Sanatorium Fürth: Unterschied zwischen den Versionen

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|Art des Bauwerks=Gebäude
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|Jahr von=1886
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Sanatorium Dr. Fürth für Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe und Interne (Wien 8, Schmidgasse 12-14, Buchfeldgasse 11, KG Josefstadt, EZ 864, letzte Konskriptionsnummer 193)<ref>Wiener Adressbuch. Lehmanns Wohnungsanzeiger, 79. Jg., Band 2. Wien: Österreichische Anzeigengesellschaft A.G. 1938; siehe [http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/pageview/269965 Wiener Adressbuch Lehmann].</ref><br/>
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Das [[Sanatorium]] Dr. Fürth für [[Chirurgie]], [[Gynäkologie]], Geburtshilfe und [[Innere Medizin|Interne]] ([[8]]., [[Schmidgasse]] 12-14, [[Buchfeldgasse]] 11, [[Josefstadt (Katastralgemeinde)|Katastralgemeinde Josefstadt]], EZ 864, letzte [[Konskriptionsnummer]] 193), wurde von 1887 bis 1938 als Sanatorium betrieben. Das Gebäude ist denkmalgeschützt.
Das Gebäude wurde 1886 vom kaiserlichen Rat Dr. Albin Eder erworben und 1887 als "Privatanstalt des kaiserlichen Rathes Dr. Albin Eder" nach den Plänen des Architekten Hans Auer errichtet,<ref>Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Selbstverlag. 1918, S. 419 f.; Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 398; WStLA, M.Abt 212, A23 - Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth. Hausordnung der Privatanstalt des kaiserlichen Rathes Dr. Albin Eder, Wien 04.04.1888; vgl. [https://www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Akt+++++00000377m08lai#Akt_____00000377m08lai WStLA, M.Abt 212, A23 - Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth].</ref> 1892 erfolgte eine Erweiterung auf die Parzelle [[Schmidgasse]] 12, Buchfeldgasse 11. Das Sanatorium verfügte nach der Erweiterung über 54 Zimmer, zwei Operationssäle und ein Röntgeninstitut, über 1.200 Patienten und Patientinnen wurden jährlich behandelt, es umfasste 2.850 m² Fläche <ref>In einem Zeitungsartikel wurde die Fläche mit 4500m² angegeben. Siehe http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/633403/Tragodie-mit-Happy-End</ref>  davon 1.142 m² überbaut, die restliche Fläche bestand aus Höfen und Gärten.<ref>Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architekten-Verein. Red. von Martin Paul. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 398.</ref> Mit Bescheid des Magistrats Wien vom 12. Jänner 1928 erhielt das Sanatorium die Erlaubnis, eine physikalische Abteilung zu führen.<ref>WStLA, M.Abt 212, A23 - Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth. Bescheid M.Abt. 13/8521/1926 vom 12.02.1928.</ref> Laut Statut lautete der der "Zweck der Anstalt: Die Anstalt bietet privaten Kranken die Möglichkeit, sich ärztlicher Behandlung unter steter ärztlicher Überwachung zu unterziehen".<ref>WStLA, M.Abt 212, A26 - Statuten: 4/8 Privatheilanstalt von Dr. Julius Fürth. Statut Wien, Jänner 1902; vgl. [https://www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Akt+++++00000542m08lai#Akt_____00000542m08lai].</ref> Ausgenommen von der Aufnahme waren "alle der Anzeigepflicht unterliegenden Infektions- u., alle Geisteskranken".<ref>WStLA, M.Abt 212, A23 - Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth. Statut Wien 1923; vgl. [https://www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Akt+++++00000377m08lai#Akt_____00000377m08lai].</ref>
 
