Zwangsarbeiterlager Brigittenauer Lände 236-238

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Daten zur Organisation
Art der Organisation NS-Institution Zwangsarbeiterlager
Datum von 1943
Datum bis 1945
Benannt nach
Prominente Personen
PageID 59809
GND
WikidataID
Objektbezug NS-Zeit
Quelle
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Letzte Änderung am 22.10.2021 durch WIEN1.lanm09mer

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In 20., Brigittenauer Lände 236-238 befand sich von 1943 bis 1945 das Gemeinschaftslager Sportplatz für Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter der nationalsozialistischen Zeit.

Stempel mit "Gemeinschaftslager 'Sportplatz' / Wien XX, Brigittenauerlände 236-238 [Telefonnummer] / Lagererhaltende Firma: Gottlieb Tesch, Wien II, Augarten" sind mehrfach auf Dokumenten im Kontext der Bauarbeiten an den Wiener Flaktürmen zu finden. So etwa auf der Rückseite eines vermutlich im April 1943 ausgestellten Ausweises eines Zwangsarbeiters, der als Untertan des kroatischen Satellitenstaates von Ustascha-Instanzen den Deutschen zwecks Zwangsarbeit übergeben wurde.

Entsprechende Meldevermerke der nationalsozialistischen Zeit lauten oft nur "Brigittenauer Lände 236-238" beziehungsweise "Brigittenauer Lände 236", manchmal mit Zusatz "(Lager Sportplatz)". Davor und danach sich mehrfach auch Aufenthalte in zwei anderen mit dem Flakturmbau eng verbundenen Lagern nachweisbar, nämlich im Lager Pater-Abel-Platz und im Lager Freihaus in 4., Wiedner Hauptstraße 10.

Meldevermerke für das Lager Sportplatz sind erst ab Juni 1943 nachweisbar, also später als bei den Lagern Pater-Abel-Platz und Freihaus.

Im Flakturmkontext findet sich im Zusammenhang mit einem französischen Zwangsarbeiter auch der Begriff "Lager Schleuse", das aber anscheinend den Standort Brigittenauer Lände 236-238 meint. "Lager Schleuse" steht auch, nach durchgestrichenem "Pater-Abel-Platz", auf einem Ende März 1943 für einen anderen französischen Zwangsarbeiter ausgestellten Ausweis als Unterkunft.

Direkter Arbeitgeber im Flakturmbaukontext war unter anderem der Wiener Baumeister Franz Jakob (Inhaber der Firma Ing. Stigler Karl & Alois Rous, Nachfolger Franz Jakob, Sitz: 7., Kirchengasse 32).

Ausweise mit Aufdruck "Der Baubevollmächtigte des Reichsministeriums Speer im Bezirk der Rüstgs.-Insp. XVII Oberbaultg. Flakturm" (Rüstungsinspektion des Wehrkreises XVII) sind im Zusammenhang mit einem weiteren französischen Zwangsarbeiter zu finden, der ihn "zum Betreten der Baustelle Flaktürme Wien ermächtigte". Datiert war dieser Ausweis mit 23. August 1943, weiter verlängert im März 1944. Auch er war "wohnhaft: Wien 20, Lager Sportplatz". Auf der Rückseite des Ausweises fand sich dort nicht der Stempel der "lagererhaltenden" Firma Tesch, sondern der Baufirma Philipp Holzmann. Diese Firma mit Zentrale in Frankfurt am Main hatte ihren Wiener Niederlassungssitz damals in 1., Trattnerhof 1, und war laut Wiener Fernsprechbuch mit Stand Juni 1941 erst nur mit einer Baustelle in Wien-Lobau vermerkt (also im Kontext des Ölumschlagsplatzes, siehe Lager Wifo-Lobau und Sager & Woerner Lobau).

Der manchmal im Flakturm-Kontext zu findende "Arbeitgeber"-Hinweis "Organisation Todt" (OT) weist offenbar darauf hin, dass es im Rüstungsministerium Speers auch eine "Abteilung Wehrbau und Ausland (Organisation Todt)" gab, mit speziellen Funktionen im nationalsozialistischen Zwangsarbeitssystem.

