Amalie Seidel: Unterschied zwischen den Versionen

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1892 schloss sie sich als Mitglied dem Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein an. 1893 war sie eine der Mitinitiatorinnen des ersten Frauenstreik ("Streik der 700") in der Geschichte der Frauenbewegung. Forderungen waren die Verminderung der täglichen Arbeitszeit von 13 auf zehn Stunden und ein arbeitsfreier Erster Mai. Während des Streiks war auch [[Viktor Adler]] auf sie aufmerksam. Wegen ihres allzu temperamentvollen öffentlichen Auftreten als Rednerin wurde sie zu drei Wochen Haft verurteilt. 1895 heiratete Amalie Ryba den Techniker und sozialdemokratischen Aktivisten [[Richard Seidel]]. Die Ehe zerbrach, sodass sie ihre beiden Töchter allein aufziehen musste.  
 
1892 schloss sie sich als Mitglied dem Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein an. 1893 war sie eine der Mitinitiatorinnen des ersten Frauenstreik ("Streik der 700") in der Geschichte der Frauenbewegung. Forderungen waren die Verminderung der täglichen Arbeitszeit von 13 auf zehn Stunden und ein arbeitsfreier Erster Mai. Während des Streiks war auch [[Viktor Adler]] auf sie aufmerksam. Wegen ihres allzu temperamentvollen öffentlichen Auftreten als Rednerin wurde sie zu drei Wochen Haft verurteilt. 1895 heiratete Amalie Ryba den Techniker und sozialdemokratischen Aktivisten [[Richard Seidel]]. Die Ehe zerbrach, sodass sie ihre beiden Töchter allein aufziehen musste.  
  
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1897 war Amalie Seidel Mitbegründerin einer [[Konsumgenossenschaft]] und trat 1900 wieder als Rednerin bei Parteiveranstaltungen auf. Sie wurde Vorsitzende des Frauenbezirkskomitees von [[Margareten]]. An den Parteitagen 1903 und 1907 bis 1913 nahm sie als Delegierte bei. 1912 war Amalie Seidel Mitgründerin der Genossenschaftlichen Frauenorganisation, Mitglied des Aufsichtsrates der Niederösterreichischen Konsumvereine und des Vorstandes der Konsumgenossenschaft Wien. 
  
Danach war Seidel Textilarbeiterin; ; weitere Aktivitäten setzte sie in der Konsum-Bewegung.
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Nach dem Ersten Weltkrieg war sie als Abgeordnete von Margareten 1919 bis 1923 Gemeinderätin und 1919 bis 1934 Abgeordnete zum Nationalrat, wobei sie sich auf Jugendfürsorge und das Gesundheitswesen konzentrierte. Sie kämpfte gegen das "Pflegeelternsystem" (die Aufnahme von Pflegekindern erfolgte vielfach nur aus finanziellen Gründen und weil eine kostenlose Arbeitskraft zur Verfügung stand). 1920 begründete Seidel das Wiener Jugendhilfswerk. Im [[Februar 1934]] wurde sie verhaftet. Nach ihrer Entlassung am 30. März stellte sie ihre Wohnung für illegale Treffen sozialistischer Frauen zur Verfügung.
Nach dem Ersten Weltkrieg war sie 1919-1923 Gemeinderätin und 1919-1934 Abgeordnete zum Nationalrat, wobei sie sich auf Jugendfürsorge und das Gesundheitswesen konzentrierte; sie kämpfte gegen das "Pflegeelternsystem" (die Aufnahme von Pflegekindern erfolgte vielfach nur aus finanziellen Gründen und weil eine kostenlose Arbeitskraft zur Verfügung stand). 1920 begründete Seidel das Wiener Jugendhilfswerk. Nachdem sie 1934 einen Monat in Haft gewesen war, zog sie sich völlig aus der politischen Tätigkeit zurück. Allerdings stellte sie ihre Wohnung für illegale Treffen sozialistischer Frauen zur Verfügung.
 
  
 
1942 heiratete sie den jüdischen Wiener Kommunalpolitiker Sigmund Rausnitz, um ihn durch diese Ehe zu schützen. Dieser verübte allerdings Selbstmord, was Amalie Seidel schwer traf. 1944, nach dem Attentat auf Hitler, wurde sie einige Tage im Landesgericht Wien inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Amalie Seidel schließlich bei ihrer Tochter Emma und deren Ehemann [[Karl Seitz]], dem einstigen Bürgermeister von Wien.
 
1942 heiratete sie den jüdischen Wiener Kommunalpolitiker Sigmund Rausnitz, um ihn durch diese Ehe zu schützen. Dieser verübte allerdings Selbstmord, was Amalie Seidel schwer traf. 1944, nach dem Attentat auf Hitler, wurde sie einige Tage im Landesgericht Wien inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Amalie Seidel schließlich bei ihrer Tochter Emma und deren Ehemann [[Karl Seitz]], dem einstigen Bürgermeister von Wien.
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*[https://www.wien.gv.at/mariahilf/geschichte-kultur/grossetoechter-lebenslaeufe.html "Große Töchter Mariahilfs" – Die Lebensläufe: Amalie Seidel]
 
*[https://www.wien.gv.at/mariahilf/geschichte-kultur/grossetoechter-lebenslaeufe.html "Große Töchter Mariahilfs" – Die Lebensläufe: Amalie Seidel]
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*[http://www.dasrotewien.at/seite/seidel-amalie-geb-ryba Das rote Wien – Weblexkon der Wiener Sozialdemokratie: Amalie Seidel]

Version vom 11. Februar 2019, 13:42 Uhr

Daten zur Person
Personenname Seidel, Amalie
Abweichende Namensform Ryba, Amalie
Titel
Geschlecht weiblich
PageID 15595
GND 117454990
Wikidata
Geburtsdatum 21. Februar 1876
Geburtsort Wien
Sterbedatum 11. Mai 1952
Sterbeort Wien
Beruf Politikerin
Parteizugehörigkeit Sozialdemokratin
Ereignis
Nachlass/Vorlass
Objektbezug
Quelle Felix Czeike: Historisches Lexikon Wien, Gedenktage
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Recherche
Letzte Änderung am 11.02.2019 durch WIEN1.lanm09was
Begräbnisdatum
Friedhof
Grabstelle

Es wurden noch keine Adressen zu dieser Person erfasst!