  
1895 erwarb Dr. med. Dr. Julius Fürth, geb. 3. Dezember 1859 in Schüttenhofen (Böhmen), gestorben 17. Mai 1923 in Wien<ref>Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938. 3. Folge Band 16. Jahrbuch der Heraldisch-Genealogischen Gesellschaft „Adler“ – Wien. Amalthea-Signum Verlag Wien. Wien 2011, S. 829</ref> die Liegenschaft. Dr. Julius Fürth heiratete Albertine Rosenberg am 1894 im Wiener Stadttempel.<ref>WStLA, Altmatriken, Israelitische Kultusgemeinde, B 3/1.29:Trauungsbuch Stadt, 144/1894</ref> 
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==Errichtung des Gebäudes==
Nach dem Tod von Dr. Julius Fürth am 1. Mai 1923 wurde das Sanatorium von dessen Sohn Dr. med. Lothar Fürth weiter geführt. In seinem Testament vom 23. Februar 1923 bestimmte Dr. Julius Fürth seinen Sohn Lothar zum Erben des Sanatoriums ''"einschliesslich aller dazugehöriger Immobilen, Mobilien und Rechte"''.<ref>WStLA, Bezirksgericht Josefstadt, A4/1: 1 A 181/23</ref> <br/>
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1886 kaufte der kaiserliche Rat Dr. Albin Eder das Grundstück mit einem Altgebäude in der Schmidgasse 14, das er 1887 nach Plänen des Schweizer Architekten Hans Wilhelm Auer durch einen viergeschoßige Bau im Neorenaissancestil mit auffälligen, turmartig vorspringenden Seitenrisaliten mit kräftigen Konsolgesimsen ersetzen ließ.
Der Arzt Dr. med. Lothar Paul Fürth wurde am 3. Februar 1897 in Wien geboren, war der Sohn des Julius Fürth und der Albertine Fürth, geborene Rosenberg.<ref>WStLA, Altmatriken, Israelitische Kultusgemeinde, B 1/1.30: Geburtenbuch 407/1897</ref> Lothar Fürth promovierte zum Doktor der Medizin am 11. Mai 1922 an der Universität Wien.<ref>[www.genteam.at Genteam, Mediziner in Wien]</ref> 
 
Dr. Lothar Fürth trat am 15. Juni 1917 aus der Israelitischen Kultusgemeinde Wien aus und ließ sich am 22. Juni 1917 in der Evangelischen Stadtpfarre A.B. taufen.<ref>Georg Gaugusch: Wer einmal war, S. 830</ref>
 
