stadt teils 20 Klafter breite Straßen ein, um deren besondere Stellung und Wichtigkeit zum Ausdruck zu bringen. Trotz seines streng orthogonalen Rasters schaffte Lissek es, die Straßen der inneren Stadt mit denen der Vorstädte in guten Einklang zu bringen. Geschickt führte er im östlichen Bereich mehrere Straßen der inneren Stadt durch die Schaffung einer Parkanlage zu einer Straße zusammen und kreierte eine mehrstrahlige Straßenfigur, um sie am neuen Zentralbahnhof vorbeizuführen.
Bei Regulierungen der bestehenden Straßen und Straßendurchbrüchen griff Lissek bewusst und oftmals tief in die Stadtstruktur ein. Mit vielen der von ihm vorgeschlagenen Durchbrüchen der inneren Stadt, etwa beim Judenplatz oder um den Stephansdom, nahm er später durchgeführte Regulierungsarbeiten vorweg. Aber auch in den Vorstädten operierte er mit tiefgreifenden Straßendurchbrüchen, von denen jener für die Verbindungsbahn zwischen Westbahnhof und Zentralbahnhof durch seine unbeirrte Vehemenz heraussticht.
Wo Lissek mit Straßendurchbrüchen intervenierte, lässt sich das Primat seiner gesamtstädtischen Planung gut ablesen. Er verbreiterte und eröffnete Straßen nur dort, wo sie dem zu- und abgehenden Verkehr mit der Innenstadt am besten dienten.
Lissek legte besonderes Augenmerk auf die Anlage von Plätzen im Neubaugebiet des Glacis sowie auf deren gärtnerische Gestaltung, um die innere Stadt schlug er vier repräsentative Plätze und große Parks vor. Außerdem fügte er weitere Plätze in die bestehende Stadt ein. Zwischen der Franz-Josefs-Kaserne und dem neuen Stadtteil schuf er eine Grünfläche, die als Vorbereich zum Zentralbahnhof zu lesen ist. Vor dem Opern- und dem Stadthaus sowie vor der Hofbibliothek und dem Reichsarchiv sah er zwei Schmuckplätze mit Gartenrabatten und Denkmälern vor. Der Raum zwischen der umgestalteten Hofburg und den Hofstallungen wurde als monumentale Platzanlage geplant. Lediglich zwei Monumentalbauten – die Arcierenleibgarde und das Stadtkommando –, die auf den Prospekt von der Hofburg aus angelegt wurden, waren hier vorgesehen. Die Platzgestaltung bestand aus mehreren Grünflächen, Denkmälern und Brunnenanlagen. Vor diesen beiden freistehenden Bauten schuf Lissek dreieckige Plätze, die durch Baumreihen gefasst waren und Denkmäler aufnahmen. Eine besondere Gestaltung erfuhr der Votivkirchenplatz. Zwischen dem Exerzierplatz und der Alserstraße wurde eine Reihe Gebäude geplant, die den Platz räumlich abschlossen. Der Platz selbst erhielt zur Straße hin einen Abschluss durch eine einfache Baumreihe, und auf der Platzfläche waren vier Rasenflächen vorgesehen. Auffallend war die Gestaltung mit Denkmälern oder sonstigen Kleinarchitekturen, die auf die Kirche zuführten und sie in einem Geviert umschlossen.
Bei der Regulierung der Vorstädte schien es Lissek nur um die Beantwortung der Verkehrsfrage gegangen zu sein, denn er sah dort nur Straßendurchbrüche und -erweiterungen, hingegen keine neuen Plätze vor.
Durch die Übernahme und Regularisierung der vorhandenen Straßen entstanden Blöcke, die in ihrer Größe gut an die bestehenden anschlossen. Mit massiven Eingriffen in den mittelalterlichen Stadtkörper war es Lissek möglich, die orthogonal angelegten Rasterviertel an den Bestand anzufügen. Den Willen zur Regelmäßigkeit seines Entwurfes erkennt man nicht nur im drastischen Umbau der Hofburg, damit diese eindeutiger in der Stadt ablesbar würde, sondern besonders an den beiden Gebäuden, die er entlang des Boulevards vor den Hofgarten stellte.
Lissek gab ebenso Antworten auf die drängenden Fragen der technischen Infrastruktur. Im Falle der Verbindungsbahn fügte er zwischen Westbahnhof und neuem Zentralbahnhof einen radikalen Durchbruch ein, um die als Hochbahn geführte Bahnlinie durch dichtverbautes Gebiet leiten zu können. Sein Vorschlag, entlang des Donaukanals einen Sammelkanal einzubauen, wurde Jahre später ausgeführt.
Die Ausstattung des Straßenraumes mit Stadtmobiliar zeugt von der Kenntnis der neuesten Stadtumbauten in Paris, wo es zur Aufstellung von einheitlichen Straßenlaternen, Sitzbänken, Anschlagtafeln, Bollern, öffentlichen Bedürfnisanstalten usw. gekommen war. Und so schlug Lissek auch auf der Ebene des Stadtmobiliars (Gaskandelaber, Bedürfnisanstalten, Sitzgelegenheiten) unzählige Objekte vor und trat damit als überaus überlegter Planer hervor.
Ein Vorschlag mutet visionär und utopisch zugleich an. Lissek plante bei dem neu anzulegenden Hafen und der neuen Kaserne, einen Leuchtturm aufzurichten. In seiner Beschreibung wird klar, dass er darin die elektrische Beleuchtung, die damals bereits im städtischen Umfeld zum Einsatz gekommen war, aber erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts großflächig umgesetzt wurde, vorwegnahm. "Der Leuchtthurm dürfte besonders, wenn elektrisches Licht zur Anwendung kommt der Stadt zur Wohlthat und Zierde gereichen, auch könnten sich in der Folge mehrere kleine Leuchtthürme, an den vorzüglichsten Strassenenden errichtet, als praktisch bewähren." Daneben legte er noch weitere Detailplanungen zu einzelnen Monumentalbauten vor, von denen sich fünf Blätter erhalten haben. Diese zeigen die neue Kaserne, die Architekturen des Exerzierplatzes, das Opern- und das Stadthaus, die Museen und das Reichsarchiv sowie die Gestaltung des neuen Elisabethplatzes.


Stellenwert

Die grundsätzliche Planungsprämisse bei Lisseks Stadtentwurf war, "den aufzuführenden Objecten nach Maßgabe der bestehenden Situation die möglichst beste raumhältigste, imposanteste organische Gruppirung zu geben, welche mit dem bedingten gürtelförmigen Boulevard im Einklange den Charackter eines keineswegs geschlossenen, jedoch abgerundeten Ganzen zur Schau tragen soll." Sein Entwurf wurde, wie der anderer Wettbewerbsteilnehmer auch, im Hinblick auf die visuelle Rezeption des Stadtraumes durch den Stadtbenutzer geleitet. Dies bewies er nicht nur in seiner Denkschrift, sondern auch in seinem städtebaulichen Entwurf, wenn er beispielsweise die Achse der Ausfallstraße zur Heugasse hin nicht in Letztere lenkte, sondern das Palais Schwarzenberg zum point de vue machte und es visuell mit dem Boulevard verband.[1]


Siehe auch:


Quellen


Einzelnachweise

  1. Zum Ringstraßenwettbewerb siehe: Harald R. Stühlinger, Der Wettbewerb zur Wiener Ringstraße, Birkhäuser, Basel 2015