Familiäre Beziehung
Berufliche Beziehung
Beziehung, Bekanntschaft, Freundschaft

  • Abgeordnete zum Wiener Landtag und Mitglied des Wiener Gemeinderates (1919 bis 1923)
  • Abgeordnete zum Nationalrat (04.03.1919 bis 31.05.1919)
  • Abgeordnete zum Nationalrat (10.11.1920 bis 17.02.1934)
  • Stadträtin (1919 bis 1920)

Amalie Seidel, * 21. Februar 1876 Wien, † 11. Mai 1952 Wien, sozialdemokratische Politikerin.

Biografie

Amalie Seidel war eines der vier überlebenden Kindern des Ehepaares Jakob und Anna Ryba, Zwölf der 16 Kindern starben früh. Amalie Ryba wurde von ihrem Vater, einem Schlosser, der sich in der Gewerkschaftsbewegung engagiert hatte, schon in jungen Jahren politisiert. Bereits als Schülerin erledigte sich Näharbeiten in Heimarbeit. 1888 musste sie die Bürgerschule abbrechen und trat eine Stelle als Dienstmädchen an.

1892 schloss sie sich als Mitglied dem Gumpendorfer Arbeiterbildungsverein an. 1893 war sie eine der Mitinitiatorinnen des ersten Frauenstreik ("Streik der 700") in der Geschichte der Frauenbewegung. Forderungen waren die Verminderung der täglichen Arbeitszeit von 13 auf zehn Stunden und ein arbeitsfreier Erster Mai. Während des Streiks war auch Viktor Adler auf sie aufmerksam. Wegen ihres allzu temperamentvollen öffentlichen Auftreten als Rednerin wurde sie zu drei Wochen Haft verurteilt. 1895 heiratete Amalie Ryba den Techniker und sozialdemokratischen Aktivisten Richard Seidel. Die Ehe zerbrach, sodass sie ihre beiden Töchter allein aufziehen musste.

1897 war Amalie Seidel Mitbegründerin einer Konsumgenossenschaft und trat 1900 wieder als Rednerin bei Parteiveranstaltungen auf. Sie wurde Vorsitzende des Frauenbezirkskomitees von Margareten. An den Parteitagen 1903 und 1907 bis 1913 nahm sie als Delegierte bei. 1912 war Amalie Seidel Mitgründerin der Genossenschaftlichen Frauenorganisation, Mitglied des Aufsichtsrates der Niederösterreichischen Konsumvereine und des Vorstandes der Konsumgenossenschaft Wien.

Nach dem Ersten Weltkrieg war sie als Abgeordnete von Margareten 1919 bis 1923 Gemeinderätin und 1919 bis 1934 Abgeordnete zum Nationalrat, wobei sie sich auf Jugendfürsorge und das Gesundheitswesen konzentrierte. Sie kämpfte gegen das "Pflegeelternsystem" (die Aufnahme von Pflegekindern erfolgte vielfach nur aus finanziellen Gründen und weil eine kostenlose Arbeitskraft zur Verfügung stand). 1920 begründete Seidel das Wiener Jugendhilfswerk. Im Februar 1934 wurde sie verhaftet. Nach ihrer Entlassung am 30. März stellte sie ihre Wohnung für illegale Treffen sozialistischer Frauen zur Verfügung.

1942 heiratete sie den jüdischen Wiener Kommunalpolitiker Sigmund Rausnitz, um ihn durch diese Ehe zu schützen. Dieser verübte allerdings Selbstmord, was Amalie Seidel schwer traf. 1944, nach dem Attentat auf Hitler, wurde sie einige Tage im Landesgericht Wien inhaftiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg lebte Amalie Seidel schließlich bei ihrer Tochter Emma und deren Ehemann Karl Seitz, dem einstigen Bürgermeister von Wien.

2006 wurde der Amalie-Seidel-Weg nach der Politikerin benannt.

Quelle

  • Wienbibliothek im Rathaus / Tagblattarchiv: Amalie Seidel [Signatur: TP-044614]

Literatur

  • Ilse Korotin [Hrsg.]: biografiA.Lexikon österreichischer Frauen. Band 3 P - Z. Wien [u. a.]: Böhlau 2016
  • Jean Maitron / Georges Haupt [Hg.]: Dictionnaire biographique du mouvement ouvrier international. Band 1: Autriche. Paris: Éditions Ouvrières 1971
  • Archivalisches Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Arbeiterbewegung. 1986, S. 136 ff.
  • Renate Wagner: Amalie Seidel. In: Frauenblatt, 20.10.1990, S. 8 f.
  • Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung, Herkunft, frühere Bezeichnungen. Wien: Pichler Verlag 2014, 9. Auflage, S. 29
  • Edith Leisch-Prost: "Die Partei hat mich nie enttäuscht ..." : österreichische Sozialdemokratinnen. Wien : Verlag für Gesellschaftskritik 1989


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