Immerhin sieben der bisher nachweisbaren 25 Wiener Flakturmarbeiter waren zeitweise im von der Wiener Gestapo geführten Arbeitserziehungslager (AEL) Oberlanzendorf inhaftiert. Das betraf etwa einen im Lager Sportplatz untergebrachten tschechischen Zwangsarbeiter. Ebenfalls im Lager Sportplatz und zeitweise im AEL Oberlanzendorf war auch ein französischer Zwangsarbeiter, von dem eine Kopie seiner "Arbeitskarte", ausgestellt am 23. März 1943, erhalten ist. Bei seiner "Arbeitsstelle: Gottlieb Tesch G.m.b.H. Wien II., Augarten" war er als Zimmerer beschäftigt. Nach seiner Schilderung war Arbeitsbeginn um sechs Uhr früh, Arbeitsende um 18 Uhr. Bei nach Ansicht der Vorarbeiter "ungenügender Gruppenarbeitsleistung" wurde willkürlich ein Zwangsarbeiter ausgewählt und von der Gestapo aus dem Lager Sportplatz abgeholt und als Strafmaßnahme ins AEL Oberlanzendorf gebracht.

Die Wiener Meldevermerke waren bezüglich der im Lager Sportplatz untergebrachten Arbeitskräfte teilweise offenbar lückenhaft. In Wiener Meldedaten kommt zudem ein angeblicher Lagerstandort "Brigittenauer Lände 258" vor, so bei einem tschechischen Zwangsarbeiter, der hier zumindest im März 1943 untergebracht gewesen sein soll. Dabei handelt es sich allerdings vermutlich um einen Schreibfehler.

Die wohl meisten der Flakturm-Zwangsarbeiter waren Kriegsgefangene. Außerdem sind für den Wiener Flakturmbau auch Insassen von Konzentrationslagern belegt. Der Werkschutz war zudem "unter spezielle SS-Beobachtung gestellt worden".

Zwölf (eventuell 13) im Lager Sportplatz internierte französische Zwangsarbeiter wurden knapp vor der Befreiung von flüchtenden deutschen Soldaten ermordet und von anderen Franzosen provisorisch in einem Park bei der Floridsdorfer Brücke bestattet. Die Leichen wurden am 12. April 1945 von Landsleuten gefunden, später vermutlich exhumiert und nach Frankreich überführt.

Weiters nennt auch eine Liste des Wilhelminenspitals[1] das Lager 20., Brigittenauer Lände 236 für italienische und jugoslawische Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter.

Diese Liste des Wilhelminenspitals verzeichnet die dort zwischen 1942 und 1945 behandelten Ausländerinnen und Ausländer. Die Liste enthält Aufnahmezahl, Vor- und Zuname, Geburtsdatum, Geburtsort (Land), Eintritt, Austritt, "Bestimmungsort" mit Firma und Wohnadresse (mit den zeitgenössischen Straßennamen).[2]

Laut Lehmanns Adressbuch 1938 waren die Adressen Brigittenauer Lände 236 und 238 im Besitz der Gemeinde Wien.

Siehe auch: Zwangsarbeit, Zwangsarbeiterlager, Lager in Wien

Quellen

Literatur

  • Ute Bauer: Die Wiener Flaktürme im Spiegel österreichischer Erinnerungskultur. Wien: Phoibos Verlag 2003
  • Stefan August Lütgenau: Zwangsarbeit im "Reichsgau" Wien 1938-1945. In: Studien zur Wiener Geschichte. Jahrbuch des Vereins für Geschichte der Stadt Wien 59 (2003), S. 167-186
  • Hermann Rafetseder: Lager und lagerartige Unterkünfte der NS-Zeit in Wien für das Online-Lexikon "Wien Geschichte Wiki", auf Basis von Material des Österreichischen Versöhnungsfonds. 108 Lager-Artikel und vier "Bonus-Tracks", erstellt im Auftrag des Wiener Stadt- und Landesarchivs. Linz: Eigenverlag 2017
  • Hermann Rafetseder: NS-Zwangsarbeits-Schicksale. Erkenntnisse zu Erscheinungsformen der Oppression und zum NS-Lagersystem aus der Arbeit des Österreichischen Versöhnungsfonds. Bremen: Wiener Verlag für Sozialforschung in EHV Academicpress GmbH 2014, S. 361-368 und 407

Einzelnachweise

  1. Wiener Stadt- und Landesarchiv, M.Abt.209 - Wilhelminenspital, A1 – Direktionsakten: Mappe 47: "Suchaktion Ausländer".
  2. Irrtümer bei den Bezirken und Hausnummern sind nicht ausgeschlossen. In die Bearbeitung aufgenommen wurden nur jene Adressen, bei denen "Lager" angegeben war, beziehungsweise nur jene Firmenlager, die als solche bezeichnet wurden.