Julius Wagner-Jauregg

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Julius Wagner-Jauregg
Daten zur Person
PersonennameName der Person im Format Nachname, Vorname Wagner-Jauregg, Julius
Abweichende NamensformAlternative Formen des Namens wie z.B. Pseudonyme oder Mädchennamen im Format Nachname, Vorname
TitelAkademische Titel (abgekürzt), Amtstitel, Adelstitel o. Univ. Prof., Dr. phil. h. c., Dr. med. univ., Ritter von
Geschlecht männlich
Wien Geschichte WikiIdentifier/Persistenter URL zur Seite  3329
GNDGemeindsame Normdatei 118628445
Wikidata Q78479
GeburtsdatumDatum der Geburt 7. März 1857
GeburtsortOrt der Geburt Wels, Oberösterreich
SterbedatumSterbedatum 27. September 1940
SterbeortSterbeort Wien
BerufBeruf Psychiater, Neurologe
ParteizugehörigkeitAngabe der Partei (bei PolitikerInnen)
EreignisEreignis, mit dem die Person in Verbindung gebracht wird
Nachlass/Vorlass
Siehe auchVerweist auf andere Objekte im Wiki  Nathaniel Freiherr von Rothschild'sche Stiftung für Nervenkranke in Wien
RessourceUrsprüngliche Ressource  Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Letzte Änderung am 19.09.2024 durch WIEN1.lanm09fri
BestattungsdatumDatum der Bestattung  3. Oktober 1940
FriedhofFriedhof, auf dem eine Person begraben wurde Zentralfriedhof
Grabstelle Gruppe 32 C, Nummer 18
GrabwidmungGrabwidmung als Ehrengrab, historisches oder ehrenhalber gewidmetes Grab  Ehrengrab
BildnameName des Bildes Julius Wagner Jauregg Buehne 1925 Heft 12 S.26.jpg
BildunterschriftInformation, die unterhalb des Bildes angezeigt werden soll Julius Wagner-Jauregg
  • 1., Landesgerichtsstraße 18 (Letzte Wohnadresse)
  • 1., Landesgerichtsstraße 18 (Sterbeadresse)
Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft
  • Ehrenmitglied der Akademie der Wissenschaften (Verleihung: 1929)
  • Dr. phil. h. c. Universität Wien (Verleihung: 1937)
  • Cameron-Preis der Universität Edinburgh
  • Nobelpreis für Medizin (Verleihung: 1927)
  • Bürger der Stadt Wien (Verleihung: 27. Mai 1927)

  • Direktor der Wiener Psychiatrischen Klinik (1893)

Julius Ritter von Wagner-Jauregg, * 7. März 1857 Wels, † 27. September 1940 Wien, Psychiater.

Biografie

Bildungsweg

Julius Wagner-Jauregg besuchte das Schottengymnasium und studierte an der Universität Wien (Dr. med. univ. 1880). Schon während seiner Studienzeit (1878) erschienen zwei seiner experimentellen Arbeiten in den Sitzungsberichten der Akademie der Wissenschaften. Der experimentelle Pathologe Salomon Stricker, dessen Assistent Wagner-Jauregg von 1880 bis 1882 war, erkannte seine Begabung und ließ ihm bereits ab 1876 Förderung angedeihen. Am 1. Jänner 1883 erhielt Wagner-Jauregg eine Stelle in der Niederösterreichischen Landesirrenanstalt (Leitung Maximilian Leidesdorf) und wandte sich ganz der Psychiatrie zu. 1885 habilitierte er sich an der Universität Wien für Neurologie, 1887 für Psychiatrie (1889 außerordentlicher Professor für Psychiatrie an der Universität Graz, 1893 ordentlicher Professor an der Universität Wien und Direktor der Wiener Psychiatrischen Klinik).

Wissenschaftliche Schwerpunkte

Im Lauf seiner wissenschaftlichen Tätigkeit befasste sich Wagner-Jauregg mit zwei Schwerpunkten: der Bekämpfung von Psychosen durch künstlich erzeugtes Fieber und der Erforschung und Therapie von Schilddrüsenerkrankungen. Seine Studien zur Heilung progressiver Paralyse bei fortgeschrittener Syphilis mittels der von ihm entdeckten Fiebertherapie setzten 1887 ein. Wagner-Jauregg hatte durch genaue klinische Beobachtung festgestellt, dass psychotische Symptome bei Patienten mit fieberhaften Erkrankungen vorübergehend eine Besserung erfuhren. 1887 publizierte er darüber erstmals im "Jahrbuch für Psychiatrie" (Band 7, Seite 94) und empfahl die Verwendung von Malariakeimen, um periodische Fieberschübe zu erzeugen. Aufgrund der anfänglichen praktischen Undurchführbarkeit versuchte er die Fiebererzeugung zunächst mit Tuberkulin und Vakzinen. Doch erst mit der Übernahme der psychiatrisch-neurologischen Klinik von Richard Krafft-Ebing im Jahr 1902 verfügte Wagner-Jauregg über entsprechend große Patientenzahlen, um seine Forschungen auf breiter empirischer Basis durchzuführen. Schließlich veröffentlichte er seine Therapiemethode durch Einimpfung von Malaria tertiana 1917. Die Verhütung und Behandlung der progressiven Paralyse durch Impfmalaria erschien 1931. 1917 begann er erfolgreich mit der Malariatherapie bei progressiver Paralyse und anderen Psychosen (Psychologisch-neurologische Wochenschrift 20 [1918/1919], S. 132, S. 251). Für dieses Heilverfahren erhielt er den Nobelpreis (1927). Seine durch den Nobelpreis gewürdigten Leistungen ließen zu Lebzeiten und darüber hinaus kaum kritische Fragen innerhalb der österreichischen und deutschen Psychiatrie zu. Die Methode der Malariatheraphie trug allerdings ein "ethisches Dilemma" bereits in sich selbst, wie der Medizinhistoriker Hubensdorf feststellte. Von modernen medizinischen Prinzipien wie Patientenrechten oder einer Ethikkommission war man in Wien zu diesem Zeitpunkt weit entfernt.

