Julius Wagner-Jauregg: Unterschied zwischen den Versionen

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Version vom 19. November 2019, 13:32 Uhr

Daten zur Person
Personenname Wagner-Jauregg, Julius
Abweichende Namensform
Titel o. Univ. Prof., Dr. phil. h. c., Dr. med. univ., Ritter von
Geschlecht männlich
PageID 3329
GND 118628445
Wikidata
Geburtsdatum 7. März 1857
Geburtsort Wels, Oberösterreich
Sterbedatum 27. September 1940
Sterbeort Wien
Beruf Psychiater, Neurologe
Parteizugehörigkeit
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 19.11.2019 durch WIEN1.lanm09lue
Begräbnisdatum 3. Oktober 1940
Friedhof Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 32 C, Nummer 18
Ehrengrab ja„ja“ befindet sich nicht in der Liste (historisches Grab, ehrenhalber gewidmetes Grab, Ehrengrab) zulässiger Werte für das Attribut „Ehrengrab“.
  • 1., Landesgerichtsstraße 18 (Sterbeadresse)
  • 1., Landesgerichtsstraße 18 (Letzte Wohnadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften (Verleihung: 1929)
  • Dr. phil. h. c. Universität Wien (Verleihung: 1937)
  • Cameron-Preis der Universität Edinburgh
  • Nobelpreis für Medizin (Verleihung: 1927)
  • Bürger der Stadt Wien (Verleihung: 27. Mai 1927)

  • Direktor der Wiener Psychiatrischen Klinik (1893)

Wagner-Jauregg Julius Ritter von * 7. März 1857 Wels, Oberösterreich, † 27. September 1940 Wien 1, Landesgerichtsstraße 18 (Wohnung ab 1892 [Gedenktafel]; Zentralfriedhof, Ehrengrab, Gruppe 32C, Nummer 18 [Grabdenkmal von Josef Müllner, 1940]), Psychiater.

Besuchte das Schottengymnasium und studierte an der Universität Wien (Dr. med. univ. 1880). Schon während seiner Studienzeit (1878) erschienen zwei seiner experimentellen Arbeiten in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaft. Der experimentelle Pathologe Salomon Stricker, dessen Assistent Wagner-Jauregg 1880-1882 war, erkannte seine Begabung und ließ ihm bereits ab 1876 Förderung angedeihen. Am 1. Jänner 1883 erhielt Wagner-Jauregg eine Stelle in der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt (Leitung Maximilian Leidesdorf) und wandte sich ganz der Psychiatrie zu. 1885 habilitierte er sich an der Universität Wien für Neurologie, 1887 für Psychiatrie (1889 außerordentlicher Professor für Psychiatrie an der Universiät Graz, 1893 ordentlicher Professor an der Universität Wien und Direktor der Wiener Psychiatrischen Klinik).

Unermüdlich setzte er seine Studien zur Heilung progressiver Paralyse mittels der von ihm 1887 entdeckten Fiebertherapie fort ("Beginn der Behandlung durch Einimpfung von Malaria tertiana", 1917; "Verhütung und Behandlung der progressiven Paralyse durch Impfmalaria", 1931); Wagner-Jauregg hatte durch genaue klinische Beobachtung festgestellt, dass psychotische Symptome bei Patienten mit fieberhaften Erkrankungen vorübergehend eine Besserung erfuhren. 1887 publizierte er darüber erstmals im "Jahrbuch für Psychiatrie" (Band 7, Seite 94) und empfahl die Verwendung von Malariakeimen, um periodische Fieberschübe zu erzeugen. Aufgrund der anfänglichen praktischen Undurchführbarkeit versuchte er die Fiebererzeugung zunächst mit Tuberkulin und Vakzinen. 1917 begann er schließlich erfolgreich mit der Malariatherapie bei progressiver Paralyse und anderen Psychosen (Psychologisch-neurologische Wochenschrift 20 [1918/1919], S. 132, S. 251). Für dieses Heilverfahren erhielt er den Nobelpreis (1927). Seine durch den Nobelpreis gewürdigten Leistungen ließen zu Lebzeiten und darüberhinaus kaum kritische Fragen innerhalb der österreichischen und deutschen Psychatrie zu. Die Methode der Malariatheraphie trug allerdings ein "ethisches Dilemma" bereits in sich selbst, wie der Medizinhistoriker Hubensdorf feststellte. Von modernene medizinischen Prinzipen wie Patientenrechten oder einer Ethikkommission war man in Wien weit entfernt. Wagner-Jaureggs zweites pionierhaftes Arbeitsgebiet betraf den endemischen Kretinismus. Er erkannte den Jodmangel als Ursache des (angeborenen) Kropfes und stellte die klinische Verbindung zur geistigen Retardierung her.

Wagner-Jauregg errichtete aus eigenen Mitteln in Zeltweg (Steiermark) eine Anstalt für Kropfforschung und schlug 1898 prophylaktisch den Verkauf von jodiertem Kochsalz in Kropfgegenden vor.

Wagner-Jauregg erwarb sich besondere Verdienste um die Erblichkeitslehre psychischer Erkrankungen, die forensische Psychiatrie, den Ausbau der somatischen Symptomatologie und der somatischen Pathogenese zahlreicher Psychosen.

Bürger der Stadt Wien (27. Mai 1927), Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften (1929), Dr. phil. h. c. Universität Wien (1937).