  
Er heiratete in erster Ehe am 8. November 1922 in Wien Marguerite Senhein, verstorben am 10. April 1931 in Wien, in 2. Ehe am 2.März 1934 in Wien Susanne Sophie Beständig, geboren am 28. April 1904 in Wien.<ref>Gaugusch, Wer einmal war, S. 830</ref> 
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1892 erfolgte eine Erweiterung auf die Parzelle Schmidgasse 12 / Buchfeldgasse 11, wodurch die Liegenschaft über eine Fläche von 2850 Quadratmeter verfügte, von denen 1142 Quadratmeter verbaut waren. 54 Zimmer, zwei Operationssäle und ein Röntgeninstitut standen nach der Erweiterung zur Verfügung. Darüber hinaus dienten Höfe und Gärten der Erholung der Patientinnen.
Infolge antijüdischer Ausschreitungen begingen Dr. Lothar und Susanne Fürth gemeinsam in ihrer Wohnung, Wien 8, [[Buchfeldgasse]] 13 am 3. April 1938 durch Injizieren von Gift Selbstmord. Am 5. April 1938 erschien die Todesanzeige von Emil und Ida Beständig in der Neuen Freien Presse.<ref>Neue Freie Presse Morgenblatt, Nr. 26426 vom 5. Aprill.1938, S. 20 und WStLA, Totenbeschreibamt, A 1: Totenbeschaubefunde; Grabanweisungen, J. A. Zl. 12393/1938 und 12394/1938</ref> Die Feuerbestattung erfolgte am 7. April 1938 in der Feuerhalle am Wiener Zentralfriedhof.<ref>Gaugusch, Wer einmal war, S. 830</ref> <br/>
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Durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten erhielt das Sanatorium Fürth vorrübergehend einen neuen ärztlichen Leiter, Dr. Franz Neuhauser.<ref>WStLA, M. Abt 212, A 23 Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth. Bescheid M.Abt 8/F 16/1938 vom 08.07.1938</ref>  Der letzte Patient verließ die Krankenanstalt am 7. Juli 1938<ref>WStLA, M. Abt 212, A 23 Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth. Sanatorium Fürth an die Magistratsabteilung 8 vom 7. Juli 1938.Amtsvermerk M. Abt. 19/2385/39 vom 05.04.1939</ref>, der Betrieb wurde eingestellt, mit Amtsvermerk des Wiener Magistrats, Magistratsabteilung 19 befand sich 1939 im Gebäude die "Wehrinspektion Wien".<ref>WStLA, M. Abt 212, A 23 Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth </ref>  Die Arisierung durch das Deutsche Reich (Reichsfiskus, Heer) erfolgte aufgrund des Kaufvertrages vom 27. März 1939. Der Kaufpreis lautete 310.00 RM.<ref>WStLA, Mag. Abt. 119, A 41: 8. Bezirk, 1167</ref><br/>
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==Vom Sanatorium Eder zum Sanatorium Fürth==
Dr. Lothar Fürth hatte das Sanatorium, im Falle des Todes seiner Gattin Susanne in seinem Testament vom 10. Oktober 1937 seiner Ehegattin Susanne und sollte diese vorverstorben sein, seinen Schwiegereltern Emil und Ida Beständig vererbt. Ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen waren demnach seine leibliche Schwester Hertha Lasker und deren Nachkommen. Die Erben Emil und Ida Beständig verzichteten jedoch im Hinblick darauf, dass sie nach Nürnberger Rassengesetzen als Juden galten, auf ihr Erbrecht. Die gesetzlichen Erben wären die Schwester Lothar Fürths Herta Lasker und deren Nachkommen gewesen, diese waren jedoch im April 1938 bereits vor den Nationalsozialisten geflüchtet. Lothar Fürth hatte John Davis, Wien 8, [[Lenaugasse]] 19 zu seinem Testamentsvollstrecker eingesetzt.<ref>WStLA, BG Innere Stadt, A 4/7: 7A 693/52</ref><br/>
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Albin Eder behandelte in seinem als Privatanstalt eingerichteten Sanatorium bereits von Anfang an über 1200 Patienten pro Jahr. Bereits 1895 wurde es von Dr. [[Julius Fürth]] (1859–1923) gekauft und als Sanatorium Fürth für Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe und Interne betrieben, das bald die bedeutendste private Geburtsklinik des jüdischen Bürgertums in Wiens wurde, in dem unter anderem [[Marcel Prawy]] (1911-2003) geboren wurde.  
Nach Ende des [[Zweiter Weltkrieg|Zweiten Weltkrieges]] wurde das Gebäude von der amerikanischen Besatzungsmacht beschlagnahmt. Der von Lothar Fürth eingesetzte Testamentsvollstrecker John Davis beantragte zwar 1946 die Rückstellung, wurde aber von der Republik Österreich nicht als Rechtsnachfolger Lothar Fürths anerkannt. Durch den Staatsvertrag von 1955 ging das Gebäude in das Eigentum der Republik Österreich über. Die Sammelstellen für erbloses Vermögen stellten 1960 den Antrag auf Rückstellung.Trotz Schätzgutachtens des Wertes der Liegenschaft auf über 6 Millionen Schilling zahlte die Republik Österreich aufgrund eines Vergleiches im Jahr 1966 eine Abfindung in der Höhe von 700.000 Schilling an die Sammelstellen.