Chirurgie

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AKH: Chirurgie, Klinik Billroth
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Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien
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Letzte Änderung am 10.11.2023 durch DYN.krabina
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Bildunterschrift AKH: Chirurgie, Klinik Billroth

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Allgemeines Krankenhaus, II. Chirurgische Universitätsklinik, I. Univ.-Frauenklinik (neuer Operations- u. Ambulanztrakt)
Krankenhaus Lainz, I. Chirurgische Abteilung, Prim. Dr. Kunz
Allgemeines Krankenhaus, II. Chirurgische Universitätsklinik, I. Univ.-Frauenklinik (neuer Operations- u. Ambulanztrakt)
Allgemeines Krankenhaus, II. Chirurgische Universitätsklinik, I. Univ.-Frauenklinik (neuer Operations- u. Ambulanztrakt)

Zwischen Handwerk und medizinischer Fachdisziplin

Bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts waren die Chirurgen nicht akademisch gebildet, sondern erhielten eine handwerksmäßige Ausbildung. Durch die 1785 auf Betreiben Josephs II. gegründete "Medizinisch-chirurgische Josephs-Akademie" (Josephinum) sollte der Gegensatz zwischen Medizin und Chirurgie aufgehoben werden. Zu dieser Zeit gab es auch eine chirurgische Klinik an der Universität Wien. Eine zweite solche Klinik wurde erst 1841 gegründet.

Im Zuge der Unterrichtsreform durch Andreas Joseph Stifft beauftragte dieser den Chirurgen und Mediziner Vinzenz Kern mit dem Aufbau einer leistungsfähigen Universitätschirurgie. Zu diesem Zweck wurde 1807 an der Universitätsklinik ein eigenes Operateurinstitut geschaffen, dessen Statuten nach dem Vorbild des Josephinums gestaltet waren. Dieses wurde zur Stammschule der begabtesten österreichischen Chirurgen (neue Statuten 1870). Seit 1804 existierte auch ein Operateurinstitut an der Josephs-Akademie. Hochqualifizierte Einzelpersönlichkeiten im ausgehenden 18. Jahrhundert waren der Protochirurg und erste Direktor des Josephinums Giovanni Alessandro Brambilla, Simon Zeller von Zellenberg, Franz Xaver Rudtorffer, Johann Nepomuk Hunczovsky und einige Militärchirurgen.

An der Universität Wien folgte auf Vinzenz Kern, den ersten Vorstand des Operateurinstituts, der sich vor allem um den Blasensteinschnitt verdient gemacht hatte, der allerdings schon zu seinen Lebzeiten von der Blasensteinzertrümmerung als Methode abgelöst wurde. Kern setzte auch auf die Heilkräfte der Natur indem er mit Eiskompressen Heilungserfolge erzielte. 1810 wurde Johann Nepomuk Rust Primarchirurg am Allgemeinen Krankenhaus (er beantragte bereits im selben Jahr eine Augenklinik!), konnte sich aber nicht durchsetzen.

Mitte der 20er Jahre des 19. Jahrhunderts fand eine große personelle Veränderung statt; die nächstfolgende Führungsschicht bestand aus Michael Hager und Joseph Wattmann, wobei letzterer eigene Wege zu gehen bemüht war. Wattmann führte in der plastischen Chirurgie neuen Methoden ein, führte die physikalische Diagnostik in den 1830er Jahren ein und leistete einen grundlegenden Beitrag zur Prophylaxe und Therapie der Luftembolie, der allerdings international unbeachtet blieb; er hatte der Chirurgie allerdings nicht den Weg zur pathologischen Anatomie gewiesen.

Die Etablierung der wissenschaftlichen Disziplin

Von der Medizin zur Chirurgie kam Franz Schuh (1804-1865): unter ihm wurde die Chirurgie in Österreich zur Wissenschaft. Schuh war ab 1837 Primarius der chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses. Er brachte Auenbruggers Perkussion an die Klinik (Joseph Skoda sicherte später der physikalische Diagnostik [Perkussion, Auskultation] die allgemeine Anerkennung) und führte erstmals eine Herzbeutelpunktion durch. 1847 führte Schuh die Narkose in Wien ein. Er begründete die Wiener Chirurgie-Schule.