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe engagierte sich Wagner-Jauregg bereits früh für rassenhygienische Fragen, begrüßte die NS-Erbgesundheitsgesetze und war in eugenische Zwangssterilisationen und Euthanasieaktionen involviert. Wagner-Jauregg war seit 1937 Mitglied der antisemitisch ausgerichteten „Großdeutschen Partei“, setzte sich 1937 für den „Deutschen Volksbund“ ein (Versuch eines Zusammenschlusses von „Nationalen“ und Nationalsozialisten innerhalb der Vaterländischen Front) und war Angehöriger schlagenden Burschen- und Sängerschaften (z. B. „Ghibellinen“ die einen „Arierparagraphen“ führten). Sein kurz vor seinem Tod gestellter Antrag auf NSDAP-Mitgliedschaft wurde wegen seiner jüdischen Ehefrau zurückgewiesen. Auch Wagner-Jaureggs Anwendung der „Malaria-Therapie“ (s. o.) sei, so die Kommission, aus medizinethischer Sichtweise fragwürdig und von Beginn an umstritten gewesen. Insgesamt ist die Beurteilung der Haltung Wagner-Jaureggs zum Nationalsozialismus in der Wissenschaft strittig (z. B. stufte ihn die Historikerkommission des Landes OÖ als „nicht historisch belastete Persönlichkeit“ ein, im Unterschied zum DÖW), weshalb laut Kommission noch weitere Forschungen (vgl. z. B. die derzeit laufende Pilotstudie von Heiss/Rathkolb) zur umfassenden Beurteilung seiner Person nötig seien.

Wagner-Jauregg-Denkmal, Wagner-Jauregg-Hof, Wagner-Jauregg-Weg.

Literatur

  • Peter Schwarz, Die Wiener Psychiatrie im ersten Weltkrieg: Eine Geschichte im Spannungsfeld von Faradisationen, Humanversuchen und Hungersterben. in: Wiener Geschichtsblätter, Jahrgang 69, Heft 2/2014, S. 93-113
  • Michael Hubensdorf, Medizinische Forschungsfragen zu Julius Wagner Jauregg (1857-1940) in: Jahrbuch des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (2005), S. 218-233.
  • Isidor Fischer [Hg.]: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Band 2: Kon-Zweig. Nachträge und Berichtigungen. München: Urban & Schwarzenberg 1963
  • Neue österreichische Biographie. 1815–1918. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1923-1935. Band 10
  • Julius Leopold Pagel [Hg.]: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin / Wien: Urban & Schwarzenberg 1901
  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992
  • Neue österreichische Biographie ab 1815. Große Österreicher. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1957-1987. Band 10 (1957), S. 123 ff.
  • Österreichische Akademie der Wissenschaften: Almanach. Band 91. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1941, S. 171 ff., S. 197 ff.
  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 401 ff.
  • Leopold Schönbauer / Marlene Jantsch: Julius Wagner Ritter von Jauregg 1857-1940. In: Kurt Kolle [Hg.]: Große Nervenärzte. Band 3: 22 Lebensbilder. Stuttgart: Thieme 1963
  • Leopold Schönbauer: Das medizinische Wien. Geschichte, Werden, Würdigung. Wien: Urban & Schwarzenberg 1947, S. 368 ff.
  • Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 3. Wien / München: Jugend & Volk 1973-1974, S. 403 ff. (Helmut Wyklicky)
  • Josef Gicklhorn / Renée Gicklhorn: Die österreichischen Nobelpreisträger. Wien: Bergland-Verlag 1966 (Österreich-Reihe, 48), S. 32 ff.
  • Alexander Pilcz: Verzeichnis der wissenschaftlichen Arbeiten des Hofrates Prof. Dr. Julius Wagner v. Jauregg. In: Wiener medizinische Wochenschrift 78 (1928), S. 892-894
  • Hans Hoff: Gedächtnisvortrag zum 100. Geburtstag Wagner-Jaureggs. In: Wiener medizinische Wochenschrift 29/30 (1957), S. 618-621
  • Hans Hoff: Gedächtnisvortrag zum 100. Geburtstag Wagner-Jaureggs. In: Wiener medizinische Wochenschrift 107 (1957), S. 618 ff.
  • Julius Wagner-Jauregg 80 Jahre alt. In: Wiener medizinische Wochenschrift 10 (1937), S. 254-255
  • Julius von Wagner-Jauregg zum 80. Geburtstag. In: Wiener klinische Wochenschrift 9/10 (1937), S. 275-277
  • Akademischer Festakt. Feierliche Promotion zu Ehrendoktoren und Hundertjahrfeier der Gesellschaft der Aerzte in Wien im Großen Festsaal der Universität. Verleihung des Ehrendoktorates der Philosophie an Herrn Universitätsprofessor Dr. Julius von Wagner-Jauregg, Ehrenpräsident der Gesellschaft der Ärzte ... . In: Wiener klinische Wochenschrift 20 (1937), S. 654-658
  • Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie 103 (1940), S. 186 ff.
  • Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wien

er Stadtgeschichte, 23), S. 83

  • Julius Wagner-Jauregg: Lebenserinnerungen. Hg. u. erg. von Leopold Schönbauer u. Marlene Jantsch. Wien: Springer 1950
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 58–60
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013
  • Gernot Heiss / Oliver Rathkolb: Malariatherapie 1950–70 – Pilotstudie. Forschungsprojekt und Historikerkommission. Wien 2013