Wagner-Jaureggs zweites pionierhaftes Arbeitsgebiet betraf den endemischen Kretinismus. Er erkannte den Jodmangel als Ursache des (angeborenen) Kropfes und stellte die klinische Verbindung zur geistigen Retardierung her. Wagner-Jauregg errichtete aus eigenen Mitteln in Zeltweg (Steiermark) eine Anstalt für Kropfforschung und schlug 1898 prophylaktisch den Verkauf von jodiertem Kochsalz in Kropfgegenden vor. Wagner-Jauregg entwickelte eine Erblichkeitslehre psychischer Erkrankungen, unternahm Forschungen auf dem Gebiet der forensische Psychiatrie und erforschte die somatische Symptomatologie und die somatische Pathogenese zahlreicher Psychosen.

Haltung zum Nationalsozialismus

Im Auftrag der Stadt Wien hat eine HistorikerInnen-Kommission die historische Bedeutung jener Persönlichkeiten, nach denen Wiener Straßen benannt sind, von 2011 bis 2013 untersucht sowie eine zeithistorische Kontextualisierung vorgenommen. Laut Abschlussbericht dieser Forschungsgruppe engagierte sich Wagner-Jauregg bereits früh für rassenhygienische Fragen, begrüßte die NS-Erbgesundheitsgesetze und war in eugenische Zwangssterilisationen und Euthanasieaktionen involviert. Wagner-Jauregg war seit 1937 Mitglied der antisemitisch ausgerichteten "Großdeutschen Partei", setzte sich 1937 für den "Deutschen Volksbund" ein (Versuch eines Zusammenschlusses von "Nationalen" und Nationalsozialisten innerhalb der Vaterländischen Front) und war Angehöriger schlagender Burschen- und Sängerschaften (zum Beispiel "Ghibellinen", die einen "Arierparagraphen" führten). Sein kurz vor seinem Tod gestellter Antrag auf NSDAP-Mitgliedschaft wurde wegen seiner jüdischen Ehefrau zurückgewiesen. Auch Wagner-Jaureggs Anwendung der "Malariatherapie" sei, so die Kommission, aus medizinethischer Sichtweise fragwürdig und von Beginn an umstritten gewesen. Auch Wagner-Jaureggs kritische Haltung zu liberalen Reformbestrebungen in der forensischen Psychiatrie spricht für keine besonders menschenfreundliche Grundhaltung Wagner-Jaureggs.

Insgesamt ist die Beurteilung der Haltung Wagner-Jaureggs zum Nationalsozialismus in der Wissenschaft strittig (zum Beispiel stufte ihn die Historikerkommission des Landes Oberösterreich als "nicht historisch belastete Persönlichkeit" ein, im Unterschied zum Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes), weshalb laut Kommission noch weitere Forschungen (vgl. beispielsweise die Pilotstudie von Heiss/Rathkolb) zur umfassenden Beurteilung seiner Person nötig seien. Ambivalenz zeigt jedenfalls Wagner-Jaureggs Biographie mit Bezug auf den Antisemitismus. Abgesehen von seiner Heirat mit einer jüdischen Frau lassen sich zahlreiche "jüdische" Fachkollegen des Mediziners in seiner psychiatrisch-neurologischen Personalpolitik nachweisen. Dies könnte allerdings auch mit der Tatsache in Verbindung stehen, dass die Neurologischen Krankenanstalten "Maria-Theresien-Schlössel" und "Rosenhügel", an deren Errichtung Wagner-Jauregg federführend beteiligt war, von der Nathaniel Freiherr von Rothschild'sche Stiftung für Nervenkranke in Wien finanziert und betrieben wurden. Wagner-Jaureggs sicherlich bis zu einem gewissen Grad vorhandener Antisemitismus dürfte jedenfalls im Lauf seiner Lebens Schwankungen unterworfen gewesen sein, wie auch handschriftliche Streichungen aus dem Manuskript seiner 1950 erschienenen Lebenserinnerungen nahelegen.