<ref>[https://entschaedigungsfonds.org/pressemitteilung/haeufig-gestellte-fragen-zum-restitutionsfall-sanatorium-fuerth.html Allgemeiner Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus zum Fall Sanatorium Fürth] und siehe auch Brigitte Bailer-Galanda: die Entstehung der Rückstellungs- und Entschädigungsgesetzgebung. Die Republik Österreich und das in der NS-Zeit entzogene Vermögen. Band 3: Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit, sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Wien / München. Oldenburg 2003, S. 538 und Georg Graf: Die österreichische Rückstellungsgesetzgebung. Eine juristische Analyse. Band 2: Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit, sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich. Wien / München. Oldenburg 2003, S. 431 f</ref>  Die Republik Österreich blieb weiterhin Eigentümerin und vermietete das Sanatorium bis zum Jahr 2007 an die US-amerikanische Botschaft. Die ab 2003 von Erben und Erbinnen nach Lothar Fürth gestellten Anträge auf Rückstellung mündeten 2009 und 2010 in eine Eigentumsübertragung aufgrund einer Entscheidung der Schiedsinstanz für Naturalrestitution, die den Vergleich von 1966 als "extrem ungerecht" beurteilte. Die aus 39 Mitgliedern bestehende Erbengemeinschaft verkaufte die Liegenschaft im Jahr 2010 an das Ehepaar Dagmar und Peter Rabensteiner. Im Grundbuch ist die Eigentümerin seit 2010 als Entwicklungsgesellschaft "Schmidgasse 14" eingetragen.<ref>[https://entschaedigungsfonds.org/pressemitteilung/haeufig-gestellte-fragen-zum-restitutionsfall-sanatorium-fuerth.html Allgemeiner Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus zum Fall Sanatorium Fürth] und [http://diepresse.com/home/spectrum/zeichenderzeit/633403/Tragodie-mit-Happy-End Die Presse online zum Fall Sanatorium Fürth]</ref>
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==Enteignung in der NS-Zeit==
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Nach dem Tod von Julius Fürth im Jahr 1926 ging das Sanatorium auf seinen Sohn Dr. [[Lothar Fürth]] über. Nachdem dieser am 2. April 1938, nach dem "[[Anschluss]]" Österreichs, im Rahmen einer "Reibpartie" zur Reinigung des Bürgersteig gezwungen worden war, beging er gemeinsam mit seiner Frau Susanne am 3. April 1938 Selbstmord. Die laut Testament eingesetzten Erben, seine Schwiegereltern Ida und Emil Beständig, traten das Erbe nicht an, ebenso wurde den weiteren möglichen Erben, die gemäß den Nürnberger Rassegesetzen alle als Juden galten, das Erbe verwehrt. Einigen gelang die Flucht ins Ausland, andere wurden [[Deportation|deportiert]] und ermordet.
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Bis zum 7. Juli 1938 führte Franz Neuhauser das Sanatorium. Da die Liegenschaft bereits am 1. Mai 1938 von der Wehrmacht beansprucht worden war, musste das Sanatorium mit 7. Juli 1938 schlließen und am 25. August 1938 bezog die Wehrersatzinspektion Wien das Gebäude und am 27. März 1939 verkaufte es der von den [[Nationalsozialismus|Nationalsozialisten]] bestellte Nachlassverwalter für 310.000 Reichsmark an das Deutsche Reich.
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==Nachkriegszeit==
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1945 zunächst von den amerikanischen Besatzungsbehörden beschlagnahmt, wurde das Gebäude 1955 der Republik Österreich übertragen, die es bis 2007 an das Außenministerium der Vereinigten Staaten vermietete.  
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==Restitutionsverfahren==
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Bereits 1946 bemühte sich der von Dr. Lothar Fürth mit einem Vermächtnis bedachte John Henry Davis um die Rückstellung des Gebäudes. Nach den Restitutionsgesetzen der Nachkriegszeit waren jedoch die Erben Lothar Fürths von Restitutionsansprüchen ausgeschlossen, da nur direkte Verwandte Anträge stellen durften.  
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1960 stellte die Sammelstelle für erbloses Vermögen einen Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft, den sie jedoch 1966 aufgrund eines zwischen ihr und der Republik Österreich geschlossenen Vergleich zurückzog, bei dem 700.000 Schilling als Abfindung an sie ausbezahlt wurden. Der Vergleich erfolgte im Rahmen eines Generalvergleichs von insgesamt 22,700.000,– Schilling über die Ansprüche der Sammelstellen gegen den Bund auf Rückstellung von erblos gebliebenen Vermögen, die vom Nationalsozialismus verfolgten Personen gehört hatten. Der aus diesem Vergleich stammende Erlös kam NS-Opfern zugute.
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Nachdem (erst) im Jahr 2001 von der Republik ein Entschädigungsfondsgesetz erlassen wurde, war es den Erben möglich, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ab dem Jahr 2003 stellten verschiedene Erbinnen und Erben nach Dr. Lothar Fürth Anträge auf Rückstellung des Gebäudes bei der Schiedsinstanz für Naturalrestitution.
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Am 15. November 2005 sprach sich das Schiedsinstanz des österreichischen Allgemeinen Entschädigungsfonds für eine Restitution aus, wodurch es in der Folge 2009 und 2010 zu einer Eigentumsübertragung an eine aus 39 Mitgliedern bestehende Erbengemeinschaft kam, die die Liegenschaft 2010 an die Entwicklungsgesellschaft "Schmidgasse 14" verkaufte. Das Gebäude wurde in ein Wohngebäude umgebaut.
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==Erinnern==
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Zum Gedenken an Susanne und Lothar Fürth wurde ein Stolperstein verlegt.
  