Die impulsgebenden Richtungen von Rokitansky und Skoda wurden von einem Kreis von Mitstreitern (darunter Schuh und Hebra) unterstützt. Neben Schuh wirkte an der Klinik erfolgreich Johann Heinrich Freiherr von Dumreicher (1815-1880), der sowohl als Universitätslehrer als auch als Operateur Bedeutung erlangte (er betrachtete die Hochschule als Ausbildungsstätte von Praktikern, wogegen Theodor Billroth ihre Hauptaufgabe in der Erziehung von Forscherpersönlichkeiten sah); er wirkte in einer Zeit, in der Narkose und Antiseptik sich durchsetzten. In der Frühzeit Schuhs und Dumreichers wurde die Orthopädie vom Mutterfach Chirurgie gelöst.

Die Ära Billroth

Nach Dumreichers Tod begann die eigentliche Ära Billroth, der die Universitätschirurgie vertrat, während zur selben Zeit an der militärärztlichen Akademie Franz von Pitha (1810-1875) wirkte. Seit Billroth, zuvor Professor in Zürich, 1867 nach Wien berufen worden war, entwickelte sich die Zweite Wiener Medizinische Schule zum Großexporteur von Chirurgen und chirurgischen Ideen. Billroth hatte schon 1863 mit "Die allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie" ein bahnbrechendes Standardwerk verfasst, welches die klinische Beobachtung mit der pathohistologischen Forschung verband. Billroth lieferte Studien zu Wundkrankheiten, antiseptischen Wundbehandlung und zum Streptococcus und Staphylococcus. Als überzeugter Empiriker führte er die Operationsstatistik ein. Mit Billroth ist die Blüte der Wiener Chirurgie im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts verbunden, seine bahnbrechenden Operationstechniken (Magen- und Speiseröhrenresektion, Kehlkopfexstirpation) wurden richtungweisend. 1870 reformierte er das Operateurinstitut im Sinn einer Hinwendung zur Forschung. 1882 eröffnete er das Rudolfinerhaus (die erste Ausbildungsstätte Wiens, der Krankenpflegerinnen aus dem Laienstand zur Verfügung standen) und übergab die Leitung seinem Freund Robert Gersuny (1844-1924), 1893 das Haus der Gesellschaft der Ärzte in der Frankgasse (Ärztehaus).

Impulse gingen von Billroth und seinen Schülern auf die Chirurgie der Schilddrüse (Anton Wölfler, Anton von Eiselsberg), die Urologie (Karl Pawlik, Brenner, Anton Frisch, Moriz Schustler), die Gynäkologie (Czerny, Rudolf Chrobak, Alfons von Rosthorn) und die plastische Chirurgie (Robert Gersuny, Alexander Fraenkel, Viktor von Hacker, Anton Eiselsberg, Konrad Büdinger) aus; philanthropisch verband er sich mit Jaromir von Mundy, dem Begründer der Wiener Freiwilligen Rettungs-Gesellschaft, Nachfolger Billroths an der II. Chirurgischen Klinik wurde 1894 sein Schüler Carl Gussenbauer (1842-1903); ihm folgte Julius von Hochenegg (1859-1940), der die Tradition der Albert-Schule als Chef der Billroth-Klinik fortsetzte; Julius von Hochenegg gelang die operative Entfernung des Mastdarmkarzinoms. Zu den Hochenegg-Schülern zählte Hans Finsterer. Das geistige Erbe und die Lehrtradition hingegen gingen auf Anton von Eiselsberg (1860-1939) über.

Die erste Chirurgische Klinik übernahm 1881 Eduard Albert (1841-1900), ein Dumreicher-Schüler, als Billroths "Nachbar" eine schwierige Situation, da Billroth gegen seine Ernennung Einwände vorgebracht hatte. Albert verfasste ein Lehrbuch der Chirurgie und Operationslehre. Mit seinen Beiträgen zur Extremitätenchirurgie ebnete Albert den Boden für die große Ära der Wiener Orthopädie unter Adolf Lorenz und Hans Spitzy. Er verfasste auch Studien zur Funktionsweise der Gelenke. Aus der Albert-Klinik ging eine weitverzweigte junge Chirurgengeneration hervor, der Carl Meydl (1853-1903), Julius Schnitzler (1896 Chirurgischer Primarius am Kaiser-Franz-Joseph-Spital), Rudolf Frank (1862-1913; 1896 Primarius am Rudolfspital, 1900 am Allgemeinen Krankenhaus) und Friedrich Friedländer (1867-1926; 1902 Primararzt am Wilhelminenspital) angehörte. Internationale Berühmtheit erlangte Adolf Lorenz als Meister unblutiger Operationen. Er brachte die Idee des modellierenden Redressiments in die Therapie ein. Dadurch gelang ihm die Heilung angeborener Hüftverrenkungen. Die Gelenkstuberkulose behandelte er mittels Gipsfixierung.