Nachruf

An seiner Wohnadresse in der Landesgerichtsstraße, wo er ab 1892 lebte, erinnert eine Gedenktafel an den Psychiater. Das Grabdenkmal auf dem Zentralfriedhof wurde von Josef Müllner gestaltet. Wagner-Jaureggs bedeutendster Schüler war der Hirnforscher Konstantin Economo.

Siehe auch: Psychiatrie, Neurologie

Quellen

Meldezettel für Julius Wagner-Jauregg

Literatur

  • Isabella Ackerl / Friedrich Weissensteiner: Österreichisches Personenlexikon [der Ersten und Zweiten Republik]. Wien: Ueberreuter 1992
  • Akademischer Festakt. Feierliche Promotion zu Ehrendoktoren und Hundertjahrfeier der Gesellschaft der Aerzte in Wien im Großen Festsaal der Universität. Verleihung des Ehrendoktorates der Philosophie an Herrn Universitätsprofessor Dr. Julius von Wagner-Jauregg, Ehrenpräsident der Gesellschaft der Ärzte ... . In: Wiener klinische Wochenschrift 20 (1937), S. 654-658
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien: Pichler Verlag 2014, S. 58–60
  • Peter Autengruber / Birgit Nemec / Oliver Rathkolb / Florian Wenninger: Forschungsprojektendbericht "Straßennamen Wiens seit 1860 als 'Politische Erinnerungsorte'". Wien 2013
  • Isidor Fischer [Hg.]: Biographisches Lexikon der hervorragenden Ärzte der letzten fünfzig Jahre. Band 2: Kon-Zweig. Nachträge und Berichtigungen. München: Urban & Schwarzenberg 1963
  • Josef Gicklhorn / Renée Gicklhorn: Die österreichischen Nobelpreisträger. Wien: Bergland-Verlag 1966 (Österreich-Reihe, 48), S. 32 ff.
  • Gernot Heiss / Oliver Rathkolb: Malariatherapie 1950–70 – Pilotstudie. Forschungsprojekt und Historikerkommission. Wien 2013
  • Hans Hoff: Gedächtnisvortrag zum 100. Geburtstag Wagner-Jaureggs. In: Wiener medizinische Wochenschrift 29/30 (1957), S. 618-621
  • Michael Hubensdorf: Medizinische Forschungsfragen zu Julius Wagner Jauregg (1857-1940). In: Jahrbuch des Dokumentationsarchivs des österreichischen Widerstandes (2005), S. 218-233
  • Hanns Jäger-Sunstenau: Die Ehrenbürger und Bürger ehrenhalber der Stadt Wien. Wien: Deuticke 1992 (Forschungen und Beiträge zur Wien

er Stadtgeschichte, 23), S. 83

  • Erna Lesky: Die Wiener medizinische Schule im 19. Jahrhundert. Wien [u.a.]: Böhlau 1965 (Studien zur Geschichte der Universität Wien, 6), S. 401 ff.
  • Monatsschrift für Psychiatrie und Neurologie 103 (1940), S. 186 ff.
  • Neue österreichische Biographie ab 1815. Große Österreicher. Wien [u.a.]: Amalthea-Verlag 1957-1987. Band 10 (1957), S. 123 ff.
  • Österreichische Akademie der Wissenschaften: Almanach. Band 91. Wien: Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften 1941, S. 171 ff., S. 197 ff.
  • Julius Leopold Pagel [Hg.]: Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts. Berlin / Wien: Urban & Schwarzenberg 1901
  • Alexander Pilcz: Verzeichnis der wissenschaftlichen Arbeiten des Hofrates Prof. Dr. Julius Wagner v. Jauregg. In: Wiener medizinische Wochenschrift 78 (1928), S. 892-894
  • Walter Pollak [Hg.]: Tausend Jahre Österreich. Eine biographische Chronik. Band 3. Wien / München: Jugend & Volk 1973-1974, S. 403 ff. (Helmut Wyklicky)
  • Peter Schwarz: Die Wiener Psychiatrie im ersten Weltkrieg: Eine Geschichte im Spannungsfeld von Faradisationen, Humanversuchen und Hungersterben. In: Wiener Geschichtsblätter 69/2 (2014), S. 93-113
  • Leopold Schönbauer / Marlene Jantsch: Julius Wagner Ritter von Jauregg 1857-1940. In: Kurt Kolle [Hg.]: Große Nervenärzte. Band 3: 22 Lebensbilder. Stuttgart: Thieme 1963
  • Leopold Schönbauer: Das medizinische Wien. Geschichte, Werden, Würdigung. Wien: Urban & Schwarzenberg 1947, S. 368 ff.
  • Julius Wagner-Jauregg 80 Jahre alt. In: Wiener medizinische Wochenschrift 10 (1937), S. 254-255
  • Julius von Wagner-Jauregg zum 80. Geburtstag. In: Wiener klinische Wochenschrift 9/10 (1937), S. 275-277
  • Julius Wagner-Jauregg: Lebenserinnerungen. Hg. u. erg. von Leopold Schönbauer u. Marlene Jantsch. Wien: Springer 1950