 
==Quellen==
 
==Quellen==
*[https://www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Akt+++++00000377m08lai#Akt_____00000377m08lai WStLA, M.Abt 212, A23 - Ausgeschiedene Krankenanstalten: 21/4 Sanatorium Fürth]
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Akt+++++00000377m08lai#Akt_____00000377m08lai Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 212, A23: 21/4 Sanatorium Fürth, 8., Schmidgass 14, 1928-1962]
*[https://www.wien.gv.at/actaproweb2/benutzung/archive.xhtml?id=Akt+++++00000542m08lai#Akt_____00000542m08lai WStLA, M.Abt 212, A26 - Statuten: 4/8 Privatheilanstalt von Dr. Julius Fürth]
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Akt+++++00000542m08lai#Akt_____00000542m08lai Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt. 212.A26: 4/8 Privatheilanstalt von Dr. Julius Fürth, 8., Schmidgasse 14, 1900-1902: Statut, Dienstreglement, Hausordnung]
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*[http://wais.wien.gv.at//archive.xhtml?id=Stueck++4683D1BC-C846-42AC-A8CB-2A402D91DB23lanm08smo#Stueck__4683D1BC-C846-42AC-A8CB-2A402D91DB23lanm08smo Wiener Stadt- und Landesarchiv, Karten und Pläne, P6: 10246 Situationsplan des zur Straßenerweiterung abgetretenen Grundes: 8., Schmidgasse 14, 1887]
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*Bezirksgericht Innere Stadt, Grundbuch I, EZ 864
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==Literatur==
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Allgemein:
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*[https://www.theguardian.com/world/2016/feb/13/jewish-author-remains-in-austrian-jail-despite-discovery-of-key-papers Kate Connolly: Jewish author remains in Austrian jail despite discovery of key papers. In: The Guardian, 13.02.2016] [Stand: 24.03.2021]
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*Georg Gaugusch: Wer einmal war. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938. Band 1. Wien: Amalthea-Signum Verlag Wien 2011, S. 829-830
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*[https://www.entschaedigungsfonds.org/pressemitteilung/haeufig-gestellte-fragen-zum-restitutionsfall-sanatorium-fuerth Häufig gestellte Fragen zum Restitutionsfall Sanatorium Fürth / Stephan Templ. In: Allgemeiner Entschädigungsfonds für Opfer des Nationalsozialismus zum Fall Sanatorium Fürth, 04.06.2014]] [Stand: 24.03.2021]
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*[https://www.nordbayern.de/2.242/die-familie-furth-1.577021 Bernd Noack: Die Familie Fürth. In: Nordbayern, 19.05.2009] [Stand: 24.03.2021]
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* Lehmanns Wohnungsanzeiger, 79. Jg., Band 2. Wien: Österreichische Anzeigengesellschaft A.G. 1938
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*Martin Paul [Red.]: Technischer Führer durch Wien. Hg. vom Österreichischen Ingenieur- und Architektenverein. Wien: Gerlach & Wiedling 1910, S. 398
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*Hans Rotter: Die Josefstadt. Geschichte des 8. Wiener Gemeindebezirkes. Wien: Eigenverlag 1918, S. 419 f.
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*[http://david.juden.at/kulturzeitschrift/66-70/67-Walzer.htm Tina Walzer: Vom Böhmerwald aus in die Welt: Einblicke in die Geschichte der Familie Fürth. In: David. Jüdische Kulturzeitschrift 67 (Dezember 2005)] [Stand: 24.03.2021]
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==Einzelnachweise==
+
[[Wiener Gesundheitsarchitekturen]]:
<references/>
+
*Sanitätsdepartment der k. k. Nieder-Österreichischen Statthalterei. VI. Heil- und andere Humanitätsanstalten. In: Bericht über die Sanitären Verhältnisse und Einrichtungen im Erzherzogthume Österreich unter der Enns für das Jahr 1896. Hg. von K. K. Nieder-Österreichische Statthalterei. Wien: 1897, S. 130-225, S. 148
 +
*Heilanstalt Eder in Wien. In: Gesundheits-Ingenieur. Hg. von G. Stumpf. Berlin: 1890, S. 377