Die neuere Zeit

Berühmtester Billroth-Schüler wurde Anton von Eiselsberg. Eiselsberg übernahm 1901 die Leitung der I. Chirurgischen Klinik im Allgemeinen Krankenhaus. Er war ein begnadeter Operateur und begründete eine eigene Schule. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten befasste er sich besonders mit der Neurochirurgie und der Chirurgie des Magen-Darm-Traktes. Auch bakteriologische Studien waren von Bedeutung. Eiselsberg setzte sich für die Einrichtung eigener Unfallstationen ein. Im Ersten Weltkrieg schuf er die "Chirurgen-Arbeitsgemeinschaften für Verwundetenfürsorge". Egon Ranzi folgte Eiselsberg 1932 an der I. Chirurgischen Abteilung. Vom nationalsozialistischen Regime verfolgt und sechs Wochen interniert starb er frühzeitig 1939. Sein Nachfolger wurde der Eiselsberg-Schüler Leopold Schönbauer. Er war der letzte Klinikvorstand, der noch alle chirurgischen Fächer vereinigte. Dies trifft auch noch auf Wolfgang Denk, 1931-1954 Leiter der II. Chirurgischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses, zu. Denk befasste sich wissenschaftlich vor allem mit der Herz-Lungen-Chirurgie und der Chirurgie maligner Tumore. In der Anästhesie verwendete er erstmals Lachgas und die "Apparatennarkose".[1]

Der 1977 zum Vorstand der I. Chirurgischen Klinik am Allgemeinen Krankenhaus ernannte Arnulf Frisch befasste sich wissenschaftlich besonders mit der Abdominalchirurgie. An der II. Chirurgischen Klinik erwarb sich Ernst Wolner Verdienste in der Herzchirurgie. Für seine wissenschaftliche Tätigkeit erhielt er den Eiselsberg-Preis.

Quellen

Literatur

  • Theodor Billroth: Über das Lehren und Lernen der medicinischen Wissenschaften an den Universitäten der Deutschen Nation nebst allgemeinen Bemerkungen über Universitäten. Eine culturhistorische Studie. Wien: Gerold 1876, S. 175 ff.
  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 61-71, 195-209, 435-459.
  • Heinrich Möller: Personalbibliographien von Professoren und Dozenten der Chirurgie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im ungefähren Zeitraum von 1790-1878. Mit kurzen biographischen Angaben und Überblick über die Sachgebiete. Diss. Univ. Erlangen. Erlangen 1972
  • Leopold Schönbauer: Das Medizinische Wien. Geschichte / Werden / Würdigung, Berlin-Wien: Urban & Schwarzenberg 1944
  • A. Schweinitz: Personalbibliographie von Professoren und Dozenten der II. Chirurgischen Klinik der Universität Wien ... 1880-1930. Diss. Univ. Erlangen. Erlangen 1973
  • Karl Heinz Tragl: Chronik der Wiener Krankenanstalten. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2007, S. 121-135.
  • Helmut Wyklicky: Das Josephinum. Biographie eines Hauses. Die medicinisch-chirurgische Josephs-Akademie seit 1785; das Institut für Geschichte der Medizin seit 1920. Wien: Brandstätter 1985
  • Ahmed Munir Zahran: Personalbibliographien von Professoren und Dozenten der I. Chirurgischen Klinik der Universität Wien im ungefähren Zeitraum von 1939 - 1969. Mit biographischen Angaben und Überblicken über die Hauptarbeitsgebiete. Diss. Univ. Erlangen. Erlangen 1968

Einzelnachweise

  1. Karl Heinz Tragl: Chronik der Wiener Krankenanstalten. Wien / Köln / Weimar: Böhlau 2007, S. 124.