Aktuelle Version vom 29. September 2023, 12:40 Uhr

Sanatorium Fürth 1944
Daten zur Organisation
Art der Organisation Spital
Datum von 1886
Datum bis 7. Juli 1938
Benannt nach Julius Fürth
Prominente Personen
PageID 599
GND
WikidataID
Objektbezug Wiener Gesundheitsarchitekturen
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Wiener Gesundheitsarchitekturen
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Recherche
Letzte Änderung am 29.09.2023 durch WIEN1.lanm08trj
Bildname WStLA media wien Historisches Fotoarchiv FA 30203.jpg
Bildunterschrift Sanatorium Fürth 1944
  • 8., Schmidgasse 12-14
  • 8., Buchfeldgasse 11

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48° 12' 38.27" N, 16° 21' 10.30" E  zur Karte im Wien Kulturgut

Das Sanatorium Dr. Fürth für Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe und Interne (8., Schmidgasse 12-14, Buchfeldgasse 11, Katastralgemeinde Josefstadt, EZ 864, letzte Konskriptionsnummer 193), wurde von 1887 bis 1938 als Sanatorium betrieben. Das Gebäude ist denkmalgeschützt.

Errichtung des Gebäudes

1886 kaufte der kaiserliche Rat Dr. Albin Eder das Grundstück mit einem Altgebäude in der Schmidgasse 14, das er 1887 nach Plänen des Schweizer Architekten Hans Wilhelm Auer durch einen viergeschoßige Bau im Neorenaissancestil mit auffälligen, turmartig vorspringenden Seitenrisaliten mit kräftigen Konsolgesimsen ersetzen ließ.

1892 erfolgte eine Erweiterung auf die Parzelle Schmidgasse 12 / Buchfeldgasse 11, wodurch die Liegenschaft über eine Fläche von 2850 Quadratmeter verfügte, von denen 1142 Quadratmeter verbaut waren. 54 Zimmer, zwei Operationssäle und ein Röntgeninstitut standen nach der Erweiterung zur Verfügung. Darüber hinaus dienten Höfe und Gärten der Erholung der Patientinnen.

Vom Sanatorium Eder zum Sanatorium Fürth

Albin Eder behandelte in seinem als Privatanstalt eingerichteten Sanatorium bereits von Anfang an über 1200 Patienten pro Jahr. Bereits 1895 wurde es von Dr. Julius Fürth (1859–1923) gekauft und als Sanatorium Fürth für Chirurgie, Gynäkologie, Geburtshilfe und Interne betrieben, das bald die bedeutendste private Geburtsklinik des jüdischen Bürgertums in Wiens wurde, in dem unter anderem Marcel Prawy (1911-2003) geboren wurde.

Enteignung in der NS-Zeit

Nach dem Tod von Julius Fürth im Jahr 1926 ging das Sanatorium auf seinen Sohn Dr. Lothar Fürth über. Nachdem dieser am 2. April 1938, nach dem "Anschluss" Österreichs, im Rahmen einer "Reibpartie" zur Reinigung des Bürgersteig gezwungen worden war, beging er gemeinsam mit seiner Frau Susanne am 3. April 1938 Selbstmord. Die laut Testament eingesetzten Erben, seine Schwiegereltern Ida und Emil Beständig, traten das Erbe nicht an, ebenso wurde den weiteren möglichen Erben, die gemäß den Nürnberger Rassegesetzen alle als Juden galten, das Erbe verwehrt. Einigen gelang die Flucht ins Ausland, andere wurden deportiert und ermordet.

Bis zum 7. Juli 1938 führte Franz Neuhauser das Sanatorium. Da die Liegenschaft bereits am 1. Mai 1938 von der Wehrmacht beansprucht worden war, musste das Sanatorium mit 7. Juli 1938 schlließen und am 25. August 1938 bezog die Wehrersatzinspektion Wien das Gebäude und am 27. März 1939 verkaufte es der von den Nationalsozialisten bestellte Nachlassverwalter für 310.000 Reichsmark an das Deutsche Reich.

Nachkriegszeit

1945 zunächst von den amerikanischen Besatzungsbehörden beschlagnahmt, wurde das Gebäude 1955 der Republik Österreich übertragen, die es bis 2007 an das Außenministerium der Vereinigten Staaten vermietete.

Restitutionsverfahren

Bereits 1946 bemühte sich der von Dr. Lothar Fürth mit einem Vermächtnis bedachte John Henry Davis um die Rückstellung des Gebäudes. Nach den Restitutionsgesetzen der Nachkriegszeit waren jedoch die Erben Lothar Fürths von Restitutionsansprüchen ausgeschlossen, da nur direkte Verwandte Anträge stellen durften.

1960 stellte die Sammelstelle für erbloses Vermögen einen Antrag auf Rückstellung der Liegenschaft, den sie jedoch 1966 aufgrund eines zwischen ihr und der Republik Österreich geschlossenen Vergleich zurückzog, bei dem 700.000 Schilling als Abfindung an sie ausbezahlt wurden. Der Vergleich erfolgte im Rahmen eines Generalvergleichs von insgesamt 22,700.000,– Schilling über die Ansprüche der Sammelstellen gegen den Bund auf Rückstellung von erblos gebliebenen Vermögen, die vom Nationalsozialismus verfolgten Personen gehört hatten. Der aus diesem Vergleich stammende Erlös kam NS-Opfern zugute.

Nachdem (erst) im Jahr 2001 von der Republik ein Entschädigungsfondsgesetz erlassen wurde, war es den Erben möglich, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Ab dem Jahr 2003 stellten verschiedene Erbinnen und Erben nach Dr. Lothar Fürth Anträge auf Rückstellung des Gebäudes bei der Schiedsinstanz für Naturalrestitution.

Am 15. November 2005 sprach sich das Schiedsinstanz des österreichischen Allgemeinen Entschädigungsfonds für eine Restitution aus, wodurch es in der Folge 2009 und 2010 zu einer Eigentumsübertragung an eine aus 39 Mitgliedern bestehende Erbengemeinschaft kam, die die Liegenschaft 2010 an die Entwicklungsgesellschaft "Schmidgasse 14" verkaufte. Das Gebäude wurde in ein Wohngebäude umgebaut.

Erinnern

Zum Gedenken an Susanne und Lothar Fürth wurde ein Stolperstein verlegt.

Quellen

Literatur

Allgemein:


Wiener Gesundheitsarchitekturen:

  • Sanitätsdepartment der k. k. Nieder-Österreichischen Statthalterei. VI. Heil- und andere Humanitätsanstalten. In: Bericht über die Sanitären Verhältnisse und Einrichtungen im Erzherzogthume Österreich unter der Enns für das Jahr 1896. Hg. von K. K. Nieder-Österreichische Statthalterei. Wien: 1897, S. 130-225, S. 148
  • Heilanstalt Eder in Wien. In: Gesundheits-Ingenieur. Hg. von G. Stumpf. Berlin: 1890, S. 377